Love Hospital von LisanimeBluehawk ================================================================================ Kapitel 5: Kellys Little Secrets Are... --------------------------------------- Anni beging den nächsten Morgen mit einem ausgewogenen Frühstück. Ganz wie sie es Dr. Anderson versprochen hatte. Allerdings war ihre Laune an diesem Tag auch so unterirdisch, dass nur eine ordentliche Ladung Schokolade und eine Tasse heißen Kakaos sie auf das Kommende vorbereiten konnten. Mürrisch biss sie in ihren ersten, dick mit Nutella bestrichenen Toast, da kamen Coons und Kinley strahlend auf sie zu und ließen links und rechts von Anni ihre Tabletts geräuschvoll auf den Tisch knallen. „Guten Morgen, Kollegin! Haben Sie auch so gut geschlafen, wie ich?“, fragte Kinley schelmisch grinsend. Anni antwortete nur mit einem Knurren, das eher dem tiefen Grollen eines bissigen Hundes ähnelte. „Oh, mir scheint, wir haben hier einen Morgenmuffel“, sagte Coons und fragte dann mit einem leicht besorgten Unterton: „Ist alles in Ordnung?“ Ja, alles Bestens“, gab Anni zurück. „Vor allem, wenn man nach seinem so richtig schön anstrengenden ersten Tag einen Alptraum hat.“ „Hat in diesem Alptraum vielleicht eine große Fleischwunde eine Rolle gespielt?“, wollte Kinley wissen. Ausnahmsweise war das Grinsen von seinen Lippen ver-schwunden und auch Coons blickte sehr ernst, während er sein Frühstücksei köpfte. „Ja“, Anni seufzte und nahm einen großen Schluck Kakao. „Und eine Riesen- käsehobel.“ „Eine Käsehobel?“, Marcy glitt auf den Stuhl gegenüber von Anni. Wieder befand sich auf ihrem Tablett nichts außer eines Salats und eines Glases klaren Wassers. „Dr. Anderson hat gesagt, die Wunde stamme entweder von dem Biss eines Tieres oder von einem Käsehobel ähnlichem Gerät. Jedenfalls war die gesamte obere Hautschicht abgeschabt, ich hab es selbst gesehen.“ Anni hatte aufgehört zu essen. Bei der Erinnerung war ihr der Appetit vergangen. Und, überhaupt, was waren das den bitteschön für Gesprächsthemen?! Die eigneten sich ja wohl kaum für den Esstisch. „Hm... eine Käsehobel sagst du?“, fragte Coons und lutschte nachdenklich an seinem Eierlöffel. „Warte mal, du hast doch eben gesagt, die Verletzung könnte auch von einem Tier stammen“, warf Kinley ein. Seine Augen blitzten vor Aufregung und seine Wangen waren leicht gerötet. „Dann müsste es allerdings ein ziemlich gigantisches Tier gewesen sein“, entgegnete Anni, „Die Wunde zog sich fast über das komplette Schienbein und Will ist ein erwachsener Mann – und nicht besonders klein. Also müsste das Tier ein ziemlich großes Maul gehabt haben...“ „Vielleicht war es ja ein Werwolf!“ Kinley war aufgesprungen. „Ja, sicher. Und ich bin ein Vampir“, sagte Marcy todernst und pulte sich ein Stückchen Salat zwischen den Zähnen hervor. „Eeeecht?!“ Kinley war Feuer und Flamme. „Und warum isst du dann immer nur Salat?“, fragte er und deutete neckisch auf ihre Salatschale. „Nun, ich bin eben auf Diät. Hat mir mein Vampirhausarzt verschrieben.“ „Ja, klar...“ „Hey, da kommt Kelly“, sagte Coons und zeigte in Richtung Buffet. Von dort kam ihnen tatsächlich Kelly entgegen, ein Tablett in Händen und zu Annis Überrasch-ung in ganz normaler Alltagskleidung. Sie trug einen blassrosa Pullover und dazu einen dunkelgrauen Bleistiftrock. „Guten Morgen, alle zusammen!“, mit einem strahlenden Lächeln zog sie sich einen Stuhl heran und machte es sich neben Marcy gemütlich. „Geht es dir wieder besser?“, fragte sie an Anni gewandt, während sie ihren Kaffee umrührte. „Ja, mir geht’s gut“, erwiderte Anni. „Bis darauf, dass sie ein Morgenmuffel ist“, stellte Coons klar „Und, dass sie einen Alptraum hatte“, ergänzte Kinley. „Wirklich?