Die Liebe kommt auf leisen Schwingen von AngelOfLoneliness ================================================================================ Kapitel 1: Der Überfall ----------------------- Ich erinnere mich noch ganz genau an diese Nacht. Das klirren der Schwerter, das Prasseln der Flammen, das Geschrei und Wehklagen der Männer und Frauen und der Geruch nach Blut. Wie hatte es nur so weit kommen können? Unser Dorf lag ziemlich abgelegen inmitten der Wälder. Die Stadt war einen halben Tagesmarsch entfernt. Weit genug, damit uns niemand störte und nah genug, um bequem einkaufen zu können, sollte es nötig sein. Und das war es oft, da unser Dorf sehr klein war. Es bestand aus einer Hand voll einfacher Hütten, von denen eine ein Schmiedgeschäft und eine andere einen Obstladen beherbergten. Mit Wasser konnten wir uns selbst versorgen, da ein kleiner Bach durch das Dorf hindurchlief. Dort holten wir unser Trinkwasser und wuschen unsere Wäsche. Dort kannte jeder jeden und alle waren freundlich. Es war ein kleines Paradies und ich war froh, es gefunden zu haben. Ich war nämlich nicht in diesem Dorf geboren worden. Eines Tages fand mich eine Bäuerin im Wald. Verletzt und ohne Gedächtnis. Sie nahm mich mit in ihr Dorf und alle Bewohner hatten mich herzlich aufgenommen und nun lebte ich schon 4 Jahre dort, ohne dass etwas passiert war. Bis zu jenem Tag an dem sich alles veränderte. Sie kamen in der Nacht. Lautlos wie Schatten fielen sie über uns her. Die meisten Dorfbewohner bekamen erst mit dass sie da waren, als ein Schwert bereits auf sie niedersauste. Ich lag noch im Bett, als ich plötzlich das Geschrei hörte. Sofort sprang ich auf und eilte hinaus. Was ich dort sah, ließ mir den Atem stocken. Überall lagen zusammen gekrümmte Körper auf dem Boden. Ihr Blut tränkte die Erde und ließ sie fast schwarz aussehen. Der Himmel wurde von den Flammen erleuchtet, die aus den Häusern schossen. Wohin man auch sah, war nur Tod und Verderben. Und inmitten des Grauens waren sie. Schwarze Reiter mit Masken, die aus Knochen zu bestehen schienen. Wie ausgehungerte Wölfe fielen sie über die Dorfbewohner her und metzelten sie nieder. Und da fiel mir auf, dass nur die Männer und die alten Frauen erschlagen wurden. Die jüngeren hatten sie in der Mitte des Platzes zusammengetrieben und bedrohten sie mit ihren Schwertern, während andere ihnen die Hände fesselten. «Sklaventreiber...», dachte ich nur und wich zurück in den Schutz des Hauses. Aber es war schon zu spät. Einer der Männer hatte mich bemerkt und stürmte nun auf mich zu. Voller Panik fuhr ich herum und versuchte, vor ihm davonzulaufen. Allerdings kam ich nicht weit. Ich stolperte über die Pfosten des Obstladens und stürzte zu Boden. Entsetzt sah ich zu dem Mann, der nun immer näher kam. Ich konnte einfach nicht mehr entkommen. Ängstlich kniff ich die Augen zu und hoffte nur, es würde schnell gehen. Aber kurz darauf hörte ich einen entsetzlichen Schrei und riss die Augen auf. Er stand direkt vor mir. Aber mein Angreifer war nicht mehr in der Lage mir etwas anzutun. Schreiend schlug er auf die Flammen, die aus seinem Körper hervorzüngelten. Voller Verwunderung bemerkte ich, dass die Flammen blau waren. Und nicht gelb wie gewöhnlich. Schnell wollte ich mich aufrichten und stützte mich mit den Händen auf dem Boden ab. Jedoch fuhr in diesem Moment ein schrecklicher Schmerz durch meine Finger. Verwirrt sah ich nach unten und was ich dort zu sehen bekam, würde ich mein Leben lang nicht mehr vergessen. Obwohl ich den Flammen der Häuser nicht nahe gekommen war, waren meine Finger verbrannt. Als hätte ich direkt ins Feuer hineingefasst. Total verdattert starrte ich auf meine verbrannten Hände und so merkte ich nicht, wie sich jemand von hinten anschlich. Dann spürte ich schon den Schmerz in meinem Kopf explodieren, als derjenige mir irgendetwas gegen den Kopf schlug und mich umhüllte nur noch Dunkelheit. Kapitel 2: Die Stadt der Elfen ------------------------------ Eine ganze Weile später öffnete ich benommen die Augen und blinzelte ins grelle Sonnenlicht. Ich dachte im ersten Moment noch, es wäre nur ein Traum gewesen. Bis ich das Wimmern der Frauen hörte und eine tiefe Stimme, die sie zur Ordnung rief. „Hört endlich auf zu heulen!“ brüllte er und ließ eine Peitsche knallen, woraufhin alle anderen Stimmen erstarben. Vorsichtig richtete ich mich auf und sofort kehrten die Kopfschmerzen zurück. Keuchend krümmte ich mich zusammen und hatte Mühe, mich nicht zu übergeben. Nachdem der Schmerz etwas abgeklungen war, setzte ich mich, diesmal noch langsamer, wieder auf und ließ meinen Blick schweifen. Ich war auf ein Pferd gebunden, sodass ich mich zwar aufsetzen, aber meine Hände nicht bewegen und auch nicht absteigen konnte. Hinter mir liefen die gefesselten Frauen in Reih und Glied hinter meinem Pferd her. Ich fragte mich, warum ich die einzige war die reiten durfte. Wir befanden uns in einer Felsenschlucht. Es gab kein Gras, keine Bäume und wenn man nach oben sah, erkannte man wie weit die Felsen sich nach oben erstreckten. «Wie lange sind wir wohl schon unterwegs?», dachte ich, da ich den Stand der Sonne nicht abschätzen konnte. Anscheinend hatte ich irgendein Geräusch verursacht. Denn ruckartig drehte sich der Mann um, der mein Pferd führte und starrte mich durch seine Maske hindurch an. „Ach die kleine Hexe ist auch schon wach“, schnarrte er mit einer unangenehmen Stimme und lachte leise. „Für dich haben wir etwas ganz besonderes geplant. Freu dich schon mal darauf.