Abgründe von God_of_Mischief (~ wenn du das Ende nicht sehen willst ~) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Er wusste, es war zu spät, um weg zu laufen. Vater fixierte ihn grinsend mit diesen eisblauen, irren Iriden und hob die scharfe Glasscherbe auf. „Du wolltest es doch nie anders, Bastard.“ Ludwig blickte auf, die großen Augen tränenunterlaufen und geweitet. „V-Vater …“ Vater lachte heiser auf, nur wenige Schritte von seinem Sohn entfernt. Ludwig stöhnte innerlich, zitterte vor Angst. Vater würde weiter gehen. Weiter als sonst sogar. Hatte er das wirklich verdient? Hatte er es verdient, geschlagen, verprügelt und getreten zu werden? Hatte er es verdient, dass Vater ihn hasste; ihn als Box-Sack missbrauchte? Hatte er das wirklich … verdient? Innerlich kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen: Natürlich. Vater war ein ehrlicher und gerechter Mann. Vater würde nie etwas Unrechtes tun und wenn er sagte, Ludwig verdiene eine Bestrafung, dann verdiente er eine. Trotzdem … bitte schlag mich nicht. „Kleines Stück Dreck.“, meinte der Mann noch immer grinsend. Vater hasste ihn, dabei hatte er doch heute gute Noten mit nach Hause gebracht. Dabei hatte er doch versucht … ein braver Junge zu sein. Bitte … bitte nicht … Ludwig wich weiter zurück, die Hände schützend über seinen Kopf haltend. Er hasste diese Situationen, aber Vater sagte immer, er verdiene es doch gar nicht anders. Er hatte gesehen, wie andere Kinder in seinem Alter umarmt wurden. Wie die Väter sich freuten, dass ihre Söhne so gute Schüler waren, wie sie die Kinder aufmunterten, wenn sie schlechte Noten mit nach Hause brachten. Ludwig war jetzt fast 13 Jahre alt und sein Vater hatte ihn noch nie umarmt. Die einzige Nähe, die er von Vater empfing, die bekam er abends … wenn sie … - Ich bin nicht gut genug, oder? Du willst mich bluten sehen. Plötzlich stand Vater neben ihm und schnitt ihm mit der scharfen Glasscherbe und seinem tiefen Knurren in den rechten Arm; ließ seine Waffe viele Male niedersausen, ehe ihn schließlich die Kraft verließ. Ludwig schrie. Er schrie, weinte, flehte um Gnade. „Vater, bitte … V-Vater“, Ludwig schluchzte leise auf, biss die Zähne zusammen und ertrug die Schmerzen. Er ertrug es so wie immer, doch anders als sonst achtete Vater nicht mehr auf Ludwig oder dessen geschundenen Körper. Vater lachte schrill, heißer. Er ließ alles an „seinem“ Jungen aus - all seine Wut, all seinen Hass. Ludwig spürte, wie ihm das heiße Blut an den Armen und an einigen ungeschützten Stellen seines Schädels herunterlief. Er spürte, wie die roten Tropfen auf den Boden fielen, als er mit dem Rücken unsanft gegen die Wand stieß und sich daran herunter gleiten ließ. Er spürte, wie Vater ihn mit dem Fuß trat, immer und immer wieder. Vater hatte die Glasscherbe fallen gelassen. Endlich. „B-Bitte, Vater …“, Ludwigs Stimme glich dem Wimmern eines getretenen Hundes. „H-hör … auf … bitte ...“, oder einem leichten Regenschauer, der jegliche Intensität in wenigen Minuten verlor. „Du kleiner Bastard! Kleiner, wichsender Bastard!“, lachte Vater. Er lachte immer, wenn er hysterisch wurde … oder abends … wenn sie- „Deine Mutter war eine Hure!“, keifte er. „Deine Mutter war eine Hure und du bist es genauso! Du bist es nicht wert!“ Vater trat noch einmal zu, ehe er mit dem gleichen hysterischen Lachen in die kleine Kochnische verschwand. Ludwig rührte sich keinen Millimeter, die Hände noch immer schützend über den Kopf gehalten, die Knie angezogen. Vater hatte ihn schon oft beschimpft. Vater hatte schon oft Bastard zu ihm gesagt. Er hatte ihn auch schon Hure genannt … Ich … bin es nicht wert. Ich habe alles gemacht, was du verlangt hast, Vater. Ich bin Klassenbester. Ich habe heute wieder nur die besten Noten mitgebracht. Trotzdem … trotzdem reicht es dir nicht … ich kann dich verstehen … Gilbert war besser, nicht wahr? Gilbert … Ludwig wagte es nicht, aufzublicken. Er wusste, wenn er sich ruhig verhielt, konnte er fliehen, bevor sein Vater wieder