Uns bleibt immer noch Paris. von Dahlie (Albus Potter & Alice Longbottom) ================================================================================ Kapitel 1: magie amoureuse. --------------------------- Es gibt eine Stadt in Europa, mit wunderschönen Sehenswürdigkeiten, schlagfertigen Wetter & einer Sprache mit dem Klang von Musik. Im Norden von Frankreich, symbolisiert die Stadt das Herz des Landes. Paris. Muggel nennen sie die Stadt der Liebe. Zauberer & Hexen wissen es besser. Doch trotzdem erliegt Jahr für Jahr eine stete Zahl von Magiern der Magique dieser Stadt. Das Geheimnis dieses Zaubers ist simpel & doch erschreckend mächtig. Laute Stimmen versuchten gegen den hohen Pegel der dröhnenden Musik anzukämpfen. Der Holzfußboden knarrte bei jedem Schritt der Gäste und bunter Rauch schwebte über die Köpfe der unterschiedlichen Gestalten. Die kleine Kneipe mit den verheißungsvollen Namen Bière à la Pression war bis zum letzten Platz gefüllt. Natürlich. Es war Samstagabend. Hartnäckig ignorierte Albus Severus Potter die klebrige Theke, auf die er sich mit beiden Armen stütze, und starrte weiter in seinen Bierkrug. Sein schwarzes Haar fiel ihm in die grünen Augen und er versuchte den süßen Geschmack des französischen Butterbiers von seiner Zunge zu vertreiben. Der zweite Sohn des großen Harry Potters war nachlässig gekleidet und wirkte merkwürdig angeschlagen. Es war, als würde sein äußeres Erscheinungsbild sein Wohlbefinden widerspiegeln. Im Moment drückte es Gebrochenheit und Trauer aus. Stumm starrte Albus auf den verblichenen Bierdeckel und lauschte der fremden Sprache um sich herum. Natürlich verstand er einige Bruchstücke dank seiner liebreizenden Cousine Dominique. Aber um einem ganzen Gespräch folgen zu können, reichte sein Wissen noch lange nicht aus. Im Augenblick genoss er es lediglich, vollkommen unerkannt sein Elend zu genießen. Eigentlich war es nicht seine Art sich in Selbstmitleid zu wälzen und seinen Kummer in Alkohol zu ertränken, doch dieses eine Mal nahm er sich die Freiheit heraus. Zum ersten Mal in seinem Leben versiegte ihm die Kraft nach einer Niederlage wieder aufzustehen und weiter zu machen. Der Ehrgeiz des einstigen Slytherin war wie ein Spiegel in tausend Teile zersprungen. Albus bemerkte, wie er von selbst die Geräusche seiner Umwelt ausschaltete. Der diskussionsfreudige Zwerg neben ihm verstummte, die Hexe, die ihm lauschte und an einer Pfeife paffte, aus der roter Qualm stieg, verschwamm und letzten Endes kam es ihm vor, als sei er ganz alleine im Bière à la Pression. Seit zwei Jahren flog er für die A-Mannschaft der Barcelona-águila-bicéfalas, auf Englisch den Barcelona Doppeladlern, und war bislang sehr stolz darauf gewesen sich in Spanien einen Namen zu machen. Bis gestern Abend, als ihn der Tagesprophet erreichte. Die Schlagzeile war vernichtend gewesen. Trotz des harten Trainings, dem deutlichen Erfolg in Spanien und des ganzen Lobes wurde sein Bruder für die Nationalmannschaft nominiert. James Sirius Potter, Jäger bei den Falmouth Falcons wurde als bester Nachwuchsflieger aller Zeiten gehandelt. Man pries seinen riskanten Flugstil, seine Wendigkeit und Torpunktzahl. Der Frust in Albus wurde größer; er war auch wendig, hatte einen riskanten Flugstil und eine beachtliche Anzahl von Toren vorzuweisen! Noch dazu konnte er den Begriff Strategie umsetzen, im Gegensatz zu seinem Bruder! Auch er war ein guter Jäger, warum sahen die Engländer das nicht? Sein spanischer Trainer hatte mehrfach bedauert, dass er Engländer war. Seine Worte hatten Albus das Gefühl gegeben, dass man diese Sichtweise in Europa teilen würde. Doch die Zeitung hatte diese Hoffnung eiskalt zunichte gemacht. Nicht zum ersten Mal glaubte er, man würde ihn neben seinem imposanten Bruder übersehen. So war es bereits in Hogwarts, bei den Hexen und auch in der Familie gewesen. Während James Potter die Welt zu Füßen lag und er all das bekam, was er wollte, musste Albus immer kämpfen. Um gute Noten, um einen Platz in der Hausmannschaft, um Anerkennung seines Vaters - überhaupt um wahrgenommen zu werden. Die ganzen letzten Jahre hatte er alles daran gesetzt um endlich für die Nationalelf fliegen zu dürfen um allen zu zeigen, dass er durchaus in der Lage war, in die übergroßen Fußstapfen von Großvater, Vater und Bruder zu treten. Ein paar schwarze Zeilen hatten alles zunichte gemacht. Albus hob den Kopf und trank einen großzügigen Schluck von seinem Butterbier. Vollkommen kopflos war er aus Barcelona abgereist. Hatte alles stehen und liegen gelassen. Vor genau 46 Stunden. Und nun streifte er ruhelos durch Paris. Warum ausgerechnet Paris? Diese Frage konnte er sich noch nicht einmal selbst beantworten. Ohne groß darüber nachzudenken war er vor dem Gasthof Bondir Nain appariert, ganz in der Nähe vom Place Dauphine. Ein giftgrüner Zwerg bildete das Wahrzeichen des abgenutzten Hauses und Muggel liefen ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen dran vorbei. Das Zimmer war schnell gemietet und der Wirt gehörte zu der unaufdringlichen Sorte. Seitdem zog Albus nun durch die Straßen, ohne nach links und rechts zu sehen und war schließlich hier gelandet. Die grünen Augen streiften die abgenutzte Uhr um sein Handgelenk und er bemerkte, dass sich das Ziffernblatt erneut verschob. Es war das verdammte Zeichen, dass sein bester Freund nach ihm suchte. Ein Schmunzeln legte sich auf seine dünnen Lippen. Fred Weasley war wahrscheinlich der einzige Mensch auf dieser Welt, der wusste, wie er sich in diesem Augenblick fühlte. Doch trotzdem verspürte Albus nicht den geringsten Wunsch seinem besten Freund gegenüber zu stehen. Knapp hob er die Hand und bestellte ein neues Butterbier. Den Feuerwhisky wagte er nicht zu probieren, nachdem sein Cousin Louis es einmal übertrieb und man ihm den Magen im St. Mungos hatte auspumpen müssen. Auf das Mitleid seiner Familie, die dann um sein Bett herum stehen würde, konnte er getröstet verzichten. Als der Krug vor ihm sich wieder selbst füllte, drang der Lärm der Wirklichkeit wieder an sein Ohr. Er richtete sich auf und musterte seine Erscheinung im Spiegel, der hinter den magischen Gläsern an dem Regal angebracht war. Ohne mit der Wimper zu zucken registrierte er, dass er schrecklich aussah. Sein Magen zog sich merkwürdig zusammen, denn der Potter begann sich dafür zu schämen. Das Butterbier in seiner Hand sollte für heute das letzte sein. Morgen würde er sich zurück auf den Weg nach Barcelona machen, oder zu Fred, um sich ihm zu stellen. Albus beugte sich erneut vor, roch die Kräuterpfeife der Hexe, lauschte der rockigen Musik und versuchte zu lächeln. Angesichts seiner persönlichen Niederlage sollte er wirklich nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern stolz auf sich sein, dass er diesen Horror von Training überhaupt überlebt hatte. „Je voudrais une grande bière“, sprach eine Stimme laut zu seiner rechten Seite in einem perfekten Französisch mit einem leichten britischen Akzent. Albus neigte den Kopf und musterte ein weibliches Profil. Dichte dunkelbraune Locken fielen der Hexe über die Schulter. Ihre Haut war blass und erinnerte an den berüchtigten Schneewittchen-Teint. Saphirblaue Augen sahen über die Theke hinweg den ungepflegten Ork an, der ihre Bestellung aufnahm. Ihre Gestalt war schmal, doch trotzdem strahlte sie keineswegs Zerbrechlichkeit aus. Albus dachte im Affekt des Augenblicks an starken, freien Wind, da ihm ein Geruch in die Nase stieg, der den von bissiger Kräuterpfeife zu überdecken schien. Die Hexe kam ihm seltsam bekannt vor, ihre Art sich zu bewegen, ihr Mienenspiel und ganz besonders diese strahlenden Augen. „Alice?“, er wusste nicht, warum ihm ausgerechnet dieser Name über die Lippen rollte, doch als er ihn ausgesprochen hatte, war ihm, als verdeutlichte sich ihr Bild vor seinen Augen. Dabei hatte sich nichts an seiner Sehkraft verändert, sondern lediglich seine Wahrnehmung. Kurz versteifte sich der zierliche Körper, dann wand sie den Kopf und ihre Augen musterten ihn. Sie schien ihn einordnen zu wollen. Schließlich verzogen sich ihre Lippen zu einem breiten Lächeln. „Albus?“ Die Stimme der Longbottom klang genauso erstaunt, wie er sich fühlte. „Was tust du hier?“ Die Frage war berechtigt und sie kletterte auf den Hocker neben ihm. Unwillkürlich musste Albus laut lachen. Zum ersten Mal seit Wochen, so kam es ihm vor, denn es fühlte sich vollkommen fremd an. „Pause, ich musste raus, und du?