“ Lachend wandte er sich wieder um und führte mich weiter. Ich fragte mich, was sie wohl mit den Frauen und mir vor hatten. Und wieso hatten sie mit mir etwas Besonderes vor? Ich verstand es nicht. Aber auf nachfragen wurde ich nur böse angefaucht und bekam Drohungen mit der Peitsche. Also hielt ich lieber den Mund. Schluckend senkte ich den Blick und sah auf meine Hände. Ich war entsetzt, als ich sah dass die Brandwunden schon fast verheilt waren. Schließlich hatte ich ganz genau gesehen, wie schwer sie verbrannt waren. Schon öfter hatte ich bemerkt, dass meine Wunden sehr schnell heilten. Aber das waren bis jetzt immer nur kleine Schnitte gewesen. Und die Wunden mit denen ich gefunden wurde, waren auch langsamer verheilt. Aber jetzt... Schluckend schaute ich zu den Soldaten und fragte mich, ob sie wohl das blaue Feuer gesehen hatte. Gingen sie etwa davon aus, dass ich das gemacht hatte? Das war doch lächerlich. Aber andererseits...würde es meine verbrannten Hände erklären. Mir entfuhr ein leises Seufzen und ich schloss die Augen. Hoffentlich hatte diese Reise und diese Ungewissheit bald ein Ende. Tagelang wanderten wir weiter durch die Felsenschlucht und noch weiter. Vorbei an saftigen grünen Wiesen, Bauernhöfen und spielenden Kindern, die uns bloß verächtliche Blicke schenkten und uns lachend mit Dreck bewarfen. Unsere Entführer lachten mit ihnen und feuerten sie an. Wenn eine der Frauen stolperte oder hinfiel, wurde sie bloß angebrüllt und wieder auf die Füße gezerrt. Wasser und Nahrung bekamen wir so viel, dass wir unterwegs nicht verhungerten. Aber nie mehr als notwendig. Dann endlich erreichten wir eine Stadt. Die hohen Zinnen der Türme reckten sich in den Himmel und die Sonne glänzte auf den Dächern. Weiß wie die Wolken waren die Gebäude. Jedes einzelne von ihnen. Sogar die Stadtmauern waren nicht grau, wie es in den Städten üblich war. Und die Dächer…sie sahen aus, als würden sie aus reinstem Silber bestehen. Das würde natürlich auch erklären, warum die Sonne sich so auf ihnen spiegelte. Als wir die Stadt betraten, war es so als wären wir in einer anderen Welt angekommen. Alle Leute waren edel gekleidet. Sie trugen Kleidung aus teuerstem Satin und feinster Seide. Ihre Haltung war aufrecht. Sogar die der Kinder. Keines lief durch die Straßen, spielte oder schrie herum. Sie alle liefen mit versteinerter Miene hinter oder neben den Erwachsenen her. Das seltsamste aber war, dass jeder Bewohner dem wir begegneten blonde bis silberne Haare hatte. Auch die Augenfarben beliefen sich, soweit ich es erkennen konnte, auf blau oder grau. Und die Ohren liefen nach oben spitz zu. «Elfen…», dachte ich und betrachtete staunend die wunderschönen Wesen. Kein einziges war hässlich oder zeigte Spuren vom Alter. Sie alle waren jung. Nur ihre Augen verrieten ihr Alter. Die Weisheit vieler Jahrhunderte spiegelte sich in ihrem Blick wieder. Aber sie würdigten uns nicht eines Blickes. Wieder wurden wir weitergezerrt und ich bemerkte dass, je weiter wir in die Stadt vorstießen, desto mehr verschwand der Prunk und die Schönheit. Immer öfter wurden Gassen sichtbar, in denen der Dreck auf der Straße lag und wo die Gebäude statt des reinen weiß, ein trauriges Grau zeigten. Vermummte Gestalten liefen an uns vorbei, den Blick gesenkt damit man sie bloß nicht erkannte. Einige wurden von unseren Entführern einfach grob zur Seite gestoßen, wenn sie nicht schnell genug aus dem Weg gingen. Ganz anders wie am Eingang der Stadt, wo die Männer sich bemüht hatten keinen der Elfen zu berühren. Schon nach kurzer Zeit hörten wir Gemurmel und das Geschrei eines einzelnen Mannes. Es hörte sich an, als würde er Waren anpreisen. «Ein Markt? Hier?» Verwirrt hob ich den Blick und versuchte in dem dämmrigen Licht vor mir etwas zu entdecken. Die Nacht brach bereits herein, sodass die Gassen immer dunkler wurden und immer weniger zu erkennen waren. Aber dann kamen wir zu einem hell erleuchteten Platz, der voller Leute war. Sie alle standen um ein Podium herum, auf dem ein fettleibiger Mann in teurer Kleidung stand und auf drei Frauen hinter sich deutete. «Kein Markt..»,. schoss es mir durch den Kopf und ich beobachtete entsetzt die Szene vor mir. «Das ist ein Sklavenhandel!» Wie erstarrt saß ich auf dem Pferd und beobachtete, wie die Männer durcheinanderschrien um eine der Frauen für einen günstigen Preis zu ergattern. Das Blut gefror mir in den Adern bei diesem Anblick. Die Frauen selbst standen schweigend und mit gesenkten Blicken auf dem Podium und ließen es über sich ergehen. Die Dorfbewohnerinnen beobachteten das Spektakel ebenfalls geschockt und voller Angst, weil sie wussten dass ihnen das gleiche blühte. Und schon wurden sie weitergezerrt zu einem kleinen Zelt das aufgebaut worden war. Wahrscheinlich würden sie dort entkleidet und für den Verkauf vorbereitet werden. Seltsamerweise führte der Anführer mein Pferd zum anderen Ende des Platzes. „Was…was habt Ihr vor?“ fragte ich panisch und sah zurück zu meinen ehemaligen Freundinnen. „Wo bringt Ihr mich hin?!“ Der Mann ließ ein Lachen hören und führte mich weiter. „Glaubst du wirklich ich würde dich an irgendeinen Bauerntrampel verkaufen lassen? Nein meine Kleine. Du bist etwas besonderes, also kommst du auch zu einem besonderen Kunden. Ich habe ihn schon benachrichtigen lassen, dass wir beide kommen. Und ich denke er wird von dir begeistert sein. Also halt schön die Klappe. Denn wenn meine Belohnung wegen dir geschmälert wird, kannst du was erleben! Verstanden?!