Abschied eines Waldgeistes. von abgemeldet (Mido auf Reisen!) ================================================================================ Kapitel 17: Abendliche Unterhaltungen ------------------------------------- Jenna hustete schwächlich, aber krampfhaft. Eine Woche war vergangen, seitdem ich mit Gwen eingekauft hatte. Seither hatte sich nichts Neues ereignet. Schlimmer noch: Alles schien zu stagnieren. Ich konnte mich kaum vom Gedanken an die anderen Kokiri lösen, sah sie immer noch als meine Geschwister und meine Freunde, die sie eigentlich nicht waren. Ich hatte den Gedanken schließlich einfach verdrängt, ohne wirklich damit abzuschließen, denn mit mir hatten sie auch nicht richtig abgeschlossen, so plötzlich, wie sie mich loswerden hatten wollen. Zumindest vermutete ich das. Kühl brauste der Wind um das Haus, es war tiefster Herbst. Wohlmöglich war Gwens Mutter daher erkrankt, wobei sie ohnehin meist sehr schläfrig und nicht besonders gesund aussah. Irgendwo tat sie mir schon Leid, aber ich kannte ihre Geschichte nicht, sodass ich nicht wusste, ob sie sich das nicht selber zuzuschreiben hatte, dass sie nun so leiden musste. „Mama, leg den Löffel weg. Ich kümmere mich darum. Schlaf ein bisschen.“, sagte Gwen und nahm ihr den Löffel aus der Hand. Jenna legte die Hand an die Stirn, stützte sich auf die Küchenzeile und atmete tief ein und aus, bevor sie schwach nickte. Dann ging sie. Ich war nun neun Tage hier und dieser war der Traurigste von allen. Ich hatte das Gefühl, eine Last zu sein, selbst, wenn ich nach Kräften aushalf. Es war still in der Küche. Nur leise knisterten die Flammen im Ofen, die den Raum wärmten. Die Luft roch angenehm und doch bedrückte mich der Moment. Ich lehnte mich auf den Tisch, an dem ich saß. Hubo war unterwegs und würde erst wiederkommen, wenn der Mond am Himmel stand. Das würde nicht mehr lange dauern, aber man bemerkte, dass das Leben mit ihm zusammen verschwunden war. Normalerweise ging es hier immer recht beherzt zur Sache, man rief, man sprach, man jagte Gwen durch das Haus und neckte sich ein bisschen. Heute war all das ausgeblieben. Es war ein trauriger Tag. Ich meinte, den kalten Wind spüren zu können, doch es war nur Einbildung. Nur leise hörte ich, wie Gwen das Essen im Topf herum schob und dabei immer wieder den Boden des Gefäßes berührte. Sie hatte sich auf die Zehenspitzen stellen müssen, um hineinzusehen, damit sie wusste, was sie da tat. Ich neigte meinen Kopf und betrachtete sie. Auf mich wirkte sie schon jetzt wie eine alte Frau in der Hausfrauengarderobe vor dem Ofen. Kurz ließ sie den Löffel los und festigte das Haartuch, mit dem sie die Haare zurück gebunden hatte, nachdem das Haarband gerissen war in einem Anflug von Wut. Dann nahm sie den Löffel wieder an sich, rührte weiter und war stiller als sonst. Grundsätzlich war sie heute nicht so streitsüchtig, wie sonst. „Wo ist dein Vater eigentlich?“, überwand ich mich, zu fragen. „Er ist mit Pebbel beim Arzt.“ Ach, das Kitz. Ich nickte bestätigend, dachte nach, warum. Das Tier war doch nie krank gewesen! Im Gegenteil – Es wirkte noch lebendiger als all die anderen Ziegen, die sie hielten und war auch für sein Alter recht stark. Wäre es krank gewesen hätte ich es gemerkt. „Glaubst du, Pebbel geht es gut?