Time Began To Play von Riafya (HP/LV, DM/HG) ================================================================================ Kapitel 15: Talking ------------------- Ähm ja, ich bin etwas spät dran mit dem Update... dafür sind es aber auch zehn Seiten meines Schreibprogramms, also möchte ich keine Beschwerde darüber lesen, ja? *g* Vielen Dank an alle, die mir zum letzten Kapitel ein Review hinterlassen haben. Es bedeutet mir wirklich viel. Und natürlich – wie immer – Danke an meine Beta für ihre gute Arbeit. *knuff* Liebste Grüße, eure Ayako ___________________________________________________ Talking Plötzlich war da Wasser. Kaltes, nein, eisiges Wasser. Direkt in seinem Gesicht. Über Mund und Augen und Nase. Beziehungsweise in seiner Nase. Und damit direkt in seiner Lunge. Was sollte der Mist? Wollte da jemand, dass er erstickte?! Prustend und blinzelnd erwachte Draco Malfoy aus seiner langen Ohnmacht und sah sich um. Er war in einem Kerker – wie überaus stilvoll – und seine Beine waren an schweren Eisenketten befestigt, die man nicht so einfach zerstören konnte. Es gab kein Fenster, nur eine stabile Tür, die momentan verschlossen war. Er selbst befand sich in einer sitzenden Position, direkt an die Wand gelehnt und unter seinen Händen spürte er Stroh. Hätten sie ihn nicht gleich in den Schweinestall sperren können? Er hatte Kopfschmerzen. Seine unzähligen Schnittwunden brannten wie Feuer – man hatte sie also nicht geheilt – und ihm war leicht schummrig zu Mute. Aber er lebte, das war momentan die Hauptsache. Nur, was hatten sie mit ihm vor? „Fertig mit der Analyse?“ Eine Frauenstimme. Er hatte sie noch nie gehört, trotzdem hatte er das Gefühl, sie kennen zu müssen. Langsam ließ er seinen Blick wandern. Zu ihren Füßen, die in hochhackigen, schwarzen Schuhen steckten. Über ihre langen, dünnen Beine, die unter einem einfachen Rock verschwanden. Weiter nach oben über ihren Umhang, den sie zwischen Hüfte und Dekolleté geschlossen hatten. Über das rote Haar, das in leichten Wellen ihr hübsches Gesicht umrahmte. Und schließlich die Augen. Harrys grüne Augen. Draco hatte immer gedacht, dass Severus, seine Eltern und alle anderen übertreiben würden, wenn sie sagten, sie sei wunderschön, aber jetzt, wo er sie sah, konnte er erkennen, dass sie all die Jahre untertrieben hatten. Wobei es eine andere Schönheit als bei Narcissa oder Felice war. Die beiden hatten eine natürliche Eleganz und eine einzigartige Ausstrahlung, die sie für alle Männer zu einem besonderen Hingucker machten. Ihre Schönheit rührte vor allem daher, wie sie sich bewegten oder wie sie ihre natürlichen Reize einsetzte. Es war eine Schönheit, die man manipulieren musste, damit sie ihr volles Potential erreichen konnte. Lily Potters Schönheit dagegen war einfach da. Sie musste nur dastehen und nichts tun, um alle Männer in ihrem Umkreis zum schweigen zu bringen. Wahrscheinlich würde sie selbst in zwanzig Jahren noch gut aussehen. Wie machte sie das nur? An einer guten Seele konnte es nicht liegen. Sie hatte Harry immerhin im Stich gelassen und dieser mied sie seitdem. Draco wusste zwar, dass sein Bruder ab und an übertreiben konnte, aber er ging niemals einem Menschen grundlos aus dem Weg. Was immer diese Frau ihm angetan hatte, musste also herzlos gewesen sein. Warum war sie nun bei ihm? Aus dem ausgestreckten Zauberstab, den sie in der Hand hielt, schloss er, dass sie es gewesen war, die ihn so unsanft geweckt hatte. Höchst wahrscheinlich hatte sie dafür einen bestimmten Grund. Er war gerne bereit, ihn herauszufinden. Etwas anderes blieb ihm ohnehin nicht übrig. Überhaupt, müsste er nicht längst schon tot sein? Er war Ronald ausgeliefert gewesen... und er erinnerte sich daran, einen grünen Lichtblitz auf sich zugeflogen gesehen zu haben. Wobei er nicht so genau darauf geachtet hatte. Ihn hatte eher Hermione interessiert. Hermione.... „Was ist mit Hermione?“ Er hatte sie aus dem Wald stolpern sehen. Sie schien unverletzt gewesen zu sein, aber andererseits konnte er da nicht sicher sein. Außerdem meinte er sich daran zu erinnern, dass sie seinen Namen geschrien hatte, als er zusammengebrochen war. Wobei das natürlich auch Einbildung gewesen sein hätte können. Doch wenn nicht... dann hatte Ronald das sicher nicht einfach übergangen. Draco wollte sich gar nicht ausmalen, was dieses Schwein ihr während der letzten Jahre alles angetan hatte. Lily hob eine Augenbraue. „Es ist also tatsächlich wahr?“, fragte sie überrascht. „Du bist es, den sie eigentlich liebt? Ich hätte vieles erwartet, aber das überrascht mich nun doch etwas... andererseits erklärt das, warum Ronald so empfindlich ist, wenn man den Namen Malfoy in seiner Gegenwart erwähnt.“ Dracos Augen verengten sich. „Beantworten Sie meine Frage!“ Kopfschüttelnd ließ sie ihren Zauberstab sinken. „Du scheinst nicht zu wissen, in was für einer Position du dich befindest, Draco. Du bist in Kriegsgefangenschaft.“ „Tatsächlich? Auf die Idee wäre ich jetzt überhaupt nicht gekommen.“ Harry war eben nicht der einzige, der sarkastisch sein konnte. „Was ist mit Hermione?