“ Mit vor Schrecken geweiteten Augen starrte ich ihn an und konnte zur Bestätigung nur noch nicken. Was hätte ich auch anderes tun sollen? Meine Hände waren gefesselt und der Mann war viel stärker als ich. Ich hätte sowieso keine Chance. Nebenbei bemerkte ich, wie wir wieder in das Viertel der Reichen kamen. Man erkannte es sofort an den schneeweißen Gebäuden und dem reinen Geruch. «Jemand Besonderes hatte er gesagt…», überlegte ich und schaute mich um. «Wird er mich etwa an einen reichen Lustmolch verkaufen? Oder einen Magier der irgendwelche perversen Experimente mit mir machen wird? » Kapitel 3: Das Schloss ---------------------- Nun ergriff die Angst wieder von mir Besitz und ich spürte wie mir das Blut aus dem Gesicht wich. Immer weiter gingen wir und ließen die Stadt hinter uns. Nach kurzer Zeit tauchte vor uns ein riesiger Palast auf. Er war ebenfalls schneeweiß, mit silbernem Dach. Aus ihm gingen auch die hohen Türme hervor, um die sich weiße Rosen in Spiralen emporwanden. Das Schloss war von einer Mauer umgeben, in deren Vorderseite ein ebenfalls silbernes Tor eingelassen worden war. Auf beiden Seiten des Tores stand eine Statue. Links ein Engel mit angelegten Flügeln und einem großen Schild, welchen er schützend vor sich hielt. Rechts ein Engel mit ausgebreiteten Flügeln und gezogenem Schwert. Beide in weiß gehalten. Und sie wirkten so echt, als würden sie uns wirklich beobachten und den Palast verteidigen. Ein Schauer lief mir über den Rücken, als ich in die leeren Augen des Wächterengels sah. Er trug ein Toga ähnliches Gewand und seine langen Haare fielen ihm bis zur Mitte seines Rückens. Ich wusste selbst nicht, warum mein Herz bei seinem Anblick so schnell schlug. Das Gesicht des Engels kam mir so vertraut vor... Während ich noch darüber nachdachte, öffnete sich lautlos das Tor wie durch Zauberhand und ein sehr kleiner Mann kam uns entgegen. Sein Gang war gebeugt, sodass sein langer, weißer Bart auf dem Boden hing. Das Gesicht war alt und runzlig und als er uns ansah, schienen seine Augen wie schwarze Kohlen, in denen ein kaltes Feuer glühte. Und seine Abscheu uns gegenüber war nicht zu übersehen. „Was wollt ihr?“ schnarrte er mit einer krächzenden Stimme. „Wenn ihr keinen Termin habt, verschwindet! Mein Herr empfängt heute niemanden!“ Ich musterte den kleinen Kerl und suchte in meinem Gedächtnis nach seiner Rasse. Und bei dem Anblick seiner großen Nase und des dichten, schneeweißen Bartes, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. «Ein Zwerg…» In den letzten Jahren war mir nur ein einziger begegnet. Sie waren verschlagene kleine Kreaturen die, wenn sie nicht gerade in ihren Minen arbeiteten, demjenigen dienten, der am besten bezahlte. Man musste nur aufpassen, dass man auch der bestbezahlende blieb. Denn sobald die Zwerge ein besseres Angebot bekamen, war der vorherige Geldgeber vergessen. Blinzelnd hörte ich, wie mein Entführer antwortete. „Doch ich denke er wird uns empfangen. Wir haben ein Geschenk für ihn und ich glaube nicht, dass er es ablehnen wird. Also bring uns zu ihm.“ Der finstere Blick des Zwerges wandte sich nun mir zu und musterte mich abschätzend. „Der Herr hat mehr als genug Frauen. Was soll er mit…“ Er stockte und runzelte die Stirn. Zögernd trat er näher an mich heran und schien an mir zu schnüffeln. Plötzlich weitete er die Augen. „Allmächtiger...“ keuchte er und wich zurück. „Bringt sie schnell rein! Der Herr wird euch gleich empfangen!“ meinte er aufgeregt und watschelte voraus. Völlig verwirrt schaute ich ihm nach und fragte mich, wieso er auf einmal seine Meinung geändert hatte. Verstohlen schnüffelte ich an mir. Ich roch noch ein wenig nach dem Qualm im Dorf. Aber sonst nahm ich nichts Besonderes wahr. Ich hatte jedoch keine Zeit mehr darüber nachzudenken, da ich schon weiter in das Gebäude gezerrt wurde. Die Eingangshalle war einfach riesig. Der Boden bestand aus feinstem weißen Marmor und auf ihm war ein weinroter Teppich ausgelegt, der sich wie ein Weg durch die Eingangshalle und eine riesige Treppe hinauf wand. «Es wirkt, als würde der Boden bluten…» Als mir dieser Gedanke kam, durchfuhr mich wieder die Erinnerung an den Überfall und Bilder des blutgetränkten Bodens drängten sich in meinen Kopf. Jedoch war da auch eine andere Erinnerung. Sie war ganz schwach und schien nicht wirklich greifbar. Ich sah Bilder einer Schlacht. Überall lagen reglose Gestalten. Die weißen Gewänder mit Blut befleckt und die Flügel zerrissen. Moment…Flügel? Angestrengt versuchte ich mich weiter zu erinnern und bemerkte nun, dass ich in der Erinnerung selbst auf dem Boden lag. Eine Gestalt beugte sich über mich, streckte den Arm nach mir aus und sagte irgendetwas in einer fremden Sprache, aber ich konnte ihr Gesicht nicht sehen. Verzweifelt versuchte ich es zu erkennen, jedoch holte ein unsanftes Rucken an meinem Arm mich in die Wirklichkeit zurück. Verwirrt blinzelnd hob ich den Blick und sah mich meinem Entführer gegenüber. Mit finsterem Ausdruck starrte er mich an. „Jetzt kipp mir bloß nicht um“, knurrte er und zog mich weiter. „Ich weiß ja nicht was los ist, dass du so kreidebleich geworden bist. Und es ist mir auch egal. Aber wenn du mir das Geschäft versaust, wirst du deines Lebens nicht mehr froh. Verstanden?!