“ Ganz kurz zog ein Schatten über das blasse Gesicht der Hexe, doch dann gewann die Freundlichkeit die Oberhand. „Ebenfalls. Merlin, ich habe dich seit Hogwarts nicht mehr gesehen. Wie lebt es sich in Spanien?“ Hogwarts... Vier Jahre war das bereits her und es kam ihm vor wie gestern. Das Schloss war der Ort gewesen, an dem er stetig das Gefühl gehabt hatte zu hetzen. „Gut, jedenfalls vom Wetter her besser als in London.“ Alice lächelte und nahm ihr großes Butterbier entgegen. Durstig trank sie und verzog kurz darauf das Gesicht. „Erschreckend süß, richtig?“ Sie nickte überrascht. „Ja“, etwas enttäuscht stellte sie den Krug ab. „Und ich dachte, es schmeckt überall gleich, aber nach Deutschland und Russland sollte mich wohl besser nichts mehr überraschen.“ Interessiert und ein wenig verwirrt hob er die Augenbrauen. „Du bist auf der Durchreise?“ „Auf Weltreise“, verbesserte sie flötend und zog eine Zigarette aus ihrer Lederjacke, die an ihr saß wie eine zweite Haut. „In Deutschland schmeckt das Butterbier sehr stark, nach zwei Stück war ich bereits vollkommen betrunken. Russland nennt es sogar anders, ich kann das Wort noch nicht einmal aussprechen.“ Alice zündete die Zigarette an einer hohen Kerze an und nahm einen entspannten Zug. „China bietet kein Bier und von dem Fiasko in Nordkorea wollen wir erst gar nicht anfangen. Alleine die Einreise ist, als würde man ein Attentat auf den Zauberminister verüben wollen.“ „Du warst in Deutschland, Russland, China und Korea?“, plapperte er erstaunt nach und so langsam passte in seinem Kopf kein Puzzelteil mehr zum anderen. Zu Hogwartszeit war Alice immer etwas wohlproportionierter gewesen, jetzt war sie rank und schlank, weibliche Formen ließen sich nur erahnen. Ihr Wesen war schüchtern, doch die Abenteuerlust in ihren Augen verriet ein anderes Gemüt. Genauso ihre Art sich zu präsentieren. Von Unsicherheit und dem Wunsch unsichtbar zu sein keine Spur, stattdessen trat ihm Selbstbewusstsein entgegen. „Sagte ich doch“, sprach sie belustigt. „Frankreich ist nur eine Zwischenstation, ich wollte runter nach Italien“, verriet die einstige Professoren-Tochter. Es kam Albus unwirklich vor, sie ausgerechnet in Paris zu treffen, wo sich doch tausend andere Möglichkeiten ergaben, einander über den Weg zu laufen. „Weshalb musstest du raus, zu viel Stress?“ Ihre Frage ließ ihn wissen, dass sie scheinbar keine Zeitung mehr las. Aus der Streberin war jemand Nachlässiges geworden. Albus spannte sich kaum merklich an und bemerkte dabei, wie sie ihn unverhohlen musterte. Der Potter wollte die Frage nicht beantworten und holte tief Luft, doch dann riss Alices das Ruder des Geschehens wieder an sich. Von einer Sekunde auf die andere war ihre Höflichkeit verschwunden. Sie stellte den Krug in ihrer Hand ab und sprach: „Langweilst du dich mit deinem Leben als überbezahlter Quidditchprofi?“ Der feindliche Unterton in ihrer Stimme blieb ihm nicht verborgen. „Ich bin nicht gelangweilt“, sprach er überrascht. „Wie kommst du drauf?“ Leicht neigte sie den Kopf und er musterte den Schleier an Haaren, der sich fließend bewegte. „Weiß nicht, was hättest du sonst für einen Grund mitten in der Saison, drei Tage vor einem entscheidenden Match durch die Straßen von Paris zu ziehen?“ Albus fühlte sich komischerweise angegriffen und neigte sich leicht zu ihr rüber: „Sagen wir, ich habe meine Gründe.“ „Langeweile“, hielt sie weiter dagegen und drehte die Zigarette zwischen ihren Fingern. „Nein.“ „Doch“, sprach Alice entschieden und sorgte dafür, dass der Potter sie mit einem verstimmten Blick strafte. „Du siehst aus, als hättest du lange nicht geschlafen, viel getrunken und suchst einen Kick.“ Albus wand sich von ihr ab, er hatte keine Lust zu streiten und schon gar nicht ihr zu erklären, dass er keineswegs Langeweile hatte. Es war ein Klischee, dass sämtliche Menschen dachten, als Sohn des großen Harry Potters sei man aller erdenklichen Abenteuer müde, weil man sie bereits schon erlebt hatte. James vielleicht, Lily ebenfalls, aber er bildete wie immer die Ausnahme. Gewaltige Abenteuer hatten ihn bislang noch nie interessiert. Ein ruhiges Leben mit festen Zielen war bislang immer sein privater Vorzug gewesen. „Ich wiederhole mich nur ungern, aber du irrst.“ „Beweis es!“, forderte sie und zum ersten Mal an diesem Abend sah Albus ihr direkt in die blauen Augen. Statt den Blickkontakt peinlich berührt zu unterbrechen hielt sie ihm stand. Die junge Hexe reckte das Kinn, sie schien belustigt. Albus dagegen fühlte sich seltsam vor den Kopf gestoßen. „Ich habe keine Ahnung, wie ich dir etwas beweisen soll, das man nicht beweisen kann.“ Alice neigte leicht den Kopf und musterte seine angespannten Gesichtszüge. Seit sie auf Weltreise war, hatte sich ihr Gespür für kleine, feine Lügen enorm ausgebildet. „Wir beide machen die Nacht zum Tag“, sprach sie leichthin. „Schauen mal, was die Straßen so zu bieten haben und stellen ein paar Spielregeln auf. Wenn du keine Freude dran empfindest, dann bist du ein gelangweilter, überbezahlter Schnösel.“ „Ich verstehe nicht ganz“, begann der Potter, doch davon ließ sie sich nicht beirren. Geschäftlich beugte sich Alice vor und erklärte: „Regel Nummer eins, wir bleiben bis zum Sonnenaufgang an keinem Ort länger als eine Stunde.“ - „Alice, ich-“, begann Albus, wurde aber just von ihr unterbrochen. „Regel Nummer zwei, an jedem Ort, wo wir Halt machen gibt es A) entweder eine Aufgabe, oder B) eine Frage zu beantworten.“ In seinen Ohren klang das Ganze absolut bescheuert, doch statt sich zu beschweren schwieg der Potter. „Regel Nummer drei, wir ziehen das tatsächlich bis zum Sonnenaufgang durch. Brichst du das Spiel vorzeitig ab, habe ich recht.“ „Und was habe ich von der ganzen Sache?“, warf er schließlich ein und sie zuckte provokant mit den Schultern: „Finde es heraus.“ Albus sah sie an, das Ganze war mehr als lächerlich, allerdings zog er eine Einwilligung in diese seltsamen Regeln trotzdem in Erwähnung. Schließlich stimmte er tatsächlich zu. „Gut, wann geht es los?“ „Sofort“, erklärte Alice gut gelaunt und legte das Geld für ihr Butterbier auf die Theke. Dass sie noch nicht einmal ausgetrunken hatte, schien sie nicht zu stören. Albus tat es ihr gleich und nahm seine graue Jacke von der Garderobe. Kaum, dass er die stickige Kneipe verlassen hatte und an die kühle Abendluft trat, war ihm, als hätte die frische Luft ihn aus seinem dunklen Loch gerissen. Sofort fühlte er sich besser, freier und leichter. Alice kramte in ihrer winzigen Handtasche herum, bis sie schließlich gefunden hatte was sie suchte und einen Stadtplan hervorzog. Kurz darauf befreite sie auch ihren Zauberstab aus der magischen Tasche und schien sich nicht daran zu stören, dass sie sich mitten an einem Ort unter Muggeln befanden. Er wollte sie gerade spießig zurechtweisen, als sie auch schon die Hand nach ihm ausstreckte. „Du weißt, dass du hier leichtfertig mit dem Zaubergesetz umspringst?“ „Sei kein Eulenei“, wies sie ihn kühl zurecht und griff nach seinem Ärmel. Noch bevor er einen weiteren miesen Spruch ablassen konnte, drehte sich seine Welt und er begriff, dass sie apparierten. Unwillkürlich taumelte Albus und zog scharf die Luft ein. Der kalte Wind, der durch sein rabenschwarzes Haar fuhr, war erschreckend stark. Hastig versuchte er zu erkennen wo sie waren. „W-Wo sind wir?“ Seelenruhig faltete Alice die Karte in ihrer Hand auseinander und Albus stellte mit einem Faustschlag ins Gesicht fest, dass sie sich schon wieder im Muggelbereich aufhielten. Voller Sorge prüfte er, ob irgendjemand sie gesehen hatte, denn sie befanden sich an einer Hauptstraße unter hellen Laternen. Erst nachdem sich sein Herz wieder beruhigt hatte, konnte er seine Umgebung ohne Panik betrachten. „Wir sind auf der Pont Alexandre III", erklärte Alice ihm ohne einen Funken schlechten Gewissen. Ihre blauen Augen lagen noch immer auf der großen Karte in ihren Händen. „Sie besiegelte damals das französisch-russische Bündnis von 1894, das von Zar Alexander III angeregt wurde, daher auch ihr Name.“ Die Stimme der Longbottom klang beiläufig, doch Albus bemerkte den bewundernden und interessierten Unterton. Der Potter sah auf das Wasser und kam nicht drum herum die Schönheit der Brücke zu bewundern. Kleine Schiffe leuchteten, die altmodischen Straßenlaternen gaben dem Ganzen einen äußerst romantischen Flair und als er jeweils an die Enden der Brücke sah, entdeckte er Säulen, die von Skulpturen des Pegasos geschmückt wurden. Alice trat zu ihm, ihr schien der heftige Wind nichts auszumachen. „Laut der Karte fliest unter uns die Seine durch.