Taiyo to Tsuki no Senso von MAROON ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Am Morgen riss mich der verfluchte Wecker aus dem Schlaf. Ich hatte so schön geträumt und nun piepte das olle Ding so schrill und laut das ich eine Weile völlig panisch und verwirrt neben das Bett langte und versuchte den Nachtschrank, auf dem normalerweise der Wecker stand, zu fassen zu bekommen. Stattdessen griff ich ins Leere, rollte ungeschickt aus dem Bett, verfing mich in meiner Bettdecke und plumpste mit einem lauten Knall auf dem Wecker, der, weiß der Geier warum, auf dem Boden stand. Nun hatte ich ihn zwar zum Schweigen gebracht, allerdings fand ich, als ich mich halbtot zur Seite rollte, nur noch einen Schrotthaufen vor. Und so bekann mein Tag. Ich brauchte eine Weile um mich wieder zu fangen und um meinen kaputten Wecker zu trauern, dann bemerkte ich das ich zwischen zahlreichen Umzugskartons gelandet war. Und neben mir, ungefähr einen halten Meter neben dem Bett, stand seelenruhig mein Nachtschrank. Prima. Ich streckte mich, ignorierte den Schmerz in meinem Rücken, verdrängte die Vorstellung wie mir der halbe Wecker noch zwischen den Schulterblättern steckte und setzte mich auf. Es war gestern gewesen, als wir hier angekommen waren. Eine neue Stadt, ein neues Haus, ein neues Zimmer und wie es schien musste ich mich noch an alles gewöhnen. Es war Freitag Morgen, 06:30 Uhr und noch knapp eine Stunde, dann begann meine erste Stunde an der neuen Schule. Ich werde neue Bekanntschaften machen und mich schnell eingewöhnen. Bloß positiv denken. Schlimmeres als auf einem Wecker zu landen kann mir heute nicht mehr passieren, da war ich mir sicher. Also stand ich auf, wühlte meine Uniform aus einem der Kartons und schlich ins Badezimmer. Allerdings erwartete mich dort die nächste üble Überraschung . Ich blickte alles andere als begeistert in den Spiegel und sah in ein Gesicht, dessen Augenringe so tief hingen wie unsere alte Hängematte, bei der man sich gleich hätte ins Gras legen können. Ich war ziemlich blass und man hätte mich mit Alice Cooper verwechseln können, wäre ich nicht um einiges kleiner gewesen als dieser. Ich fuhr mir angewidert durch die kurzen, schwarzen Haare und nahm alles zum Thema ‚Es kann nicht mehr schlimmer werden’ zurück, denn wie es aussah hatte ich mich geirrt und ich würde es wahrscheinlich wieder tun. Trotz aller dem kam ich um alles nicht herum, also schloss ich die Badezimmertür ab, entkleidete mich und stieg in die Dusche. In Gedanken ließ ich den Tag positiv ablaufen um mir Mut zu machen und es schien sogar zu funktionieren. Gott sei Dank, denn ein depressiver, 1,62 Meter großer, schwarzhaariger Junge mit Augenringen, die unbeschreiblich tief hingen, machte sicher keinen guten, ersten Eindruck und das wollte ich eigentlich vermeiden. Nachdem ich geduscht und mich abgetrocknet hatte zog ich zum ersten Mal meine neue Schuluniform an und stellte mich vor den Spiegel. Sie bestand ganz einfach aus einer Hose, einem T-Shirt, einer Krawatte und einer leichten Jacke mit Kragen, war überwiegend rot und schwarz und hatte nur an den Ärmeln zwei dünne, weiße Streifen. Sie gefiel mir, ich hatte absolut nichts auszusetzen. Ich richtete noch schnell meine Haare, alles musste perfekt sein, auch wenn dies ohnehin schon so gut wie unmöglich schien, dann verließ ich das Badezimmer, schlich an der offenen Schlafzimmertür meiner Eltern vorbei, die noch friedlich in ihren Laken schlummerten und tapste zurück in meinen Raum, in dem noch das totale Chaos herrschte. Meine Tasche stand schon gepackt an meinem Bett, soweit war ich gestern noch gekommen. Nachdem ich mir meine leichte Lederjacke angezogen