“ Ich konnte nur nicken, da ich mit meinen Gedanken noch immer in dieser seltsamen Erinnerung war. Ich versuchte mich an das Gesicht der Person zu erinnern und die Sprache einer Kultur zuzuordnen. Aber immer wenn ich der Lösung nahe war, rückte sie wieder in ungreifbare Ferne. Widerstandslos ließ ich mich mitziehen und betrachtete aufmerksam meine Umgebung. Unser Weg führte durch hohe, von Statuen gesäumte, Gänge. Wandteppiche mit Bildern von vergangenen Schlachten schmückten die Wände. Mir fiel auf, dass jede Statue und jedes Bild einen Engel zeigten. Friedliche, kämpfende, tanzende, trauernde….in allen möglichen Formen schmückten die wunderschönen Himmelswesen die Gänge und vermittelten einem das Gefühl, beobachtet zu werden. Die Blicke aus den leeren Augen der Figur schienen mir bei jedem meiner Schritte zu folgen. Aber wie schon am Eingangstor war es kein unangenehmes Gefühl. Ich hatte eher das Gefühl, dass sie über mich wachten. Ich schüttelte leicht den Kopf bei diesen abstrusen Gedanken. Wir ließen den Gang hinter uns und blieben vor einer riesigen, weißen Flügeltür stehen. Der Zwerg klopfte an und einen Moment später war ein leises ‚Herein’ zu hören. Bevor er den Raum betrat, bedeutete der Zwerg und dass wir warten sollten. Dann ging er hinein, lehnte die Tür allerdings nur an, sodass wir alles hören konnten was drinnen besprochen wurde. „Herr ihr habt Gäste“, hörte man die schnarrende Stimme des Zwerges. „Was soll das Ulfar?“ fragte ein anderer Mann. Dessen Stimme war allerdings weich und die Person sprach in einem ruhigen Ton, dem man die Verärgerung nur eicht entnehmen konnte. „Ich hatte deutlich gesagt, dass ich heute keinen Besuch empfange. War dieser Befehl so schwer zu befolgen?“ Ich hörte Papier rascheln und ging davon aus, dass die Person an einem Schreibtisch saß. „Nein...natürlich nicht Meister…“, schnarrte der Zwerg und an seiner Stimme merkte man, dass er nervös wurde. „Aber es sind die Sklavenhändler und…“ „Ich brauche keine Sklavinnen Ulfar!“ unterbrach ihn der Mann nun deutlich erzürnter. „Ja aber Herr…diese ist…anders…“ stammelte der Zwerg und ich konnte mir bildlich vorstellen, wie er unter dem strengen Blick seines Meisters noch mehr zusammenschrumpfte. „Anders?“ fragte der Mann, scheinbar gelangweilt. „Was sollte an ihr anders sein, als an allen anderen Frauen die mir vorgesetzt wurden? Sie alle waren dreckig, haben gestunken und waren nur für die Hausarbeit zu gebrauchen. Egal wie hübsch sie auch waren. Aber es waren trotz allem Menschen.“ Erneut raschelte das Papier und ich hörte, wie der Zwerg sich räusperte. „Genau das ist es ja Herr…“ meinte er nun und seine Stimme hatte einen verschwörerischen Unterton angenommen. „Sie ist kein Mensch!“ Das Papier hörte auf zu rascheln und ich hörte, wie ein Stuhl nach hinten gerückt wurde. Scheinbar war die andere Person aufgestanden und trat auf den Zwerg zu, wie an den Schritten zu hören war. „Was meinst du damit? Sie ist kein Mensch? Was ist sie dann?“ Bei dieser Frage horchte ich auf und versuchte noch besser zu lauschen. Allerdings war nun nichts mehr zu hören. Scheinbar flüsterte der Zwerg es ihm nur zu. Frustriert ließ ich den Kopf hängen und schaute auf meine Füße. „WAS?!“ Erschrocken zuckte ich zusammen, als ich den ungläubigen Aufschrei aus dem Zimmer hörte. Kurz darauf wurde die Tür aufgerissen und vor mir stand der schönste Mann, den ich jemals gesehen hatte. Seine Veilchenblauen Augen starrten mich verdutzt aus einem leicht gebräunten Gesicht an. Mir fiel auf, dass er für einen Elf, dessen Haut die Farbe von Elfenbein hatte, viel zu dunkel war. Aber dieser olivefarbene Teint verpasste ihm etwas verwegenes. Langes, blondes Haar umspielte sein schlankes Gesicht, konnte aber nicht die Spitzen seiner Ohren verdecken. Aber es brachte gut die Farbe seiner Augen zur Geltung. «Aber es sieht falsch aus...», dachte ich. «Als hätte er sich nur verkleidet.» Seine Augen waren von langen, dunklen Wimpern umrahmt, welche leichte Schatten auf seine Haut warfen. Seine Nase wies einen leichten Knick auf, als wäre sie schon öfter gebrochen gewesen und seine Lippen, welche zu einem dünnen Strich zusammengepresst waren, vermittelten den Eindruck von Härte. Wie gebannt starrte ich ihn an und beobachtete, wie seine Mundwinkel sich langsam entspannten und ein leichtes Grinsen sich auf sein Gesicht legte. «Jetzt sehen sie viel weicher aus...», dachte ich und blinzelte, als der Mann anfing zu sprechen. „Unglaublich..“ murmelte er und trat näher zu mir. Sein prüfender Blick wanderte über meinen Körper und schien sich direkt in meine Seele zu bohren. Bei dem Klang seiner Stimme durchfuhr mich ein wohliger Schauer. Das seltsamste war, dass ich keine Angst hatte. Ich war schlicht und ergreifend...verwirrt. Nichts an diesem Mann schien zu passen. Seine dunkle Haut, die falsch wirkenden Haare und nun seine tiefe, wohlklingende Stimme, obwohl Elfen normalerweise eine viel hellere und melodiösere hatten. Nun fiel mir auch auf, dass seine Ohren viel kürzer waren als die der Elfen. «Ob er ein Mischling ist?» Kaum war mir dieser Gedanke gekommen, da verfinsterte sich der Blick meines Gegenübers als hätte er ihn gehört. Aber er sagte nichts zu mir, sondern wandte sich meinen Entführern zu. „Wie viel verlangt ihr für die Frau?“ fragte er kühl. Der Anführer musterte mich abschätzend und grinste dann. „Nun außer ihren seltsamen Fähigkeiten ist sie noch ein echtes Prachtexemplar. Ich würde sagen...200 Silberstücke.“ Ich schnappte nach Luft bei diesem hohen Preis und war mir sicher, der Mann würde uns nun davon jagen. Aber ohne mit der Wimper zu zucken winkte er den Zwerg heran und trug ihm auf, den Männern das gewünschte Silber zu geben. Dabei sah er aber die ganze Zeit mich an. Und seltsamerweise schämte ich mich nun dafür, dass ich so schmutzig vor ihm stand. Peinlich berührt sah ich auf meine Füße und merkte kaum, wie ich losgelassen wurde und die Männer dem Zwerg folgten. Erst als ich die Stille bemerkte, wurde mir die Nähe des Fremden nur allzu deutlich bewusst und ich hob zögernd den Kopf um ihn anzusehen. Sein ruhiger Blick ruhte auf meinem Gesicht. In der Zwischenzeit hatte er scheinbar ein Dienstmädchen herbeigerufen, dem er sich nun zuwandte. „Sorg dafür, dass sie gewaschen und neu eingekleidet wird. Dann bring sie wieder zu mir!