Kakao von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 6: Die Spinne in der Spüle ---------------------------------- Guten Tag Allerseits :)! Weiter gehts mit dem vorletzten Kapitel von Kakao. Ich hoffe, es gefällt Euch und Ihr verzeiht mir den Umstand, dass ich Eure Hoffnungen enttäuschen muss ;) Euch allen ein schönes Wochenende! ____________________ Einen Moment schien es, als wäre Vukan gemeinsam mit dem Raum-Zeit-Kontinuum erstarrt. Dann drehte es sich weiter und Vukan begann zu lachen. Tim wollte sich unterdessen gern unter dem Kühlschrank verkriechen. „Und das nennst du Unglück?“ Tim traute seinen Ohren nicht. „W… Was? Wie…würdest du es denn sonst nennen?“ Vukan zuckte die Achseln und seine Zunge berührte mal wieder die Oberlippe. „Keine…Ahnung. Ich kann mir auf jeden Fall Schlimmeres vorstellen, als von dir geknutscht zu werden, weil ich so gut rieche.“ „Ach ja? Was denn zum Beispiel?“, erkundigte sich Tim und nahm tiefe Atemzüge, um sein Herz zu beschwichtigen, „Krieg? Hungersnot? Aids? Super Gau?“ Vukan nickte ernsthaft. „Und Durchfall,“ fügte er hinzu, „Schlafstörungen, Hausarbeiten. Auch Glatteis fand ich immer richtig ätzend.“ „Jaah! Besonders, wenn man mit dem Rad unterwegs ist.“ „Du sagst es. In der Schulzeit hab ich mich mehrmals gut auf die Klappe gelegt.“ „Ich auch. Erste Stunde, Arschkälte, hundemüde und dann auch noch das.“ „Richtig. Furchtbar war das.“ Sie tauschten ein paar Geschichten aus, in denen sie bei Glatteis vom Rad gestürzt waren. Danach waren sie ein bisschen ratlos. Angespannt rührte Vukan ihre Kakaotassen durch. „Außerdem…,“ begann er schließlich beiläufig und Tim wurde leicht mulmig zumute, „Außerdem würde deine Freundin mir bestimmt den Kopf abreißen, oder?“ „Ich hab keine Freundin,“ entgegnete Tim wahrheitsgemäß und – seltsamerweise – wie aus der Pistole geschossen. Der Antiquitätenjunge zog die Augenbrauen hoch. Mit einem Mal wirkte er viel entspannter und lehnte er sich gegen den Kühlschrank. „Nicht? Wie kommt das?“ „Meine letzte Beziehung ist vor nem halben Jahr in die Brüche gegangen.“ „Warum?“ Tim hob und senkte die Schultern. „Keine Ahnung. Wie das halt bei manchen Menschen manchmal so ist. Man verbringt weniger Zeit miteinander und streitet nur noch. Und plötzlich bemerkt man, dass man nie richtig verknallt, sondern nur geil war. Verstehst du?“ Vukan grinste, schien aber nachdenklich zu sein. „Wie lange wart ihr zusammen?“ „Keine Ahnung. Drei, vier Monate?“ „Das ist ja nicht so lange.“ „Nee.“ „Wie lang war denn deine längste Beziehung?“ Tim schnaubte. „Keine Ahnung. So drei, vier Monate?“ Vukan lachte. „Nein, ich glaube sieben oder so,“ korrigierte Tim schmunzelnd, „Das war damals, als man noch jung und unerfahren war und noch glaubte, für die Liebe kämpfen zu müssen.“ „Das hört sich ja reichlich deprimiert an, mein Lieber.“ „Tja, ich hatte nie besonders viel Glück mit der Liebe. Das muss erblich sein. Meine Eltern haben sich scheiden lassen, da war ich zehn. Und meine Schwester hat ständig Liebeskummer.“ Tim fragte sich, ob Vukan ihn hier gerade mutwillig aushorchte. Er sollte den Spieß schnell umdrehen. „Was ist mit deiner Freundin?