kam. Bevor Vater ihn wieder anblickte und bevor Ludwig von diesem Hass zu Boden gerissen wurde. Vater hasste ihn … und Ludwig nahm es an. Weil ich nicht so bin wie Gilbert, oder? „Mach‘ deine Wunden sauber und verschwinde“, fauchte Vater plötzlich und Ludwig wagte es jetzt, endlich aufzublicken. Vater stand neben dem kleinen Küchentisch und gönnte sich ein Bier. Ludwig starrte ihn verwundert an. Es war kaum mehr Nachmittag und Vater wollte sich schon wieder betrinken? Ludwig wusste, dass Vater nachher noch einmal zur Arbeit musste. Kurz nur, aber betrunken durfte er nicht erscheinen … - „Verschwinde, Bastard! Ich will dich erst heute Abend wieder zu Gesicht bekommen.“ Ludwig nickte eilig und so schnell er konnte stand er auf und taumelte benommen ins Bad. Er machte sich Sorgen um Vater, aber … nachher musste er noch Boxen gehen. Wenn er sich beeilte, würde er es noch zum Boxen schaffen. Vater liebte es, wenn er Boxen ging und danach verschwitzt nach Hause kam. ~~~ „Zieh das Hemd aus, Ludwig.“ „Nein, es tut mir Leid, Coach.“ Ludwig starrte ihn desinteressiert an. Er hatte gelernt, wie er mit anderen Menschen umgehen musste. Er hatte gelernt, dass er sich durchsetzen musste, wenn er seinen Vater schützen wollte. „Zieh. Das. Hemd. Aus.“ Ludwig wäre beinahe einen Schritt zurück gewichen, als sein Mentor wütend auf ihn zutrat. Ihm war die plötzliche Nähe unangenehm und … er hatte Angst. „Wenn ich dir sage, dass du dein Hemd ausziehen sollst, dann hast du es gefälligst auch zutun, Ludwig“, knurrte der Trainer leise, fast schon zischend. „Hatten wir das nicht schon?“ Ludwig nickte leicht. „Ja, das hatten wir schon, Sir.“, entgegnete er weitestgehend unbeeindruckt. Bitte … schlag mich nicht … „Einem Lehrer sollte man sich nicht widersetzen, Ludwig.“ Ludwig sah, wie der Coach seine riesige Hand hob und zu einer Ohrfeige ansetzte. Er hatte es schon oft erlebt, dass der Trainer seine Schüler zurecht wies … I-Ich meine es nicht so … schlag mich nicht … b-bitte …! Kurz flackerte greifbare Angst, gar richtige Furcht in Ludwigs eisblauen Iriden auf. Er hasste es, wenn man ihm zu nahe trat. Er hasste es, wenn man ihn bedrohte. Wie ein wildes, in die Ecke gedrängtes Tier suchte er aus den Augenwinkeln heraus einen Fluchtweg, suchte nach erreichbaren Türen, irgendwelchen Schutzmauern oder Schränken, hinter denen er sich hätte verstecken können. Er spürte, wie sich sein Bauch unsanft zusammenkrampfte, als er enttäuscht wurde. Nichts. Erschrocken wollte er zurück weichen, sich ducken und zu Boden sinken. Sein Lehrer war so nah, so …- Ich weiß doch, ich habe es nicht anders verdient … „Ich mische mich nicht gerne in die privaten Angelegenheiten meiner Schüler ein, aber … wurdest du wieder geschlagen, Ludwig?“ Der Trainer seufzte, bevor er Ludwig die Hand an die blasse Wange legte. „Deswegen der Verband um den Kopf, nicht wahr?“ Ludwig blickte ihn erstaunt an und zuckte unter der Berührung zusammen. Hatte er ihn etwa nicht schlagen wollen? Hatte er nicht die Hand gehoben, um ihn zu demütigen, um ihn zurecht zu weisen? Natürlich; alle wollten ihn bestrafen. Schließlich machte er immer alles falsch. „Nein, Herr Ausbilder. Ich bin unglücklich gefallen, als ich die Treppe runtergegangen bin, und hab mir den Kopf an der Schrankkante gestoßen. Dann ist die Vase auf meinen Kopf gefallen und deswegen die Kratzer an den Armen.“ Ludwig war noch nie ein guter Lügner gewesen, aber die Geschichten, die er immer erzählte, um seinen Vater zu schützen, die erzählte er mit einer solchen Überzeugung – „Lüg‘ mich nicht an, Kleiner!“ Die Augen des Anderen funkelten vor Wut. „Deine ewige Lügnerei erträgt ja selbst mein toter Vater nicht.“ Ludwigs leichtes Lächeln erstarb. „D-Das tut mir Leid …“, murmelte er und senkte den Blick. „Ich wusste nicht, dass-“ „Meine Güte, darum geht es doch gar nicht, Kleiner!“ Erneut zucket Ludwig erschrocken zusammen. „Entschuldigung.