Dark Circle von Darklover ================================================================================ Kapitel 27: 27. Kapitel ----------------------- Sie konnte es schmecken. Der kleine Raum des Aufzugs schien von Ryons Unwohlsein erfüllt. Paige selbst spürte das Zittern seines Körpers auf ihrer eigenen Haut. Und gleichzeitig war da natürlich wieder die Eiseskälte, die er ausstrahlte. Ryon hatte sie vorhin allein mit einem aggressiven Kopfschütteln davon abgehalten, ihre Hilfe anzubieten. Denn dass er sie brauchte, das konnte jeder Idiot nur zu leicht erkennen. Der körnige Geschmack von Salz, vermischt mit etwas Bitterem. Was es genau war, konnte sie nicht sagen, aber seine leicht schwankenden Schritte, als er zu seiner Zimmertür ging, verhießen nichts Gutes. Paiges Herz versuchte sie mit einem einzigen, alamierenden Schlag zu ihm hin zu drängen. Alles in ihr sträubte sich dagegen, dass er allein in diese Zimmer ging. In seinem Zustand wollte sie nicht nebenan sitzen. Deshalb machte sie auch einen beherzten Schritt auf ihn zu, wollte den Mund öffnen, als er ihr die zu erwartende verbale Ohrfeige verpasste. Genauso gut hätte er ihr 'Verschwinde!' entgegen brüllen können. Aber das brauchte er gar nicht. In ihrem Inneren fühlte es sich so an, als würde jemand versuchen ihr mit einer Pinzette ein einzelnes Haar auszureißen. Es saß fest und ziepte immer mehr, während Ryon mit zitternden Fingern seine Tür öffnete und sie ihr vor der Nase zuschob, allerdings nicht vollkommen. Paige blieb stehen. Auf dem Gang im Hotel, zwischen ihren beiden Zimmertüren, wie ein Wartender an einer Bushaltestelle. Mit dem Daumen fuhr sie die Kante ihrer eigenen Schlüsselkarte entlang. Fühlte immer noch das winzige Reißen, das den Gedanken einfach an seine Tür zu klopfen, vertreiben wollte. Sie hörte ihn zu Boden gehen. Paige brauchte nicht einmal darüber nachzudenken, was außer einem zwei Meter großen Mann diesen schweren Schlag verursacht haben könnte, da stand sie schon in seinem Zimmer. Vorbei an den Plastiktüten auf dem Boden, durch seine Suite zerrte sie ihr Herz mit jedem Schlag weiter dorthin, wohin sie auch selbst bei dieser Hitze flüchten würde. Ein schmerzhaftes Keuchen schien sie für eine Sekunde in der Badtür festzuhalten, bevor sie bei ihm war. Ihr eigenes Blut rauschte ihr in den Ohren, während sie nach seinem Puls tastete. Er war noch da. Allerdings hätte selbst Paige sich an seiner Haut beinahe die Fingerkuppen verbrannt. „Ryon!“ Er lag zur Wand gedreht da und reagierte nicht. Egal wo sie es prüfte, ob in seinem Nacken, seiner Wange, seinen Händen. Er schien vor innerer Hitze wortwörtlich zu pulsieren. Paige war zu sehr selbst ein Geschöpf des Feuers, um nicht zu erkennen, was mit ihm los war. Ihr Herz schlug ihr so eindringlich in der Brust, dass sie kaum atmen konnte. Immer wieder versuchte Paige es hinunter zu schlucken, es dorthin zu verweisen, wo es hin gehörte. „Ryon!“, versuchte sie es noch einmal, obwohl sie schon wusste, dass es wenig Sinn hatte. Mit dem Fuß schob sie die dicke Duschmatte zur Seite. „Hör zu, wir müssen dich abkühlen. Ich kümmere mich um dich, ok?“ Es bedurfte einiger Kraft seinen muskulösen Körper aus seiner Fötushaltung auf den Rücken zu drehen. Paige war nicht so zierlich wie sie wirkte, aber die Anstrengung ließ ihre rasende Atmung flacher werden. Wieder fluchte sie laut und zerrte einen Waschlappen aus dem Regal neben dem Wandspiegel, als sie die blutende Wunde auf seiner Stirn sah. Etwas brannte in ihrem Hals und versuchte sich nach oben zu arbeiten. Ihre Lippen pressten sich fest aufeinander in dem Versuch nicht auseinander zu brechen. Mit einer Hand presste sie den Waschlappen auf seine Platzwunde, wischte ihm etwas Blut vom Auge und sah sich nach allem um, was ihr helfen konnte. Ryons Haut war so rot, als hätte er einen Sonnenbrand. Oder eine riesige Entzündung würde sich durch seinen gesamten Körper ziehen. Paige wusste, dass das gar nicht so falsch war. Schranktüren knallten gegen die Wand, Fläschchen fielen klimpernd zu Boden und rollten lautstark auf den Fliesen herum, als Paige hochschoss und alles griff, was sie in die Hände bekommen konnte. Sie warf die Handtücher, die Duschmatte und jeden Waschlappen, den sie finden konnte in die Badewanne. Mit einem ungehaltenen Aufschrei quittierte sie das Wasser, das nicht annähernd so kalt aus der Leitung kam, wie sie es wollte. Immer wieder schoss ihr Blick zu Ryon am Boden, der zumindest noch leise atmete. „Halt durch. Ich hab's gleich. Dann geht’s dir sofort besser. Ich versprech's.“ Wasser platschte auf den Fußboden, ihre Schuhe und Ryons Schulter, als sie als Erstes die Badematte aus der Wanne zerrte, sie kaum auswrang und dann vorsichtig unter seinen Kopf schob. „Ist gleich besser, ich versprech's dir!“ Inzwischen war das Wasser so kalt, dass ihr der Atem stockte. Bei den Handtüchern hielt sie sich nicht damit auf sie ein wenig von dem kalten Nass zu befreien. Mit ihrer kalten Fracht ließ sie sich neben Ryon in die Knie sinken. Ihre Stimme war bereits kratzig, als sie weiter mit ihm sprach, als könne er sie hören. „Das ist jetzt ziemlich kalt. Aber wenn wir die Hitze nicht schnell aus deinem Körper kriegen, dann...“ Zitternd brach sie ab, biss sich auf die Lippen, wischte sich übers Gesicht und breitete die nassen Handtücher auf ihm aus. Die Kleidung würde der Wirkung nicht im Wege stehen. Eher im Gegenteil würde sie sich ebenfalls vollsaugen und ihm auf den kalten Fliesen helfen, wenn sie die Umschläge wechseln musste. Auf Knien rutschte sie neben seinem Körper entlang. Bedeckte jedes Fleckchen mit einem kalten Tuch, zerrte an dem Stoff, um auch kein kostbares Stück ungenutzt zu lassen. Als sie bei seinen Beinen ankam, gingen ihr die Handtücher aus. Panisch sah sie in sein Gesicht, befühlte mit zitternden Fingern seine Brust, wo die erste Schicht bereits wieder warm wurde und rannte aus dem Badezimmer. Die Kissen auf dem Bett flogen zur Seite, eins riss den Wecker mit sich zu Boden und der Bettrahmen schabte am Nachtkästchen entlang, als Paige mit verzweifelter Gewalt versuchte das Bettlaken so schnell wie möglich herunter zu reißen. Im Bad rutschte sie aus, fiel mit einem Knie auf den harten Boden. Sie biss die Zähne zusammen und wischte die Träne weg, die nicht allein vom Schmerz kam. „Du brauchst keine Angst zu haben, wir kriegen das hin.“ Das kalte Wasser ließ ihre Hände so rot werden wie seine, als sie den Stöpsel in den Abfluss drückte und das Laken in die Wanne warf. Um keine Zeit zu verlieren, stand Paige gar nicht mehr auf. Sie schob sich nur noch von der Wanne zu seinem Körper und wieder zurück. Der Boden glänzte in riesigen kalten Pfützen, in die sich bald auch ein wenig Blut mischte, als sie beim dritten Wechsel auch seine Wunde ein wenig säuberte. „Wenn du mir wenigstens sagen könntest, ob es besser wird...