“, fragte er und bemühte sich, eine möglichst gleichgültige Tonlage anzustimmen, „Wie lange seid ihr schon zusammen?“ Diesmal schnaubte Vukan. „So null Monate? Ich habe auch keine Freundin.“ Mit Mühe verbarg Tim seine aufkommende gute Laune. Er griff nach seinem Kakao. „Ach? Wieso nicht? Ich meine, du…bist nett und cool und… Und du kannst Klavier und Schach spielen und liest deinem kleinen Bruder abends vor. Hinter dir müssten sie doch alle her sein.“ Verlegen fuhr sich Vukan mit der Zunge über den Mund. Tim versuchte, nicht genau hinzusehen. „Ach was, gar nicht…,“ Tim fand Vukans spontane Schüchternheit ziemlich entzückend. „Machst du eigentlich viel Sport?“, fragte Vukan dann plötzlich. Tim starrte ihn an. „Wow, was für ein Themawechsel. Wie…kommst du plötzlich darauf?“ „Mhm… Nur so…,“ antwortete Vukan und leckte sich Kakao und Scham von den Lippen. „Ich spiele dreimal die Woche Fußball.“ „Im Verein?“ „Ja, hab mir gleich nen Neuen gesucht, nachdem ich hergezogen bin.“ „Zum Studieren?“ „Yes.“ „Und wo kommst du ursprünglich her?“ „Aus der Nähe von Bonn.“ „Und wieso ausgerechnet hierher?“ „Wegen Elektrotechnik. Das wird leider längst nicht überall angeboten.“ „Das kenn ich mit meinem Studienfach auch. Ich hatte aber Glück und konnte hier bleiben. Das wollte ich unbedingt.“ „Wegen dem Flügel? Und Dejan?“ Vukan grinste zärtlich. „Ja, genau. Er hat deutlich gemacht, dass er gar nix davon hält, wenn ich weggehe. Also bin ich nur in eine andere Wohnung gezogen, aber in der Stadt geblieben.“ „Wohnst du in einer WG?“ „Nee, allein. Aber nur um die Ecke von meiner Familie. Damit ich abends schnell vorbeikommen kann, um Dejan vorzulesen.“ „Cool…,“ grinste Tim und stellte sich den Antiquitätenjungen beim Vorlesen vor. Keine gute Idee. Der Gedanke war einfach zu reizend. „Was ist mit dir?“, wollte Vukan wissen und holte Tim aus seiner Versunkenheit. „Ich wohn in einer Zweier-WG. Mit nem Maschbauer. Läuft ganz gut.“ „Seid ihr befreundet?“ Tim gab ein undefinierbares Geräusch von sich und nahm einen Schluck aus seiner Tasse. „Direkt befreundet sind wir eigentlich nicht. Wir kommen gut miteinander aus und tolerieren die Macken des Anderen. Aber es ist nicht so, dass wir ständig zusammen hängen und plappern oder so.“ „Verstehe,“ Vukan stellte seinen Becher ab. „Schon leer?“, fragte Tim erstaunt. „Klar! Der Kakao war so gut, da konnte ich nicht widerstehen.“ „Der beste deines Lebens, ja?“ „Der Allerbeste!“ Tim lachte und Vukan strahlte ihn an. Dann – schlagartig – verblasste sein Lächeln. „Was ist?“, erkundigte sich Tim verwirrt. Vukan entgegnete nichts, fixierte nur etwas, das sich hinter Tim zu befinden schien. Tim wirbelte herum und sah es auf der Stelle. Über der Spüle klebte etwas an der Wand. Etwas, das gerade noch nicht da gewesen war. Eine Spinne. Eine große, mit acht Beinen, die noch dazu haarig waren. „Oh…,“ machte Tim. Hinter ihm entfernte sich Vukan langsam und stellte sich in den Türrahmen. Er war ganz blass geworden. „Alles in Ordnung?“, fragte Tim besorgt. „Ja, ich…ich steh nur nicht so auf Spinnen…,“ „Soll…ich sie wegmachen?“ „Würdest du?“, Vukans Stimme klang ganz kläglich. „Sicher!