hatte, und mir die Tasche über die Schulter geworfen hatte, verließ ich den Raum, schlurfte die Treppe hinunter und schnappte mir das liebevoll zurechtgemachte Lunchpaket, das mir meine Mutter jedes Mal am Vorabends noch zubereitete, dann verließ ich das Haus. Es war noch recht kühl, aber die Sonne schien und man konnte erahnen das die Temperatur m Laufe des Tages noch um einige Grad steigen würde. Perfekt. Ich atmete noch einmal entschlossen ein, dann ging ich los, tapste den schmalen Gehweg immer geradeaus, dann würde ich irgendwann ankommen. Nach einer Weile bog ein blonder Junge aus einer Nebenstraße ein und ging schnellen Schrittes vor mit her. Sein knapp schulterlanges Haar war zu einem Zopf gebunden und er zog ab und zu lässig an seiner Zigarette. Ein gut aussehender junger Mann, der seiner Uniform zu urteilen nach auf die selbe Schule ging wie ich. Die eine Hand in der Hosentasche vergraben marschierte er selbstbewusst in Richtung Schulgebäude. Neben so jemanden hätte ich nicht den Hauch einer Chance gehabt. Nicht nur das er viel besser aussah, er war auch noch um einige Köpfe größer als ich.. Wahrscheinlich ein richtiger Weiberheld. Erniedrigend. Am besten empfand ich es wenn ich ihn nicht ansprach. Mit einem wie ihn sollte ich mich nicht anlegen, vor allem nicht an meinem ersten Schultag. Wer weiß was er für Kontakte hatte, wer weiß was er so alles erzählen würde. Lieber kein Aufsehen erregen. Ich ging also schweigend weiter, schaute nur ab und zu ihm auf, senkte den Blick dann aber wieder gen Boden, bis ich nach etwa 10 Minuten am Schultor ankam. Der unbekannte Schüler allerdings war verschwunden. Konnte mir nur Recht sein. Allerdings blickte ich nun auf einen überfüllten Schulhof. Da musste ich durch. Lauter fremde Menschen deren Blicke auf mir kleben würden und die sich das Maul zerreißen über einen viel zu kleinen, schwarzhaarigen Jungen mit ständigem Dackelblick, der höchstens aussah wie 14 und nicht wie 17 einhalb. Ja, da musste ich durch. Ich ging also los, setzte einen Fuß vor den Anderen, wurde immer schneller und eilte durch die Reihen bis ich vor der schweren Eingangstür stand. Hatten sie mich nun angeschaut? Ich wusste es nicht, ich hatte nicht drauf geachtet, was sicher das beste gewesen. Ich stellte mich wahrscheinlich auch nur an, es dreht sich nicht alles um mich, aber da ich neu war, und für mich alles noch unbekannt, hatte ich das Gefühl den Anderen ging es genauso. Sehen sie etwas unbekanntes, fällt es ihnen auf. Das dies eventuell nicht der Fall sein kann, das musste ich erst mal begreifen. Nun befand ich mich im inneren des Gebäudes auf einem langen Gang, der leerer war als ich erwartet hatte. Zu meinem Glück. Mehr als 15 oder 20 Schüler waren hier nicht unterwegs, und die meisten waren damit beschäftigt in ihren Spinden zu wühlen. Ich blickte mich um, ging ein paar Schritte nach vorm und entdeckte eine Reihe von kleinen Schildern auf denen die Wege zu den verschiedenen Räumen beschrieben waren. Zur 2 – 1 ging es also die Treppe hoch. Ich spähte um die Ecke. Wahrscheinlich war ich viel zu pingelig, ich konnte sowieso nicht mein ganzes leben lang vor meinen eigenen Mitschülern flüchten. Aber im Moment war mir das unwichtig, ich wollte einfach nicht an meinem ersten Tag enttäuscht werden. Ich wollte alles perfekt haben und dazu gehört einfach ein wenig eigeninitiative. In Gedanken versunken tapste ich die Treppe in den nächsten Stock und bemerkte gar nicht das ich an etlichen Schülertrauben vorbeimarschierte ohne wieder in Selbstzweifel zu verfallen. Erst als ich vor einer offenen Tür stand, auf der mit Schwarzen Aufklebern die Zahlen 2 – 1 angebracht warten, und