“ Albus reckte den Kopf und begriff, dass auch die Karte magisch war. Sie funktionierte ähnlich wie die Karte der Herumtreiber, nur dass sie für ganz Paris zu nutzen war und man an die jeweiligen Orte apparieren konnte. Tippte man mit dem Zauberstab auf den Punkt des Aufenthaltsortes, so erschien eine fein geschwungene Schrift, die einem über Wichtigkeiten aufklärte. Albus lehnte sich wieder etwas zurück. Alice schien ihre Tour durch Paris also sauber geplant zu haben. Plötzlich hört er die Hufen eines Pferdes und fuhr herum. Ein stolzer Reiter mit wehendem Umhang galoppierte über die Brücke, ignorierend an ihnen vorbei. Eindrucksvoll und mit erhobenem Haupt; dem Potter verschlug die majestätische Erscheinung die Sprache. Es dauerte etwas, bis Albus begriff, dass es sich um den Zaren handelte. Die Silhouette des Mannes kam dereines Geist nahe, so als wollte er sich nicht aus dem Leben verabschieden, sondern erhalten bleiben. Albus bemerkte, dass kein einziger Muggel auf der Brücke den Zaren zu bemerken schien. Scheinbar war für sie alles unsichtbar, was in irgendeiner Form magisch war. Der Reiter verschwand und die Hufen des Pferdes wurden leiser. So als hätte es diesen kleinen Augenblick nie gegeben. Er sah wieder auf das Wasser und Alice sprach beeindruckt neben ihm: „Links haben wir den Weg zum Invalidendom, rechts den zum Grand Palais und Petit Palais.“ Als wären sie kleine Kinder, sahen sie erst nach links und dann nach rechts. Beide Seiten wurden hell beleuchtet. Während Albus schnell den Blick abwandte, genoss Alice die romantische Schönheit. Sah an das Ufer, musterte die beleuchteten Schiffe und ließ die Atmosphäre auf sich wirken. Die Autos im Hintergrund waren für sie nicht besonders relevant, genauso wie die Kälte, die hartnäckig an ihrem Körper zerrte. Für ihre Verhältnisse hatten sie eine relativ milde Herbstnacht erwischt. „Vermisst du Hogwarts manchmal?“, fragte sie und Albus lehnte sich mit den Rücken gegen das Geländer. „Nein“, sprach er ehrlich. „Die sieben Jahre waren einmal Hölle und zurück.“ Seltsamerweise schmunzelte sie und er stellte ihr dieselbe Frage. „Ebenfalls nicht. Ich war mehr als froh, als ich die Schuluniform ablegen konnte. Links oder rechts?“ Ihr plötzlicher Themenwechsel stieß ihn vor den Kopf und ohne lange darüber nachzudenken, nickte Albus nach rechts. „Ich möchte den Grand Palais sehen. Wieso warst du froh?“ Er stieß sich vom Geländer ab und wartete darauf, dass sie ihm folgte. Die Hände hatte er in den Jackentaschen vergraben und hoffte auf eine Antwort, obwohl ihre Regel von einer Frage gesprochen hatte. Sie schlenderte neben ihm her, faltete die Karte zusammen und ließ den Zauberstab verschwinden. Schwatzende Muggel kamen ihnen entgegen. „Keine Ahnung, vielleicht weil ich in Hogwarts immer eine Art unsichtbaren Stempel mit mir herum getragen habe“, sie lachte trocken. „Ich war die liebe und artige Professoren-Tochter. Habe fleißig gelernt, mich nie daneben benommen und getan, was all die Leute von mir erwartet haben. Irgendwann wurde mir das alles ein bisschen zu viel.“ „Bist du deshalb auf Weltreise?“, wollte Albus wissen und erinnerte sich vage daran, dass Neville einmal beim Tee erwähnt hatte, dass seine Tochter von heute auf morgen ihre Tasche gepackt hatte. „Du warst doch verlobt und ihr habt eine Heirat geplant.“ Alice versteifte sich kurz, dann schritt sie ein wenig schneller und schenkte ihm ein spitzbübisches Lächeln. „Wir sprachen von einer Frage, Albus.“ Mist, sie hatte ihn ertappt. Er würde sie weiter ausfragen, wenn sie den nächsten Ort erreicht hatten, die Frage würde er einfach im Hinterkopf behalten. Ganz Muggelmanier legten sie den Weg zu Fuß zurück, schritten an den Säulen am Ende der Brücke vorbei und so auch an der Skulptur des Pegasos. Aus ihrer kleinen Handtasche holte Alice einen alten magischen Fotoapparat und verewigte das Pferd mit den Flügeln. „Meine Ur-Urgroßmutter hat mir einmal erzählt, dass Pegasos im zweiten Weltkrieg als eine Art Hoffnung für die Kinder galt. Damals haben sich die Muggel gegenseitig in die Luft gejagt und viele kleine Zauberer und Hexen wurden in den Krieg mit eingezogen.“ Alice betrachtete die Skulptur und Albus tat es ihr gleich. „Jedenfalls“, fuhr sie fort, „konnten magische Wesen in dieser finsteren Zeit sehen, dass die Seele von Pegasos die Skulptur verließ, seine Flügel streckte und zum Anbruch des Morgens über die Seine glitt.“ „Was er nun nicht mehr tut“, schloss Albus. Es war kein Geheimnis, dass der zweite Muggel-Weltkrieg viel zerstört hatte. Auch ehrwürdige Orte der magischen Welt waren davon nicht verschont geblieben. Der Potter war der Erste, der erneut seinen Blick von der Sehenswürdigkeit löste. „Lass uns weiter ziehen“, sprach er lediglich und Alice folgte seinen Worten. „Woher weißt du, dass er es nun nicht mehr tut?“, fragte Alice und er antwortete: „Meine Mutter war hier, also nach der großen Schlacht von Hogwarts, und hat tagelang darauf gewartet, dass Pegasos seine Hülle verlässt.“ „Tante Ginny war hier?“ Alice konnte ihre Verblüffung nicht verbergen und sah an der Miene ihres Begleiters, dass er damit keine schönen Erinnerungen verband. „Magst du mir davon erzählen?“ Überrascht sah Albus sie an, es war das erste Mal seit Wochen, dass man sich für ihn interessierte. „Da gibt es nicht viel zu erzählen“, begann er knapp. Die Straßenlaternen warfen lange Schatten und nur wenige Muggel kamen ihnen entgegen. „Sie hat im Krieg einen Bruder verloren, viele Freunde und musste raus aus England. In der Nacht, in der sie siebzehn wurde, saß sie auf der Brücke und hat auf den Morgen gewartet, weil sie irgendwo gelesen hatte, dass Pegasos Trost spenden würde. Bewaffnet mit einer Flasche Feuerwhisky wartete sie also.“ Als er von der Vergangenheit erzählte, wurde ihm bewusst, wie seltsam traurig und romantisch die Geschichte war. „Er kam nicht“, schlussfolgerte Alice niedergeschlagen und Albus bestätigte: „Nein, er kam nicht. Ganze drei Nächte wartete sie und in der vierten Nacht wurde sie von meinem Vater gefunden.“ Verdutzt sah sie ihn an: „Sie hat drei Tage auf der Brücke gesessen?“ „Nein, Nächte. Die Tage hat sie damit verbracht sich Paris anzusehen“, korrigierte er. Albus erinnerte sich daran, wie seine Mutter an seinem Bett gesessen hatte und von einem Land erzählte, dass ihr vorkam, wie ein Labyrinth aus dem fiktiven Märchendorf Nor-mie-lae. Dabei war Paris eine Stadt wie jede andere. „War das der Beginn ihrer Beziehung?“ Albus lachte und sie näherten sich dem Grand Palais. „Nein, sie waren schon einmal in Hogwarts zusammen. Als mein Vater sie hier fand, war es wohl so eine Art Zeichen für meine Mutter, dass sie ihm trotz des ganzen Erlebten immer noch etwas bedeutete.“ Er vermutete, dass es allgemein zu Beginn nicht gut in der Beziehung seiner Eltern gelaufen war und der Morgen, an dem sein Vater die Brücke betreten hatte, irgendetwas zwischen ihnen verändert hatte. Je näher sie dem Grand Palais kamen, umso eindrucksvoller wurde es. Mächtige Säulen stützten eine Gabel und Albus reckte den Kopf. Ohne darüber nachzudenken zog er seinen Zauberstab und murmelte: „Lumos.“ Der Potter suchte nach einer Inschrift, so wie in Deutschland, direkt am Reichstag. Doch seine Suche blieb vergebens. Skulpturen in Form von Engeln sahen majestätisch und unschuldig links und rechts auf sie herab und Alice klappte ihren Reiseführer wieder auseinander. „Grand Palais“, sprach sie immer wieder vor sich hin, bis sie schließlich den Punkt gefunden hatte. „Er wurde 1900 für die Weltausstellung gebaut“, erklärte sie. „In der Giebelinschrift steht...“ Albus sah sie verwirrt an: „Da ist keine.“ - „Doch schau!“ Die beiden traten näher und tatsächlich: „La gloire de l`Art français, auf Englisch, der Ruhm der französischen Kunst. Dafür diente der Grand Palais bei der Weltausstellung wohl auch.“ Sie trat weiter zu den mächtigen Türen und Albus rüttelte dran. Natürlich waren sie verschlossen. Ohne auf den Potter zu achten las Alice weiter vor: „Der Grundriss ist kreuzförmig und die Decke aus Glas.“ Damit klappte sie die Karte zu und griff nach dem Ärmel ihres Begleiters. Ohne zu zögern apparierte sie. „Zeit, sich das von Innen anzusehen!“ Er stolperte und seine eigenen Schritte hallten laut in seinen Ohren wider. Es war verflucht dunkel und zuerst erkannte Albus gar nichts. „Verdammt, Alice!“, begann er verstimmt. „Hör auf hier wahllos herum zu zaubern.“ „Das nennst du wahllos?