“ Nach dem Nicken des Dienstmädchens wandte er sich um und ging, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, zurück in sein Arbeitszimmer. Schluckend wandte ich mich nun der jungen Frau zu, die neben mir stand und mich freundlich musterte. Sie hatte glatte, haselnussbraune Haare, welche ihr bis zum Kinn reichten. Ihre Augen hatten ein dunkles Grün und ihre Nase war voller Sommersprossen. Wäre sie mir auf der Straße begegnet, hätte ich sie rein vom äußeren als fröhliche Person eingeschätzt. Aber nun stand sie da und starrte mich einfach nur mit leerem Blick an. „Folge mir!“ sagte sie mit monotoner Stimme und ging voraus, ohne sich darum zu kümmern, dass meine Hände noch immer gefesselt waren. Schweigend folgte ich ihr durch die Gänge und betrachtete dabei verstohlen die Porträts an den Wänden. Auch hier waren überall Gemälde von Engeln an den Wänden angebracht. Während ich die Bilder so musterte viel mir der riesige, weinrote Vorhang auf, der einen Großteil der Wand bedeckte. Als ich genauer hinsah konnte ich erkennen, dass sich dahinter eine ebenholzfarbene Tür verbarg. «Was sich wohl in diesem Raum befindet? Bestimmt etwas wichtiges, wenn er so versteckt ist...» dachte ich, traute mich aber nicht die Dienerin zu fragen. Wahrscheinlich würde sie mir sowieso nicht antworten. Also folgte ich ihr schweigend weiter, bis sie vor einer weißen Flügeltür stehen blieb. Nachdem sie diese geöffnet hatte, konnte ich in ein riesiges Bad sehen. Der Boden und die Wände bestanden aus feinstem Marmor, der wie Perlmutt glänzte. Zudem war in den Boden eine große Wanne eingelassen und auf dem Boden der Wanne war mit blauen Steinen ein Einhorn geformt worden. Mir blieb für einen Moment der Mund offen stehen, bis die Dienerin mich grob in den Raum schob und begann mich auszuziehen. „Der Herr mag es nicht, wenn man ihn warten lässt“, meinte sie, während sie mir die Fetzen meines Kleides vom Körper zog. Aber die Fesseln löste sie immer noch nicht. Peinlich berührt versuchte ich meine Blöße zu verstecken, was sie aber nur mit einem abfälligen Schnauben und einer Handbewegung in Richtung Wanne kommentierte. Also stieg ich in das warme Wasser und lehnte mich zurück. Ich konnte mich allerdings nicht lange entspannen, da die Frau sich schon hinter mich an den Wannenrand gekniet hatte und begann grob meine Haut zu schrubben und so von dem Dreck der Reise zu befreien. Auf meine schmerzvollen Laute reagierte sie nur mit einem emotionslosen Blick und schrubbte meine Haut, bis sie krebsrot war. Dann wusch sie noch gründlich meine Haare, entknotete sie und schnitt gleichzeitig die kaputten Spitzen ab, indem sie meinen Kopf so weit zurückzog dass ich dachte, sie würde mir gleich den Kopf abreißen. Die abgeschnittenen Haare fing sie mit einem Tuch auf, welches sie mir vorher unter den Kopf gelegt hatte. Nachdem das fertig war, wusch sie mir erneut den Körper. Aber dieses Mal mit einem gut riechenden Öl. Dann zog sie mich mit einer erstaunlichen Kraft aus dem Wasser, trocknete mich mit einem weichen Handtuch ab und half mir dabei, Unterwäsche und ein schlichtes, weißes Kleid anzuziehen, welches sie am Rücken zu schnürte. Anschließend kämmte sie mir noch die Haare, stellte mir ein paar weiße Pantoffeln hin, in welche ich schnell schlüpfte und führte mich dann den gleichen Weg zurück, den wir gekommen waren. Dabei fiel mein Blick wieder auf den roten Vorhang. „Denk nicht mal daran, zu diesem Raum zu gehen!“ erklang plötzlich die kalte Stimme des Dienstmädchens. Fragend sah ich zu ihr nach vorne. „Warum nicht? Was ist dort?“ Auf meine Frage hin erntete ich allerdings nur einen vernichtenden Blick als Antwort, bevor sie vor der Tür vom Anfang stehen blieb und anklopfte. Auf das leise ‚Herein’ hin, öffnete sie die Tür, trat ein, kündigte mich an und winkte mir dann zu, als Zeichen dass ich eintreten sollte. Nach kurzem Zögern und einem weiteren vernichtenden Blick der Frau, betrat ich schließlich das Büro. Das Dienstmädchen verschwand sofort aus dem Büro und schloss die Tür hinter sich. Nervös sah ich mich in dem Raum um. Ich konnte nicht viel erkennen, weil die dunklen Vorhänge zugezogen waren und somit jegliches Sonnenlicht aus dem Raum verbannt worden war. Die einzige Lichtquelle war eine Kerze, die auf einem massiven Schreibtisch stand und deren flackerndes Licht sich an den Wänden wiederspiegelte. Die Gestalt, welche an dem Schreibtisch saß, war fast vollkommen in den Schatten verborgen. Nur seine Hand, an welcher sich ein goldener Ring mit einem Rubin befand, wurde von der Kerze beleuchtet und das Rot des Rubins schien lebendig zu sein. Das Licht, welches von ihm zurückgestrahlt wurde, schien direkt in die Augen des Mannes und ließ es so aussehen, als seien seine Augen blutrot und nicht blau. „Da bist du ja endlich...“ Mich durchfuhr ein warmer Schauer, als seine Stimme durch den Raum hallte und mich aus meinen Gedanken riss. „Gut siehst du aus. Das steht dir doch viel besser, als der Schmutz und diese Lumpen die du anhattest.“ Ich wusste auf seine Worte nichts zu erwidern, also senkte ich nur den Blick und schwieg. Das Dienstmädchen hatte mich nicht in den Spiegel sehen lassen. Also wusste ich nicht wie ich aussah. So konnte ich auch nicht erkennen, ob er es ernst meinte oder mich nur verspottete. Seiner Stimme konnte man keine Gefühlsregung anhören. Ich hörte das knarren von Leder und erkannte so, dass er aufgestanden war. Langsam näherte er sich mir. Ich konnte schon diesen herben, männlichen Duft riechen, den er verströmte. Er hatte einen besonderen Geruch. Wie Kaminholz, dass gerade verbrannt wurde. Ich liebte diesen Duft. Und das war auch der Grund aus dem ich vor ihm zurückwich. Dieser Mann hatte eine zu große Wirkung auf mich...ich wollte ihn einfach nicht als Mann sehen, sondern als Verbrecher. Nur wollte und wollte es nicht funktionieren. „Warum weichst du denn zurück meine Schöne?