vorsichtig um die Ecke lugte entschloss ich mich auf eine Lehrkraft zu warten. Das war dann doch zu viel des Guten. Die Klasse war proppevoll. Voller unbekannter Menschen. Und ich mittendrin? Ich lehnte dankend ab. Nun stand ich vor der Tür, mit einer meiner mühsam erprobten Hände-in-die-Hosentaschen-Pose und tut alles um keinen Oh-mein-Gott-ich-scheiß-mir-gleich-in-die-Hose-Blick aufzusetzen. Mit einem gespielt unbeeindruckten Gesichtsausdruck musterte ich die Schüler um ich herum, die sich, unerwarteter Weise einen feuchten Kehricht um mich scherten. Ich zuckte gedanklich mit den Schultern. Dann eben nicht! Besser so! Nach einer Weile des stillen Beobachtens kam ein älterer Herr auf mich zu. Er lächelte mich an und ich wusste sofort um wen es sich handelte: Sizune-san, den ich schon beim stalken auf der Schulhomepage auf etlichen Fotos gesehen hatte, da er sich schon oft für die Ausstattung und das System der Highschool ‚eingesetzt’ hatte. Dank ihm besaßen die Schulflure nun rote, und keine grauen Mülleimer, da diese Farbe seiner Meinung nach viel besser mit der gelben Wand harmonierte. Wie man auf solch bizarre Ideen kommen konnte blieb mir unerklärlich, allerdings hatte ich auch wichtigeres zu tun, als die tiefgründigen Gedankengänge meines Klassenlehrers zu begreifen. „Guten Morgen...“ er schwieg einen Moment. „Bakura, richtig?“ „Ja.“ „Du hättest ruhig schon einmal in die Klasse gehen können.“ „Ich bin grad erst angekommen.“ Und hatte keine große Lust mit ihm darüber zu diskutieren warum und wie lange ich vor der Tür stand, also lächelte ich bloß freundlich, während ich mir meinen Teil zurechtlog. „Ach so ... und?“ Er grinste mich schmierig an, während er seine Lesebrille auf die Nasenspitze zog und mich über die Ränder hinweg anschielte. Angsteinflößend. Ich sah ihn fragend an, da ich nicht den Hauch einer Ahnung hatte was er von mir wollte. „Bist du gut angekommen und gefällt es dir hier in unseren überschaulichen Städtchen?“ Sein Unterton erinnerte mich stark an die Art von Menschen, die in ihrem Wagen stundenlang auf kleine Mädchen warten um ihnen dann einzureden das sie eine Hamsterzucht hätten und sie sich eins der Tiere aussuchen dürften, wenn sie nur brav einsteigen. „Hatte eine prima Reise und einen wundervollen Morgen, danke.“, es ist ja nicht so, dass ich auf einem Wecker gelandet war, nein Mensch, wie kam ich denn darauf?! „Das freut mich.“ Wenigstes einen. „Also dann...“, er betrat das Zimmer, winkte mich hinterher und zögernd folgte ich ihm. Die Schüler spurten und setzten sich sofort an ihre Plätze. Wie vorbildlich, endlich mal eine Klasse die weiß wie man sich benimmt, das gefiel mir. Allerdings nur so lange bis ich merkte das sie dort nicht mehr zu tun hatten und sich ihre Blicke automatisch auf mich hefteten. Nachdem Shizune seine Zettelwirtschaft auf dem Pult geordnet, und mit dem Rand ein – zwei Mal auf das Holz geklopft hatte blickte er zuerst in die Klasse, dann zu mir, bevor er sich abermals an die Menge wandte. „Wie einige von euch sicher schon mitbekommen haben, dürfen wir heute einen neuen Schüler in unseren Reihen begrüßen. Bakura, wie wäre es wenn du dich der Klasse vorstellst?“ Das wäre weniger intelligent, denn ich spürte jetzt schon wie die Nervosität in mir aufstieg und meist trug das schwerwiegende Folgen nach sich. Aber ich kam nicht drum herum, was sein musste, musste sein.. Ich riss mich so gut es ging zusammen, und atmete tief durch. „Mein Name ist Kumo, Bakura. Ich komme aus Joetsu, das liegt ungefähr 6 Stunden mit dem Wagen von hier. Ich bin 17 Jahre alt. Mein Vater kommt aus Deutschland, deshalb auch das westliche Aussehen. Und meine Hobbys sind neben meine häufigen Kinobesuchen spazieren gehen und schlafen. Außerdem lese ich gerne, vor allem Sojo-Manga.