“, sie schien belustigt und betrachtete die gigantische Glasdecke, welche als einziges Hindernis zwischen den Sternen und dem Inneren diente. Ihre blauen Augen leuchteten und als sie, den Kopf in den Nacken legend,einfach so durch die gigantische Halle spazierte, musterte Albus ihr zufriedenes Profil. Es wirkte so anders als in Hogwarts. Losgelöster und frischer. Er verharrte augenblicklich, als er den Nebel um seine Füße bemerkte. Alice hielt ebenfalls inne und fasziniert beobachteten die beiden, wie sich der Nebel zu etwas Materiellen formte. Der Dunst nahm Konturen an und blieb doch weiterhin durchdringlich. Im ersten Moment war der Potter mehr als nur verwirrt, aber dann beruhigte sich sein nervöses Herz und er verzog die Lippen zu einem schmalen Lächeln. Muggel-Flugzeuge. Alte Gleiter, Jagdflugzeuge. Mehrere interessierte Besucher musterten sie; ihre Häupter schmückten Zylinder, die Damen dagegen trugen altmodische lange Kleider und das Haar geflochten. Sie murmelten etwas Unverständliches. Hier und da erklärte ein Pilot sein Flugzeug und Albus begriff, dass dies ein Bild der Vergangenheit war. Ähnlich wie beim Zaren dürfte auch diese Erscheinung nur von kurzer Dauer sein. Trotzdem beeindruckte ihn dieses Bild. Die Flugzeuge wirkten seltsam instabil, doch die Muggel schienen dafür umso überzeugter. Irgendwie ein Wunder, dass es diese Papierflieger überhaupt in die Luft geschafft haben. Viel zu schnell löste sich der Nebel wieder und erst, als er den Blick von einem stolzen Piloten nahm, der sich mitsamt seinen Zuhörern auflöste, machte sich Alice wieder bemerkbar. „Die haben tatsächlich Flugzeuge hier hereingebracht? Unvorstellbar!“, sie klang restlos begeistert, während sich Albus gerade einmal milde beeindruckt verhielt. „Meinst du, die haben hier auch einen Zeppeldings da rein bekommen?“ „Zeppelin?“, hackte Albus höflich nach. „Sicherlich.“ „Verdammt! Schade, dass wir keinen gesehen haben!“, ihre Worte hatten eine Note von Enttäuschung und skeptisch musterte Albus sie. War sie wegen der Geschichte der europäischen Muggel in Paris unterwegs? „Weshalb bist du auf Weltreise?“, seine Frage hatte er nicht vergessen und sah sie nun aufmerksam an. Alice dagegen seufzte neben ihm und der Potter rechnete bereits mit einer ehrlichen Antwort, als der Boden unter seinen Füßen nachgab und sie apparierten. Wenn sie so weiter machte, würde er sich von dem ganzen Karussell sicher noch übergeben. „Alice!“, fuhr er sie an, sobald er wieder nach Luft schnappen konnte. „Könntest du bitte aufhören mir jedes Mal den Boden unter den Füßen weg zu ziehen?“ Er wollte noch einen draufsetzten, als Albus eine unangenehme Nässe an seinen Fußen spürte. Sie standen beide bis zu den Knöcheln in Wasser. Kurz ließ er den Blick schweifen und entdeckte gläserne Pyramiden. Alles klar, sie befanden sich vor dem Palais du Louvre. Missgelaunt riss sich Albus von ihr los und stampfte durch das Wasser; es überraschte ihn, dass sie nicht von einer Menschenseele gesehen worden waren. Der komplette Platz war leer und hinter ihm lachte Alice. Sie schien das Ganze wahnsinnig amüsant zu finden. „Komm schon Potter, hör auf hier den schwarzen Gnom zu spielen.“ Er spürte, dass sie ihm die Füße wieder trocken zauberte, doch die Wut in seinem Magen verpuffte nicht. „Weißt du was? Spiel dein komisches, wie-hopse-ich-innerhalb-von-Sekunden-durch-Paris – Spiel alleine weiter!“ „Das heißt, du brichst ab?“ Die Longbottom war überrascht und hielt inne, da sie jetzt eigentlich] die Karte neu hatte ausbreiten wollen. Als sie das verärgerte Gesicht des Potters sah, begriff sie, dass es ihm ernst damit war. „Warum bist du so wütend?“, sprach Alice und setzte hinzu: „Und erzähl mir nicht, dass es von unserer kleinen Stadterkundung kommt, du warst schon in der Kneipe so komisch verstimmt.“ Albus wollte sich gerade zum gehen wenden. Irgendwo platzte bei ihm ein Knoten. „Ich habe die Schnauze voll davon ständig herum geschubst zu werden! Egal wo ich hinkomme, überall hackt man auf mir herum, erwartet eine perfekte Anpassung, oder man ignoriert meinen Wille, wenn man mich nicht gleich vollkommen ignoriert!“ Die bitteren Worte schossen aus ihm heraus, die blassen Wangen wurden rot vor Zorn und die matten grünen Augen drückten Verachtung aus. „Ich dachte, das hier sollte Spaß machen; stattdessen jagst du mich von einem Ort zum anderen und weichst meinen Fragen aus, während du scheinbar unendliche stellen darfst!“ Seine Hände waren zu Fäusten geballt, fast so, als musste er sich bemühen nicht zu platzen. „Und jetzt- was ist das?“, Albus unterbrach sich selbst. Schwarze Flocken segelten auf sie herunter, fast wie Schnee und so leicht wie Watte. „Alice, was zum Henker ist das?!“ Hatte er dieses Phänomen unbeabsichtigt mit Magie hervor gezaubert? Panik machte sich in ihm breit und er zog seinen Zauberstab aus der Jackentasche. Schließlich bemerkte er, dass diese seltsamen Flocken ihn nicht berührten, sondern verschwanden. Alice streckte die Hand aus und schien überhaupt nicht verängstigt. Sie steckte die Hände in die Jackentasche und erklärte: „Wir sind an einem ehrwürdigen Ort, Albus. Hier regieren Kunst, Bilder, Skulpturen, Erfindungen und mit jedem einzelnen Meisterwerk werden Gefühle verbunden.“ Alice nahm den Blick von ihrem Gegenüber. Sieben Meter trennten sie voneinander und doch hatte sie das Gefühl, dass es sich um eine ganze Schlucht handelte. „Du willst wissen, warum ich nicht bei meinem Verlobten bin?“ Jedes einzelne Wort, das sie aussprach, öffnete eine Wunde in ihrer Brust. Ihre blauen Augen sahen in den finsteren Himmel. „Die Wahrheit ist, dass er nie wirklich mein Verlobter war.“ Die Longbottom streckte die Hände aus, doch die Flocken waren nicht zu spüren. Langsam änderten sie die Farbe und Albus nahm seinen Blick von der Faszination des Himmels. Statt schwarz wurden sie nun grau, weiß und schließlich rosa. Als Alice weitersprach nahmen sie jedoch die Farbe des Blutes an. „Lorcan hatte die ganze Zeit neben mir eine Affäre.“ Die Worte schlugen Albus brutal entgegen und er fühlte sich sofort schuldig. Ihr Gesicht nahm einen bitteren Zug an. „Drei Wochen vor der Hochzeit habe ich sie dann erwischt“, sie lächelte und holte tief Luft. „Er stritt nichts ab, sondern gestand mir lediglich die ganze Wahrheit.“ Langsam schritt Albus auf sie zu. Er begriff den Grund für ihre Flucht aus England. Niemand würde drei Wochen vor der Hochzeit, wenn die Einladungen bereits verschickt waren, der Saal gemietet, das Kleid gekauft, noch an einem Ort verweilen, wo alle Welt wusste, welcher Pein man gerade ausgesetzt war. „Hast du ihn zumindest ordentlich verflucht?“ „Nein.“, antwortete sie knapp. „Wieso nicht?“ Alice sah ihn direkt an und zum ersten Mal fiel ihm eine Stärke in ihren Augen auf, die ihm bislang vollkommen verborgen geblieben war. Der Mut und die Entschlossenheit einer Gryffindor traten hervor und er begriff, dass jeder Knochen in ihrem Leib für Ehre stand. „Er ist schwul, Albus. Wie kann ich jemandem gram sein, der mit allen Mitteln versucht hat, sich seinem Umfeld anzupassen und jahrelang verleugnete, was er wirklich ist? Wahrscheinlich hat er mehr gelitten, als ich es jetzt tue.“ Albus kam direkt vor ihr zum Stehen und sie wendete den Blick ab. Ihre Worte trotzten nur so vor Heldenmut. Sie klang wie jemand, der nicht wollte, dass man einem geliebten Menschen die Schuld an ihrem Unglück gab. Langsam hob der Potter die Hand und strich durch ihr dunkles Haar; ihre Wange war kalt. Schließlich ließ er eben jene Hand wieder sinken und sprach: „Wer war der Andere?“ Sie antwortete nicht sofort, sondern ließ sich Zeit. „Das ist nicht richtig.“ „Komm schon, wer war der Andere?“ „Hugo Weasley.“ Im ersten Moment glaubte der ehemalige Slytherin sich verhört zu haben. „H-Hugo? Mein Cousin?“ – der Bruder ihrer besten Freundin? „Sie haben sich bei der Aurorenausbildung näher kennen gelernt.“ Die Worte klangen, als würden sie durch eine Mauer zu ihm durch dringen und augenblicklich schmeckte Albus dem bitteren Geschmack von Blut auf seiner Zunge. „Wie lange ging denn das Ganze?“ Sie strafte ihn mit einem abschätzenden Blick, fast so, als wollte sie sagen, dass man so etwas nicht fragen würde. Allerdings hatte er sich noch nie besonders an dürfen und müssen gehalten. Die Antwort verwehrte sie ihm, stattdessen drehte sie brutal am Thema. „Ich habe Hunger, kommst du mit etwas essen oder hast du nach wie vor die Absicht das Spiel abzubrechen?“ Da war es wieder, die Unnahbarkeit einer Alice Longbottom, versteckt hinter einer Maske aus Abenteuerlust. Die roten Flocken verschwanden und zum ersten Mal drangen Stimmen an Albus` Ohr. Muggel schlenderten über den Platz. „Lass uns etwas essen gehen.