“ fragte er ruhig, während er näher kam. Dabei lag die Hälfte seines Gesichts im Schatten. Trotzig reckte ich das Kinn und warf ihm einen, hoffentlich, bösen Blick zu. „Warum sollte ich nicht zurückweichen? Schließlich haltet Ihr mich hier gefangen. Fern von meinem Zuhause!“ blaffte ich und wich so weit zurück, bis ich die Wand in meinem Rücken spürte. Ich hoffte, dass ich mich so zur Tür tasten konnte. Doch der Mann machte mir einen Strich durch die Rechnung. Schneller als ich reagieren konnte, stand er auf einmal vor mir und stemmte seine Hände neben meinem Gesicht gegen die Wand, sodass es kein Entkommen für mich gab. „Aber, aber...“, murmelte er und kam meinem Gesicht sehr nahe. Viel zu nahe! „Du bist hier doch keine Gefangene. Wäre es so, dann hätte ich dich bestimmt nicht so einkleiden lassen“, erklärte er ruhig und sah mir dabei tief in die Augen. Mir blieb nichts anderes übrig, als diesen Blick zu erwidern, wollte ich doch nicht schwach wirken. „Fühle dich mehr als mein Gast...auf unbestimmte Zeit.“ Mit einem Schmunzeln nahm er die Arme runter und trat einen Schritt zurück. Erst in diesem Moment fiel mir auf, dass ich die Luft angehalten hatte. Hastig ließ ich sie entweichen und nahm einen tiefen Atemzug. Wie schaffte er es nur, mir so den Atem zu rauben? Mit seiner bloßen Anwesenheit... Innerlich schüttelte ich den Kopf und richtete mich wieder zu meiner vollen Größe auf. „Vielleicht möchte ich aber gar nicht Euer Gast sein. Und wie ich eingekleidet wurde kann ich nicht beurteilen, wurde mir doch nicht gestattet in einen Spiegel zu sehen bevor ich zu Euch gebracht wurde.“ Bei meinen Worten legte sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen, was ihn bedauerlicherweise noch attraktiver machte. „Oh das ist unverzeihlich“, sagte er mit einem schelmischen Funkeln in den Augen. „Das müssen wir sofort ändern.“ Meinen verwirrten Blick ignorierend ging er an das gegenüberliegende Ende des Zimmers und zog dort ein weißes Tuch von einem Spiegel. Danach wandte er sich wieder zu mir um und streckte mir die Hand entgegen. „Komm und betrachte deine Schönheit!“ Einen Moment zögerte ich, nachdenklich ob ich die Gelegenheit ergreifen und fliehen oder zu ihm gehen sollte. Zum Schluss siegte die Neugier und ich durchquerte den Raum. Nachdem ich einmal tief durchgeatmet hatte, trat ich vor den Spiegel und sah hinein. Und der Atem den ich gerade noch eingesogen hatte, stockte und blieb in meiner Brust stecken. Mir gegenüber stand eine junge, schon fast zierliche Frau. Große meerblaue Augen sahen mich aus einem blassen Gesicht an. Lange blonde Haare fielen in sanften Wellen über ihre Schultern und endeten knapp über ihrem Po. Der schlanke Körper war in ein weißes Kleid gehüllt, welches die zierliche Figur umspielte und das, doch recht gut gefüllte, Dekoltee zur Geltung brachte. Leicht schluckend betrachtete ich mich und konnte nicht fassen, dass das wirklich ich war. Bis zu diesem Tag hatte ich mich immer nur in Bachläufen gesehen und mich nie als besonders hübsch empfunden. Aber so zurecht gemacht schien es mir, als wäre ich eine Prinzessin. „Jetzt siehst du, was ich meinte“, erklang die tiefe Stimme des Mannes hinter mir und ich wandte meinem Blick nun seinem Spiegelbild zu. Doch es war irgendwie...verschwommen. Als würde sich etwas anderes unter seinem Bild verbergen. Als hätte er meine Verwirrung bemerkt, zog er sich von dem Spiegel zurück und entfernte sich ein paar Schritte davon. Nachdem er aus meinem Blickfeld verschwunden war, wandte ich mich wieder meinem Spiegelbild zu und legte den Kopf leicht schief. Es schien so, als würde der Spiegel irgendetwas anderes noch reflektieren. Denn über meinen Schultern ragte irgendetwas schimmerndes in die Luft. Aber wenn ich genauer hinsah, fing es an zu flackern. Irritiert sah ich hinter mich, konnte aber nichts entdecken was dieses Bild hätte hervorrufen können. Verwirrt runzelte ich die Stirn und sah in den Spiegel, wo immer noch diese seltsame Spiegelung war. Ich zuckte leicht mit den Schultern und wandte mich dann meinem ‚Gastgeber’ zu. Dieser hatte sich an ein Bücherregal gelehnt und beobachtete jede meiner Bewegungen. „Siehst du jetzt, was ich meine?“ fragte er ruhig und stieß sich mit der Schulter von dem Regal ab, sodass er jetzt aufrecht vor mir stand. „Würde ich dich als Sklavin halten wollen, hätte ich dich höchstens mit Unterwäsche durch die Gänge laufen lassen. Und hätte dir kein Kleid aus feinster Seide gegeben. Oder denkst du nicht?“ Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen und ließ feine Grübchen erkennen. Warum zum Teufel hatte er Grübchen? Niedliche und nette Jungen hatten Grübchen! Aber doch keine eiskalten Männer, die Frauen als ihre Gefangenen behielten! Das war ungerecht! „Es ist mir egal, wie Ihr mich kleidet. Es ändert nichts an der Tatsache, dass ich hier eine Gefangene ohne eigenen Willen sein soll“, meinte ich gezwungen ruhig und warf ihm einen finsteren Blick zu. Seufzend fuhr mein Gegenüber sich mit der Hand durchs Haar und warf mir einen leicht genervten Blick zu. „Ihr Frauen seid immer so kompliziert!