“ Als sie den Tonfall ihrer eigenen Stimme hörte, schlug sie sich die Hand vor den Mund und schluchzte leise, bevor sie sich wütend selbst zur Ordnung rief. Mit zusammen gebissenen Zähnen wechselte sie die Handtücher, ließ neues kaltes Wasser in die Wanne und fühlte in regelmäßigen Abständen die Temperatur seiner Haut und seinen Puls. Es dauerte Stunden, das Badezimmer schwamm in kaltem Wasser, Paiges Kleider trieften nicht weniger als die von Ryon, der immer noch kein deutliches Lebenszeichen von sich gab. Auch wenn Paige zu hoffen wagte, seine Hautfarbe würde allmählich einen helleren Ton annehmen. Ihre Finger, mit denen sie sein Gesicht vorsichtig berührte, waren weiß wie Schnee und ebenso kalt. Doch das Zittern kam nicht von der Kälte, die sie hoffentlich weniger spürte, als er. Sanft drehte sie seinen Kopf ein wenig zur Seite, beugte sich zu Ryon hinunter. Ihre Hände hielten ihn immer noch fest, als ihre Wangen sich hauchzart berührten. Paige schloss die Augen. Zwei Atemzüge, bis sie die Lippen leicht öffnete. Nur eine Winzigkeit, um ihre dunkle Zunge ein wenig hervor tasten zu lassen. Seine Wärme zu schmecken; so leicht wie Kügelchen aus Zuckerwatte. Als sie sich wieder aufrichtete und ihm ins Gesicht sah, streichelte sie mit ihren Daumen über seine Wangen. Erst nach einer Weile ließ sie ihn los und wechselte die Handtücher. Langsamer diesmal, weniger hektisch und mit einem Herzen, das aus Gründen lauter schlug, die Paige allmählich zur Ruhe kommen ließen. „Ich hab dir doch gesagt, dass du das schaffst.“, flüsterte sie leise. Sie zog das Bettlaken aus dem kalten Wasser, wickelte seinen Oberkörper sorgfältig darin ein, bevor sie seine Beine mit den Handtüchern bedeckte. Ein neuer kalter Waschlappen auf die Stirn und das erste Mal, seit sie das Zimmer betreten hatte, ließ sich Paige auf die Fersen sinken, um durchzuatmen. Einen Atemzug nur allein für sich zu tun, bevor sie sich weiter um ihn kümmerte. Ihr Körper zitterte wie Espenlaub. Mit steifen Fingern rubbelte sie ihre Oberwarme ein wenig warm und erlaubte sich sogar ins Zimmer hinüber zu gehen, um das zweite Bettlaken zu holen. Damit versuchte sie die Wasserlachen auf dem Boden zumindest einzudämmen. Das Bad trocken zu legen war reines Wunschdenken und das wusste sie auch. Außerdem war es noch nicht vorbei. In seinem Zustand hatte sie ihm kein Wasser zu Trinken geben können. Ryons Körper war von der Hitze völlig ausgetrocknet und brauchte dringend Flüssigkeit und Salz. Um das zu bewerkstelligen kramte Paige zwei isotonische Getränke aus der Minibar und setzte sich mit einer Decke um die Schultern an die Wand. Die Pausen, in denen sie einfach nur abwarten musste, bis sie die Tücher erneut wechseln musste, waren mit der Zeit länger geworden. Schmerzhaft langsam zwar, aber inzwischen merklich. „Wenn wir Glück haben, dann schläfst du mir bald ein.“ Sobald er von der Bewusstlosigkeit zum Schlaf hinüber wechselte, hatten sie eine weitere Hürde geschafft. Denn dann war es auch nicht mehr weit zu kurzen wachen Augenblicken, in denen sie ihm etwas zu Trinken einflößen konnte. „Du machst das schon.“, sagte sie lächelnd und drückte leicht seine Schulter. „Außerdem werd ich nicht weg gehen...“ Er brannte. Seine Haut stand in Flammen. Das Feuer züngelte an ihm hoch, griff so leicht auf ihn über, als wäre er trockenes, welkes Gras. Alles war so trocken. Sein Atem schien wie der Odem eines Drachens. Heiß, voller dornigem Feuer und verbrannte ihm schier bei jedem Atemzug die Lunge. Doch atmen musste er. Immer weiter. Etwas trieb ihn dazu, obwohl im nächsten Moment klirrende Kälte ihn überrannte. Das Brennen wurde schlimmer. Der Unterschied zwischen Kalt und Heiß verschwamm, während er sich wünschte, es möge aufhören. Alles verkrampfte sich, ihm war schlecht, er konnte sich jedoch nicht übergeben. Sein Magen war leer, kein Muskel zuckte auf seinen Befehl hin, sie taten was sie wollten. Bebten unkontrolliert. Vor Kälte, vor Hitze. Es brannte wie Säure auf seiner Haut. Die Kälte kämpfte gegen die Hitze an. Die Hitze versuchte der Kälte Widerstand zu leisten. Er stand direkt zwischen den Fronten. War das Schlachtfeld, das still und bewegungslos den Kampf ertragen musste. Er wollte sich vor Schmerz winden, stöhnen, schreien, irgendetwas. Nichts rührte sich. Langsam ließ das Feuer nach, doch das Brennen hörte nicht auf. Seine Haut, sein größtes Sinnesorgan wurde gefoltert von aber Millionen von feinen Nadelstichen. Immer und immer wieder, bis der Schmerz langsam die Dunkelheit vertrieb. Ihn an die Oberfläche lockte, wo alles nur noch intensiver wurde. Da war eine Stimme. Weiblich, feminin, entschlossen, voller Sorge. Sie sprach zu ihm. Er wollte antworten, doch nichts tat sich. Er versuchte es erneut. Ein seltsamer Laut entkam seinen bebenden Lippen. Leise, schwerfällig, da seine Zunge so unglaublich trocken war. Sein Mund schien einer Wüste zu gleichen. Er konnte nicht schlucken. Aber das kaum hörbare Stöhnen war wie ein Dröhnen in seinem Kopf. Etwas schien hinter seiner Stirn durch den Klang zu explodieren. Flammende Blitze jagten ihm direkt in den Schädel. Er verzog vor Schmerz das Gesicht, machte dadurch alles nur noch schlimmer. Voller Qualen warf er sich schwach auf die Seite, wollte sich zusammen rollen, dem Schmerz entfliehen. Etwas schien schwer auf ihm zu hängen. Wie Kleider aus Blei, sie zogen ihn regelrecht auf die harte, von Furchen durchbrochene Fläche, auf der er lag. Seine Hände, so langsam und kraftlos sie auch waren, stürzten sich auf seinen heftig pochenden Kopf. Er vergrub das Gesicht darin. Stöhnte lauter, während seine Fingernägel sich förmlich in seine Kopfhaut gruben. Der Schmerz sollte endlich aufhören! Es war offensichtlich ein Fehler gewesen, kurz die Augen zu schließen, um ihre brennenden Lider ein wenig auszuruhen. Ryons Stöhnen riss sie so schnell hoch, dass ihr Herzschlag mit dem Adrenalinstoß gar nicht umgehen konnte. Es wollte ihr aus der Brust springen, zerreißen unter der Panik, die nun wieder in ihr hochkam. "Ryon?" Es war nur ein Flüstern. Alarmiert sah sie, wie er das Gesicht verzog und sich auf die Seite rollte. Die Tücher fielen ihm von den Beinen, aber das Laken blieb zum Glück an seinem Oberkörper hängen. Paige war sofort bei ihm, beugte sich hinunter und berührte eine seiner Hände. "Ryon? Kannst du mich hören?" Mit sanfter Gewalt versuchte sie ihn wieder auf den Rücken zu drehen, kam aber damit nicht weit. Die gesamte Aktion hatte an ihren Kräften gezehrt und obwohl sie sich immer noch Sorgen machte, konnte sie nicht mehr so viel bewerkstelligen, wie am Anfang. Dennoch würde sie jetzt nicht aufgeben. Ihre Finger zitterten und der Deckel der Wasserflasche fiel auf die Fliesen, als sie das Getränk aufschraubte. "Du musst was trinken. Ich hab Wasser für dich, hörst du?" Sie schob ihre flache Hand unter seine, mit denen er sein Gesicht verdeckte und legte sie sanft auf dem Boden ab. Als Nächstes klapperten Ryons Zahnputzsachen ins Waschbecken, da Paige den Becher dazu nutzen wollte, ihm etwas von dem Wasser zu geben. In seiner jetzigen Lage würde das allerdings nicht funktionieren. Paige versuchte seinen Kopf ein wenig zu drehen, so dass sie ihm das Wasser einfach Schluck für Schluck in den Mund schütten konnte. Zuerst nur ein wenig, um zu sehen, ob er auch wirklich trank. Einen Augenblick lang war er so mit sich und seinem völlig unbrauchbaren Körper beschäftigt, dass er nicht bemerkte, was von außen