“ Seufzend legte der Ausbilder eine Hand auf Ludwigs Schulter, ehe er die dunkel untermalten Augen für einen Moment der Schwäche schloss. „Du musst dich für nichts entschuldigen. Geh einfach da raus und kämpf‘ gegen deinen Gegner. Wenn du willst, rede ich mit deinem Vater.“ Erstaunt hob Ludwig den Kopf. „Sie müssen nicht mit Vater reden. Vater liebt mich.“, antwortete er „Vater liebt mich wirklich.“ „Wie kann er dich lieben, wenn er dich schlägt, Kleiner?“ Er weiß nur nicht, wie er sich ausdrücken soll, oder? „Er liebt mich“, fauchte Ludwig ungewöhnlich aufgebracht. „Vater liebt mich!“ Er hat nur keine Ahnung, wie er es mir zeigen soll, nicht wahr? Ich weiß doch, dass ich all seine Strafen verdiene. Ich weiß doch, dass er immer Recht hat. Niemand hat sich da einzumischen. Vater liebt mich schließlich. Vater liebt mich, weil er mich schlägt. Er kann es nur nicht anders zeigen, weil ich es nicht anders verdient habe, nicht wahr? Wenn nicht einmal Vater mich lieben würde, dann wäre ich nicht gut genug, um von anderen geliebt zu werden. Aber Vater liebt mich. Da bin ich mir sicher. Vater schlägt mich nur, weil ich zu unfähig bin, mir die Umarmungen richtig zu verdienen. „Ich frage mich immer wieder, wie du ihn so in Schutz nehmen kannst. Er hat es nicht verdient, Ludwig.“ Ludwigs große Augen weiteten sich. Unfähig sich zu bewegen, flehte er in Gedanken. Flehte, dass sein Lehrer ihn endlich allein lassen würde. Dass er sich endlich vorbereiten konnte. Vorbereiten auf den Kampf, ohne an die Schläge zu denken, die er von Vater bekam. Es war etwas anderes, als wenn er im Ring geschlagen wurde. Da durfte er zurück boxen. Durfte sich wehren. Aber Vater hasste es, wenn er um sich schlug … Vater hörte ihn lieber betteln und flehen … und schreien. Er hörte noch, wie die schwere Metalltür an die Wand knallte, ehe seine Kameraden, einer nach dem anderen, über die Schwelle traten, um ihm Glück zu wünschen. Er sah, wie sein Trainer ihn keines Blickes mehr würdigte und die Gruppe der aufgeregten Jungen mit ihm allein ließ. Jetzt musste er wieder schauspielern. Lächeln, Ludwig, Lächeln. Grins sie an. „Du schaffst das, Ludwig“ – „Schlag den alten Kerl!“ – „Ey, Kleiner! Rette unsere Ehre!“ – „Hau ordentlich drauf!“ Unweigerlich musste er an Vater denken … Vater war noch nie zu einem Kampf gekommen. Innerlich seufzend schüttelte er die Gedanken ab, die ihn wieder zu übermannen drohten. Es brachte nicht mehr, als dass er sich immer nur im Kreis drehte. … Gilbert hatte auch geboxt. Gilbert hatte immer gewonnen, sagte Vater ihm jedes Mal. Würde Vater ihn lieben, wenn er diesen Kampf gewann? Würde Vater … ihn lieber haben als Gilbert damals? ~~~* Ende Kapitel 1 *~~~ Autorenbla: Schlagt mich bitte nicht ;__; Es ist erst der Anfang und ich … ich wollte zeigen, wie kaputt ein Kind nach so vielen Jahren eigentlich ist … obwohl ich die Tiefgründigkeit irgendwie überhaupt nicht getroffen habe … Argh, es war so schwierig, den Teil zu schreiben. Und Ludi wird noch IC, keine Angst. ~ in diesem Sinne tut es mir auch Leid, wenn ich einigen Leuten auf den Schlips trete, in dem ich ihn so … verwundbar schreibe .////. Ist er ja eigentlich auch nicht. Das wird noch, das wird noch *selbst hoff* Es wäre mir lieb, wenn ihr mir eure Meinungen schreiben würdet. Die ersten Kapitel sind sehr schwierig, finde ich … argh, ich weiß gar nicht, wo ich da immer ansetzen kann. Was sieht ein solches Kind, was nimmt es gar nicht wahr? Dieser Scheuklappenblick, den ich manchmal so hinderlich finde, weil er so viel gar nicht sieht. Schreibt eure Gedanken, bitte, sonst denke ich zu viel über meine eigenen Ideen nach *heftig nick* |D Und ganz, ganz, ganz dickes Dankeschön an die vielen Rückmeldungen vom letzten Mal Es hat mich so unglaublich gefreut, dass so viele Interesse an der Story haben Liebe Grüße~ Amy :3 PS.: Gebetat hat das Kapitel wieder meine liebe Lime~ *knuffelz* Dankeschön an dich & deine aufmunternden Worte ;////; PPS.: … für das Kapi ist „Life is beautiful“ von Sixx A.M Dauerschleife gelaufen o.o Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)