“ beschwerte er sich und ging kopfschüttelnd zu seinem Schreibtisch. „Ich biete dir hier ein Leben im Luxus. Und du beschwerst dich darüber. Das verstehe ich nicht!“ Entspannt ließ er sich in seinen Sessel sinken und verschränkte die Finger ineinander, während er mich nicht aus den Augen ließ. „Wo würdest du denn hingehen wollen, wenn ich dich gehen ließe? Zurück in den Dörfchen? Das wird ein ziemlich einsames Leben glaub mir.“ Er grinste breit und lehnte sich zurück. „Außerdem kann ich dich nicht gehen lassen. Du bist zu kostbar...“ Seine Worte waren leiser geworden, sodass ich sie nur schwer verstehen konnte. Doch sie fachten den Zorn in mir nur noch weiter an. „Und was ist an mir so kostbar? Warum wurde ich nicht wie die anderen Frauen auf dem Markt verschachert?!“ schrie ich nun. „Warum habt Ihr nicht eine von ihnen zu Euch genommen?!“ Plötzlich vernahm ich ein Klirren und ich sah erschrocken zu dem Spiegel. Ein großer Riss durchzog das Glas und spaltete es in zwei Teile. „Verstehst du jetzt, warum ich dich nicht gehen lassen kann?“ fragte der Mann ruhig, während er wieder aufstand und zu mir ging. Bei mir angekommen ergriff er mein Kinn mit zwei Fingern und zwang mich so, ihn anzusehen. „Es wäre zu gefährlich, dich gehen zu lassen. Außerdem...gehörst du mir!“ Mit diesen Worten kam er noch näher und presste seine Lippen auf meine. Erschrocken riss ich die Augen auf und konnte gar nicht glauben, was gerade passierte. Dieser Kerl raubte mir einfach meinen ersten Kuss! Jedenfalls den ersten, an den ich mich erinnern konnte. Aber das schlimmste war, dass es mir sogar gefiel. Wie gern hätte ich mich einfach fallen gelassen und nie mehr mit dem Küssen aufgehört... Als mir dieser Gedanke kam, hob ich schnell die Hände und stieß den Mann von mir. Glücklicherweise hatte ich den Überraschungsmoment auf meiner Seite, sodass er den Kuss löste und verdutzt nach hinten stolperte. „Warum stößt du mich weg, Tara? Ich habe genau gespürt, dass es dir gefällt!“ Noch völlig geschockt von dem Kuss hätte ich fast überhört, dass er meinen Namen nannte. Misstrauisch runzelte ich die Stirn und betrachtete den Mann vor mir. „Woher kennst du meinen Namen?“ fragte ich und ging überhaupt nicht auf seine Frage ein. „Ich kann mich nicht erinnern, ihn dir genannt zu haben.“ Ein tiefes Gefühl der Befriedigung erfüllte mich als ich sah, wie seine Gesichtszüge entgleisten und sein Blick nervös in eine dunkle Ecke des Raums schweifte, wo ein weinroter Vorhang zu erkennen war. Scheinbar verbarg er dort irgendetwas. Und seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, fühlte er sich ertappt. Doch seine Miene wurde schnell wieder kühl und er musterte mich mit abschätzigem Blick. „Ich weiß wahrscheinlich mehr über dich, als du selbst...“, murmelte er, ehe er sich abwandte und in Richtung Tür ging. „Meine Dienerin wird dich in dein Gemach bringen. Heute war ein langer und anstrengender Tag. Du solltest dich ausruhen. Morgen früh erwarte ich, dass wir gemeinsam speisen.“ Über die Schulter hinweg warf er mir noch einen nachdenklichen Blick zu. „Ich kenne deinen Namen, also werde ich dir auch meinen verraten. Er lautet Tyrion.“ Mit diesen Worten und einem letzten Blick verließ er den Raum und ließ mich allein. Kapitel 4: Erinnerungen ----------------------- Ich wollte mich gerade abwenden und hinter den Vorhang sehen, als die Tür sich erneut öffnete und die Dienerin, welche mich hergeführt hatte, eintrat und mir einen unterkühlten Blick zuwarf. „Komm!“ sagte sie nur, wandte mir den Rücken zu und ging wieder hinaus auf den Flur. Sehnsüchtig schaute ich zu dem Vorhang und war versucht, trotzdem einen schnellen Blick dahinter zu werfen. Doch eine erneute schroffe Aufforderung der Frau im Flur brachte mich dazu, ihr zu folgen. Schließlich hatte ich keine Lust darauf, dass sie mich bei ihrem Herren verpfiff. Ich war froh, wenn ich ihn erst mal nicht mehr zu Gesicht bekam. Mit einem Seufzen verließ ich das Büro und schloss die Tür hinter mir, ehe ich schnell der Dienerin folgte, welche schon vorgegangen war. Skeptisch musterte ich ihren Rücken und fragte mich, warum sie wohl eine so große Abneigung gegen mich hatte. Schließlich hatte ich ihr nichts getan und trotzdem war sie mir von Anfang an mit Zorn begegnet. Ich holte tief Luft und stellte die Frage, die mich schon die ganze Zeit beschäftigte. „Sag mal, warum kannst du mich nicht leiden? Ich habe dir doch nichts getan...“ Obwohl ich die Frage leise gestellt hatte, blieb sie so plötzlich stocksteif stehen, als hätte ich sie angeschrien. „Ist das eine ernst gemeinte Frage?“ Langsam drehte sie sich zu mir um und erdolchte mich geradezu mit ihrem Blick. „Du kommst hier hereinspaziert, solltest eigentlich als Sklavin im Keller sitzen und dich von Resten ernähren und was ist? Der Herr steckt dich in die feinsten Kleider, teilt dir ein eigenes Gemach zu und verlangt mit dir zu frühstücken, als wärest du seine Gemahlin! Er verzehrt sich nach dir. Das sehe ich an seinem Blick. Seit Jahren versuche ich diesen Ausdruck auf sein Gesicht zu zaubern, wenn er mich ansieht. Aber nichts funktioniert. Und dann kommst du und schaffst es mit deiner bloßen Anwesenheit!“ Mit jedem Wort war sie weiter auf mich zu gekommen, sodass ich automatisch zurückwich und mit dem Rücken gegen die Wand stieß. „Das war nicht meine Absicht...“ murmelte ich leise und musste schwer schlucken, als ich den Hass in ihren Augen sah. Noch nie hatte ich eine so große Abscheu bei jemandem gesehen. „Es war nicht deine Absicht? Und du glaubst das interessiert mich?“ Sie schnaubte abfällig und schüttelte den Kopf, während sie einen Schritt zurück trat. „Du bist scheinbar naiver als ich dachte. Ich sage dir nur eines...stell dich mir nicht in den Weg. Du würdest es bereuen!