“ Sie stieß die Faust in seinen Bauch und verzog die Lippen zu einem breiten Grinsen. Der tragische Moment von Geständnissen schien vorbei zu sein. „Komm mit, ich glaube dort hinten gibt es ein ganz schmuckes Restaurant.“ Dieses Mal zog sie ihn lediglich hinter sich her, anstatt einfach zu apparieren. Wahrscheinlich hatte sein Ausbruch etwas gebracht. Mehrere Menschen kreuzten ihren Weg. Sie schienen aufgeregt, gut gelaunt und wahrscheinlich auf dem Weg in eine Diskothek. Von irgendwo hörte er Musik. Und als Alice genauso plötzlich stehen blieb, wie sie losgegangen war, konnte Albus gerade noch rechtzeitig inne halten, ohne sie anzurempeln. „Restaurant du balai?“, sprach er irritiert. Restaurant zum Besen? Mitten in einer Muggelstraße? Hastig sah er sich um und registrierte, dass die Menschen achtlos an dem hübschen Lokal vorbei eilten. Langsam sollte er wirklich etwas lockerer werden und aufhören sich ständig Sorgen zu machen. Alice stieß die Tür zum Lokal auf und im ersten Moment staunte der Potter nicht schlecht. Die Decke des Lokals bestand aus einer Baumkrone, die jeweils alle vier Jahreszeiten darstellte. Rechts von ihm herrschte Winter, links von ihm an einem Kamin, der die Mitte des Raumes schmückte, erstreckte sich der Sommer. „Gehen wir in die Herbstecke?“, fragte Alice und er zuckte mit den Schulten, da es ihm so ziemlich egal war. Bunte Blätter raschelten über ihnen und Albus kam nicht drum herum den Zauber zu bewundern. Höflich half er Alice aus der Jacke, ließ sie zusammen mit seiner zur Garderobe schweben und rückte den Stuhl für die Frau, ehe er selbst Platz nahm. Ein Hauself, bekleidet mit einem weißen Hemd und einer bunten Hose, erschien. Bei genauerem Hinsehen erkannte Albus, dass die Hose die Jahreszeiten und mehrere Besen zeigte. Aufgeregt begrüßte der Elf sie höflich: „Bonsoir Madame et Monsieur.“ Dabei suchte sein Blick hastig wieder den des Potters und während er mit dem Finger schnippte, sodass die Karten erschienen, sprach er: „Je suis un grand fan de Barcelona-águila-bicéfalas.“ Alice lachte und lauschte der Lobeshymne über ihre Begleitung. Die Augen des Elfen leuchteten und als sie den Kopf leicht neigte, erkannte sie eine alte Bar mit einer Theke aus Stein, von der jeweils drei weitere Gäste zu ihnen rüber starrten. Die Hexe paffte an ihrer Pfeife ohne zu bemerken, dass sie bereits aus war, der Kobold daneben sah sie einfach unverhohlen an, während seine Begeleitung immer wieder diskret hüstelte. Die Longbottom kicherte und bemerkte so nicht, dass bereits die Bestellung für die Getränke aufgegeben wurde und Albus aufmerksam die Karte studierte. „Monsieur, vin?“ „Vin rouge“, bestätigte Albus. „Et coq au vin.“ Schnell sah sie ebenfalls auf die Karte, stimmte dem Wein zu und probierte: „Pot-au-feu.“ Der Elf verbeugte sich höflich und sammelte die Karten ein bevor er disapparierte. „Sieh an, sieh an, du kleine Berühmtheit“, witzelte sie und Albus rollte mit den Augen. „Sie erkennen mich nur weil wir den Falmouth Falcons nach dem letzten Championsmatch ordentlich in den Hintern getreten haben.“ Nicht verstehend hob sie eine Augenbraue und er erklärte: „Die Falcons haben sich eine Runde vorher ein ziemlich unfaires Spiel gegen die Souple royal Aviateurs erlaubt. Für Frankreich sind sie die französische Quidditchvertretung schlechthin und-“, er schwieg kurz als mit einem leisen Plopp zwei Gläser auf dem Tisch erschienen und eine Flasche sich elegant in der Luft drehte. Interessiert sah Alice dabei zu, wie sich zwei Strahlen bildeten und sich die Gläser füllten. „-na jedenfalls sind die Franzosen extrem nachtragend und leicht fanatisch, wie du eben gesehen hast.“ „Ja“, sie lachte erneut und wie es sich gehörte stießen sie kurz darauf mit ihren Gläsern an. „Auf einen weiterhin interessanten Abend.“ Albus nickte und kaum, dass sie einen Schluck getrunken hatten, fragte der Potter: „Wieso hast du niemanden erzählt, weshalb ihr eure Verlobung wirklich gelöst habt?“ „Wie kommst du drauf, dass ich es niemandem erzählt habe?“, stellte sie die Gegenfrage und er lehnte sich leicht zurück, die Heiterkeit war bereits wieder verflogen. „Weil ich weiß, dass Rose deine beste Freundin ist und ich sie erst vor einer Woche getroffen habe. Sie hat mir ihr Leid geklagt, dass sie nicht wisse, wo du bist und was dich zu einer Weltreise bewogen hätte.“ In seinen Augen blitzte es. „Und dass sie sich keinen Reim drauf machen kann, warum du so kopflos deine Verlobung löst.“ Alice seufzte tief und strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Es war mir peinlich. Ich meine, ich war jahrelang mit einem Mann zusammen, der auf Männer steht.“ Sie hielt kurz inne. „Ich habe mich so geschämt, war verletzt und fühlte mich gedemütigt, so dass ich… einfach nicht bleiben konnte, wo ich war. Und mal ehrlich, Lorcan ist auch mit Rose befreundet, es würde wirken, als hätte ich sie zwischen zwei Stühle gezerrt.“ Ihre Selbstlosigkeit faszinierte ihn. Er selbst hätte bei solch einer Schmach niemals zuerst an das Wohl der Anderen gedacht. Dafür war sein Stolz viel zu groß. „Jedenfalls wäre ich dir sehr verbunden, wenn du das nicht an die große Glocke hängen würdest.“ Er nickte knapp und wollte gerade zu einer weiteren Frage ansetzen, als das Essen erschien. Alice strahlte und schloss genießerisch die Augen um den Duft tief einzuatmen. „Merlin, wenn es nur halb so gut schmeckt, wie es riecht, dann kann es gar nicht schlecht sein.“ Nun musste Albus laut lachen: „Wir haben zwei französische Nationalgerichte vor uns.“, er zwinkerte. „Und alles ist garantiert schneckenfrei.“ „Ach stimmt ja, du hast oft Ferien bei Dominique und Louis gemacht.“, fiel es ihr ein. Damals war sie regelmäßig neidisch auf die Potters gewesen. Jeder verbrachte seinen Urlaub, wo er wollte. Sie dagegen hatte immer zu ihrer alten Ur-Granny Augusta gemusst. Nicht, dass ein Haus im Grünen, umgeben von Bergkronen, schlecht war, aber gegen ein bisschen Schwung hätte sie nie etwas einzuwenden gehabt. Herzhaft begann Albus zu essen und sie tat es ihm gleich. Es schmeckte vorzüglich und Alice beschloss für sich, dass sie in Frankreich noch ein wenig bleiben würde, bevor sie ihre Reise fortsetzte. Gerade als sie ein Stück Baguette abbrach, hielt sie inne. „Sag mal, habe ich das letztens in der Zeitung richtig gelesen, du bist nicht für die englische Nationalmannschaft nominiert?“ Sie bemerkte sofort, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte, denn das Gesicht ihres Gegenübers versteinerte sich. „Ja.“ „Aber du bist diese Saison doch ausgezeichnet geflogen.“, bohrte sie nach. „Selbst in Russland ist man felsenfest davon ausgegangen, dass in dieser Weltmeisterschaft zwei Potters nebeneinander fliegen.“ Der Schwarzhaarige ließ die Gabel sinken, das dumpfe Gefühl in seinem Magen wurde wieder größer. Es war, als hätte er eine Niederlage zu verkraften. „Wie du siehst täuschen sich die Russen.“ – „Und der Rest der Welt?“, warf sie ein. „Komm schon Albus, was ist wirklich passiert, dass man dich nicht für die Weltmeisterschaft aufstellt?“ In Gedanken setzte sie hinzu, dass jeder Troll sah, dass er einen außergewöhnlichen Flieger abgab. Er ließ den Blick kurz durch das Lokal gleiten; die angenehme Hintergrundmusik beruhigte ihn und er fühlte sich längst nicht ganz so schlecht wie in der Kneipe, in der er auf Alice getroffen war. „James ist immer der Bessere von uns beiden. Die Presse liebt ihn, England ebenso und du weißt, dass es in Hogwarts nicht anders aussah. Er ist die Nummer Eins und wird es auch bleiben, ganz egal, wie sehr ich mich anstrenge.“ Leicht neigte er den Kopf. „Die ganze Nationalmannschaft ist an ihn angepasst; die anderen beiden Jäger kommen ebenfalls von den Falmouth Falcons, eine Tatsache, die nicht sein dürfte, aber England ist sie egal. Fakt ist: Ein zweiter Potter wird nicht gebraucht.“ Seine Aussage erklärte von selbst, warum er nun für einen ausländischen Verein flog. „Bist du eigentlich gerne Engländer?“, wollte Alice wissen und er sah sie überrascht an. Ihre Frage hatte einen seltsamen Unterton und der Potter dachte nach: „Nicht wirklich. Es ist schließlich nur eine Nationalität und sagt nichts über mich selbst aus.“ Ein Lächeln glitt über ihre Lippen. Als sie sich vorbeugte, erkannte er eine List in ihren Augen: „Warum wirst du dann nicht Spanier? Du lebst doch sowieso die meiste Zeit des Jahres in Spanien und fühlst dich da doch sicher wohler als im kalten, englischen Land.