“ „Sie lebt, wenn du das meinst“, sagte sie. „Und sie ist in Ordnung. Ronald ist direkt mit ihr hierher appariert.“ „Wo bin ich?“ „In Hogwarts natürlich. Wo sonst gibt es heutzutage noch solche Kerkerzellen? Die Häuser mancher Reinblüter einmal ausgenommen, versteht sich.“ Dracos Augen verengten sich. „Das sind Vorurteile. In unserem Haus gibt es keine Kerker.“ „Oder dein Vater hat sie dir einfach noch nie gezeigt. Eigentlich unfair, findest du nicht auch?“ „Was wollen Sie?“ Er hatte keine Lust auf Provokationen oder irgendwelche Spielchen. Er wusste, dass er gefangen war und dass es keinen Weg geben würde, zu entkommen. Warum auch immer er noch lebte, er hatte es sicher nicht dem dunklen Lord zu verdanken. Eher irgendeiner kranken Idee von Ronald Weasley. Oder gar Albus Dumbledore. Hätte Ronald ihn nicht einfach umbringen können? Lily seufzte und ließ ein Tablett auf ihn zu schweben. Darauf befand sich eine dampfende Schüssel, ein Stück Brot und ein Trinkbecher. Von seinem Platz aus roch es verdächtig nach Kartoffelsuppe. Wollten die ihn allen ernstes durchfüttern? „Du musst am verhungern sein“, sagte Lily freundlich. „Iss. Wenn du mich lässt, sehe ich mir danach auch deine Wunden an.“ Draco spähte misstrauisch zwischen ihr und dem Tablett, das inzwischen direkt vor ihm gelandet war, hin und her. „Was sagt mir, dass es nicht vergiftet ist?“ „Nichts“, meinte sie. „Aber es macht keinen Sinn, dich zu vergiften. Du sollst eine andere Rolle in diesem lächerlichen Spiel spielen.“ Lächerliches Spiel? Einen Krieg auf ein Spiel zu reduzieren war Dracos Meinung nach ziemlich gewagt. Aber ihm konnte es egal sein. Mit einem letzten Blick auf die Frau, griff er vorsichtig nach dem Löffel, der neben der Schüssel lag und begann zu essen. Seine Hand zitterte und bei seinen Bewegungen begannen ein paar Wunden wieder zu bluten, doch das kümmerte ihn nicht. Er hatte Hunger. Großen Hunger. Wann hatte er das letzte Mal etwas gegessen? Er wusste es nicht. Wie lange war er eigentlich schon hier? Nebensächlich. Essen war um einiges wichtiger. Hatte er jemals etwas leckeres als diese Kartoffelsuppe gegessen? Und das Brot.... gut, es war trocken und sicher bereits mehrere Tage alt, aber dadurch nicht weniger köstlich. Natürlich wusste er, dass in der Nahrung nach wie vor ein bestimmtes Gift enthalten sein könnte. Oder eine Droge. Oder Veritaserum. Es war ihm egal. Seine Loyalität zum dunklen Lord war ihm momentan wenig wert und sein Leben war ohnehin verwirkt. Da konnte er davor wenigstens noch ein gutes Essen genießen. Während er alles in sich hinein schlang, setzte Lily sich mit etwas Abstand vor ihm hin und wartete geduldig, bis er fertig war. Sie unternahm keinen Versuch, mit ihm zu sprechen und er war ihr dankbar dafür. Er wollte nichts hören. Er wollte nicht denken. Und erst recht nicht wollte er sie sympathisch finden. Schließlich hatte er alles geleert, woraufhin er sich wieder an die Wand zurückfallen ließ und sie erwartungsvoll ansah. „Also? Was ist nun diese Rolle, von der Sie gesprochen haben?“ Lily seufzte. „Du sollst öffentlich hingerichtet werden. Gemeinsam mit ein paar anderen Gefangenen, die wir machen konnten. Damit will unsere Seite offenbar zeigen, dass sie nach wie vor nicht aufgibt und ein paar Erfolge zu verzeichnen hat... tut mir Leid.“ Es tat ihr Leid? „Was tut Ihnen Leid?“, fragte er. „Dass Sie mich hier sehen? Dass ich bald sterben werde? Dass Sie mich nicht retten können? Oder dass Sie denen dabei helfen, meinem Leben ein Ende zu bereiten?“ Er sah sie mit ausdrucksloser Miene an. „Wenn es so ist, können Sie sich Ihr Mitgefühl sonst wohin stecken. Ich brauche es nicht.“ „Narcissa hat offenbar vergessen, dir Manieren beizubringen“, kommentiere Lily trocken. Er war froh, dass sie so reagierte und nicht mit noch mehr Mitgefühl. Es war leichter, mit jemandem umzugehen, den er hassen konnte und er beschloss, genau das mit Lily Potter zu tun. Er würde sie hassen und verachten. Trotz allem brauchte er ihre Hilfe. Dass sie hier war, bedeutete, dass sie dafür eingeteilt worden war, um ihn zu versorgen. Ihr Zuspruch könnte überlebenswichtig werden. Wobei er ohnehin nicht mehr lange leben würde. //Trotzdem, solange es noch einen Funken Hoffnung gibt, solltest du ihn ergreifen.// Verdammt, warum bereiteten sie einen nie auf so etwas in der Schule vor? „Warum tun Sie das?“, fragte er leise. „Warum helfen Sie mir? Sie könnten mich einfach verrecken lassen. Das ist doch sowieso das, was sie mit mir vorhaben. Oder tun Sie das nur, weil man Sie dazu beauftragt hat?“ „Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, wem ich helfe“, entgegnete sie beinahe abweisend und für einen Moment konnte er Harry in ihr sehen. „Und ich tue es auch nicht für dich. Bilde dir bloss nichts ein, Junge.“ Junge?! Die Frau nannte ihn einen Jungen?! Was fiel ihr ein?! Er war ein Malfoy! Er war verheiratet! Er war erwachsen! „Und warum tun Sie es dann?