auf ihn eindrang. Da war wieder diese weibliche Stimme. Allerdings verstand er ihre Worte nicht. Dazu drangen sie viel zu verschwommen an seine Ohren, an denen ihm förmlich das Blut vorbei schoss. Etwas berührte seine Hände. Es war kalt, war stärker als seine versiegenden Kräfte, so dass er es aufgab, sich dagegen zu wehren. Kraftlos ließ er sich wieder vollkommen fallen. Hätte nicht irgendetwas seinen Kopf gehalten, auch dieser wäre wie lose von seinem Hals gebaumelt. Alles war so entsetzlich anstrengend. Etwas berührte seine Lippen. Feuchtigkeit benetzte sie, als er seinen Mund nicht gleich öffnete. Es fühlte sich herrlich an. Sein Mund war so trocken, er wollte auch dort etwas von der Flüssigkeit haben. Damit seine pelzige Zunge ihm nicht länger am Gaumen klebte und sein Hals nicht bei jedem unbeholfenem Schluckreflex aufgescheuert wurde. Mühsam zwang er seine Kiefer auseinander, um den drängenden Durst zu mildern. Löschen würde man ihn wohl niemals können. Dazu war er zu schlimm. Kühle Flüssigkeit schwappte in seinen Mund, löste seine Zunge von seinem Gaumen, benetzte seine ausgetrockneten Mundschleimhäute und wollte sich unbeirrbar zu seiner Kehle vorkämpfen. Mühsam und doch voller Konzentration, zwang er seinen Hals dazu, den kostbaren Schluck nicht zu vergeuden, in dem er ihn in den falschen Hals bekam. Weshalb es auch einige unendlich lange Sekunden dauerte, bis er sich halbwegs sicher war, wie genau er schlucken musste. Sekunden, in denen er nicht atmen konnte, aber was war schon die heiße Luft in seinen Lungen, gegen dieses köstliche Nass! Endlich gelang es ihm. Die Flüssigkeit lief ihm wie lindernder Balsam die Kehle hinab und entfachte zugleich einen Durst, der wie eine Bestie in ihm zu wüten begann. Er versuchte sich aufzubäumen, nach dem Gefäß zu fassen, um noch mehr daraus zu trinken, aber alles was er zu tun im Stande war, war ein leises Seufzen, begleitet von einem leichten Zucken seiner Finger. Seine Augenlider kämpften darum, sich zu erheben. Wenn er schon nicht das lindernde Nass berühren konnte, so wollte er es doch wenigstens sehen können. Vielleicht gab das ihm den Antrieb und die Kraft, sich zu bewegen. Allerdings flatterten sie nur kurz hoch, bis ihm das grelle Licht förmlich die goldschimmernde Netzhaut verätzte. Völlig ermattet wollte er sich schon seinem Schicksal ergeben, wieder in die Dunkelheit versinken, aber schon wurde ihm ein weiterer Schluck gewährt. Wieder die gleiche mühsame Prozedur, doch langsam wurde es immer leichter. Dennoch, nach fünf oder sechs weiteren Schlückchen fehlte ihm sogar die Kraft dafür, diese hinunter zu bekommen. Er war so durstig, wollte immer nur mehr davon haben, aber für den Moment gab er sich geschlagen. Stattdessen drehte er in Zeitraffer den Kopf wieder zur Seite. Erst jetzt nahmen seine äußerst geschwächten Sinne einen vertrauten Duft wahr, den er sehr mochte. „Lenn?“, fragte er leise seufzend, ehe er auch schon von der Müdigkeit niedergestreckt wurde. Wenn auch nicht ganz der Schmerz verschwand, so wurde er dadurch wenigstens etwas erträglicher und dank der beruhigenden Anwesenheit der Frau. Paige hatte Angst mit ihren zitternden Fingern das Wasser entweder über Ryons Gesicht oder gleich auf den Boden zu verschütten. Sein Kopf lag schwer auf ihrem Arm, während sie versuchte ihm geduldig die Flüssigkeit einzuflößen. Beim ersten Versuch konnte sein schwer mitgenommener Kopf wohl nicht verstehen, was sie vorhatte. Er öffnete die Lippen nicht, weswegen sie seinen Kopf nur noch ein wenig mehr anhob und leise auf ihn einsprach. "Es ist Wasser. Trink was. Dann gehen die Kopfschmerzen weg. Nur ein bisschen." Sie selbst biss sich auf der Unterlippe herum, als sie ihm dabei zusah, wie er sich mühte. Seine aufgesprungenen Lippen schienen regelrecht aufeinander zu kleben, aber irgendwann, nach einer halben Ewigkeit schaffte Ryon es doch. Paige hätte am liebsten laut gejubelt. Aber weil sie wusste, dass Ryon wahrscheinlich der Schädel dröhnte, blieb sie stumm sitzen und sah mit einem breiten Lächeln auf sein Gesicht. Sie musste trotz des Triumph- und Glücksgefühls vorsichtig sein. Zu viel Flüssigkeit konnte sein Organismus nach diesem Zusammenbruch nicht vertragen. Er würde das Wasser aus seinem leeren Magen sofort wieder von sich geben und dann hätten sie gar nichts gewonnen. "Ganz langsam. Wir kriegen das schon hin.", meinte sie weiter lächelnd und ihr Herz machte einen überraschenden Sprung, als er sogar kurz seine Augen öffnete. Konzentriert und darauf bedacht ihm nicht zu viel und nicht zu wenig Wasser zu geben, hielt sie ihm das Glas noch ein paar Mal an die Lippen. Gab ihm immer nur einen kleinen Schluck. Aber jedes Mal, wenn sie sah, dass er schluckte, sagte sie ihm, dass er das gut gemacht hatte. Erst als er sich selbst dazu entschied, dass es genug war für den Moment, stellte sie das Glas ab. Zentimeterweise zog sie ihren Arm unter seinem Kopf hervor. "Das haben wir doch ganz gut --" Es ziepte. Paige saß da, wie vom Donner gerührt und starrte auf Ryons Lippen, die gerade noch ein Wort geformt hatten. Irgendetwas zog nun kräftig an dem Punkt, den Ryon schon auf dem Flur dazu gebracht hatte, zu schmerzen. Paiges Lächeln wurde traurig. Sie sah sich sein Gesicht an. Ryons Züge waren sehr viel gelöster, als noch vorhin. Das Wasser hatte gut getan. Mit absoluter Sicherheit wusste sie es nicht, aber wen sonst, sollte er in diesem Moment bei sich haben wollen. "Nei--" Das Wort blieb stecken, doch Paige schluckte den Kloß tapfer hinunter, um weiter zu sprechen. "Es tut mir leid, aber es bin nur ich." Während sie noch seinen Rücken und seinen Hals abtastete, die kühlenden Handtücher wieder über seine Beine legte und sich dann an die Wand zurück zog, um weiter über ihn zu wachen, wünschte sie, dass es anders wäre. Die Hitze war zwar inzwischen weniger geworden, doch sie ließ ihm immer noch keine Ruhe. Vermengt mit der Kälte auf seiner glühenden Haut, war es ein äußerst unangenehmes Gefühl. Außerdem pochte etwas in seinem Kopf schmerzhaft gegen seine Stirn und trotz allem, er blieb durstig. Sein Schlaf war unruhig, er träumte von Feuerameisen, die unter seiner Haut herum krochen, ihn zwickten und bissen, bis er ganz blutig war. Sein Mund schien sich immer wieder mit Sand zu füllen, den er hinunter schluckte, während ein arktisch kalter Schwall Wasser beständig auf ihn niederprasselte. Der Vergleich einer rot glühenden Herdplatte, auf die man Wasser goss, kam ihm immer wieder in den Sinn. Es war, als würde er Dampf einatmen, während er zugleich auf einer Folterbank lag. Sein Rücken tat weh, seine Gliedmaßen taten weh, selbst seine zitternden Muskeln verschonten ihn nicht. Starb er denn gerade? Es fühlte sich an, als würde er sich im Todeskampf befinden. Dem gleichen, den seine Gefährtin hinter sich bringen musste, ehe das Licht ihrer Augen endgültig verlosch. Würde er sie wieder sehen? Schon bald? Und auch seine kleine Tochter, die ihr nur wenige Tage danach gefolgt war? Er versuchte sich ihre Gesichter ins Gedächtnis zu rufen, aber bei dem pochenden Schmerz in seiner Schläfe, gelang es ihm nicht. Da war nur Dunkelheit. Eiskalte, brennende, einsame, verzehrende