“ Ihre Aussage hatte etwas Dreistes und im ersten Moment konnte Albus nicht anders als zu lachen. „Du spinnst!“ „Nein.“, hielt sie schmunzelnd dagegen. „Das ist mein Ernst, was hindert dich daran Spanier zu werden und so bei einer Weltmeisterschaft mitzuwirken?“ Albus schüttelte leicht den Kopf. „Weißt du, was dann los wäre?“ „Sicherlich mehr als jetzt“, meinte sie und widmete sich wieder ihrem Essen. „Die englische Liga würde dich dann mit ganz anderen Augen sehen, zumal sie alle wissen, dass die Barcelona-águila-bicéfalas im letzten Spiel die Falmouth Falcons vernichtend geschlagen haben. Und das war nicht der Verdienst von deinem Kapitän Javier Comez, denn rein zufällig hat der die Bank hüten müssen, während die gelbe Binde an deinem Arm zu sehen war.“ Sichtlich beeindruckt sah Albus sie an. „Hey, ich dachte, du bist auf Weltreise?“ Sie lachte laut und gestand: „Kneipe bleibt Kneipe. Du glaubst doch wohl nicht wirklich, dass China desinteressiert die Zeitung zuschlägt, wenn in Europa die Champion Liga startet. Sie haben sich regelrecht das Maul darüber zerrissen, dass am Ende die Goldenen Freiheitsflieger aus Deutschland den Pokal in den Händen hielten, obwohl sie ligatechnisch gesehen nur auf dem fünften Platz sind.“ Albus grinste breit. Auch sie hatten sich von diesen Freiheitsfliegern in die Mangel nehmen lassen. Manfred Schneider flog wie ein Adler und hatte den Schnatz bereits nach zwei Minuten Spielzeit in seinen Händen. Ein Teufelssucher. „Glück gehört eben auch zum Können.“, versuchte er die Niederlage zu erklären. Doch darum ging es Alice nicht: „Denk mal ernsthaft darüber nach die Staatsbürgerschaft zu wechseln, denn ich glaube, dass du damit einen wirklich großen Schritt in die richtige Richtung machen würdest.“ Vielleicht. Noch nie war Albus ein solcher Gedanke gekommen. Würde er diesen Vorschlag tatsächlich umsetzen, dann würde er sämtliche Brücken nach England brechen. Die Chance für England zu fliegen wäre damit verbaut, aber die Möglichkeit, einem anderen Land, das noch nie die Weltmeisterschaft gewonnen hatte, vielleicht zu neuem Glanz zu verhelfen, klang verlockend. Plötzlich klang der Vorschlag so viel verlockender, als sich weitere Jahre um etwas zu bemühen, dass man ihm nach Kräften verwehrte: Anerkennung. „Haben sich Dominique und Fred eigentlich wieder vertragen?“ Alice wechselte so hastig das Thema, dass Albus blinzeln musste. Er hustete und erklärte: „Nein, und zum Teufel noch mal, warum reden sie eigentlich nicht mehr miteinander?“ Der Wechsel zu gemeinsamen Freunden und Bekannten tat dem Potter gut, die Stimmung hob sich mit jedem Schluck Wein etwas mehr und es dauerte nicht lange, da fühlte sich ihre Gesellschaft an, als habe er eine alte Freundin wieder getroffen. Etwas, was irgendwie auch zutraf. Alices Lachen steckte ihn an, ihre Unbekümmertheit ging auf ihn über und zum ersten Mal, seit der Abend angefangen hatte, machte sich Albus keine Sorgen mehr. Er dachte nicht mehr an das, was ihn eventuell zurück in Spanien erwarten würde. Auch war es ihm egal, was die Presse über sein Verschwinden berichten würde. Erst nachdem sie in aller Ruhe zu Ende gegessen hatten, ein drittes Glas Wein ablehnten und Albus die Rechnung ohne Kompromisse auf sich nahm, begriff er, wie spät es geworden war. Mit Alice vergaß er seltsamerweiser vollkommen die Zeit. Während er also an der Theke lehnte, bezahlte und ein paar Autogramme für den begeisterten Elfen schrieb, beobachtete er die Longbottom dabei, wie sie sich ihre Jacke anzog und mit einer Hand durch ihr Haar fuhr. Als hübsch hatte er sie bereits in Hogwarts empfunden. Nicht als dieses unheimlich süß und auffällige Hübsch, sondern eher gekennzeichnet durch Schlichtheit. Jetzt, wo sie sich verändert hatte, sah er noch immer keine umwerfende Schönheit vor sich, sondern immer noch Alice, mit der er bereits im Sandkasten darum gestritten hatte, ob das blaue Förmchen nun hübscher war als das gelbe. Trotzdem war sie durch und durch Frau, doch gleichzeitig jemand, den er auch als Kumpel betrachten würde. Wahrscheinlich würde sie mit ihm zusammen die Flasche Feuerwhiskey leeren, anstatt ihm einen Vortrag darüber zu halten, wie ungesund Alkohol doch war. Irgendwie amüsant und seine Lippen verzogen sich zu einem unterhaltsamen Grinsen. Zusammen verließen sie das Restaurant und der Potter fragte: „Wo geht es als nächstes hin?“ „Ich dachte, dass wir vielleicht tanzen gehen, ganz in der Nähe soll ein angesagter Club sein.“, sprach sie und klappte die Karte wieder auf. „Danse sur le volcan.“ „Na dann los!“ Er war in euphorischer Stimmung; wenn sie den Abend schon so anfingen, dann sollte er auch einen krönenden Abschluss haben. Er nahm ihr die Karte aus der Hand und griff nach ihrem Arm. Überrascht von seinem plötzlichen Stimmungswechsel hob Alice eine Augenbraue: „In der Aufmachung kommen wir sicherlich nicht rein, sieh uns doch mal an!“ Ganz kurz hielt Albus inne und betrachtete sie in ihrer dunklen Jeans, der Lederjacke und der schwarzen Bluse, dann sah er an sich herunter. In dem grauen Shirt und der schwarzen Hose sah er wahrlich nicht viel origineller aus. Trotzdem hielt das Grinsen auf seinen Lippen an. „Du hast vergessen mit wem du unterwegs bist, Schätzchen.“ Dann umfasste seine Hand ihre und noch bevor Alice etwas erwidern konnte, drehte sich die Welt. Er apparierte. War das zu fassen? Albus Potter verschwand auf offener Straße, obwohl er noch vor ein paar Stunden etwas vom Muggelschutzgesetz gefaselt hatte. Sie taumelte leicht und erblickte schließlich eine alte Fabrik. Lauter Lärm hallte ihr entgegen und sofort wurde Alice angerempelt. Sie befanden sich inmitten einer Menschenmenge, die sich in Richtung Eingang drängte. Glühwürmchen spendeten Licht, ebenso erschien von irgendwo immer wieder eine Feuerflamme. Alice zuckte zusammen und bemerkte so nicht, dass Albus bereits den Arm um sie gelegt hatte. Jemand grölte und mehrere Stimmen fielen mit ein. Die Stimmung schien bereits auf dem Höhepunkt zu sein. Zwar sah es nach Außen so aus, als wären sie bei einer ganz normalen Diskothek gelandet, doch spätestens als Alice die Türsteher mustern konnte, wusste sie, dass auch dieser Ort magisch war. Halbriesen sahen sie herablassend an und sie wurde an Albus Seite unsicher. Erst dort bemerkte sie, dass er noch immer seinen Arm um ihre Schulter gelegt hatte. Sie atmete einen angenehmen Geruch ein und zum ersten Mal wurde ihr bewusst, dass der jüngste Potter-Sohn noch immer eine seltsame Wirkung auf sie hatte. Irgendwie war es ihr peinlich zu zugeben, dass sie in Hogwarts die Angewohnheit hatte, ihn im Unterricht zu beobachten. Ganz verlockend war es immer in Zaubergeschichte gewesen, wenn Albus gelangweilt aus dem Fenster gesehen hatte, oder Schlaf nachholte. Sein entspanntes Gesicht, der leicht geöffnete Mund und die zerzausten Haare hatte sie als niedlich empfunden. Nun fiel ihr auf, dass sein Gesicht an jugendlichen Zügen verloren hatte, dafür aber um einiges männlicher war. Seine Haare dagegen hatten sich überhaupt nicht verändert. Sie waren noch immer widerspenstig und chaotisch. Die beiden Halbriesen musterten Albus kurz, dann nickten sie zur Tür und der Potter zog sie einfach mit sich. Irgendwie hätte sich Alice denken können, dass er als angesehener Quidditchspieler überall Zugang hatte. Sie gaben ihre Jacken ab und Alice verstaute die Zauberstäbe in ihrer magischen Tasche. Musik dröhnte aus den Boxen, Licht blendete sie und eine tanzende Masse riss sie kurz nachdem sie ins Innere der alten Fabrik vordrang mit sich. Wahrscheinlich hätte sie Albus verloren, wenn er sie nicht noch immer an der Hand festgehalten hätte. Alice spürte die Hitze, die von den Körpern der Menge ausging, das Licht machte es ihr fast unmöglich etwas zu erkennen. Immer wieder wechselte sich die Farbe und wie von selbst passte sich ihr Körper dem Rhythmus der Musik an. Albus tat es ihr gleich und irgendwann blieben sie, wo sie waren. Ließen sich von der guten Stimmung der Partygäste mitreißen und begannen ohne Hemmungen zu tanzen. Ihre Gedanken waren frei. Es zählte nur noch das Hier und Jetzt. Alice liebte es zu tanzen. In Hogwarts hatte sie sich davor immer gescheut, doch seit sie die Welt erkundete, holte sie alles nach, wovor sie sich ihre Schulzeit lange gedrückt hatte. Mit geschlossenen Augen ließ sie sich treiben. Alice entspannte sich, ihre Lippen verzogen sich zu einem gelösten Lächeln. Dann spürte sie warme Hände auf ihrer Hüfte, sanft und