“, fauchte er verärgert. Er wollte ihr noch mehr entgegen schleudern, doch seine nächsten Worte blieben ihm im Halse stecken, als er ihren Gesichtsausdruck sah. Hatte er tatsächlich einen Nerv getroffen? Es hatte ganz den Anschein. „Ich tue es, weil du der Sohn deiner Mutter bist“, sagte sie mit betont beherrschter Stimme, während sie das Tablett mit dem leeren Geschirr verschwinden ließ. „Der Frau, die meinen Sohn großgezogen hat.“ Ihre Miene wurde wieder ausdruckslos und sie deutete auf seine Wunden. „Darf ich sie mir ansehen? Sie sehen wirklich nicht gut aus und ich bezweifle, dass du hier drin an einer Blutvergiftung sterben willst.“ „Als ob es einen Unterschied macht, ob ich hier sterbe oder da oben“, entgegnete er sarkastisch. Es war einfacher, so mit ihr umzugehen. Ihre Worte verwirrten ihn. Was hatte seine Mutter damit zu tun? Und Harry? Versuchte sie damit, eine Schuld abzuzahlen? Oder ging es hier um etwas anderes? „Es macht einen Unterschied“, reagierte Lily derweile auf seine Frage und holte ungefragt Verbandszeug aus ihren Taschen hervor. „Wenn du nach oben kommst, kannst du vielleicht deine Hermione wiedersehen.“ Dem konnte er nicht widersprechen und so ließ er es zu, dass sie ihn schließlich doch noch untersuchte und versorgte. Sie hatte Recht. Er konnte nicht hier unten sterben. Nicht, solange es auch nur den Hauch einer Chance gab, sie noch ein einziges Mal wiederzusehen. Und wenn es zum Zeitpunkt seines Todes sein sollte. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Lunas Visionen wurden von Tag zu Tag unerträglicher. Menschen starben. Blut floss. Verderben kam über die Welt. Alles endete im Chaos. Das Schicksal zeigte sich wieder einmal von seiner besonders sadistischen Seite und anstatt wie sonst einzugreifen, hatte die Zeit sich auf seine Seite geschlagen. Felice schloss gequält die Augen und versuchte die Bilder zu verdrängen, die Luna nun schon seit mehreren Tagen verfolgten. Die Seherin lag zusammengerollt auf Felices Bett und hatte einen alten Teddybären umklammert, während stumme Tränen über ihre Wangen liefen. Es gab viele Menschen, die alles dafür gegeben hätten, ihre Gabe zu besitzen. Sie sahen darin nur einen Vorteil, da sie die „Zukunft“ sehen konnten. Dabei wussten sie nicht, dass es nicht die Zukunft war, die Luna sah. Es waren die sich stetig ändernden Schicksalsfäden, die alles durchzogen und die Menschen miteinander verbanden. Felice verstand nicht ganz, wie ihre Freundin in der Lage war, sie wahrzunehmen. Sie wusste nur, dass sie es konnte. Und dass es sie innerlich zerstörte. Vorsichtig hob Felice ihre Hand und legte sie gegen die Fensterscheibe, die sich direkt vor ihr befand. Draußen, in London, fiel der Regen unaufhaltsam auf den Boden herab und tauchte die Welt in ein deprimierendes Grau. In der Ferne konnte sie sogar den ein oder anderen Blitz erkennen. Aufgrund des Unwetters waren die Straßen wie leergefegt und selbst in den Häusern herrschte Dunkelheit, so als würde sich die ganze Welt vor dem Gewitter zu verstecken. Felice fand diese Atmosphäre beruhigend. Umso weniger Menschen sich bewegten, umso weniger Gedanken musste sie ausblenden und umso einfacher war es, gegen Lunas Gefühlschaos anzukämpfen. Sie wollte den Schmerz ihrer Freundin nicht teilen. Sie wollte die Zukunft nicht sehen. Nicht diese Zukunft. Sie beugte sich vor und lehnte ihre Stirn gegen das Fenster, genoss das Gefühl des kalten Glases auf ihrer glühenden Haut. Sie hatte wieder Fieber, so wie jeden Tag in letzter Zeit. Ein kleiner Teil in ihr – der egoistische Teil – würde Luna am liebsten aus ihrem Zimmer schmeißen, damit sie sich in ihr Bett legen und für den Rest des Tages schlafen konnte, doch sie wusste, dass es keinen Sinn hatte. Um diese Krankheit zu heilen, brauchte es mehr als ein paar Stunden Schlaf. Aus diesem Grund ließ sie ihre Freundin, wo sie war und wartete. Wartete darauf, dass endlich etwas geschah. Im Flur hörte sie ein Appariergeräusch und kurz darauf kamen Schritte auf das Zimmer zu. Felice seufzte und stellte sich wieder aufrecht hin, den Blick weiterhin nach draußen gerichtet. In Wahrheit betrachtete sie das Zimmer, das sich in der der Scheibe spiegelte. Dadurch konnte sie dabei zusehen, wie Regulus den Raum betrat und innehielt, als er die Szene in sich aufnahm. „Immer noch keine Besserung?“, fragte er leise. Eine überflüssige Frage. Selbst, wenn man kein Empath war, konnte man das Offensichtliche erkennen: dass Luna alles andere als fit war. Wahrscheinlich wollte er nur höflich sein. Oder das Schweigen brechen. Oder eine Reaktion hervorrufen. Er bekam keine. Felice verweilte stumm am Fenster und starrte nach draußen. Es fiel ihr mit jedem Tag schwerer, mit ihm umzugehen. Sie wusste, dass er sie liebte. Er ließ es sie bei jedem Zusammentreffen spüren, mit jeder Geste, mit jedem Wort und mit seinen eigenen Gefühlen. Sie wünschte sich, er würde sie hassen. Seufzend ging Regulus auf sie zu, ehe er von hinten seine Arme um sie schlang und sie festhielt. „Du wirkst sorgenvoll“, hauchte er ihr ins Ohr, und drückte einen Kuss auf ihr Haar. „Das passt nicht zu dir.