“, Kelly klang besorgter, als nötig gewesen wäre. „Doch hoffentlich nicht wegen deines vollen Magens! Bin ich daran schuld gewesen?“ „Nein, nein. An den vielen Sandwiches gab es rein gar nichts auszusetzen. Es ist nur...“ - „Anni hat geträumt, dass ein Irrer mit einer Megakäsehobel durch die Gegend läuft und Leuten damit die Haut abpellt“, erklärte Coons ganz ernst. „Mit einer Käsehobel?“, fragte Kelly leicht verwirrt und hielt mitten in der Bewe-gung inne, ein Stück Toast, dick mit Honig bestrichen, vor den Lippen und Anni wunderte sich, warum es nicht tropfte. „Ja. Wegen Will. Diese Wunde...“ „Oh, wisst ihr es noch nicht? Robert hat gestern noch die Proben, die er bei der OP genommen hat untersucht und die Befunde ausgewertet. Wie es aussieht, hat die Haut sich durch den Kontakt mit Säure einfach aufgelöst.“ „Tja, da sieht man's mal wieder. Informationen aus erster Hand“, grinste Coons. „Aber hätte die Säure dann nicht auch das restliche Bein angreifen müssen? Also ich meine Gewebe, Muskeln, Sehnen und so“, fragte Anni nachdenklich. Kelly hob die Schultern. „Tut mir leid, mehr weiß ich auch nicht. Ich kann mir nur vorstellen, dass Will oder jemand anderes gewusst hat, was zu tun war und es geschafft hat die Säure zu entfernen, bevor noch schlimmeres passieren konnte. Oder aber ihre Konzentration war nicht stark genug und so hat sie zwar die obere Hautschicht komplett zerfressen, sich anschließend aber in nichts aufgelöst.“ „Klingt ja echt gruselig“, murmelte Marcy und rieb sich die Oberarme als wäre ihr plötzlich kalt. „Was machst du eigentlich hier, Kelly?“, fragte Kinley und wechselte so auf ein weit weniger verfängliches Thema. „Heute hast du doch deinen freien Tag oder? Warum hast du da nicht ausgeschlafen?“ „Ach, weißt du... Ich dachte ich bleibe trotzdem hier und naja... Du weißt schon.“ Anni verstand nur Bahnhof. Wovon sprach sie? Offensichtlich war sie jedoch die einzige, die hier nicht durchzublicken schien, denn die anderen nickten nur und wechselten dann das Thema. Nur Anni behielt Kelly im Auge, während die anderen sich über die neue Arztserie im Fernsehen unterhielten, die im Moment total angesagt war. Als Kelly Annis Blick bemerkte, lächelte sie ihr nur freundlich zu und Anni glaubte, einen ähnlichen Ausdruck in ihren Augen zu sehen, wie in denen Dr. Andersons. Aber bei Kelly konnte sie erkennen, dass es Traurigkeit war. Was war los bei den beiden? Hatten sie vielleicht einen Ehestreit? Anni erinnerte sich, dass sie gestern Nacht in Dr. Andersons Büro-Appartement vergeblich nach einem Doppelbett Ausschau gehalten hatte. Aber das Bett, das neben seinem Schreibtisch gestanden hatte, war von Form und Größer her nicht anders als ihr eigenes. Vielleicht hatten die beiden ja noch ein gemeinsames Zimmer. Zusätzlich zu ihren Einzelzimmern sozusagen. Oder aber das Doppelbett stand in Kellys Zimmer und er hatte sich bloß noch ein Bett zugelegt, weil er einfach mehr Zeit in seinem Büro verbrachte. Das konnte schon Grund genug für einen Ehekrach sein, fand Anni. Allerdings war es wirklich seltsam, dass er sich nicht zum Schlafen zu seiner Frau gesellte. Er konnte doch sicher leicht zwischen den beiden Räumen hin- und herpendeln. Wer schlief schon gerne an seinem Arbeitsplatz? Aber Dr. Anderson war ja bekanntermaßen auch ein wenig wunderlich. Zumindest in Annis Augen hatte er viele interessante, aber auch etwas fragwürdige Züge. Vor allem seine übertrieben höfliche Art zu reden. Alle Kollegen, denen sie bisher vorgestellt worden war, duzten einander, nur er zog es vor beim distanzierten „Sie“ zu bleiben. Und scheinbar schienen das auch alle zu respektieren. Selbst Coons und Kinley, die meist keinen besonders respektvollen Eindruck machten. Bloß