“, sagte Tim sofort und stellte ebenfalls seinen Becher ab. „Du kannst dir ein Glas aus dem Schrank nehmen. Aber ich glaube, wir haben auch einen Schlagstock im Laden.“ Tim gluckste und näherte sich der Spüle. „So was brauch ich nicht. Das geht auch so…,“ Er hörte Vukan nach Luft schnappen, als er sich zu der schwarzen Spinne beugte und seine Hand unter sie hielt. „Na komm…,“ sagte er zu der Spinne und schob seine Finger behutsam unter sie, „Mein Freund Vukan mag keine Spinnen. Sei so nett und lass dich nach draußen bringen, ja?“ Die Spinne krabbelte auf seine Handfläche. Tim richtete sich auf und betrachtete das Tier mit einer gewissen Faszination. Als er sich zu Vukan umdrehte, stellte er fest, dass der Mund und Augen aufgerissen hatte. „M… Du…hast sie auf der Hand…,“ brachte Vukan hervor. In seiner Stimme vibrierten sowohl Bewunderung als auch Ekel. „Ja, so schlimm ist das nicht. Willst du auch m–,“ „Nein!“ „Okay…,“ Tim grinste, „Keine Sorge. Ich bring sie eben raus, ja?“ Vukan wich in den Flur zurück, als Tim an ihm vorbeiging, um die Spinne vor die Ladentür zu setzen. Das Glöckchen klingelte und er trat auf die Straße. Der Regen hatte wieder aufgehört und überrascht bemerkte Tim, dass es bereits dämmerte. Dann musste es schon ziemlich spät sein. Schließlich war Sommer. Tim kniete sich auf den Fußweg und ließ die brave Spinne frei. Einen Augenblick verharrte sie starr, dann krabbelte sie über das Pflaster zur nächsten Hecke. Mit einem Seufzen richtete sich Tim wieder auf und wandte sich zur offenen Ladentür um. Jetzt bemerkte er auch das Schild oben drüber, auf denen in großen verschlungenen Lettern Antiquitäten Hellbing stand. Auch von außen war das Geschäft schön. Vukan stand in der Tür und lächelte breit und beeindruckt. „Tim, der Spinnenflüsterer…,“ sagte er. Der Spinnenflüsterer grinste verlegen. „Blödsinn…,“ brummte er, „Ich hab das nur schon häufiger gemacht. Für meine Schwester.“ „Hat die auch Angst vor Spinnen?“ „Wie verrückt.“ Sie musterten einander stumm. „Ich…hab grad bemerkt…,“ fing Vukan an und klang mit einem Mal beschämt und bedrückt, „…dass ich schon vor einer Stunde hätte schließen sollen. Und meinen Vorlesungstermin bei Dejan hab ich auch verpasst…,“ „Oh nein!“, rief Tim bestürzt, „D… Das tut mir Leid!“ „Nein, nein! Das ist doch nicht deine Schuld.“ „Aber ich hab dich die ganze Zeit vollgequatscht.“ „Aber ich dich doch auch. Wir haben einfach die Zeit vergessen.“ „Kannst du ihm denn wenigstens noch eine Seite vorlesen, wenn du dich jetzt beeilst?“, fragte Tim hoffnungsvoll und fühlte sich schrecklich schuldig. „Weiß nicht. Ich muss ja noch alles zumachen… Vielleicht hat auch mein Vater für mich übernommen. Das macht er manchmal, wenn ich…nicht komme…,“ „Tut mir ehrlich Leid.“ Zerknirscht sah Tim vom Fußweg zu Vukan hoch. Vukan schüttelte den Kopf. „Mir aber nicht.“ „Nicht?“ „Nein, ich…ich hab doch gesagt, dass ich es schön fand, dass du hier warst.“ Tim lächelte, als er die altbekannte Zungenbewegung bemerkte. „Ja, das fand ich auch. Und ich…komme ja morgen auch schon wieder.“ „Richtig…,“ Vukan lächelte sanft. „Dann…hol ich jetzt mal meine Sachen. Ja?“ „Okay…,“ Vukan klang mindestens genauso missmutig, wie Tim sich fühlte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)