“ Sie lehnte sich in seine Umarmung und erlaubte es sich, seine Nähe und Wärme für einen Augenblick zu genießen. Sie liebte seine Nähe. Seinen Geruch. Sein ganzes Wesen. Und doch ließ sie es nie zu, dass mehr aus ihnen wurde. Manchmal war es ihr unverständlich, wie er es weiterhin mit ihr aushalten konnte. „Wie könnte ich nicht sorgenvoll sein, bei allem, was in letzter Zeit geschieht?“, fragte sie leise. „Der Tempus Amicus macht einen Fehler.“ „Wie kann er einen Fehler machen? Er ist der Tempus Amicus.“ „Das macht ihn nicht vollkommen“, sagte sie sanft. „Er macht einen Fehler. Er hätte sich nicht von Tom abwenden dürfen.“ Sie begegnete in der Fensterscheibe seinem Blick. „Sieh dir doch Luna an... sie sieht die Zukunft. Eine falsche Zukunft. Harry sollte uns den Frieden bringen, aber...“ „Luna sieht, was das Schicksal für uns vorgesehen hat“, widersprach er bestimmt. „Harry wird verhindern, dass es passiert. Immerhin ist er...“ „Eine Spielfigur der Zeit?“ Felice schüttelte mit dem Kopf. „Das ist er schon lange nicht mehr.“ Regulus runzelte die Stirn. „Du redest wirr, Liebes. Wird dein Fieber wieder schlimmer? Du solltest dich hinlegen und ausruhen.“ Natürlich. Wenn man etwas nicht verstand oder wahrhaben wollte, schob man es auf eine Krankheit. Typisch. Dabei verstand Regulus nicht, dass er vollkommen falsch lag. Ein Tempus Amicus kam niemals von sich selbst aus auf die Idee, Frieden zu stiften. Das war ein Irrtum, dem die ganze Welt unterlag und den sowohl Harry als auch Albus Dumbledore, der letzte Tempus Amicus, zu entkräften wussten. Das einzige, was sie taten, war, dem Rat ihrer Mira zu folgen, die wiederum alles tat, was im Sinne der Zeit lag. Dass dadurch oft Frieden entstand, war einzig und allein der sadistischen Natur des Schicksals geschuldet. Es liebte Tod, Verderben und Leid, weshalb es ihm eine große Freude bereitete, diese Dinge auf die Welt zu bringen. Und da die Zeit immer bestrebt war, dem Schicksal einen Strich durch die Rechnung zu machen, war sie automatisch bestrebt, Frieden und Harmonie zu stiften. Eigentlich müsste dies auch jetzt wieder der Fall sein. Luna sah immerhin, was das Schicksal plante: Dass Harry sich gegen Tom wandte und mit Hilfe der weißen Seite einen erbarmungslosen Krieg gegen ihn und seine Todesser führte. Mit einer richtigen Mira, die ihre Arbeit gewissenhaft erledigte, würde dies nie passieren. Problematisch war nur, dass Ginevra ihre eigenen Pläne verfolgte. Sie wollte Harry für sich, für sich ganz allein und sah deshalb jeden, der ihn von ihr entfernte, als natürlichen Feind an. Vor allen anderen traf natürlich Tom auf diese Beschreibung zu, doch auch Felice und Luna und seine ganze Familie waren alles andere als willkommen. Sie wollte ihn isolieren. Sie wollte, dass er allein da stand und nur noch sie hatte, als einzige Person, an die er sich wenden konnte. Und das dumme war: sie hatte Erfolg. Felice verstand nicht, wie sie es geschafft hatte, Harry zu manipulieren, aber er spielte ihr momentan direkt in die Hände. Wieso erkannte er es nicht? //Weil sie zu viel Macht hat.// Eine Mira war keine stille Beobachterin. Sie konnte selbst in das Zeitgeschehen eingreifen, wenn sie glaubte, dass der Tempus Amicus keine zufriedenstellenden Ergebnisse liefern konnte. Doch was Ginevra tat, hatte nichts mit dem zu tun, was sie tun musste. Es war, was sie tun wollte. Sie wurde Felice von Tag zu Tag unsympathischer. Regulus, der nichts von ihrem inneren Monolog mitbekam – dafür waren ihre Okklumentikfähigkeiten zu gut geworden – packte sanft ihre Schultern und drehte sie zu sich um, um sie mit seinen großen, sorgenvollen Augen anzusehen. „Ich habe dich erneut verärgert“, interpretierte er ihr Schweigen. „Es tut mir Leid.“ „Es muss dir nicht Leid tun“, sagte sie leise und hob ihren Arm, um seine Wange zu tätscheln. „Du bist wunderbar. Du bist ein wunderbarer Mensch. Ich habe dich überhaupt nicht verdient.“ Sofort wurden sein Blick sanft und er schmiegte sich gegen ihre Berührung. „Du hast mich verdient, mehr als jede Andere.“ //Ich liebe dich.// Er sagte es nicht, aber sein Gedanke genügte. Keine Worte hätten ausdrücken können, was er fühlte. Seine Gefühle waren viel greifbarer, viel verständlicher. Sie hätte weinen können. Glücklicherweise drehte sich in der Wohnungstür ein Schlüssel, bevor sie dazu gezwungen wurde, ihm zu antworten. Manchmal hatte Harry – denn er war es, der gerade nach Hause kam – ein perfektes Timing. Regulus' Gesicht verdüsterte sich, als er ihn wiederkommen fühlte. Er war alles andere als begeistert, ausgerechnet jetzt unterbrochen zu werden, da er nach wie vor darauf hoffte, dass sie ihm irgendwann seine stumme Frage beantworten würde. Ob sie eine gemeinsame Zukunft hatten. Wenn es nach ihr ginge, würde er niemals eine Antwort erhalten. Deshalb schlüpfte sie unter seinen Armen hervor und ging zur Tür, wo sie sich an den Rahmen lehnte, ihre Arme verschränkte und dabei zusah, wie Harry mit seinen Schnürsenkeln kämpfte. Wären seine Gedanken nicht so aufgewühlt gewesen, hätte sie ihn nun darauf hingewiesen, dass er sie auch mit Magie öffnen konnte. So blieb sie allerdings nur still stehen und sah ihm zu. Da er sie schon längst bemerkt hatte, machte sie sich nicht einmal die Mühe, auf ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen. Harry würde sie ansprechen, sobald er bereit dazu war. „Ich weiß“, sagte er schließlich schlecht gelaunt. „Du hast es mir ja gesagt. Es war sinnlos, zu Albus zu gehen und ihn darum zu bitten, Draco da rauszuholen.