Dr. Knox hatte Dr. Anderson einmal beim Vornamen genannt – und Kelly, aber die war ja seine Frau. Wenn aber Dr. Knox und Dr. Anderson solche Vertraulichkeiten untereinander austauschten, hatte dies zu bedeuten, dass sie sich weit näher standen, als Dr. Anderson zu irgendeinem anderen Kollegen. Diese Überlegungen ließen Anni nicht los. Auch als sie wenig später gemeinsam mit Marcy im Lager Bettlaken und Handtücher faltete, konnte sie ihre Gedanken nicht zum Schweigen bringen. Und was hatte die Bemerkung mit den Nachhilfestunden zu bedeuten? Normalerweise würde sie davon ausgehen, dass jemand – wenn auch ziemlich ungeschickt – versuchte mit ihr zu flirten. Aber bei Dr. Anderson kam ihr das so undenkbar vor wie ein Schneemann in der Wüste. „Hey, hast du mir überhaupt zugehört?“ Anni blickte auf. Marcy sah sie vorwurfsvoll an. „Ähm, nein, tut mir leid. Ich war in Gedanken. Was hast du gesagt?“ Marcy verdrehte die Augen. „Ich habe dich gebeten, diese Handtücher nach oben auf die sechste Station zu bringen. Auf die für geistig Verwirrte. Verteile sie an alle Badezimmer und schau auch nach, ob noch Toilettenpapier da ist.“ Anni nahm den Handwagen entgegen, der mit Handtüchern, mehreren Rollen Toilettenpapier und weiteren Drogerieartikeln ausgestattet war und machte sich auf den Weg. Noch im Aufzug musste sie an den gestrigen Tag denken. Hoffentlich blieben die Verrückten – pardon – die geistig Verwirrten diesmal auf ihren Zimmern. Tatsächlich fand sie den Flur leer vor. Leer und ruhig. Im ersten Zimmer, das sie betrat, lagen zwei Patienten. Der eine schlief und machte einen völlig normalen Eindruck. Der andere dagegen starrte an die Decke und brabbelte vor sich hin. Anni spürte einen kleinen Stich. Wie traurig. Während sie die Handtücher austauschte und das Toilettenpapier überprüfte, fragte sie sich, wie es wohl für die Angehörigen sein musste, einen geliebten Menschen so zu sehen. Völlig hilflos, dem heillosen Chaos im Inneren seines Kopfes ausgeliefert und nichts und niemand, der ihm helfen konnte. Sicher eine Situation, an der man verzweifeln konnte. Anni kam gut voran und entgegen ihrer Befürchtungen, gab es dieses Mal keine unangenehmen Überraschungen. Sie kam auch in Sebastians Zimmer vorbei, dass er sich offenbar mit dem Jungen teilte, der sich selbst Naruto nannte. Dieser saß heute friedlich in seinem Bett und malte bunte Kringel auf einen Malblock, den er in seinem Schoß liegen hatte. Dabei murmelte er etwas vor sich hin, was so ähnlich klang wie: „Nudelsuppe! Ich mag Nudelsuppe! Am liebsten Ramen mit Misogeschmack!“ Sebastian war höflich wie immer. Er stand sehr aufrecht am Fenster, als Anni hereinkam und bot ihr sogleich seine Hilfe an, als er sah, wie sie sich mit dem schweren Wagen abmühte. Doch sie lehnte dankend ab und versicherte ihm glaubwürdig, dass in diesem Fall, er der Herr war und sie die „Dienerin“, was ihn zusehends verwirrte. Als sie schließlich das Zimmer wieder verließ, konnte der mutmaßliche Butler es sich jedoch nicht verkneifen, ihr die Tür aufzuhalten. „Gutes Gelingen“, wünschte er ihr mit einem seiner breitesten und unheimlich-sten Lächeln und verbeugte sich so tief, dass seine Nasenspitze beinahe seine Zehen berührte. Anni war fast fertig. Nur noch ein Zimmer lag vor ihr. Das hatte sie beinahe über-sehen, weil es am Ende eines schmalen Seitenganges lag, an dem sie zuerst vor-beigegangen war. In dem Zimmer stand nur ein einziges Bett und die Frau, die darin saß, aufrecht wie ein Kirchturm, würdigte Anni keines Blickes, als sie eintrat. Auch, als sie mit einem freundlichen „hallo“, ihre Anwesenheit ankündigte, zeigte die Frau keinerlei Reaktion. Genau so gut hätte Anni mit der Topfpflanze sprechen