“ Während ich letztere Worte von mir gab, faltete ich meine Hände hinter dem Rücken, setzte ein nettes Lächeln auf, wippte auf den Fußsohlen und gewann immer mehr an imaginärem Selbstbewusstsein. Eine schlechte Angewohnheit von mir wenn ich versuchte mich aus unangenehmen Situationen zu retten. Als ich allerdings merkte, wie ich auftrat und was ich da überhaupt von mir gegeben hatte, blickte mich die gesamte Klasse angewidert, verstört und mit einer hochgezogenen Braue an. So viel zum Thema ‚perfekter erster Schultag’, das hatte ich somit wohl versaut. Und alles nur weil ich mich nicht zusammenreißen konnte, Eine Weile herrschte Stille, man hätte die Grillen hören können, und ich stellte mir, warum auch immer vor, wie ein vertrockneter Grasbüschel durch den Raum flog. So ein Dreck! „Jaaa, dann setzt du dich am besten da drüben hin.“ Es schien, als hätte ich mit meiner gut gemeinten Offenheit, selbst meinen Klassenlehrer verwirrt. Nun zeigte er mit einem seiner Wurstfinger auf einen leeren Platz neben dem Fenster und einer rothaarigen Schülerin, die mich immer noch anstarrte als hätte ich ihr gesagt das ich schwanger wäre. Ich setzte mich. Die ersten zwei Stunden war ich damit beschäftigt mein von mir zerstörtes Ego wieder aufzubauen. Das klappte so gut wie immer, und war eine meiner wenigen Stärken. Pünktlich zum Pausengong war ich damit fertig. Welch ein Glück. Ich hatte ja noch knapp 2 Jahre um meinen Mitschülern zu beweisen, das ich nicht der blöde Looser war, als der ich mich grade bekannt gegeben hatte. Die Sache mit den Shojo-Manga sollte eigentlich niemand erfahren, und wenn ich nie wieder darüber sprach, würden es sicher alle vergessen. Irgendwann. Hoffentlich! Aber im Moment warf ich all meine Zweifel über Bord, bevor ich anfangen konnte darüber nach zu denken. Ich verließ also die Klasse und kümmerte mich die Pause über um meine neuen Schulbücher ich sorgfältig in meinem mir zugeteilten Spind sortierte. Die restlichen 10 Minuten verbrachte ich damit mein Lunchpaket zu leeren und mich darüber zu freuen, das ich zunächst nur noch eine Stunde die Schulbank drücken musste, da am ersten Tag nach den Sommerferien nur 3 Stunden organisiert wurde. Und Morgen war schon wieder Wochenende. Es ging also alles ganz langsam und das war auch gut so. Crashkurse waren einfach nicht mein Ding. Nächste Woche würde ich mich ins Zeug legen wenn es darum ging in der Klasse anzukommen. Als die Schulglocke ein weiteres Mal klingelte begab ich mich also wieder auf meinen Platz in der Klasse und wegetierte den Rest der zeit dort vor mich hin, beobachtete ab und zu das rothaarige Mädchen zu meiner Rechten, die mir immer wieder unsichere Blicke zuwarf, warum auch immer. Immerhin war die Abneigung verschwunden mit der sich mich anfangs gemustert hatte und ich war froh das wenigstens ein der Individuen mich nicht mehr so betrachtete als wäre ich nicht von diesem Planeten. Die Stunde verging unerträglich langsam und ich war überglücklich als Shizune seine Papiere in die Tasche stopfte, den Schülern ein ‚erquickendes’ Wochenende wünschte und durch die Tür schlurfte, nachdem er mir noch ein letztes, bedenkliches Lächeln zuwarf, das mich meine kurze Freizeit über ständig begleiten würde. Gruseliger Kerl, schmierig! Endlich endete dieser schreckliche, filmreife Schultag. Er war um einiges enttäuschender als ich gedacht hatte und auch wenn ich dank meiner Selbsttherapie nicht in den tiefsten Depressionen hing, war ich nicht unbedingt der gut gelaunteste in diesem Raum. Ich ließ mir mit dem Taschepacken Zeit, beobachtete wie das Klassenzimmer langsam leerer wurde, bis ich mir auch endlich die Tasche über die Schulter warf und mich zur Tür begab. Ich wollte nicht nach Hause und wollte vor allem nicht von meiner Mutter mit Fragen durchlöchert werden, nicht zu diesem miserablen Morgen. Aber genauso wenig wollte ich hier bleiben, was sollte ich auch hier? Ich versuchte fürs erste meine niederschlagenden Gedankengänge zu verdrängen und ging den langen Flur zurück in Richtung Treppe, folgte der Menge, bis ich vor dem Haupteingang zum stehen kam. „Kumo-kun!