Finsternis. Sein schmerzender Rücken zwang ihn dazu aufzuwachen, um sich wieder auf die Seite zu drehen, auch wenn es Jahrhunderte zu dauern schien. Doch schließlich gelang es ihm. Es war eine kleine Linderung, trotzdem nicht genug, um die Schwärze aus seinem wirren Gedanken zu vertreiben. Er konnte sich noch nicht einmal mehr an die Farbe ihrer Augen erinnern. Vielleicht, weil er nicht genau hinsah? Längst vergessene Muskeln rührten sich. Klein und leicht wie sie waren, fiel es ihm dennoch schwer, sie zu einer Bewegung zu zwingen. Doch schließlich schlug er die Augen auf und behielt sie auch offen, auch wenn es unsäglich anstrengend war und das Licht immer noch darin brannte, als würden Blitze seine Netzhaut bombardieren. Er konnte nichts erkennen. Nur grelles Licht, ein paar verschwommene Schatten, nichts woran er sich hätte festhalten können. Lenn war nicht hier. Niemand war hier. Er war alleine… Aber war da nicht eine Stimme gewesen? Weiblich, sanft, bezaubernd, vertraut? Wo war sie? Oder war sie auch nur Einbildung gewesen. Ein weiterer Teil seines nicht enden wollenden Alptraums, weil sie ihm Hoffnung und Ruhe gebracht hatte, doch ihm nun entrissen worden war? Er öffnete die aufgesprungenen Lippen, starrte weiterhin ins Leere, ohne auch nur ein Wort von sich geben zu können. Blind suchten seine Finger etwas. Etwas anderes als dieses Glühen, diese Kälte, den harten Untergrund. Wo war die Stimme!? Sein Atem begann zu rasen. Panik überflutete ihn. Der Schmerz in seinem Kopf nahm zu, ließ ihn gequält zusammen zucken und trotzdem blinzelte er immer wieder. Auch wenn er nichts erkennen konnte, er wollte trotzdem nicht die Augen schließen. Hatte Angst, statt dem blendenden Licht wieder von der Dunkelheit verschluckt zu werden. Sein Blutdruck – ohnehin schon absolut im Keller – wurde durch den schnellen Herzschlag noch mehr strapaziert. Ihm wurde schwindlig, obwohl er seine Umgebung nicht sehen konnte. Alles drehte sich. Seine Finger tasteten panischer. Wollten sich irgendwo fest halten, da er das Gefühl hatte, er würde fallen. Wo war sie? Wo war sie nur, diese wunderschöne Stimme!? Sein verzweifeltes Begehren, gab ihm Kraft. Nicht sehr viel, aber er schaffte es, dass sein Kopf von der weichen Unterlage rutschte und langsam auf dem kühlen Boden aufkam. Nicht fest, aber es glich für ihn einer wahren Explosion. Fast verlor er dadurch wieder vollkommen das Bewusstsein, aber er kämpfte weiter. Zwang sich dazu, seine Augen wieder zu öffnen. Das Gold darin schien Funken zu sprühen, so sehr wollte er wach bleiben, wenn auch nur in diesem halb Dämmerschlaf ähnlichem Zustand. Er konnte es nicht wissen, aber in diesem Zustand ähnelte er seinem Tier mehr, als dem Menschen. Als wäre er wieder der Tiger, nur narkotisiert und unfähig, sich richtig zu bewegen, aber dennoch, obwohl er nicht sah, waren seine Augen suchend. Etwas streifte seinen Geruchssinn. Nur flüchtig, da er vorwiegend durch den Mund atmete. Instinktiv wollte er sich über die Schnauze lecken, benetzte dadurch aber nur seine Lippen. Also sog er tief die Luft durch die Nase ein, malträtierte sein Gehirn, um den Geruch zu analysieren, ehe er wieder in ein heiseres Keuchen überging. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, doch schließlich erkannte er den Reiz. Den Geruch, den er schon vorhin wahrgenommen hatte. Sein Blick zuckte in jene Richtung, aus der er kam. Blieb dort hängen, während er völlig erschöpft in sich zusammen sank. Aber seine Hand streckte sich, wenn auch nur ein paar Zentimeter in diese Richtung. Dort war sie. Sie musste einfach dort sein. Eine Weile hatte sie dagesessen, die Knie unters Kinn gezogen, die Decke mit den Armen um ihren kalten Körper geschlungen und hatte ein Loch in die Luft gestarrt. Es war genau die falsche Methode, um wach zu bleiben. Immerhin benutzte sie diesen Trick normalerweise, um genau das Gegenteil zu erreichen. Ihre Augen wollten kaum noch gehorchen und offen bleiben. Also versuchte sie sich im Raum umzusehen, jedes Details aufzunehmen und nicht einzuschlafen. Mit den Zehen in den nassen Schuhen zu wackeln brachte kaum Wärme, aber lenkte sie zusätzlich von der Müdigkeit ab. Nur noch ab und zu fühlte sie an dem Bettlaken und den Handtüchern, ob sie wieder ins kalte Wasser getaucht werden mussten. Inzwischen sah Ryon wirklich fast wieder gesund aus. Nicht mehr krebsrot, aber durch die Hitze, die sich immer noch in seinem Körper befand, auch nicht so blass, als wäre er krank. Etwas, das Paige beruhigte. Wenn auch nicht in dem Maße, dass sie sich erlauben wollte, einzuschlafen. Dann hätte sie vielleicht nicht gehört, wenn er wieder aufwachte. Unumgänglich wanderten ihre Gedanken zu Ryons Vergangenheit. Paige ignorierte den winzigen Schmerz, der immer heftiger werden wollte, je mehr sie sich anstrengte zu verstehen, was Ryon empfinden musste. Oder eben nicht empfand. Nicht empfinden wollte. Jemanden zu verlieren, der einem wichtiger ist, als das eigene Leben... Langsam legte Paige ihr Kinn auf ihre Knie. Nein, er hatte sich wirklich niemand Anderen herbei sehnen können. Sie würde immer die Einzige sein. Jede Frau war für Ryon im Vergleich zu Marlene ... Lenn... "Zweite Wahl...", hauchte Paige leise und ihre Sicht verschwamm. "Vorsichtig." Sie verfluchte sich dafür, dass sie erst bei seinem Keuchen gemerkt hatte, dass er wach war. Für eine Weile war sie tatsächlich eingenickt. Ob nun Minuten oder eine halbe Stunde, konnte sie nicht sagen. Es war jetzt auch egal. Sofort zog sie wieder das Glas heran, füllte noch ein bisschen Wasser hinein und legte dann eine Hand auf Ryons Schulter. Ein schmerzhafter Blitz durchzuckte sie, als sie seine offenen Augen sah. Sie waren so voll von dem, was ihm sonst fehlte. Aber kein positives Gefühl spiegelte sich darin. "Es ist alles ok. Keine Sorge." Da sie ihm sonst nichts zu trinken geben konnte, drückte sie ihn wieder auf den Rücken und hob seinen Kopf erneut an. "Hier, trink noch was." Er schaffte einen Schluck, dann noch einen. Nach dem Vierten wurde Paige von einem unterdrückten Gähnen so durchgeschüttelt, dass sie beinahe das wertvolle Nass verschüttet hätte. "Entschuldige.", bat sie leise und gab ihm mehr zu trinken. Diesmal ging es schon besser, als beim ersten Versuch. Ihre undeutliche Stimme, war wie Gesang. Beruhigend und sanft, hüllte sie ihn ein, bei jedem Wort, das sie sagte. Er musste nicht wissen, um was es ging. Als ihr Geruch intensiver wurde und er ihre Hände auf sich spürte, da wusste er auch so, was sie von ihm wollte. Die Hand an seinem Hinterkopf, die ihn etwas aufrichtete, damit er besser trinken konnte, war eiskalt. Auch die Hand, die das Glas führte, aus dem er vorsichtig trank, war genauso kalt, wie die bleierne Schwere auf seinem Körper. Obwohl er im Augenblick nur noch Durst und Schmerzen im Kopf hatte, war da etwas in ihm, das ihn aufwühlte. Ein Gefühl, das ihm sagte, Kälte war an diesen Händen nicht gut und dass er etwas dagegen unternehmen sollte. Aber er war zu schwach, um sich näher auf dieses Empfinden einzulassen. Er hatte auch so schon Mühe zu trinken, ohne sich zu verschlucken. Weshalb er auch