kurz. Fast glaubte sie, sich das eingebildet zu haben, bis sie sich umdrehte und Albus so einen Schritt näher war. Als er sie weitere Male berührte, sie sich seinem Rhythmus anpasste, hatte sie das Gefühl, dass es so sein musste. Irgendwie war es richtig. Es gab keine Anmache oder etwas ähnliches. Alles, was Albus tat, wirkte so unschuldig und ohne Hintergedanken, dass Alice es geschehen ließ. Sie dachte sich nichts dabei, seine Hüfte zu spüren, seinen grünen Augen zu begegnen und seine Hände gewähren zu lassen. Gerade, als sie sich daran gewöhnt hatte, verstummte die Musik und sämtliche Köpfe ruckten Richtung Bühne. Die Menge schob sich plötzlich und es wurde unangenehm eng. Vorausschauend zog Albus sie erneut hinter sich her, sodass sie ein paar Stufen erklommen und sich auf einer höher gestellten Tanzfläche befanden. Von weitem erkannte sie nun, dass jemand auf die Bühne sprang und etwas verkündete. Die Gäste johlten laut auf und Alice sah irritiert zu ihrem Begleiter. Doch Albus zuckte nur mit den Schultern und gab ihr anhand einer Geste zu verstehen, er würde akustisch nichts begreifen. Dabei grinste er jedoch breit und stolperte gegen sie, als man ihn unsanft schubste. Das Ereignis musste ja Bombe sein, dachte sich die Dunkelhaarige und reckte schließlich den Kopf. Der Ansager verschwand von der Bühne und laute Gitarrengeräusche ließen sie inne halten. Und ganz plötzlich verstand sie. Die Parisien Orks gaben ein Livekonzert. Haltlos ließ sich die Menge mitziehen und die angesagteste Band Frankreichs heizte dem Saal gewaltig ein. „Sie hören sich an wie die Rockigen Kobolde!“, brüllte sie Albus ins Ohr, der begeistert mit auf- und absprang, ganz so, wie es hier Sitte zu sein schien. Sein Gesichtsausdruck war ihr Antwort genug, denn sie erinnerte sich daran, dass eben jener ein leidenschaftlicher Anhänger der Rockigen Kobolde war und der Musik der Parisien Orks deshalb keineswegs abgeneigt sein würde. Alice wollte gerade das Konzert weiter genießen, als ihr Blick drei Männer streifte, die sie interessiert musterten. Verwirrt reckte sie den Kopf und erkannte in dessen Händen Kameras. „Al!“, sie zerrte an seinem Arm und er drehte sich mit ihr um. Zuerst verstand er nicht, doch als er die Männer erspähte, verschwand die Fröhlichkeit aus seinem Gesicht. „Journalisten.“ „Hier?“ Er nickte knapp und hoffte, dass die drei Stalker wegen des Konzerts gekommen waren. Doch als sich die erste Linse auf sie richtete, war Albus gänzlich im Bild. „Lass uns abhauen!“, schrie er ihr ins Ohr und sie wollte protestieren, weil sie doch eben erst gekommen waren, als sie in sein Gesicht blickte. Es ging darum, nicht in irgendeinem Käseblatt zu landen. Umständlich kämpften sie sich durch die Menge Richtung Ausgang. Seine Hand in ihrer brannte und Alice versuchte das komische Gefühl in ihrem Magen zu unterdrücken. Immer wieder stieß sie gegen jemanden und als sie über ihre Schulter blickte, erkannte sie, dass diese Journalisten ihnen hastig folgten. Sie hatten es also tatsächlich auf Albus abgesehen. Sie wollten wahrscheinlich darüber schreiben, wie enttäuscht der jüngere Potter war, so dass er seinen Frust in Alkohol ertränkte und für Skandale sorgte. Alice stolperte und stieß heftig gegen den jungen Potter, doch darauf reagierte er nicht. Erst als sie in die kalte Herbstnacht traten, schnappte sie nach Luft. Zusammen betraten sie eine Art Garten. Kerzen schwebten durch die Luft und mehre Hecken mit kitschigen Rosen versperrten ihnen den Weg. „Ein halbes Labyrinth!“, murrte Albus. Noch immer konnten sie die Musik aus der Halle hören, die Stimmung schien dort mit jedem weiteren Atemzug zu steigen. „Alice, unsere Zauberstäbe, dann können wir apparieren.“ Die Longbottom begann in ihrer kleinen Tasche zu kramen, streckte die Hand hinein, schüttelte sie, damit der Inhalt dort drin sich auseinanderpflückte, doch finden konnte sie das rettende Holz nicht. „Scheiße!“, entwich es Albus und er riss sie wieder mit sich. Langsam kam Alice sich vor wie auf einer Verfolgungsjagd. Die Reporter hatten sie gefunden und rüsteten sich nun zum beruflichen Kampf. So gut sie konnte, versuchte die Longbottom mit einem echten Quidditchspieler mitzuhalten. Doch bereits nach dem ersten Sprint bis zum Ausgang, wo man sie bereitwillig durchließ, musste sie das erste Mal kurz verschnaufen. Doch Albus kannte kein Erbarmen, er zog sie weiter mit sich, sodass es sie wunderte, dass sie nicht über ihre eigenen Füße stolperte. Ihre langen Schatten zogen auf dem Bordsteinpflaster vorbei, Schweiß rann Alice über den Rücken und ihre Lunge zog sich durch die kalte Nachtluft zusammen. Sie hörte die französischen Reporter hinter sich, sie fluchten und mit einem Mal kam ihr die Situation vollkommen surreal vor. In ihrem ganzen Leben war sie noch nie von jemandem so hartnäckig verfolgt worden. Irgendwann verlor Alice die Orientierung, wusste nicht mehr, wie oft sie abgebogen waren. Das Einzige, was sie wollte, war stehen bleiben. Und das tat Albus nach einer gefühlten Ewigkeit. Auch seine Brust hob und senkte sich heftig, doch im Gegensatz zu Alice musste er sich nicht an irgendjemandem festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Die Longbottom versuchte die schmerzende Lunge zu beruhigen und stieß den Potter grob in die Seite. „D-Du…“, die Luft fehlte ihr um die richtige Beschimpfung zu äußern. „… Voll…Idiot!“, fasste sie sich schließlich kurz und erntete ein amüsiertes Lächeln seinerseits. Es dauerte seine Zeit, bis Alice sich wieder vollkommen aufrichtete und sich durch das lange Haar strich um sich halbwegs zu ordnen. Sie fröstelte und rieb sich kurz über die Arme. Dabei bemerkte sie, dass der Potter-Spross den Blick abgewandt hatte und zum ersten Mal registrierte Alice, wo sie sich befanden. Rechts von ihr stand der Eiffelturm und leuchtete. Die Nacht war sternenklar und mit einem Mal kam ihr der Augenblick seltsam romantisch vor. „Entschuldige.“, sprach er schließlich und sie wollte gerade erwidern, dass ihre Wut bereits dabei war, das Weite zu suchen, als sie ihn stöhnen hörte. Kurz wandte sich Alice um und sah die gehetzten Journalisten. Die drei Männer schnauften hörbar und sahen sich hektisch um. Albus griff bereits wieder nach ihrer Hand, doch noch einmal würde sie so einen Lauf nicht überstehen. „Die wollen Presse von dir? Gut, die können sie haben!“ Die Welle des Zorns gewann an Oberhand. In diesem Moment reagierte sie ohne nachzudenken. Die Hände der Hexe griffen nach dem Shirt des Schwarzhaarigen und zogen ihn heftig zu sich, dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen. Ihre Lippen berührten einander. Der Kuss kam so überraschend, auch für sie, dass sie im ersten Augenblick nur den Geschmack von Wein verspürte. Erst als sich seine Lippen öffneten und sich große Hände auf ihren Rücken legten, begriff Alice, was sie hier tatsächlich tat. Sie küsste Albus Severus Potter! Einen jungen Mann, den sie bereits ihr ganzes Leben kannte und nie besonders tiefe Bedeutung geschenkt hatte. Alleine aus der Annahme, dass sich jemand wie er niemals für sie interessieren würde. Scheinbar hatte sie damit falsch gelegen. Er küsste sie, als würde der Morgen davon abhängen. Zärtlich und auf seine Art doch besitzergreifend. Noch nie war Alice so leidenschaftlich geküsst worden und hatte kurz das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und zog ihn so weiter zu sich runter. Von irgendwo hörte sie Stimmen, vernahm ein paar französische Fetzen. Dann blitzte etwas, doch davon ließ sich Albus nicht abhalten und veränderte leicht seine Position. Die Tiefe des Kusses nahm ihr den Atem. Erst als jemand lachte und sie sichtliche Belustigung vernahm, löste sie sich widerwillig von ihrem Gegenüber. Ihre Wangen brannten, ebenso ihre Lippen. Albus strich durch ihr Haar und seine grünen Augen sahen sie mit einem seltsamen Glanz an. Alice schluckte um den Kloß in ihrem Hals zu vertreiben. Das dumme, dumme Herz in ihrer Brust überschlug sich fast. Als sie glaubte in seinen Augen zu versinken, wandte er sich ab und zum ersten Mal an diesem Abend erkannte sie ein Grinsen, das sich vollkommen von seiner eigentlichen Art unterschied. Es war listig, selbstgefällig und überheblich. Ihr wurde klar, das dies der Potter aus Slytherin war und der sprechende Hut durchaus seine Gründe gehabt hatte. Sein Arm legte sich um ihre Schulter und der Blick, den er den Journalisten schenkte, ließ eine Gänsehaut über ihren Rücken rieseln. Bislang war ihr Albus immer als sehr berechnend vorgekommen und ihr wurde klar, dass sie sich abgrundtief getäuscht hatte. Da war mehr als eine freundliche und witzige Fassade. „Nous vous prions de bien vouloir nous excuser de cet incident indépendant de notre volonté.” Alice starrte ihn an. War das sein Ernst? Den verblüfften Blicken der Reporter nach, die damit inne gehalten hatten sie zu fotografieren, waren sie genauso perplex. „Lass uns gehen, bevor sie merken, dass wir freundlich zu ihnen waren.