In my time of dying von Yumiko_Youku (Während ich starb) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Zunächst war da nichts. Nichts außer Schwärze, als würde sie in den Tiefen des Weltraumes versinken. Doch dann plötzlich, ein gleißendes Licht und eine sanfte Jungenstimme, die ihren Namen rief. "Serina! Serina! Komm zu dir!" Die Angesprochene fühlte sich schwer, so als hätte sie viele Tage hinweg geschlafen. Sie ließ zunächst die Augen geschlossen und versuchte zu rekonstruieren, was geschehen war. Das Bad. Die Rasierklinge. Das Blut in der Wanne. Serina öffnete die Augen und weitete diese erstaunt, als sie erkannte, wo sie sich befand. Sie schien in einem schwarzen Raum zu schweben, ohne Wände,Boden oder Decke. Nur eine große Lichtgestalt erhellte den Ort.Sie glaube darin, die Züge eines Menschen zu erkennen. Nun hob die Lichtgestalt zu sprechen an : "Du befindest dich im Sententia, dem Ort, der nicht Zeit und Raum untertan ist.Dieser Raum ist deine letzte Chance zurück zu kehren, in dein altes Leben." Serina war verblüfft. Sententia? Letzte Chance? Und warum um alles in der Welt sollte sie in das Leben zurück kehren, in dem sie einsam und nicht geliebt worden war? Das war doch der Grund gewesen warum sie es getan hatte! Und sollte sie überhaupt diesem Ding Gehör schenken ? Sie wusste immerhin nicht was es für ein Wesen war. Deshalb fragte sie nur zögerlich:"Wer oder was bist du?" Die Erscheinung schwieg einige Momente lang. Serina besah ihn sich genauer und erkannte, dass das Wesen tatsächlich einem Jungen,gekleidet mit einem Kapuzenumhang aus Licht,glich. Dann öffnete er den Mund: "Ich bin einer von vielen Führer der verlorenen Seelen, in diesem Fall deiner Seele. Ich soll dich auf den richtigen Pfad zurück führen und dich dazu verleiten die richtige Entscheidung zu treffen." "Welchen Pfad denn ?", hackte Serina nach."Was,wenn ich die falsche Entscheidung treffe?" "Ob die Entscheidung, die du getroffen hast `richtig´ oder ´falsch´ist, dass vermagst nur du selbst zu erkennen.",meinte der Junge geheimnisvoll, "Einer der Pfäde führt zurück in dein altes Leben und..." Er stockte und schwieg schließlich. "Und der zweite ?", fragte Serina mit einem Hauch von Angst in der Stimme. Der Junge schüttelte den Kopf. "Tut mir leid.Von diesem Pfad gibt es kein zurück. Hat man einmal diesen Weg gewählt, kann man nicht wieder umkehren. Somit ist es der letzte Weg, aber was sich dahinter verbirgt muss geheim bleiben." Serina schlang die Arme um ihren Oberkörper. Ihr schien, als wäre nach der Erklärung des Jungen ein eisiger Hauch durch das Sententia geweht. Ganz unvermittelt legte ihr der Junge plötzlich eine Hand auf die linke Schulter. "Alles in Ordnung?" Serina nickte sachte. Langsam näherte sie ihre rechte Hand,der Hand des Jungen,um diese zu berühren. Sie spürte, wie sich der Junge etwas verkrampfte, seine Hand aber nicht wegzog, wie sie es zunächst erwartet hatte. Seine Hand fühlte sich warm an und erinnerte sie an die Hand ihres Freundes, in der sie sich so geborgen gefühlt hatte. Die Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit trieben ihr die Tränen in die Augen. Sanft zog der Junge seine Hand weg und hob mit derselben ihr Kinn sanft an, sodass die beiden sich direkt in die Augen sahen. "Bitte hör auf zu weinen.", bat er sie und seine sanften kastanien-braunen Augen ruhten auf ihrem Gesicht. Serina blickte zu Boden und wischte sich beschämt mit dem Handrücken über die Augen. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, sah sie auf. "Geht es wieder?", fragte der Junge besorgt. Serina nickte: "Ja alles in Ordung." Der Junge lächelte "Das freut mich zu hören. Meinst du, du bist bereit ?" "Bereit wofür?", fragte das Mädchen verdutzt. "Wir besuchen nun zusammen wichtige Orte und Personen deines Lebens.Danach wirst du hoffentlich bereit sein die ´richtige´ Entscheidung zu treffen.",erklärte er ihr. Entschlossen nickte Serina. "Ich bin bereit !" Der Junge nickte bedächtig und plötzlich sproßen aus seinem Rücken, durch den Umhang hindurch, zwei Schwingen aus Licht,wie die eines Engels. "Komm bitte näher.", bat die sanfte Stimme. Serina gehorchte und die Schwingen legten sich sanft um die beiden. Dann erhellte ein greller Lichtblitz den Raum Sententia und das Mädchen und der Junge waren verschwunden. "Wir sind da!", erklang die sanfte Stimme des Jungen. Serina öffnete die Augen. Sie erkannte ihr Klassenzimmer. Aber es war nicht laut und die Schülerinnen und Schüler sprangen nicht in der Klasse umher wie gewöhnlich. Es war als hätte sich ein eisiger Mantel des Schweigens um die Klasse gelegt. Alle saßen geordnet und niedergeschlagen an ihren Plätzen. Nur ein Platz war leer - ihr eigener. Auf der hinteren Platzreihe erkannte Serina, die Clique, die sie immer gehänselt und bloß gestellt hatte.Sie ging bedächtigen Schrittes durch die Klasse. Niemand wandte auch nur den Kopf nach ihr. Es war, als sei sie ein Geist. An der Tischreihe angekommen, drehte sich das Mädchen nochmal nach dem Jungen um. Er machte keine Anstalten ihr zu folgen und musterte sie eindringlich. Schnell drehte sich Serina wieder von ihm weg. Sein Blick war ihr unangenehm und sie konnte diesem nicht lange stand halten. Sie blickte in die Gesichter ihrer Widersacherinnen und suchte in ihren Blicken, die Schadenfreude über ihr ableben, jedoch fand Serina diese nicht. Tränen liefen die Wangen der Mädchen hinab und einige hatten entsetzt die Hände vor ihr Gesicht geschlagen. Serina hörte die Tür quietschen und schnellte ruckartig herum. Ihre Klassenlehrerin war in den Raum getreten.Auch sie sah mitgenommen aus. "Wie ihr sicher schon erfahren habt.", setzte die Lehrerin an,"hat sich gestern eure Mitschülerin Serina das Leben genommen. Zu diesem Anlass möchte ich nun eine Schweigeminute einlegen." Die Lehrerin senkte den Kopf und ihre Schüler taten es ihr gleich. Viele schluchzten hemmungslos und einige lagen sich weinend in den Armen. Serina war fassungslos. Nie im Leben hätte sie geglaubt, dass ihre ganze Klasse um sie trauern würde. In ihrer Fantasie hatten alle schadenfroh gelacht und sich über ihren verzweifelten letzten Ausweg lustig gemacht. Langsam, wie in Trance, ging sie zurück dem Jungen,der sie die ganze Zeit regungslos beobachtet hatte. "Wie ich sehe, hast du hiervon genug gesehen.",stellte er fest,"Lass und weiter gehen." Serina nickte und die strahlenden Flügel schienen das Klassenzimmer, mit den Schülern und der Lehrerin darin,zu verschlingen. Als das gleißende Licht verschwunden war, registrierte Serina, dass sie sich in ihrem eigenen Zuhause befanden. Der Junge und sie standen mitten in ihrem Wohnzimmer und auf dem Sofa... "Mama .... Papa ... ", stammelte Serina mit Tränen in den Augen. Ihre Eltern, die sonst kaum Zuhause gewesen waren, lagen sich dort auf dem Sofa in den Armen und weinten. Serina bemerkte die rießige Menge an verbrauchten Taschentüchern und das Album in der Hand ihrer Mutter. Um einen Blick darauf werfen zu können, ging sie bedächtigen Schrittes um das Sofa herum. Serina rieß erstaunt ihre Augen auf. Es war ein Album mit Bildern von ihr. Auf der aufgeschlagenen Seite konnte sie sich selbst erkennen, sie war 8 und es war Winter gewesen, neben ihr stand ein kolosaler Schneemann. Die 8-jährige Serina grinste ihre Mutter hinter der Linse breit an. Tränen ihrer Mutter platschten auf das Foto und sie blätterte weiter: Fotos von ihren Geburtstagen, Ostern ,Weihnachten und schließlich befand sich das Album auf der Seite, die fast in der Gegenwart angekommen war. Dieses Bild musste jemand anderes gemacht haben, denn auf dem Bild stand die Familie eng beieinander und lächelte. Ganz dicht neben Serina stand ihr Freund Alexander. Serina hatte weder bemerkt, dass der Junge zu ihr getreten war, noch hatte sie ihre eigenen Tränen bemerkt, so sehr hatte sie ununterbrochen auf ihre, vom Leid gebeugten Eltern gestarrt. Sie ging wieder um das Sofa herum, der Junge folgte ihr, ohne einen Laut von sich zu geben. Das Mädchen