“ Natürlich hatte sie Recht gehabt. Albus hatte schon lange keine Macht mehr über seinen albernen Phönixorden. Ronald Weasley und Moody waren die neuen Anführer gewesen und jetzt, da Moody weg war, war nur noch der Weasley da. Plus Neville Longbottom. Doch der zählte ihrer Meinung nach nicht. Harry wusste das eigentlich auch. Er hatte es trotzdem versuchen müssen. Er hätte es sich nie verziehen, wenn er nicht wenigstens das getan hätte. Schon rührend, wie sehr er seinen Bruder schätzte. Obwohl er gewusst hatte, wie seine Unterredung mit Dumbledore ausgehen würde, hinterließ es in ihm doch ein Gefühl der Resignation. Er hatte gehofft, alles friedlich lösen zu können, dass er nicht bemerkt hatte, dass er damit alleine gegen das Schicksal ankämpfte. Selbst die Zeit schien Dracos Tod für notwendig zu halten. Oder es war Ginevra, die das tat. Beruhigend, dass Harry noch in der Lage war, sich gegen ihre Entscheidungen zu stellen. Vielleicht war es ja doch noch nicht zu spät, ihn wieder zur Vernunft zu bringen. Apropos, das war ein guter Moment um sein verhasstes Thema anzusprechen: „Tom hat wieder eine Lilie geschickt.“ Als Harry sich von ihm „getrennt“ hatte, hatte keiner von ihnen gewusst, wie der Dunkle Lord darauf reagieren würde. Sie hatten mit allen möglichen Reaktionen gerechnet, von Nichts über einen Tobsuchtanfall bis hin zu Todesdrohungen. Den Tobsuchtsanfall hatte es sicher gegeben, doch Harry hatte von ihm nur Lilien bekommen. Jeden Tag eine, immer um siebzehn Uhr. Gebracht wurde sie von einer weißen Taube, die nur die Blume ablieferte und dann sofort wieder davonflog. Dabei war es wirklich nur eine Lilie. Kein Brief. Keine Karte. Nur die Lilie. Sie wussten trotzdem alle, dass sie von Tom kam. Harry vermutet sogar, dass er sie jeden Tag von dem Beet abschnitt, das er extra für Harry angelegt hatte. Es war ein stummer Countdown, der anhalten würde, bis auf dem Beet keine Lilien mehr da sein würden, da waren sie sich einig. Tom gab Harry Zeit, seine Entscheidung noch einmal zu überdenken und zu ihm zurückzukehren. Was passieren würde, sobald es keine Lilie mehr gab, wollte Felice sich gar nicht erst ausmalen. Harry hob bei ihren Worten seinen Kopf und sah sie mit ausdrucksloser Miene an. „Natürlich hat er das“, zischte er. „Er kann einfach nicht einsehen, wenn er verloren hat. Er will mich zurückhaben, weil es an seinem Stolz kratzt, dass ich mich einfach von ihm abgewandt habe.“ //Er will mich benutzen.// Felice seufzte schwer und trat ganz in den Flur, wobei sie die Zimmertür hinter sich zuzog. Zwar würde Regulus auch so jedes Wort mitbekommen, wenn er lauschen wollte, aber wenigstens gab es ihnen optisch etwas Privatsphäre. Langsam hockte sich Felice direkt vor Harry hin und sah ihn sanft an. „Er vermisst dich. Und er braucht dich. Nicht für diesen Krieg, sondern für sich selbst. Du bist der einzige Mensch auf dieser Welt, der ihm etwas bedeutet.“ Sofort verschloss er sich vor ihr, denn er wollte es nicht hören. Er wollte nicht an seiner Entscheidung zweifeln. Beziehungsweise Ginevra wollte es nicht. Ob Harry merkte, was für einen Einfluss seine Mira auf ihn hatte? Vermutlich nicht. Er würde ihr wahrscheinlich auch nicht glauben, wenn sie ihn darauf hinweisen würde. „Lass uns nicht über dieses Thema sprechen“, sagte Harry und richtete sich wieder auf. Dabei schlüpfte er aus seinen Schuhen und kickte sie achtlos durch den Raum. „Ich muss meinen Bruder retten. Und dafür sorgen, dass es Luna wieder besser geht...“ Natürlich hatte auch Harry ihren Zustand bemerkt, aber er wusste nicht, dass es seine Entscheidung gewesen war, die ihn verursacht hatte. Dabei war es offensichtlich, immerhin war sie in diesem Zustand, seitdem er sich dazu entschlossen hatte, sich von Tom abzuwenden. Felice vermutete, dass er wusste, dass er Schuld war, es aber nicht wahrhaben wollte. Verständlicherweise. Niemand wollte für das Leiden einer Freundin verantwortlich sein. „Und wie willst du ihn retten ohne Toms Hilfe?“, fragte Felice und blickte durch müde Augen zu ihm auf, immerhin hockte sie nach wie vor auf dem Boden. „Du brauchst ihn. Du brauchst seine Armee.“ „Ich brauche ihn nicht“, entgegnete er sofort trotzig. Eine Lüge, wie sie beide wussten. „Ich finde einen Weg. Es muss doch auch ohne ihn gehen.“ „Nicht, wenn du dem Schicksal folgst. Es möchte, dass Draco stirbt.“ Sie stand doch wieder auf und sah ihn ernst an. „Du kannst ihn nicht retten, wenn du so weitermachst wie bisher.“ Harry erwiderte ihren Blick ebenso ernst, doch sie konnte auch eine leichte Wut in ihm spüren. Nicht weiter verwunderlich, niemand würde gerne hören, dass der eigene Bruder – egal ob leiblich oder nicht – verloren war. Besonders nicht, wenn man wie Harry so verzweifelt um ihn kämpfte. Nicht, dass Felice sich wünschte, dass der Malfoy starb, aber vielleicht wäre es tatsächlich besser, ihn aufzugeben. „Auf wessen Seite stehst du eigentlich?