“ Der amüsierte Unterton in der Stimme des Potter rüttelte sie wach. „Au revoir!“, verabschiedete er sich spitzbübisch und Alice tat es ihm gleich. Lachend sah sie noch einmal zum Eiffelturm und konnte nicht fassen, dass sie an diesem Ort soeben einen Kuss erfahren hatte, der einem Tornado glich. „Sie folgen uns nicht.“, sprach Albus als sie über ihre Schulter linste. „Dafür sind sie zu gehemmt, weil wir ihnen eine kostenlose Show geboten haben und dann noch mit Freundlichkeit um die Ecke biegen.“ In England hätte man sie wie die Weihnachtsgänse ausgenommen. Alice schlang die Arme um den Oberkörper und Albus drückte sie noch näher an sich. „Wir haben unsere Jacken im Club gelassen.“, durchbrach sie die Stille, die sie seit einiger Zeit begleitete. Die Sterne über ihnen spendeten Licht und Alice kam es so vor, als würden die dunklen Gassen noch durch etwas anderes beleuchtete werden. Irgendein Zauber, der nicht sein dürfte. „Ist doch egal, sie werden sie uns schon zuschicken.“, er zwinkerte. „Kennst doch den neuen, modernen Service.“ Natürlich tat sie das, doch zur Sicherheit nahm sie ihre Jacke immer persönlich mit nach Hause. Zumal in Korea nichts vor listigen Händen sicher gewesen war. „Wo bleibst du über Nacht?“ Seine Frage erschreckte sie, warum, wusste Alice selbst nicht. Unsicher zuckte sie mit den Schultern. „Keine Ahnung, schätze, ich sollte mir wohl ein Motel suchen.“ Sie brachte ein zittriges Lächeln zustande und verfluchte sich für die plötzlichen Hemmungen. Schließlich hatte sie den ganzen Abend mit Albus verbracht und verwirrte Gefühle dieser Art waren absolut fehl am Platz. Denn immerhin war das hier Albus. „Du kannst… ähm, bei mir bleiben, im Bondir Nain, wenn du magst.“, schlug er vor und sie verspürte plötzlich den Drang abzulehnen, etwas, was total unsinnig war, denn welche Gründe gab es dafür? Weil sie sich selbst nicht über den Weg traute? Unsinnig! „Gerne“, antwortete sie nur knapp und erkannte, dass sie auf dem Weg zum Place Dauphine waren. Die Straßen schienen so gut wie ausgestorben und das Einzige, was Alice hörte, waren hin und wieder die Geräusche von Muggelautos. Irgendwann zog Albus sie in eine schmale Seitenstraße und sie erreichten einen heruntergekommenen Hinterhof. Der Gasthof des hüpfenden Zwerges hatte seine besten Zeiten schon lange hinter sich. Die Fassade war abgenutzt, überall gab es Mängel, doch trotzdem verstand Alice nach dem ersten Schritt ins Innere sofort, warum Albus sich hier wohl zu fühlen schien. Es war, als hätte sie eine Reise in die Goldenen Zwanziger Jahre gemacht. Die Tapeten waren bunt, die Teppiche ebenfalls und an der Rezeption döste ein alter Zwerg genüsslich vor sich hin. Während Alice den Eindruck auf sich wirken ließ, holte Albus seinen Zimmerschlüssel. Die ehemalige Professoren-Tochter schloss die Augen und hatte das Gefühl, als würde sie das alte Pfeifenkraut einer längst vergangenen Zeit einatmen. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie zwei Geister, die mit erhobenem Haupt an ihr vorbei schwebten. Unwillkürlich musste sie bei der altmodischen Aufmachung kichern und erntete einen bösen Blick. „Sehr charmant, nicht wahr?“ Belustigt drehte sie sich um und nickte, dann folgte sie dem jungen Potter die knarrende schmale Holztreppe nach oben. Der obere Flur wirkte so kitschig auf sie, mit den vielen schwarzweißen Bildern an der Wand, dass sie erneut lächelte. Mehrere Türen reihten sich aneinander, bis Albus schließlich am Ende des kleinen Ganges stehen blieb und den großen Schlüssel ins Schloss steckte. Der Knauf sprach etwas und dann quietschte die dunkle Holztür auf. Höflich überließ er ihr den Vortritt. Alice musterte das große Zimmer mit der hohen Decke. Neben einer weißen Kommode, dem passenden altmodischen Schrank und einem mächtigen Schreibtisch, fand sie zur rechten Seite das Bett. Die Laken rochen frisch bezogen und man war mit der Anzahl der Kissen wirklich großzügig gewesen. Sie sah zu den großen Fenstern, eins davon stand offen und der Wind spielte mit den roten Vorhängen. Kurz erhaschte Alice ihr Profil in einem runden Spiegel mit einem schmucken Rahmen aus Gold. Auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch lag eine Seitentasche; die Zeitung auf dem mächtigen Stück Holz blätterte im Wind immer wieder auf. „Wirklich hübsch.“, sprach sie und strich mit den Fingerspitzen über die feine Kommode. Als sie sich umdrehte, sah sie, wie Albus die Tür schloss und sie ansah. Der Ausdruck seiner Augen war ihr unbekannt und plötzlich fühlte sich ihre Kehle erschreckend ausgetrocknet an. Er schritt an ihr vorbei und faltete die Zeitung zusammen, Alice erkannte die Schlagzeile. Ihr wurde klar, dass seine Flucht vor der Realität direkt hier angefangen hatte. In wenigen Schritten war sie bei ihm und musterte die aristokratischen Gesichtszüge. Noch bevor sie wusste warum, hatte sie ihre Hand gehoben und strich durch sein schwarzes Haar. Albus sah sie an und mit einem Mal wirkte die ganze Situation schrecklich ernst. Ihr Herz schlug hart gegen ihre Brust und Alice biss sich leicht auf die Unterlippe. Seine Hand umfasste ihre, im selben Moment zog er sie zu sich und küsste sie. Der Boden unter ihren Füßen schwand, sie schloss die Augen und gab sich diesem verführerischen Gefühl hin. Sie zog ihn an sich, ließ zu, dass er sie hochhob. Das einzige, worauf sie sich konzentrieren konnte, waren seine Lippen auf ihren, schließlich die Hitze, die ihren ganzen Körper überfiel und sie vollkommen willenlos machte. Albus liebte sie in dieser Nacht, wie es noch nie ein Mann vor ihm getan hatte. All die kitschigen Erzählungen, die Alice für eine Lüge übertriebener Romantik gehalten hatte, erfüllten sich. Und zum ersten Mal begriff sie, dass man durchaus den Halt der Realität verlieren konnte, wenn ein einziger Mensch den Namen des anderen flüsterte. Es fühlte sich an, als wäre sie etwas Besonders… Kostbares. Alice ließ sich gänzlich fallen, es war ein Sturz in vollkommene Ekstase. Es fühlte sich an wie Ankommen nach einer langen und ermüdenden Reise. Nach einem gemeinsamen und klippenreichen Höhepunkt streifte sein Atem ihre Wange und sie neigte leicht den Kopf. Albus lag neben ihr auf dem Bauch und musterte sie zufrieden. Alice drehte sich, ihr Körper war von Schweiß überzogen und nur das Laken verhüllte ihre Nacktheit. Sanft strich Albus mit der Hand über ihre Handfläche, welche sich nach oben neigte. Es war, als hinterließe er ihr eine Nachricht. Dabei sah er sie die ganze Zeit an und sie versank in den grünen Augen. Immer klarer konnte sie sein Gesicht erkennen und beobachtete schließlich, wie zarte Sonnenstrahlen ein Muster auf seinen Rücken zeichneten. Fasziniert betrachtete Alice das leichte Flackern. Stumm lagen sie nebeneinander und genossen den Augenblick. „Das heute, war es Zufall?“, murmelte sie leise und fragte sich, ob er verstand, worauf sie hinaus wollte. Albus wendete den Blick ab und sah auf ihre Hand. Auch er hatte bemerkt, dass es Morgen wurde. Ein neuer Tag brach an. Der Schmerz von Demütigung und Enttäuschung war aus seinem Herzen verschwunden, stattdessen machte sich etwas anderes breit. Etwas, was er noch nicht definieren konnte. Noch war es zu frisch und unbekannt. Dass es Alice ähnlich erging, ahnte er nicht. „Kommst du… mit mir nach Spanien?“, fragte Albus mit fester Stimme und sah sie wieder an. Das Gesicht der jungen Hexe spiegelte Überraschung wider. „Möchtest du, dass ich mitkomme?“ – „Ja.“ Sachte strich er durch ihr schwarzes Haar und deutete das zarte Lächeln auf ihren Lippen als Zustimmung. Wieder schwiegen sie und sahen dabei einander an. Ließen den Morgen kommen und genossen die Ruhe des Zimmers. Hinter ihnen spielte der Wind mit den Vorhängen und der Zauber von Paris zog ganz langsam weiter. Er hatte seine Arbeit getan, leise und unerkannt. Wie Sternenstaub erhob er sich majestätisch, nahm den Weg durch das offene Fenster und verschwand im Licht des Morgens. „Nein, es war kein Zufall. Es war Paris.“ Der Anfang von etwas ganz Anderem. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)