können, die in einer Ecke neben dem Bett stand. Anni hängte gerade eine neue Rolle Toilettenpapier in die Halterung und wunderte sich, warum das gesamte Bad so vollkommen sauber und unbenutzt wirkte, als sich die Zimmertür öffnete und jemand hereinkam. Vorsichtig schob Anni sich aus der Badezimmertür und lugte ins Zimmer hinein. Der Neuankömmling drehte ihr den Rücken zu. Es war eine Frau, deren blonde Locken ihr um die Schultern wogten, wie bei der altertüm-lichen Darstellung eines Engels. Es war Kelly, die in ihrem blassrosa Pullover und dem grauen Rock vor dem Bett der Patientin stand. „Hallo, Mutter“, sagte sie und bedachte die Frau mit ihrem strahlendsten Lächeln, doch diese reagierte nicht. Sie nickte nicht einmal mit dem Kopf. Kelly zog, ohne den Blick von der Frau zu wenden, den Stuhl, der gleich neben ihr stand, zu sich heran und setzte sich und als sie begann mit der Frau zu reden, wurde Anni klar, dass Kelly sie nicht bemerkt hatte. Der Wagen musste die Sicht ins Innere des Bads verdeckt haben. Kelly nahm jetzt die Hand der Frau und streichelte über ihren Handrücken. „Ich habe gestern auf der Entbindungsstation eine Frau kennengelernt, die genau so heißt wie du, Mama.“ Bei dem Klang des Wortes Mama, bekam Anni das Gefühl, ein vertrauliches Gespräch zu belauschen und verspürte den Wunsch zu gehen, doch ihre Füße schienen wie festgeklebt und so duckte sie sich einfach hinter ihren Wagen und beobachtete Kelly zwischen den Stapeln neuer und gebrauchter Handtücher hindurch. Sie fuhr fort die Hand ihrer Mutter zu streicheln und redete weiter. „Ich habe ihr von dir erzählt. Was für eine tolle Mama du immer gewesen bist und wie viel Spaß wir früher zusammen hatten“, jetzt glitzerten Tränen in Kellys Augen. „Und sie hat gelacht und gesagt, sie hoffe, dass sie...“, sie schluckte, „...dass sie auch so eine tolle Mutter würde...“, ihre Stimme brach. Für einige Minuten herrschte Stille, dann sagte Kelly: „Ich soll dich auch von Robert grüßen. Er sagt, er hat dich sehr lieb.“ Ihre Mutter blinzelte. Anni presste sich die Hand vor den Mund. Noch nie hatte sie Kelly so traurig gesehen. Am liebsten würde sie aufspringen und sie umarmen, damit sie wieder so schön lächeln konnte, wie sie es sonst immer tat. Sie kannten sich zwar noch nicht so lange und Anni nannte auch nicht jeden Menschen gleich einen Freund, aber Kelly hatte sie gern und sie wollte nicht, dass sie ihr Lächeln verlor. Wer weiß, ob sie es nicht noch einmal brauchen würde. Es mussten Stunden vergangen sein, jedenfalls kam es Anni so vor, in denen Kelly der Frau, die sie ihre Mutter nannte, alles mögliche erzählte und dann war Kelly einfach eingeschlafen. Mit dem Kopf auf dem Bett, ihre Hand immer noch auf der der Frau, die Augen geschlossen und die Lippen leicht geöffnet, so als wolle sie weitersprechen, hatte aber nicht die Kraft, ganze Sätze zu formulieren. So leise sie konnte stand Anni auf und verfluchte ihre Knie, die ziemlich laut knackten, als sie sich gerade zu voller Größe aufgerichtet hatte. Doch Kelly schlief weiter tief und fest und die Frau würdigte sie immer noch keines Blickes. Also packte Anni ihren Wagen und verließ das Zimmer auf Samtpfoten, um bloß kein Geräusch mehr zu verursachen. Die Frau saß immer noch stocksteif da, Kelly neben sich. Da ging plötzlich ein Ruck durch ihren Körper und sie wandte langsam den Kopf und senkte den Blick auf das Gesicht ihrer Tochter. Ihre Mundwinkel zogen sich um Millimeter auseinander und ihre Lippen öffneten sich einen Spalt, doch kein Ton kam heraus. Eine einzige Träne rann aus ihrem rechten Auge, als sie ihrer Tochter mit der Hand das blonde Haar aus der Stirn strich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)