“, fragte Harry provozierend. Es war eine alberne Frage, die er eigentlich nicht stellen müsste. Er kannte die Antwort doch. Oder hatte sie einmal gekannt. Manchmal erkannte sie ihn nicht wieder. „Ich bin auf deiner Seite, Harry“, sagte sie erschöpft. Sie war es leid, mit ihm zu streiten. Sie war das alles leid. „Ich werde immer auf deiner Seite sein, egal welchen Weg du wählst. Und genau das ist der Grund, warum ich dir das sage, was du nicht hören willst. Es tut mir Leid, wenn ich dich damit verletze.“ Seine erste Reaktion war Wut. Die empfand er in letzter Zeit öfter. Wut auf Tom. Wut auf die weiße Seite. Wut auf Draco. Wut auf die ganze Welt. Wut auf sich. Ganz anders als der Harry, den sie kannte. Ihr Harry war immer gelassen, ließ sich nicht provozieren und versuchte anderen zu helfen. Ihr Harry dachte nach, bevor er etwas tat. Dieser Harry ließ sich von seinen Gefühlen leiten. Felice vermutete, dass er das tat, weil er nicht nachdenken wollte. Denn wenn er nachdachte, würde er erkennen, dass er falsch lag und dass er einen Fehler machte. Und dann würde er nicht wissen, was er tun sollte. Er würde sich hilflos fühlen. Felice wusste, dass er es hasste, sich hilflos zu fühlen. Anstatt seine Wut jedoch an ihr rauszulassen, beruhigte er sich langsam wieder. Übrig blieb nichts, als müde Resignation. „Es muss dir nicht Leid tun. Mir tut es Leid. Ich weiß nicht, was in letzter Zeit mit mir los ist.“ „Doch, du weißt es“, widersprach sie ihm sanft. Es war wegen Tom. Letztendlich führte alles in seinem Leben immer wieder auf Tom hinaus. Egal, in welcher Realität sie lebten, egal, ob sie Todfeinde, Familie, Freunde oder ein Paar waren, ihre Schicksale waren für alle Ewigkeiten miteinander verknüpft. Eine Tatsache, über die Harry sich sehr wohl im Klaren war. „Was soll ich denn jetzt tun?“, fragte er und klang dabei so erschöpft, wie sie sich fühlte. „Ich kann nicht zu ihm zurück. Es würde immer nur auf dasselbe hinauslaufen.“ „Du hast ihm nie eine Chance dazu gegeben, etwas zu ändern“, bemerkte sie und schloss für einen Moment die Augen. Ihre Kopfschmerzen kamen zurück, offenbar brauchte sie ein paar Stunden Schlaf. Nun, der konnte warten, bis sie dieses Gespräch beendet hatten. „Du hast ihn immer auf Abstand gehalten und er hat es stillschweigend akzeptiert und gewartet, bis du von selbst zu ihm zurückkommst. Du weißt, wie besitzergreifend er ist. Dass er das für dich getan hat, zeigt...“ „...wie sehr er mich liebt?“, beendete Harry ihren Satz mit einem zweifelnden Tonfall. „Er will mich nur besitzen, mich und meine Macht“, das letzte Wort triefte geradezu von Sarkasmus. „Ich glaube nicht, dass er jemanden lieben kann.“ „Vielleicht hast du Recht“, entgegnete sie sanft. Es hatte ohnehin keinen Sinn, darüber zu streiten. Er hatte seine Meinung über dieses Thema gebildet und würde sie sich von niemanden ausreden lassen. „Aber das alles ist keine Antwort darauf, wie du Draco helfen kannst.“ Womit sie zum eigentlichen Thema zurückkamen. Draco zu retten war aus ihrer Sicht ein aussichtsloses Unterfangen. Tom und die Todesser würden nicht helfen. Albus hatte keine Macht mehr. Ronald würde nie und nimmer mit sich reden lassen. Vielleicht würde Dracos Familie mithelfen, aber Harry würde sie nie und nimmer in Gefahr bringen wollen. Und alleine würden sie auch nicht viel ausrichten können. Ja, Draco war erledigt. Schon schade irgendwie, aber mit etwas Glück hatte er seine Frau bereits geschwängert, dann würde die Familie Malfoy immerhin nicht mit ihm untergehen. Hinter ihr öffnete sich plötzlich die Tür zu ihrem Zimmer. Langsam öffnete Felice ihre Augen wieder und drehte sich um, um zu sehen, wer sich dazu entschlossen hatte, sich in ihr Gespräch einzumischen. Da sie sich gerade vollkommen auf Harry konzentriert hatte, hatte sie alle anderen aus ihrem Bewusstsein verdrängt – etwas, das ihr früher viel leichter gefallen war, als heute, aber immer noch funktionierte. Deshalb war sie milde überrascht, als sie Luna im Türrahmen stehen sah. Sie zitterte, ganz offensichtlich machte es ihr Mühe, aufrecht zu stehen. Tatsächlich stand Regulus nur einen Schritt hinter ihr und hatte schon einmal vorsorglich die Arme ausgestreckt, um sie zur Not aufzufangen. Wie lange sie wohl gebraucht hatte, um vom Bett an diesen Platz zu kommen? Ihr Gesicht war aschfahl, das Haar hing schlaff an ihrem Kopf herab, sie wirkte alles andere als gesund. Am schlimmsten waren ihre Augen, die in Harrys Richtung blickten, aber doch nichts zu sehen schienen. Ihre Pupillen waren verschwunden, nur weiße Augäpfel starrten aus dunklen Höhlen hervor. Eine einzelne Träne löste sich daraus und rann langsam an ihrer Wange herab. Ein sehr beängstigendes Bild. Ob die Orakel im alten Griechenland auch so ausgesehen hatten? Langsam hob Luna ihre Hand und zeigte mit einem Finger auf Harry. „Niemand kann retten, was zum Tode verdammt ist“, sagte sie mit leiser, aber klarer Stimme. „Nur eine Mutter.