“ Auf meine Frage schwang sie herum und warf den Löffel nach mir. Ich schaffte es nicht, auszuweichen, bekam ihn gegen die Wange, doch anstatt mich über den Schmerz zu beschweren war ich erstaunt, wie erzürnt sie mich anblickte. Ihr Schädel war zinnoberrot angelaufen, Tränen standen in ihren Augen und sie schniefte. „Was weiß ich! Und jetzt gib mir den blöden Löffel!“ Ich war zu ruhig, um jetzt mit ihr zu streiten, stand auf und gab ihr kommentarlos den Löffel, den ich vom Boden aufgehoben hatte. Sie wusch ihn unter Wasser ab, fuhr sich mit dem Ärmel verstohlen über die Augen und rührte weiter. „Entschuldige, dass ich gefragt hab.“, meinte ich, blieb jedoch stehen und lehnte mich an den Rahmen, der Flur von Küche trennte. „Ich wollte dich nicht nerven. Koch lieber weiter, ich geh nach oben. Ruf mich, wenn du Hilfe brauchst.“ „Wie willst du mir schon helfen…“ Ich sah das als Nein. Normalerweise läge mir schon der ein oder andere freche Spruch auf den Lippen, dass ihr ohnehin nicht mehr zu helfen wäre, oder ähnliches, aber ich verkniff es mir, presste die Lippen aufeinander und nickte, wandte mich von ihr ab und ging. Den Rest des Abends hatte ich vor, auf dem Zimmer zu verbringen, doch ein jämmerliches Husten im oberen Stockwerk hielt mich davon ab. Es war Jenna. Sie klang, als ginge es ihr wirklich schlecht. Vielleicht konnte sie ja meine Hilfe gebrauchen? Leisen Schrittes ging ich zu Hubos und Jennas Schlafzimmer, welches ich vorher noch nie betreten hatte, klopfte zögerlich an. „Darf ich reinkommen?“, fragte ich. „Ja.“ Stockend öffnete ich die Tür und sah zuerst durch einen Schlitz hinein. Jenna saß auf dem Bett, in der Hand einen Becher Wasser. Ich huschte durch den Spalt in den Raum, schloss die Tür leise hinter mir. Sie nahm einen Schluck und klopfte neben sich auf das Bett. Anscheinend war ihr Gesellschaft ganz recht. Ich setzte mich neben sie, sah zu ihr auf. Ein angenehmes Schweigen entstand, bevor sie müde lächelte. „Warum bist du hier?“, fragte sie mit heiserer Stimme, fuhr sich durch das zerzauste, braune Haar, um es zu richten, doch da war anscheinend schon alle Hoffnung aufgegeben. „Hab mir Sorgen gemacht… Der Husten klang so schlimm und ich wollte helfen.“ Sie legte eine Hand in mein Haar und streichelte hindurch. „Kleiner, alles ist okay.“ Ihre Augen schienen warm aufzuglimmen, durch das Licht der Kerze, als sie mich an sich zog und so an ihr lehnen ließ, den Arm um mich gelegt. Es wunderte mich etwas, aber vermutlich war das einfach ihre Art. „Ich war schon immer krank.“, sagte sie. „Das ist Gewöhnungssache. Chronisch, sagt der Arzt. Wie die Krankheit heißt, weiß ich nicht. Aber…“ Sie nahm einen Schluck Wasser. „… Ich weiß, dass du dir über so etwas keine Gedanken machen solltest, mein kleiner Schatz.“ Ich sah auf in ihre Augen, während sie mich anstrahlte. Auch auf meinen Lippen zeichnete sich ein Lächeln ab und ich legte meinen Kopf auf ihre Schulter. Mit mütterlicher Fürsorge streichelte sie über meinen Rücken und seufzte. „Dauernd mach ich Gwen und Hubo Sorge... und nun auch noch dir.“ „Mir geht es genau so. Ich habe das Gefühl, Ihnen ständig Sorgen zu bereiten. Aber mir machen Sie keine Sorgen. Zumindest nicht so, dass es mich stören würde.