“ Mit einem letzten eisigen Blick wandte sie sich von mir ab und setzte ihren Weg fort. Schweigend folgte ich ihr und sah auf meine Hände, mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Ich hatte doch nie vor, mich in irgendetwas einzumischen. Schließlich hatte ich mir nicht ausgesucht, hierher zu kommen. Und ich wollte auch nichts mit Tyrion zu tun haben. Natürlich sah er sehr gut aus und er hatte auch irgendetwas anziehendes an sich. Aber das änderte nichts daran, dass er mich hier gefangen hielt! Nach kurzer Zeit erreichten wir scheinbar mein Zimmer und blieben vor einer großen Flügeltür aus hellem Holz stehen. Die Tür war mit kunstvollen Schnitzereien verziert. Weiße Blumen rankten sich um den Türrahmen und waren so eingearbeitet, dass sie sich wie ein Vorhang über der Türfläche verteilten. Staunend wollte ich mit den Fingern darüber fahren, jedoch riss die Frau neben mir ohne ein Wort die Tür auf und bedeutete mir mit einem Blick endlich hinein zu gehen. Ich warf ihr einen frustrierten Blick zu und betrat den Raum. Kaum war ich drin, wurde die Tür schon wieder hinter mir zugeschlagen. Ich war überrascht, als ich keinen Schlüssel hörte der herumgedreht wurde. Aber die Bewohner würden mich doch bestimmt nicht allein herumlaufen lassen. Andererseits hoffte das Dienstmädchen ja vielleicht, dass ich mich aus dem Staub machen würde. Mit dieser Hoffnung wartete ich noch einen Moment, ehe ich zur Tür schlich und diese so leise wie möglich einen Spalt breit öffnete. Doch statt dem Flur bot sich mir der Anblick eines breiten Männerrückens. Und dieser gehörte einem bewaffneten Soldaten, der vor meiner Tür Wache schob. Er trug ein, für Elfenwächter typisches, Gewand aus hellblauem und silbernem Stoff. Es war eine Art Jacke, ähnlich dem Frack eines menschlichen Klavierspielers. Die Hose war schwarz und lag eng an seinen schlanken Schenkeln an. Seine Füße steckten in schwarzen Stiefeln mit silberner Schnalle, die ihm fast bis zu den Knien gingen. In der Hand hielt er eine silberne Lanze und seine Haare hatte er mit einem ebenfalls silbernem Band zusammengebunden. Im Großen und Ganzen war seine Aufmachung eher auf das modische bedacht und nicht auf seinen Schutz. Sollte ihn jemand angreifen, so hätte er keine Chance zu überleben so ganz ohne Körperschutz. Trotzdem zog ich mich zurück und schloss leise die Tür. Wenn der Mann mich bemerkt hatte, so ließ er es sich nicht anmerken. Eilig lief ich zum Fenster und sah hinaus, spürte aber doch nur wieder wie meine Hoffnungen zerschlagen wurden. Mein Gemach befand sich im zweiten Stock und in der Nähe des Fensters befand sich auch kein Baum, auf den ich hätte klettern können. Der Boden war gepflastert, sodass ein Sprung aus dieser Höhe ebenfalls unmöglich war. Deprimiert sah ich mich im Zimmer um und setzte mich auf die Bettkante, um über meine Möglichkeiten nachzudenken. Im Moment blieb mir wohl nichts anderes übrig, als zu bleiben und auf eine Gelegenheit zu warten, um zu fliehen. Vielleicht konnte ich mir ja das Vertrauen von Tyrion erschleichen, damit er mich nicht mehr bewachen ließ... Schnell schüttelte ich den Kopf, um diesen Gedanken loszuwerden. Ich musste mich von diesem Mann fernhalten. Er übte eine zu große Anziehungskraft auf mich aus. Außerdem hatte ich Angst, dass das Dienstmädchen mich Nachts erstechen würde, wenn ich mich ihm auf irgendeine Weise näherte. Nachdenklich sah ich mich in dem Raum um, sah aber keinen anderen Ausweg. Mit einem tiefen Seufzen ließ ich mich rücklings auf das große Bett fallen. Doch sobald ich die seidigen Laken berührte, schossen wieder diese seltsamen Bilder durch meinen Kopf. Ich sah mich selbst in genau diesem Raum auf dem Bett liegen. Ein dunkler Schatten beugte sich über mich, aber ich zeigte keine Angst. Mit offenen Armen und einem sanften Lächeln empfing ich die unbekannte Person. Dann wechselte die Szene und ich sah zwei nackte Körper, die sich inmitten der Laken auf dem Bett wälzten. Die eine Person war ich selbst. Doch wieder blieb mir das Gesicht des Mannes verborgen. Leises Stöhnen erfüllte die Luft und verriet mir, dass mir scheinbar gefiel was der Fremde mit mir tat. Nein! Nicht der Fremde...Die Gefühle die mein Körper und meine Stimme ausstrahlten ließen den Schluss zu, dass der Mann mein Geliebter war. Und die zärtlichen Berührungen die er mir zuteil werden ließ, sprachen ebenfalls dafür. Plötzlich hielt der Mann inne und wandte sich mir zu. Aber als ich versuchte sein Gesicht zu erkennen, verschwanden die Bilder und ich erwachte schwer atmend auf dem Bett. Meine Haare hingen mir in wirren Strähnen herunter und das Kleid klebte unangenehm an meinem Körper. Ich fühlte mich, als wäre ich eine weite Strecke gerannt. Woher kamen nur diese Bilder? Verwirrt setzte ich mich auf und fuhr mir mit zittriger Hand durchs Haar. Sollten es etwa Erinnerungen sein? War ich schon mal in diesem Schloss gewesen? Und wer war dieser Fremde, mit dem ich scheinbar eine Beziehung hatte? Alles wurde immer verworrener. Auf zittrigen Beinen tappte ich ins angrenzende Bad, wusch mir den Schweiß vom Körper und zog mir danach einen weichen Bademantel an, der an der Badezimmertür bereit hing. Dann ging ich wieder ins Schlafzimmer, ohne auf meine Umgebung zu achten und legte mich ins Bett. Kaum berührte mein Gesicht die Kissen, war ich bereits vor Erschöpfung eingeschlafen. (Dieses Mal ist das Kapitel etwas kürzer geraten. Tut mir leid ^^' Das nächste wird wieder länger versprochen!!) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)