die Augen schloss, um sich besser konzentrieren zu können. Außerdem glühten Lichter wie brennende Sonnen von der Decke auf ihn herab und ließen diese tränen, wenn er zu lange hinein starrte. Sein Durst war gemildert, als er dieses Mal nicht mehr weiter trinken konnte. Als er also den Kopf leicht zur Seite drehte, um deutlich zu machen, dass er genug hatte, hörte er das leise Geräusch, als das Glas abgestellt wurde. Die Hand legte seinen Kopf wieder auf die weiche Unterlage ab und da überkam ihn plötzlich wieder Panik. Zwar konnte er sich nur wage daran erinnern, was das letzte Mal passiert war, als dieses weibliche Wesen an seiner Seite seine Kehle befeuchtet hatte, wusste aber zumindest, dass er danach alleine aufgewacht war. Weshalb er die Augen wieder aufriss, seine pochenden Pupillen ignorierte, die sich zu Stecknadelgroßen Punkten zusammen zogen und den Schatten neben sich ansah. So sehr er es auch wollte, er konnte noch immer nichts deutliches erkennen. Aber seine Nase waren in diesem Augenblick seine Augen. Sie war ihm nicht fremd. So viel wusste er und mehr brauchte er auch nicht zu wissen. Seine rechte Hand schüttelte die durchtränkte Kälte von sich ab, woraufhin er ein sanft warmes Gefühl auf seiner Haut verspürte, ehe er nach dem Schemen tastete, der sich noch immer neben ihm befand und den er nicht aus den Augen lassen konnte. Nach mehreren Fehlschlägen traf er schließlich auf kalte, feuchte Finger, die so zart wie zerbrechlich erschienen, im Gegensatz zu seiner großen Hand. Obwohl ihn immer noch Schmerzen plagten und er nicht wusste, ob er nun fror oder vor Hitze umkam, schlossen sich seine Finger sanft um das feine Handgelenk, während er sich wieder auf die Seite drehte, um den Weg zu seinem Gesicht und somit die Kraftanstrengung zu verkürzen. Er legte die feine Hand an seine heiße Wange. Wohltuende Kühlung war alles, worauf er sich in diesem Augenblick konzentrierte. Der Rest seines Körpers war wie abgetrennt. Durfte nicht an diesem lindernden Gefühl teilhaben, der von einem köstlich weiblichen Duft begleitet wurde. Seine Augen schlossen sich entspannt, während die schlanken Finger auf seiner Wange zur Ruhe kamen und er seine Nase gegen die Innenseite des feinen Handgelenks legte. Seine Lippen berührten ebenfalls die zarte Haut an dieser Stelle. Sie öffneten sich leicht, um Luft einzusaugen. Damit er sie auch auf diese Weise schmecken konnte. Der pochende Schmerz in seiner Schläfe war vergessen, als er leise zu schnurren begann, während sein Daumen über den feinen Handrücken streichelten und er dabei die Finger spürte, die sich langsam aber sicher an seiner glühenden Haut erwärmten und ihm zugleich doch, angenehme Kühlung schenkte. „Mehr…“, dachte er sich. Denn es war angenehm. Allerdings hatte er es ausgesprochen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Er hatte eine ganze Menge getrunken, bevor er signalisierte, dass er nicht mehr konnte. Paige war zufrieden mit ihrem Patienten und legte seinen Kopf vorsichtig wieder auf der Duschmatte ab. Inzwischen war seine Haut wieder auf eine Temperatur gesunken, die sie überlegen ließ, zumindest die Tücher wegzulassen. Seine Kleider waren durchnässt und ebenso kalt. Außerdem lag er auf den kühlen Fliesen, was zusätzlich für Linderung sorgen sollte. Ein Blick in seine immer noch aufgerissenen Augen, die goldene Iris und die fiebrige Leere, sagte ihr, dass es noch ein bisschen zu früh dafür war. Für den Anfang würde sie nur die Badetücher weglassen. Das dünne, große Laken konnte sie ganz über ihm ausbreiten und umso leichter feststellen, ob sich sein Körper immer noch unnatürlich schnell und weit aufheizte. Mit einem einzigen heftigen Schlag ihres Herzens registrierte Paige, dass Ryon die Hand nach ihr ausgestreckt hatte. Sofort sprang ihr Puls in die Höhe. Sie hatte das Gefühl, jeden Augenblick zerspringen zu müssen. Ging es ihm schlechter? Hatte sie ihm zu viel Wasser gegeben? Oder zu wenig? Bei all diesen Fragen, die sich in ihrem Kopf drehten, sah sie Ryon nur perplex dabei zu, wie er sich mühte, sich auf die Seite zu drehen und dann ihre Hand auf seine Wange zu legen. Ja, selbst für einen Gestaltwandler war er noch zu warm. Die gesunde Gesichtsfarbe täuschte offensichtlich über das Stadium hinweg, in dem er sich noch befand. Die Geste war wohl ein Zeichen dafür gewesen, dass ihm immer noch zu heiß in seiner Haut war. Gerade wollte sie ihm sagen, dass sie verstanden hatte und die Hand wegziehen, als er sie mit seinem Verhalten völlig aus der Bahn warf. Seine Lippen waren genauso warm, wie der Atem, der nun regelmäßig und leicht vibrierend gegen ihr Handgelenk schlug. Das Schnurren brachte fertig, was selbst die Erwähnung von Marlenes Namen nicht geschafft hatte. Einen Moment lang tat es höllisch weh. Paige spürte, wie der Widerstand nachließ, das heraus gerissen wurde, an dem er die ganze Zeit schon gezerrt hatte. Und was blieb, war das dumpfe Gefühl von Leere. Sie zögerte, als er mit einem Flüstern um 'mehr' bat. Selbst wenn sie es wollte, Paige wusste doch, dass sie ihm nicht das geben konnte, was er wollte. Atemlos sah sie auf ihre Hand und sein entspanntes Gesicht. Und weil sie ihrer Stimme inzwischen nicht mehr traute, blieb sie stumm, als sie entschied, dass eine Illusion für ihn auf jeden Fall besser war. Es half ihm mehr, zu glauben, dass es seine Gefährtin war, die bei ihm war, als zu wissen, dass nur Paige bei ihm Wache hielt. Während sie still ihre Hand sanft auf seiner Wange liegen ließ, besah sie sich ein wenig das Chaos auf dem Badezimmerfußboden. So wie die Lage aussah, würden sie noch eine Weile hier bleiben müssen. "Ryon?" Sie hatte sich ein wenig vorgelehnt und hoffte, dass er sie hören würde. Wobei das noch lange nicht hieß, dass er auch verstehen würde, was sie sagte. Aber einen Versuch war es auf alle Fälle wert. "Ryon, hör zu. Ich werde dir die Decke auf den Fußboden legen. Damit es nicht so hart ist." Er schnurrte ungerührt weiter an ihre Hand und zeigte keinerlei Reaktion, aus der sie hätte schließen können, dass er verstanden hatte. Da sie also wohl allein auf weiter Flur stand, griff sie nach dem zweiten Bettlaken, wischte hinter seinem Rücken so gut über den Boden, wie sie es in ihrer Position konnte und versuchte dann noch einmal ihm zu erklären, was sie tun würde. "Ryon, ich werde kurz meine Hand wegnehmen. Keine Sorge, ich bin immer noch hier. Ich verspreche auch, dass du nicht nur diese eine, sondern auch meine andere Hand bekommst." Nach diesem Satz wartete sie auf eine Erwiderung jeglicher Art. Es kam nichts, das sie hätte deuten können. Also zog sie die Hand weg, griff sich schnell die Decke um ihre Schultern und legte sie so gut es eben ging hinter ihm aus. Während sie beruhigend eine Hand auf seine Schulter und die andere in seinen Nacken legte, versuchte sie ihn zum Mitmachen zu bewegen. "Ich kann dich allein nur auf den Rücken drehen. Wenn du auf der Seite liegen willst, musst du mithelfen. Auf die andere Seite, verstehst du?" Ach, so brachte das nichts. Paige atmete noch einmal tief durch, bevor sie gegen geringen Widerstand versuchte ihn wieder auf den Rücken und gleichzeitig auf