“ Ich drehte mich um. Litt ich schon unter Wahnvorstellungen, oder hatte grade wirklich Jemand nach mir gerufen? „Alter, hast du was an den Ohren oder liegt dir nicht viel daran deinen Dreck wieder mitzunehmen?!“ Das Mädchen mit dem roten Kurzhaarschnitt, das soeben schnaufend durch die Reihen gerannt kam drückte mir meine Jacke in die Hand und sah mich mit tief in die Stirn gezogenen Brauen an. Ach ja, die Jacke hatte ich total vergessen, aber das mir so etwas passierte war ohnehin vorhersehbar gewesen. „Danke.“ „Ja, kein Thema, ist ja nicht so, das ich jeden Tag durch die halbe Schule renne und dabei ein drittel der Schüler platt walze, nur um einen mir so gut wie unbekannten Jungen, der anscheint seinen Kopf vergessen hat, seine Jacke zu bringen!“ Sie musterte mich streng, während sie die Arme vor ihrer vollen Brust verschränkte und ihre Brauen noch eine Spur weiter zusammenzog, obwohl dies anfangs unmöglich schien. Einen Moment herrschte eine bedrückende Stille zwischen uns. Was erwartete sie von mir? Eine Entschuldigung? Na ja, konnte ja nicht schaden, vor allem nicht wenn sie weiterhin so schaute. Noch eine Weile und sie spießte mich mit ihrem Blick auf. „Tut mir Leid?“ „Das hoffe ich!“ Sie war komplett anders als es ihre anfangs unsicheren Blicke erahnen ließen, die sie mir vor einer knappen halben Stunde noch zugeworfen hatte. Das komplette Gegenteil! Sie wirkte wie jemand der draufhaut, wenn ihm etwas nicht passte. Schon wieder eine Person die unbewusst, oder bewusst, wie auch immer, versuchte mich zu verstören. „Und du kommst also aus Joetsu.“ Ihr grimmiger Gesichtausdruck war so gut wie verschwunden und es sah fast so aus als würden sich ihre Mundwinkel etwas heben. Jetzt wusste ich gar nicht mehr was ich von ihr halten sollte. Ich nickte einfach und wartete ihre Reaktion ab. „Aha, und haben da alle einen an der Waffel, oder sortieren sie grade Spinner wie dich aus?“ Jetzt wurde sie auch noch beleidigend. Jeder halbwegs normale Mensch hätte sich nun umgedreht und wäre gegangen, oder hätte wenigstens mit etwas gedroht, oder ähnliches. Ich allerdings sah in dieser Situation, die perfekte Gelegenheit das kleine ‚Missverständnis’ aufzuklären. „Nein, es ist ganz anders, ich hab heute einfach einen schlechten Tag.“ Sie hob eine Braue und begann abermals mich mit diesem widerlichen Blick zu mustern. „Davon muss ich mich, denke ich, selber überzeugen. Ich hab noch Zeit bis mein Bus kommt, also... haste’ noch ne Minute?“ Ich nickte abermals, zwar etwas unsicher, aber diese Minute hatte ich auch noch. Außerdem bot sich mir grade die Chance jemand ‚nettes’ kennen zu lernen, der eventuell auch noch gute Kontakte hatte. Vielleicht wandte sich heute doch noch alles zum Guten. Sie öffnete die Tür, ich folgte ihr. Wie erwartet war es schön warm geworden und es herrschten gefühlte 25°C. „By the way, du kannst mich Amber nennen.“ Amber also, war das ihr richtiger Name, oder wollte sie mich zum Narren halten? Wie eine Ausländerin sah sie jedenfalls nicht aus. „Amber?“ „Ja, Amber. Normalerweise Haruka Zuzuhara. Ich weiß auch gar nicht wie die Idioten auf diesen Kosenamen gekommen sind, aber ich hab mich dran gewöhnt und will nichts anderes hören!