“ Im nächsten Augenblick erschlaffte ihr Körper und sie brach in sich zusammen. Kurz, bevor sie auf dem Boden aufkam, fing Regulus sie auf und verhinderte damit, dass sie sich verletzte. Kaum hatte er sich davon überzeugt, dass es ihr gut ging – so gut, wie es einer Seherin nach einer Vision gehen konnte – blickte er fragend zu Felice und Harry auf. „Was bedeutet das?“ „Ganz einfach“, antwortete Felice. „Es bedeutet, dass wir eine Mutter brauchen, wenn wir Draco retten wollen.“ Sie drehte sich wieder zu Harry um, der sie mit ausdrucksloser Miene ansah. „Und ich habe das Gefühl, dass es nicht Narcissa ist, die sie meinte.“ Harry schwieg. Seine Gedanken gaben ihr jedoch Recht. Es war nicht Dracos Mutter, die ihn retten sollte. Es war jemand anderes. Und Harry gefiel das überhaupt nicht. Das versprach recht interessant zu werden. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Das erste Mal seit Beginn ihrer Schwangerschaft war Hermione davon überzeugt, dass Ronald sie schlagen würde. Wütend genug wirkte er zumindest, als er vor ihr durch den leeren Klassenraum schritt. Nachdem das Hauptquartier des Phönixordens vollständig zerstört worden war, hatten sich die überlebenden Mitglieder nach Hogwarts zurückgezogen, um dort ihre Wunden zu lecken und sich eine neue Strategie zurecht zu legen, wie man ab sofort vorgehen sollte. Sie hatten durch den Angriff der Todesser einige Verluste erlitten, darunter einige ihrer ehemaligen Mitschüler, zum Beispiel Cho Chang, sowie Alastor Moody, der gemeinsam mit Ronald bisher die Führung übernommen hatte. Gerade Moodys Tod war für sie alle ein großer Verlust. Mit ihm hatten sie einen ihrer stärksten Kämpfer und besten Denker verloren. Gepaart mit den anderen Todesfällen war dadurch eine unbezwingbare Wut auf der weißen Seite entstanden, die nun durch einen anderen Tod besänftigt werden sollte: Dracos Tod. Allein der Gedanke daran, ihn sterben zu sehen, war zu schrecklich, als dass sie ihn aushalten könnte. Die letzten Jahren waren bereits schlimm genug gewesen, aber wenigstens hatte sie gewusst, dass irgendwo da draußen Draco lebte, gesund war, glücklich wurde, heiratete, eine Familie bekam, einfach atmete. Wäre es ihr lieber gewesen, dabei an seiner Seite zu stehen? Ja, natürlich. Sie hätte beinahe alles dafür getan, an seiner Seite zu stehen. Seine Frau zu werden. Mit ihm gemeinsam eine Familie zu gründen. Doch Draco hatte sich gegen sie entschieden und anstatt um ihn zu kämpfen, hatte sie die erstbeste Hand ergriffen, die ihr ein Leben bieten würde, in dem sie nicht alleine sein würde. Sie war so erbärmlich. Und das Problem war, dass auch Ronald das nun begriffen hatte. Mit einer schwungvollen Bewegung wirbelte er herum und sah sie finster, beinahe anklagend an. „Du hast seinen Namen gerufen.“ Eigentlich war es unnötig, das auszusprechen. Hermione wusste es. Ronald wusste es. Und auch Draco wusste es. Sie hatte ohne nachzudenken den Namen des Malfoys gerufen. Eine Reflexhandlung für die sie im Grunde nichts konnte und die trotzdem aussagte, was ihr ganzes Sein ausmachte: Es gab nur einen Menschen, um dessen Wohlergehen sie sich sorgte – von ihrem ungeborenen Kind einmal abgesehen – und das war nicht der Mann vor ihr, egal, wie sehr dieser es sich auch wünschen mochte. Sie hatte sich oft gewünscht, es zu können. Niemand hatte es ihrer Meinung nach mehr verdient, von jemanden geliebt zu werden, als dieser ungeliebte Junge vor ihr, der viel zu früh erwachsen geworden war. Bedauerlicherweise war sie nicht in der Lage, ihm zu geben, was er brauchte und dafür würde sie jetzt bezahlen. Deshalb legte sie ihre Hände schützend auf ihrem Bauch und sah ihn abwartend an. Sie konnte so oder so nichts mehr an dieser Situation ändern. Dafür war es jetzt zu spät. „Ich hätte alles für dich getan“, zischte Ronald und lief weiter, umkreiste sie nun, ohne sie auch nur einen Moment lang aus den Augen zu lassen. „Ich habe dafür gesorgt, dass du ein Dach über den Kopf hast, ich habe dir alles gegeben, was du wolltest“, Nahrung, Kleider, sogar Bücher. Mit dem, was er beim Orden verdient hatte – auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie er da etwas verdient hatte – war er ihr gegenüber sehr großzügig umgegangen. „Ich habe sogar dieses Balg akzeptiert, von dem wir beide wissen, dass es nicht mein Kind ist.“ Das war es tatsächlich nicht. Ronald hätte sie niemals so an sich heranlassen können, obwohl dieser es mehr als einmal versucht hatte. Man konnte ihm viel nachsagen, aber er war kein Vergewaltiger. „Ich hätte es mit dir großgezogen und es wie mein eigenes Kind behandelt! Ich hätte dir und ihm Sicherheit gegeben! Und dann rufst du in einem solchen Moment den Namen meines größten Feindes?!“ Das schlimmste an seinen Worten war, dass er Recht hatte. Er hatte ihr so viel gegeben, so viel verziehen, war so gut zu ihr gewesen und als Dank gab sie ihm nichts zurück. Er hatte jeden Grund, wütend zu sein. Trotzdem konnte sie das nicht einfach so auf sich sitzen lassen. „Draco soll dein größter Feind sein?“, fragte sie stur. „Ich dachte, das wäre der dunkle Lord und alles, wofür er steht.