die ausgelegte Decke zu drehen. Es klappte nur halbwegs, weil Ryons Bein zur Seite glitt und die Decke ein ganzes Stück von seinem Körper wegschob. Paige rutschte an ihm hinunter, hob sein Bein an, dann das Andere und versuchte die Decke unter seinen Körper zu zerren. Auf die andere Seite würde sie ihn garantiert nie allein bekommen. "Naja, vielleicht bleibst du einfach so liegen..." Mit einem sehnsuchtsvollen Blick ins Nebenzimmer, wo noch eine dünnere Decke gewesen wäre, die Paige selbst ein bisschen hätte wärmen können, ging sie daran, erst einmal ihr Versprechen einzulösen. Einigermaßen bequem setzte sie sich neben Ryons Kopf auf den Boden, nahm seine Hand und legte sie mit ihrer zusammen auf seiner Brust ab. Mit der Rechten sah sie unter dem etwas angeklebten Waschlappen zuerst nach seiner Platzwunde, bevor sie ihm vorsichtig eine Weile durchs Haar strich. Zwischendurch legte sie ihm ihre kühle Hand immer wieder auf die immer noch glühende Stirn. "Versuch zu schlafen. Ich werd' nicht weggehen." Eingelullt von der angenehmen Stimme, dem klingenden Singsang, der sich seinem Verständnis entzog und dem sanften weiblichen Duft des zarten Handgelenks an seiner Nase, döste er schließlich halb weg. Sein Schnurren wurde davon noch nicht unterbrochen, da er noch zu sehr auf der Seite des Wachsseins war, aber alles andere an ihm wurde bleischwer. Er spürte nur schemenhaft, dass sich schließlich die Hand seinem vorsichtigen Griff entzog, aber auch dagegen protestierte er nicht. Dafür war er zu müde. Sein vernebelter Verstand wurde wieder etwas wacher, als abermals kühle Finger sich unter die seinen schoben und sich auf seine ruhig hebende und senkende Brust legte. Sein Herz galoppierte darunter immer noch wie ein wildes Pferd, doch seine Atmung blieb konstant und tief. Wohltuende Streicheleinheiten empfing er in der Nähe der Stelle, an der sein Kopf entsetzlich schmerzte. Sie linderten das Gefühl etwas, gaben ihm stattdessen sogar neue, bessere Anregungen zum Fühlen. Sein Schnurren war etwas schwächer geworden, manchmal kam es sogar ganz ins Stocken, doch da war noch immer das bohrende Gefühl in seinem Innersten. Es registrierte die kalte Haut, des weiblichen Wesens, das neben ihm saß und obwohl er im Augenblick nichts lieber täte, als zu schlafen, konnte er es nicht. Stattdessen öffneten sich seine müden Augen. Die Konturen seiner Umgebung wurden etwas schärfer, aber nicht sehr. Dennoch blickte er instinktiv in das Gesicht der Frau, die da neben ihm war und ihn nicht verlassen hatte. Trotz seiner schlimmsten Befürchtungen. Nein, ganz im Gegenteil, sie berührte ihn. Sie berührte ihn auf eine Weise, die ihm so unendlich viel Trost und Behagen schenkte, dass der Schmerz in seinem Kopf und die Kraftlosigkeit in seinem Körper nichts dagegen zu sein schienen. Blinzelnd schloss er einen Moment lang wieder seine Augen, um sie auszuruhen, doch dafür umfassten seine Finger mit etwas mehr Nachdruck die Hand auf seiner Brust. Er hob sie an, allerdings nicht, um sie wieder auf seine Wange zu legen, sondern stattdessen begleitete er sie zu seiner Halsbeuge, wo er sie gegen die glühend heiße Haut an jener Stelle drückte. Seine Hand umfing vollkommen die ihre, als wolle er sie bedecken und ihr somit die Kälte aus den einzelnen Gliedern vertreiben. Auch wenn er nicht wusste, wie er schon wieder auf dem Rücken gekommen war, ohne es zu bemerken, nahm er erneut die Kraft auf, um sich dieses Mal auf die andere Seite zu drehen. Immer dem weiblichen Duft nach, der seine Nase umschmeichelte und zu der wunderbaren Stimme gehörte, die ihn immer schläfriger machte. Es fiel ihm zwar nicht so leicht, aber er rollte sich etwas zusammen, rückte näher an den Quell seiner Linderung, bis seine Stirn auf einen weichen Oberschenkel traf, der vollkommen durchnässt war und angenehm kühl. Was noch mehr Alarmglocken in ihm zum Schrillen brachte, obwohl er sie nicht zuordnen konnte. Er wurde unruhig. „Du frierst…“, stellte er leise wispernd fest, obwohl ihm die Erkenntnis erst nach dem mühsamen Aussprechen seiner Worte kam. Allerdings lag er damit seinem Gefühl nach absolut richtig. Langsam glitten seine Finger das feine Handgelenk hinauf, zum Einen, um sich zu orientieren, zum Anderen, um die Temperatur zu messen. Dort wo ihre Hand auf seiner Haut lag, war sie bereits etwas wärmer, aber kaum dass seine Fingerkuppen bei ihrer Armbeuge angekommen waren, wurde der Kontrast zwischen ihnen immer stärker. Er kochte und sie fröstelte. Seine Augenbrauen verzogen sich angestrengt, als er seine Lider wieder hob, um zu der unscharfen Kontur auf zu sehen, von der er wusste, dass es sich um ein lebendes und atmendes Wesen handelte. Eines, das ihm vertraut war. Wenn auch nicht vollkommen, doch zumindest soweit, dass er sich bedenkenlos diesem Augenblick hingab. Er vertraute ihr sein Leben an, das inzwischen keinem quälenden Todeskampf mehr glich. Ein Kampf war es noch, daran bestand kein Zweifel, aber er kämpfte nicht alleine. Sie war ja bei ihm. Während er angestrengt zu ihr aufblickte und er versuchte etwas deutlicher zu erkennen, als namenlose Schatten, ließ er seine Hand von ihrer Armbeuge gleiten, stattdessen versuchte er sich mit gepresster Atmung und zusammengebissenen Zähne noch weiter herum zu drehen. Etwas, das auf ihm lag, behinderte ihn bei dieser Bewegung, also schob er es mit seinen Händen weiter hinab. Ehe er versuchte, seinen Oberkörper vom Boden hoch zu stemmen. Sein ganzer Körper zitterte vor Anstrengung noch mehr, bis er schließlich unbeholfen wie ein kleines Kätzchen wieder auf den Boden sackte und sein Kopf auf etwas Weichen zum Liegen kam, das definitiv nicht einfach nur ein nasser Lappen war. Er konnte fremdes Blut an seinem Ohr vorbei rauschen hören. Ein Puls, die Anspannung von Muskeln, die sich an seiner Wange bewegten. Der zarte Duft von Weiblichkeit war nun intensiver und hätte er die Augen geöffnet, ihm wäre selbst in seinem halb blinden Zustand klar geworden, dass sein Kopf da auf einem weichen Schoß gebettet war, von dem er sich nicht wieder freiwillig erheben würde. Stattdessen legte er seine Hand dicht neben seinem Kopf auf dem Oberschenkel ab. Seine Fingerkuppen drückten sich fast schon zärtlich unbeholfen in das weiche Muskelgewebe, das er deutlich durch den völlig durchnässten Stoff fühlen konnte. Auch hier war es angenehm kühl und doch so falsch. „Du darfst nicht frieren…“, nuschelte er nun tatsächlich dem Schlaf näher, als allem anderen. Er war so müde und das war das schönste Kopfkissen, dass er sich im Augenblick für seinen dröhnenden Schädel wünschen konnte. „Vergiss … die Tunnel nicht … Paige…“, warnte er sie noch, ehe der Schlaf ihn überkam. Ihre Hände schwebten in der Luft. Nur wenige Zentimeter von Ryon entfernt, während sie auf ihn hinab starrte und der Überzeugung war, sich nie wieder aus dieser Stellung lösen zu können. Als er sich auf die Unterarme gestemmt hatte, war Paige fast das Herz stehen geblieben. In seinem Zustand war körperliche Anstrengung das Letzte, dem er sich aussetzen sollte. Und dass es mehr als nur anstrengend für ihn war, sich herum zu drehen und seinen Körper mitsamt Decke ein