ging näher an ihre Eltern heran und versuchte sie zu umarmen, doch glitten ihre Hände ins Leere. Laut schluchzend fiel Serina auf die Knie. "Mama ... Papa ... Es tut mir so leid, dass ich euch so großen Kummer mache... Bitte ... hört auf zu weinen..." Der Junge hatte sich neben sie gekniet und nahm ihre Hand. "Bitte komm, zum nächsten Ort können wir zu Fuß gehen." Serina blickte auf. Ihr Blick war verzweifelt, ihre Augen vom Weinen gerötet. Mit unendlicher Sanftheit zog der Junge sie hoch. "Wird es gehen ?", fragte er mit besorgtem Blick. Serina versuchte den Kloß in ihrem Hals herunter zu schlucken. "Ja ..." Sie wischte sich über die Augen "... Ich ... ich denke schon..." "Dann komm." Sie liefen zusammen aus dem Haus,durch das Labyrinth der vielen Straßen und Wege und kamen schließlich vor dem Eingang des Parks an. Der Junge führte sie zu einer Bank ,die neben einem großen und kräftigen Kastanienbaum stand."Erkennst du diesen Ort wieder ?",fragte er. Serina blickte sich langsam und nach allen Seiten um. Ihr Blick fiel auf den Kastanienbaum, in dem ein Herz geritzt war, in dem stand : A + S - In Love 4 -ever Serina fuhr mit ihrem Finger das Eingeritzte nach. Dieses Herz hatte ihr Freund Alexander für sie gemacht. Und auf dieser Bank hatten sie immer zusammen gesessen. Ein Fluss der Erinnerungen an die schöne gemeinsame Zeit strömte durch Serinas Kopf. Die gemeinsamen Spaziergänge durch den Park, wie sie an dem Stand gegenüber sich ein Eis geteilt hatten, wie sie zusammen auf der Bank gesessen hatten, als Serina geweint und Alexander seinen Arm um sie gelegt und ihr aufmerksam zugehörte hatte, wie sie ihre Liebe unter diesem Baum mit einem Kuss besiegelt hatten, nachdem er ihr seine Liebe gestanden und wie er anschließend das Herz eingeritzt hatte. "He !" Die sanfte Jungenstimme rief sie in die Gegenwart zurück. Tränen liefen unaufhörbar Serinas Wangen hinab.Der Junge führte sie zu der Bank und setzte sich neben sie.Zögerlich legte er den Arm um sie. Serina blickte ihn erstaunt an. Ihre Tränen waren versiegt. "Wa - ...?" Sie stockte. Warum war ihr das nicht eher aufgefallen ? Diese kastanien-braunen Augen. Diese Stimme. "Alexander ?", fragte sie flüsternd, als wäre das Ganze nur ein wunderbarere Traum, der sich sofort in Nichts auflösen würde, wenn sie zu laut spräche. Bedächtig nahm der Junge die Kapuze ab. Haare,die seinen Augen glichen, ergossen sich auf seine Schultern. Serina schlug vor lauter Erstaunen die Hände vor den Mund. Es war tatsächlich Alexander, ihr Freund, der bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Es hatte ihr die Sprache verschlagen. Sie fühlte Freude und Glück aber auch Trauer und Schrecken zugleich. Ihre ganze Gefühlswelt war auf den Kopf gestellt und es war ihr, als müsse ihr Kopf zerbersten. Serina schwankte. Der Junge stützte sie, ehe sie zu Boden sinken konnte. Das Mädchen blinzelte ihn aus müden Augen an. Sie fühlte sich erschöpft. "Alexander ... Du ... Bist du es wirklich ?" Der Angesprochene fuhr sich mit der Hand durchs Haar, wie es auch immer Alexander zu tun gepflegt hatte und nickte. Vorsichtig streckte Serina die Hand nach dem Gesicht ihres Liebsten aus. Zögerlich, als sei er aus Glas, das zerbrechen könnte. Sie fuhr seine Gesichtskonkturen entlang.Sie konnte ihn spüren. Er war es wirklich und es war kein Traum,wie sie zunächst geglaubt hatte."A-aber ...", stotterte Serina, " Du bist doch wirklich ... ich meine ..." "Tot ?",beendete er ihren Satz. Serina sah betreten zu Boden und nickte. Alexander lächelte, Serina glaubte einen traurigen Glanz in dessen Augen zu erkennen. "Ja... So ist es.Ist man einmal tot, kann es nicht wieder rückgängig gemacht werden. Es ist entgültig. Tot bleibt tot." Das Mädchen ließ den Kopf hängen. Sie hatte große Mühe damit, ihre Tränen zu unterdrücken. Es war aber auch ein naiver Glaube von ihr, dass der Autounfall ihres Freundes auch nur Teil eines schrecklichen Alptraumes gewesen sei,in dem sie lange Zeit gefangen war. Alexander strich