“ Sie sah mich mit geneigtem Kopf an, trank noch einen Schluck Wasser. Ich seufzte. Eigentlich wollte ich mich ihr nicht so offenbaren, aber sie hatte eine Art an sich, die mich weich machte und von der ich dachte, dass es in Ordnung war, mit ihr darüber zu reden. Solch eine nette Person. Ihre Hand wanderte wieder in mein Haar, sie streichelte mich und lächelte. „Du kannst mir alles erzählen.“ „… Naja… Ich habe ja immer noch keine andere Bleibe und… Ich liege euch auf der Tasche. Das ist unangenehm für mich. Ich hab auch schon wirklich gesucht, aber keiner will mich bei sich aufnehmen! Gwen hat mir vorgeschlagen, mal in die anderen Städte zu gehen, aber… Ich weiß doch nicht einmal, wo ich hier genau bin. Es ist alles so doof.“ Jenna zog ihre Hand zurück, legte sie in ihren Schoß und senkte den Blick. „Hm, ja, ich verstehe…“ „Es ist einfach so, als hätte euch mir die Götter geschickt.“ Die Hylianerin lächelte ruhig, ließ sich zurückfallen auf das Bett und seufzte ebenfalls, entgegnen tat sie allerdings vorerst nichts. Ich blickte zu ihr und erkannte Gwen in ihr wieder. Allerdings eine viel ruhigere und erwachsenere Gwen. Dann, plötzlich, erhob sie sich, wie von neuer Kraft gepackt und grinste mich an. „Na, gegen den Willen des Himmels kann man nichts machen.“ Verwirrt sah ich sie an und zuckte die Schultern. „Ja, das glaube ich auch. Oder so ähnlich.“, murmelte ich und wusste nicht, was ihr Aufruhr so plötzlich sollte. Ihr verschmitztes Grinsen blieb und sie deutete auf meine Wange. „Du hast da übrigens Essen an der Wange.“ „Oh.“ Ich wusch es am Ärmel ab. „Ja, Gwen hat vorhin den Löffel nach mir geworfen.“ Jenna lachte. Oder zumindest wollte sie es, aber ihre Stimme hielt das für keine gute Idee, sodass sie nur besonders schadenfroh grinsen konnte, dann fragte sie mich, ob ich ihr diesen Sachverhalt genauer erläutern könnte. So erzählte ich ihr relativ flugs davon, worüber wir geredet hatten und sie schmunzelte. „Sie ist nicht so grob, wie sie immer tut. Ich merke doch, wie es zwischen euch läuft… Ständig neckt ihr euch. Aber das darfst du ihr nicht böse nehmen.“, erzählte mir Jenna leise und erklärte mir, warum es so war, wie es war. Gwen war ein sehr einnehmendes, junges Mädchen und sie mochte ihre Eltern nicht teilen, oder überhaupt alles, was ihr gehörte. Gerade mit Jungs hatte sie immer Probleme, wollte sich immer behaupten. Daher auch das Wetteifern mit mir, vor allem in den letzten Tagen. Dass das Fass heute übergelaufen war lag nur daran, dass es eine schwere Situation für sie gewesen war, da sie das Zicklein doch sehr gerne zu haben schien. Es fiel mir nicht schwer, das nachzuvollziehen. Wir schwiegen einen Moment, Jenna stubste mich an und lächelte. „Ich glaube, sie hat dich gerufen.“ „Niemals.“, meinte ich trocken. „Dazu ist sie viel zu stolz.“ Nur leise hörte ich von unten ein: „Mido, beweg deinen dicken Hintern hier runter, oder ich verprügele dich so dermaßen, dass…“ – den Rest verstand ich nicht, da sie wohl mehrere Flüche vor sich hinmeckerte. Naja, vielleicht hatte Jenna doch Recht. Ich rollte die Augen und grinste, dann stand ich auf. Vorsichtig packte sie meinen Arm, zog mich zu sich und umarmte mich kurz fest, dann ließ sie mich gehen. Erst später sollte ich erfahren, dass genau dieses Gespräch mein ganzes Leben verändert hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)