wenig nach oben zu ziehen, sah sie seinem Gesicht an. Merkte es an seinem Atem, der einen Hauch schneller ging als zuvor. Sie war schon dabei gewesen ihn zu stützen. Oder ihn auf der Decke fest zu halten. Je nachdem, was einfacher war... Als er seinen Kopf auf ihren Oberschenkel ablegte. Als könne sie ihm damit wehtun, hatte Paige nicht gewagt sich zu bewegen, geschweige denn ihn zu berühren, während er auch noch einen Arm um ihr Bein schlang und sich sanft an ihr festhielt. So, wie er sich zusammen gerollt hatte, schloss er sie fast völlig in der Ecke zwischen Türrahmen und Wand ein, an der sie sich anlehnte. Paige war so angespannt, dass sie ihre eigene Verwirrung leugnete. Dabei tobte für kurze Zeit ihr Kopf mit ihrem Herz um die Wette. Sie stritten sich, bis derjenige aufgab, der es sowieso gewohnt war, bei Paige den kürzeren zu ziehen. Dennoch konnte sie es nicht verhindern, dass sich ein warmes Lächeln auf ihre Lippen schlich, als er sie vor ihrer eigenen Unterkühlung warnte. "Keine Sorge." Ihre Finger fanden ganz von selbst seinen Nacken, griffen vorsichtig in sein Haar und streichelten seine Haut. Genauso, wie sich ihre Andere auf seine Hand legte. "Schlaf erstmal ein bisschen..." Ihre leise Rede wurde durch ein heftiges Gähnen unterbrochen, das ihr die Tränen in die Augen trieb. Man hätte meinen können, der Rat hätte ihnen beiden gegolten. Und sie mussten sich wirklich keine Sorgen machen. Solange Paige sich nicht in ihre dämonische Form bemühte und Ryon eine derartige Hitze in den Raum strahlte, würde sie nicht in eine Starre verfallen. Außerdem würde wohl bald die Sonne aufgehen. Dann wurde es unter Umständen schnell viel wärmer, als es ihnen um Ryons Willen lieb sein konnte. Mit bereits halb geschlossenen Augen zog sie ihm das Laken wieder bis über die Schultern, bevor sie mit ihrer Hand wieder seine umfasste. In ihrer Ecke war es nicht gemütlich, aber sie konnte zumindest nicht umfallen. Und wenn sie den Kopf so gegen die Wand lehnte... Sie war eingeschlafen, bevor sich ihre Lider wirklich geschlossen hatten. Wenn er so nah war, würde sie schon mitbekommen, wenn er aufwachte oder sich sein Zustand wieder verschlechtern sollte. Eine lange Zeit war der Schmerz, die Hitze, das kalte Prickeln, die Schwäche, alles war wie ausgeblendet. Er schlief den Schlaf der Erschöpfung eines Kranken, der spürte, dass er umsorgt wurde. Obwohl er sich nicht vergewissern konnte, wusste er, dass er nicht alleine war. Trotzdem schlang er im Schlaf seine Arme schwach etwas enger um sein ‚Kissen‘, ließ sich von dem angenehmen Duft weiter einlullen, so dass selbst der harte Boden nur eine Nebensächlichkeit blieb, bis nach einer ganzen Weile erneut ein Feuer in ihm hoch zu lodern begann. Sein eigenes Keuchen weckte ihn, zwang seine Augenlider dazu, sich zu öffnen und sich fiebrig umzusehen. Was auch immer da kühl und nass auf ihm gelegen hatte, war inzwischen genauso heiß und trocken geworden, wie seine Haut und der Durst … der Durst war unerträglich. Getrieben von seinen Überlebensinstinkten, kämpfte er sich auf zittrigen Fingern hoch, obwohl er den Schutz des Schoßes nicht verlassen wollte, in dem er so lange sein Gesicht geborgen hatte. Doch er brauchte dringend etwas zu trinken. Wie er es schaffte, sich halb aufzusetzen und sich an die Wand neben dem Schatten zu lehnen, den er so undeutlich wie nie zuvor erkennen konnte, wusste er nicht. Aber im nächsten Moment schien alle Mühe fast vergebens gewesen zu sein, denn er begann an der Wand entlang wieder nach unten zu sacken. Ihm war verdammt schwindlig. Im letzten Moment konnte er sich noch mit einer Hand an der anderen Mauer abstützen, so dass er nicht auf … Paige … fiel. Die da in der Ecke saß. Es war Paige. Irgendwie drang das in seinen vernebelten Verstand durch. Auch wenn er es rationell betrachtet, nicht unbedingt glauben würde. Aber wo war im Augenblick schon seine Rationalität? Auf keinen Fall vorhanden. So viel stand schon einmal fest. „Paige…“, flüsterte er leise und kraftlos. Seine Hand drohte abzurutschen, was ihn noch näher an ihren Körper heran brachte. Der Duft ihres Haares stieg ihm deutlich in die Nase, als er sich gerade noch rechtzeitig über ihr abfangen konnte. Ohne ihre Hilfe jedoch, würde er nicht mehr lange verhindern können, doch noch auf ihr zu landen. Sein Arm zitterte bereits heftig vor Anstrengung und im Augenblick hatte er nicht genug Gleichgewichtsgefühl, um sich selbst aufrecht zu halten. Er hätte liegen bleiben sollen. Aber er war so unglaublich durstig und offenbar hatte sie ebenfalls geschlafen. Der Adrenalinstoß prügelte ihr Hirn in den Wachzustand und ließ ihr Herz so schnell schlagen, dass ihr für den Moment schlecht davon wurde. Für wenige Augenblicke orientierungslos und erschrocken, sah sie blinzelnd ihr Gegenüber an, bevor sie ein leises Stechen in den Lungen daran erinnerte, dass sie Sauerstoff zum Leben brauchte. Ohne auch nur mit einer einzigen Faser ihres Gehirns darüber nachzudenken, packte sie Ryon unter den Armen und schob ihn so gut es ging ein Stück die Wand hoch. "Wa..." Ihre Stimme war von dem tiefen Schlaf, aus dem sie so unsanft gerissen worden war, völlig belegt. Ein kleines Räuspern machte es nur unwesentlich besser. "Was ist los? Geht's dir schlechter?" Die Anstrengung sich aufzusetzen, hatte das Blut aus seinem Gesicht weichen lassen. Er war so weiß, wie die Wand, an der er halbwegs stabil lehnte. Paige hielt ihn so gut es ging dort fest und sah ihn aus besorgten Augen an. Giftige Stacheln aus schlechtem Gewissen bohrten sich in ihren Magen. Sie hätte nicht einschlafen dürfen! "Tut mir so leid.", meinte sie halblaut und mit einem nahezu flehenden Unterton. Das Erste, was ihr einfiel war, dass er Wasser brauchte. Mit einer Hand an die Wand gestützte, damit Ryon sich auf sie lehnen konnte, fischte sie nach dem Glas und der Flasche. Inzwischen war sie fast leer, aber für ein paar Schlucke würde es reichen. Dass er saß, machte zumindest die Sache mit dem Trinken leichter. Sie sah ihm aber mehr als besorgt dabei zu, wie er in wesentlich größeren Schlucken trank, als beim letzten Mal. "Ist es schlimmer geworden?" Da er sie noch nicht einmal mit den Augen fixieren konnte, die leuchtend gold die Gegend absuchten, wo er wohl ihr Gesicht vermutete, erwartete sie keine Antwort. Sie würde es selbst herausfinden müssen. "Ich werde dir nichts tun, ok?" Sie stellte das Glas kurz auf dem Boden neben seinem Bein ab und legte ihre Hände auf seine Wangen, um ihn still zu halten. "Keine Angst." Wie bereits am Anfang, kam sie ihm so nahe, dass sich ihre Wangen diesmal aber nur fast berührten. Wieder nahm sie seine Hitze mit ihrer Zunge auf. Wieder schmeckte sie anders und beim ersten Test konnte sie nicht sagen, wie es sich verändert hatte. Also versuchte sie es noch einmal. Paige schloss die Augen und legte ihre Wange nun tatsächlich an Ryons Hals. Gerade noch rechtzeitig, hielten ihn sanfte Hände fest. Verhinderten, dass er umfiel, in dem sie ihn in eine absturzsichere Position brachten. Sein Kopf war so verdammt schwer, und fühlte sich auch genauso an, dass er ihn kaum halten konnte. Also lehnte er sich gegen die