“ Uh, das klang ja schon fast gefährlich. Aber immerhin hatte ich mit meiner Vermutung recht. Mensch, war ich gut! Sie setzte sich auf eine Stufe der breiten Treppe vor dem Eingang und klopfte mit der Handfläche links neben sich. Ich setzte mich. „So, dann erzähl mal, Schätzchen, wieso bist du so verpeilt?“ Ich fühlte mich wie in einer Selbsthilfegruppe für psychisch labile Teenager, doch ich antwortete, warum auch immer, denn ich kannte diese ‚Amber’ grade mal geschätzte 10 Minuten, wahrheitsgemäß. „Egal was ich heute mache, es läuft schief, schon bevor ich richtig damit begonnen habe. Aber das ist okay, das gibt sich wieder.“ Ich lächelte unbeschwert, damit ich ihr nicht den Eindruck vermittelte das ich ernsthafte Probleme damit hätte. Ich wollte mir nicht von jemandem helfen lassen, den ich kaum kannte. Vor allem nicht, weil ich nicht wusste ob sie mir von einen auf den anderen Moment an die Gurgel ging. Zugetraut hätte ich es ihr. „Na warten wirs ab, wenn sich nichts bessert zeige ich mit dem Finger auf dich und lache dich aus.“ Sie grinste mich breit an. Genau das meinte ich damit. Und soviel zum Thema ‚Selbsthilfegruppe’. Mit ihr als Therapeutin würde ich höchstens in der Klapse langen, wenn sie mich nicht sogar in den Selbstmord treiben würde! In diesem Moment hinderte mich eine Traube von Schülern , die soeben das Schulgebäude verlassen hatten, und nun lautstark die Treppe hinunter trampelten an einer gut durchdachten, schlagfertigen Antwort. Woher wusste ich nur dass so etwas passierte? Ich sollte mir meine Hellseherische Gabe zum Beruf machen. Während ich darüber nachdachte erregte einer der Schüler mein aufsehen. Den kannte ich doch! „Hey, wer ist das?“ Ich zeigte mit ausgestrecktem Arm auf einen schlanken, gutaussehenden, jungen Mann, der seine Blonden Haare zu einem Zopf gebunden hatte und soeben mit seinen Mitzüglern in der Mitte des Hofes angekommen war. Amber rollte nur mit den Augen und betrachtete den Schüler mehr als nur abwertend. „Das ist Micah. Besser, du lässt ihn in Frieden. Er ist ein richtiger Kotzbrocken!“ „Wieso das?“ „Er ist ne Schwuchtel...“ „Und deswegen ist er ein Kotzbrocken?“ „Man, nerv mich nicht damit, akzeptier es einfach!“ Ich zuckte mit den Schultern, die sollte mal einer verstehen. Für mich machte es jedenfalls den Anscheint, als würde sie auf ihn stehen. Aber sie wusste nun mal das sie keine Chance bei ihm hatte. Das ließ sie mich durch ihren schnippischen Ton, und ihre tötenden Blicke wissen. Und meine Frage hatte sie auch nicht zufriedenstellend beantwortet, aber das hätte ich mir denken können. Nachdem sie ihre Schmollrunde endlich beendet hatte, fing sie erneut an mir Fragen zu stellen. „Und? Wie findest du es hier?“ „Nun ja, viel hab ich ja noch nicht gesehen, wir sind erst gestern angekommen.“ „Aha.“ Sie machte nicht den Anschein als würde sie sich für meine Antworten interessieren. Lebten hier eigentlich nur seltsame Menschen, mit äußerst fraglichen Charaktereigenschaften, oder geriet ich bloß an die falschen Leute? Ich war zwar nicht anders, aber ich dachte immerhin das Gegensätze sich anziehen. Plötzlich sprang Zuzuhara von der Treppe. „So, Schätzchen. Mein Bus kommt in 5 Minuten, wir sehen uns Montag!“ Bevor ich etwas sagen konnte drehte sie sich um und galoppierte fröhlich in Richtung Schultor. Seltsames Mädchen. Ihre Stimmung wechselte wirklich jede 3 Minuten und ab ich sie nun mögen sollte, oder nicht konnte ich immer noch nicht sagen. Jedenfalls endete mein erster Schultag nun doch nicht in einer totalen Katastrophe! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)