“ „Meine Feindschaft zu ihm begründet sich aus meiner Ideologie und meinen politischen Überzeugungen. Meine Feindschaft zu Draco Malfoy ist etwas persönliches. Darum ist er mein größter Feind und als meine Lebensgefährtin, sollte er auch der deinige sein.“ Merlin, an seine Theatralik würde sie sich nie gewöhnen. „Was hast du erwartet?“, fragte sie und starrte stur geradeaus, wobei sie ihn immer noch aus den Augenwinkeln heraus wahrnahm. Er stand nun rechts neben ihr, das Gesicht ihr zugewandt. Mit hungrigen, beinahe besessenen Augen starrte er sie an. Nicht mehr lange und er würde sich selbst vergessen. Sie hoffte, dass bis dahin irgendjemand hier vorbeikommen würde. Bis dahin musste sie ihn irgendwie hinhalten. Dumm nur, dass sie selbst zu aufgewühlt war, um überhaupt einen Gedanken daran zu verschwenden, ihn beruhigen zu wollen: „Du weißt ganz genau, was ich für ihn empfinde“, fuhr sie fort. „Du hast es immer gewusst. Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht.“ „Er hat dich weggeworfen!“ „Das ist mir egal.“ „Er hat eine Andere geheiratet!“ „Das spielt keine Rolle.“ „Er liebt dich nicht!“ „Das stimmt nicht.“ Dracos Trennung von ihr hatte sie damals wie einen Schlag getroffen. Sie hatte nicht gewusst, wie sie damit umgehen sollte, geschweige denn, wie es weitergehen sollte. Für kurze Zeit hatte sie tatsächlich geglaubt, er habe nur mit ihr gespielt. Allerdings hatte sie sehr bald bemerkt, dass dies nicht der Fall gewesen war. In Hogwarts hatte sie ihn jeden Tag beobachtet, hatte wie auch Harry damals bemerkt, dass es ihm mit jedem Tag schlechter ging. Und dann... vor sechs Monaten... Aber daran wollte sie nicht denken. Nicht jetzt. Nicht, wenn Ronald bei ihr war. Dieser holte mit einem Mal ohne Vorwarnung aus und verpasste ihr eine Ohrfeige. Dabei hatte er soviel Schwung, dass sie ihren Halt verlor und einige Schritte zurück stolperte, während ihr das Blut ins Gesicht schoss und sich ein unangenehmer Schmerz meldete. Das würde ein blauer Fleck werden. Normalerweise vermied Ronald es, sie an Stellen zu verletzen, die für alle sichtbar waren. Dass er es heute doch tat, zeigte, wie sehr er neben sich stand. Mist, sie musste ihn irgendwie wieder aufwecken, ansonsten wusste sie nicht, was passieren würde. Ängstlich blickte sie auf und bemerkte, dass er sich ihr langsam, aber zielstrebig näherte, die Hand zu einer bedrohlichen Faust geballt. Dieses Mal würde er auf ihren Bauch treffen und damit ihr Baby! Nein, das durfte und konnte sie nicht zulassen! Nur was sollte sie tun? Ihren Zauberstab zücken und dadurch riskieren, dass er damit begann, sie mit Magie zu quälen? Oder sich auf ihn werfen und solange küssen, bis Leidenschaft seine Wut ablöste? Da ließ sie sich doch lieber verprügeln. Als er nur noch einen Meter von ihr entfernt war, rief sie das Erste, was ihr in den Kopf kam: „Tu das nicht! Du schadest dem Kind!“ Er schnaubte. „Was kümmert mich, was daraus wird? Es ist ja nicht einmal meines!“ „Mag sein!“, fuhr sie verzweifelt fort. „Aber deine Schwester will, dass ich es beschütze.“ Sie war davon überzeugt, dass diese Worte keine Wirkung haben würden. Dass er sie auslachen oder für verrückt erklären würde. Stattdessen schien innerhalb einer Sekunde jegliche Wut von ihm abzufallen und er sah sie einfach nur entgeistert an. „Meine Schwester?“, hauchte er und ließ seine Arme schlaff an seinen Körper hinab fallen. „Du hast Ginny getroffen?“ Er hielt das tatsächlich für möglich?! Anstatt sich ihre Verwirrung anmerken zu lassen, nickte sie eifrig. „Sie hat gesagt, dass dieses Kind leben muss! Dass ich es unter allen Umständen beschützen soll! Deshalb, bitte, hör auf.“ Er starrte sie wortlos an, ehe er sich umdrehte und einfach ging. Sobald seine Schritte in der Ferne verklungen waren, sank sie erschöpft auf die Knie und brach in Tränen aus. Wie sollte das jetzt nur alles weitergehen? Diesmal hatte sie Ronald aufhalten können, aber es würde gewiss nicht immer klappen. Und was sollte sie tun, wenn Draco tot war? Wie sollte sie in einer Welt leben können, in der er nicht mehr existierte? So als hätte es ihre Gedanken gehört, trat in diesem Augenblick ihr Kind von innen gegen ihren Bauch und sofort wusste sie, dass es an der Zeit war, mit dem Selbstmitleid aufzuhören und die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Eilig wischte sie sich mit einer Hand die Tränen weg, ehe sie aufstand und sich langsam auf dem Weg zur nächsten Toilette machte, um den Schaden begutachten zu können, den Ronald angerichtet hatte. Sie hatte sich die letzten Jahre immer nur treiben lassen und hatte alles genommen, wie es kam. Diesmal würde sie allerdings diejenige sein, die etwas veränderte. Sie würde eine Möglichkeit finden, Draco zu retten. Sie würde ihn da herausholen und dann dafür sorgen, dass er sich von seiner ekelhaften Frau scheiden ließ. Und dann würde sie gemeinsam mit ihm glücklich werden und dieses Kind groß ziehen. Ja, das würde sie tun! Allerdings hat sie absolut keine Ahnung wie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)