durch ihr langes Haar, das im Wind wehte und bedeutete ihr tapfer zu sein. "Sei nicht traurig. Es ist nicht zu ändern. Doch du kannst es noch rückgängig machen und in dein altes Leben zurück kehren. Zu diesem Zweck bin dein Seelenführer und deshalb bin ich hier. Wenn du es nicht für deine Klassenkameraden, deine Lehrer und deine Eltern tun willst, dann tu es bitte wenigstens für mich und deiner selbst willen!" Serina hob den Kopf und blickte ihn an.Ihre Augen waren vom Weinen gerötet und ihr Gesicht patschnass. Alexander küsste ihr eine Träne von der Wange. "Bitte ... ", bat er mit unendlicher Sanftheit in der Stimme. Wortlos stand das Mädchen auf und ging zu der großen Kastanie hinüber. Sie fuhr ihren Liebesschwur abermals mit den Fingern nach. Dann drehte sie sich um. Alexander war zu ihr getreten und stand nun direkt neben ihr. Seine kastanien-braunen Augen ruhten fragend auf ihr. Serina schluchzte leise. Er ging einen weiteren Schritt auf sie zu umarmte und küsste sie.Sie erwiderte seinen Kuss voller Leidenschaft, trotz ihrer Traurigkeit. Als sie sich voneinander lösten, sprach das Mädchen mit Tränen in den Augen: "Ich ... Es fällt mir unendlich schwer, das zu sagen, aber wenn es dein Wille ist, so werde ich mich fügen und in mein altes Leben zurückkehren." Alexander lächelte sie an.Auch in seinen Augen schimmerten Tränen." Ich liebe dich.", sagte er,"und ich werde es auch in Zukunft tun." Ein letztes Mal besiegelten sie ihre Liebe mit einem Kuss unter dem Kastanienbaum. Dann löste sich alles um Serina herum auf. Die Landschaft mit ihrem Geliebten darin verschwand. Serina schlug die Augen auf.Sie fühlte sich so schwer. Ihr ganzer Körper schmerzte.Sie versuchte sich aufzurichten, doch es gelang ihr nicht. Als ihr Blick sich klärte erkannte sie, dass sie sich auf einer Krankenstation befand. Um sie herum erblickte sie ihre Eltern und einige Klassenkameraden,wie sie erkannte waren es die Mädchen, die sie immer gehänselt hatten. Die Besucher saßen auf Stühlen und schliefen. Müde blinzelte das Mädchen. "Mama ? Papa ? " Ruckartig setzten sich die Schlafenden auf. "Serina !", riefen alle wie aus einem Munde. Ihre Mutter schlang sich ihr um den Hals, weinend und lachend gleichzeitig. Serina erwiderte die Umarmung so gut es ihr möglich war,denn sie war mit unzähligen Infusionsschläuchen verbunden. Als sich ihre Mutter beruhigt hatte und die Umarmung löste trat ihr Vater zu ihr. "Serina...", in seinen Augen schimmerten Tränen. "Es tut mir alles unendlich leid, dass es soweit kommen musste. Du musst dich schrecklich einsam gefühlt haben. Wir, also ich und deine Mutter haben beschlossen, mehr Zeit mit dir zu verbringen. Wir werden versuchen alles wieder gut zu machen, das heißt wenn du uns verzeihen kannst..." Er schwieg betreten und etwas verlegen angesichts der Ansprache. Serina lächelte ihn versöhnlich an. "Natürlich verzeih ich euch." Als sie bemerkte, dass ihre Klassenkameraden den Mund öffnen wollte schüttelte sie sanft den Kopf und sagte : "Ihr braucht nichts zu sagen.Euch verzeihe ich ebenfalls." Sie wurde nacheinander von ihren Mitschülern umarmt. Dann kam eine Krankenschwester herbei und bat alle Besucher zu gehen, damit sich ´das arme Mädchen´ ausruhen und erholen konnte. Einige Tage später, nachdem Serina wieder so weit genessen war, dass sie sich wieder frei bewegen konnte, lief sie eines Nachts ans Fenster und öffnete es. Es war eine Nacht wie in einem Bilderbuch. Ein sternenklarer Himmel und der Vollmond schien auf sie herab. Sie genoss den Wind in ihren Haaren und sog genüsslich die Luft ein. Alexander hatte recht gehabt. Selbst wenn man nicht mehr weiter weiss, sich verlassen und hoffnungslos vorkommt, so gibt es doch Personen, für die es sich zu leben lohnt, auch wenn man es auf den ersten Blick nicht zu erkennen vermag. Diese Personen werden dir helfen dich aufzurichten, wenn du einmal am Boden bist und nicht ohne Hilfe wieder aufstehen kannst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)