Wand, versuchte dieses Mal aber sich auf das zu konzentrieren, was zu ihm gesagt wurde. Allerdings verstand er in seinem Zustand erst die letzten Worte von Paige richtig. Auch der vertraute Klang, machte ihm nun deutlicher, dass sie es war. Nein, er hatte keine Angst. Erst recht nicht, nachdem sie ihm dabei geholfen hatte, seinen Mund wieder zu befeuchten. Gerne hätte er noch mehr Wasser getrunken, doch vielleicht war es auch gar nicht so gut, so gierig zu trinken. Er wusste es nicht genau. Konnte nicht klar genug denken, um irgendeinen zusammen hängenden Satz logisch zu formulieren. Bei ihm drehte sich einfach alles und er war trotz des erholenden Schlafes immer noch so unglaublich schwach, dass er sich am liebsten selbst verfluchen würde. Aber selbst das brachte er nicht fertig. Seine Sinne, sein Verstand, seine Wahrnehmung, das alles flackerte wie eine kaputt gehende Neonröhre, die trotz allem noch um ihr Überleben kämpfte. Mal spürte er deutlich etwas, mal war alles wie in Watte gepackt. Auch seine Gedanken. Doch als sich schließlich kühle Hände auf seine glühenden Wangen legten, da hielt er mit einem Mal ganz still, er wagte noch nicht einmal richtig zu atmen. Wie das sanfte Kribbeln eines Sommerregens spürte er die Nähe dieser Frau, als sie sich zu ihm beugte, so dicht, dass er ihren Duft beinahe schmecken konnte. Er schloss die Augen, wartend, während sein Herz zu pochen begann und das Blut noch lauter in seinen Ohren rauschte. Etwas sagte ihm, dass er sich dieser Berührung entziehen müsste. Andererseits wollte ein anderer Teil diese Hände so sehr auf seiner Haut spüren, dass er alles dafür gegeben hätte. Es war so angenehm kühl, so wohltuend und lindernd. Alles schien halb so wild zu sein, wenn er nur von diesen Händen berührt wurde. Alles war leichter zu ertragen, weil er so deutlich spüren konnte, dass er nicht alleine war. Mit einem Mal, war da ihre Wange an seinem Hals. Besonders deutlich spürte er es an den Stellen, wo ihre Haut seine dünne Narbe berührte. Es war die Berührung ihres seidigen Haars an seinen Lippen und wie sie über seine Nasenspitze kitzelten, die ihm klar machte, was sie tat. Eine flüchtige Bewegung, wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, strich ihm über die Haut, doch war es so schwach, so überdeckt von der intensiven Empfindung des Temperaturunterschieds zwischen ihnen beiden, dass er es sich auch nur eingebildet haben könnte. Ein Seufzer der Erleichterung entkam seinen halb geöffneten Lippen, als sich seine Wange automatisch an ihren Kopf schmiegte, um dort nach Kühlung und Nähe zu suchen. Instinktiv wusste er, dass das genau die Reaktion war, die alles beenden würde. Trotzdem hatte er sie nicht aufhalten können. In seinem getrübten Verstand wollte sich nicht recht ein Argument finden, was falsch daran gewesen wäre. Er suchte noch nicht einmal danach, sondern überließ sich stattdessen ganz dem Drang, der ihm die Kraft zum Handeln gab. Seine Arme hoben sich langsam, zögernd und doch noch schnell genug, bevor seine Reaktion auf sie, diese Frau zum Zurückweichen zwingen konnte. Er war zu schwach, um sie zum Bleiben zu bewegen, das wusste er und dennoch schlang er seine Arme um sie. Zog den kühlen, duftenden, weichen Körper an sich. Vergaß einen Moment lang das Hämmern in seinem dröhnenden Schädel, die Hitze, die ihm entstieg und ihn zugleich verbrannte, den Schwindel, der ihm das Gefühl gab nur noch durch sie Halt zu finden. Mit einem Mal überkam ihn panische Angst, dass sie ihn verließ. Warum, das konnte er nicht sagen. Aber diese Furcht trieb sein rasendes Herz an, bis er glaubte, es müsse ihm aus der Brust springen. Er atmete schnell, erschaudernd, flach und begann noch stärker zu zittern. Instinktiv schlang er die Arme fester um sie, als hätte es etwas gebracht, war sie ihm im Augenblick doch weit überlegen, was Stärke anging. „Lass mich nicht … allein …“, flehte er leise, kaum hörbar, ohne die Furcht in seinen Worten verstecken zu können. Dann sackte er mit einem Mal völlig in sich zusammen. Der heftige Adrenalinstoß war zu viel für ihn gewesen. Sein Körper gab sich selbst Ruhe, in dem er ihn zum Schlafen zwang und das tat er schließlich auch. Es schmeckte immer noch nach der Hitze, die sich in seinem Körper geballt hatte und dort gefangen war. Die kalten Umschläge hatten sie nicht ganz herausziehen können. Und auch wenn Paige es ihm gern noch gemütlicher gemacht hätte, anstatt ihn wieder zu durchnässen, war es die einzige Möglichkeit, ihn letztendlich von seinen Qualen zu befreien. Erneut erschrak sie, als sie sein Seufzen hörte. Ihr Puls schnellte in die Höhe und ihre Muskeln spannten sich an. Paige nahm eine Hand von seiner Wange und wollte ihren Arm gerade um seine Seite schlingen, als er ihr zuvor kam. Mehr die Überraschung als die Kraft seiner Bewegung riss sie von den Füßen und aus ihrer kauernden Position. Hätte sie sich nicht irgendwie halb an Ryons Schulter, halb an die Wand hinter ihm gekrallt, sie wäre ihm einfach in den Schoß gefallen. So erstaunlich fest wie er sie für seinen Zustand hielt, konnte sie kaum ihre Wange von seinem Hals nehmen. Paige versuchte sich zumindest so weit zu lösen, um in Ryons Gesicht sehen zu können. Was, wenn er kurz davor war, nun vollkommen zusammen zu brechen? Der Geschmackstest hatte nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht. Ging es ihm so viel schlechter, als sie vermutet oder vielleicht auch nur gehofft hatte? Das Zittern seines Körpers und der flache Atem ließen sämtliche Farbe aus Paiges Gesicht weichen. Sie hatte etwas falsch gemacht! Wie hatte sie nur einschlafen können! Was, wenn er ihretwegen..? Sein Griff wurde fester, drückte sie an seine Brust und riss sie nun endgültig auf die Knie, um einen Fall halbwegs zu verhindern. Paige kannte das reißende Gefühl, das ihr sämtliche Organe bis in die Kniekehlen ziehen wollte, nur zu gut. Sie hatte Angst um ihn. Die gleiche zerreißende Panik, wie schon vor Stunden, als er glühend und hilflos vor ihr auf dem nackten Fußboden gelegen hatte. Erst als sie ihn nicht mehr halten konnte und Ryon wieder bewusstlos auf den Boden sank, rollten ihr die Tränen heiß über die Wangen. Sie kitzelten ihr Kinn, bevor sie auf die noch immer feuchten Fliesen hinab tropften, die Paige mit zitternden Händen unter der Decke frei legte. Mit verschwommener Sicht zog sie die Decke unter ihm heraus, griff das Laken und die Handtücher wie einen Rettungsanker und stellte das Wasser wieder an. Paige sah nicht, was sie tat. Ab und zu wischte sie sich die Augen, das nasse Gesicht, aber es nützte nichts. Aus ihrer Panik wurde wütende Verzweiflung, als sich die Tücher immer wieder an Ryons Körper aufwärmten. Und das Schlimmste war... sie konnte nicht mehr. Paiges Körper gab langsam aber sicher die Signale dafür, dass die Kräfte, die der Schock in ihr ausgelöst hatte, schwanden. Es fiel ihr immer schwerer nur Ryons Schultern anzuheben, um das Bettlaken auch ein wenig unter seinen Körper zu stecken. "Ich weiß nicht, was ich noch tun soll..." Die Worte waren laut und schienen ihr von allen Wänden wieder entgegen zu schlagen wie Lawinen, ausgelöst von ihrer eigenen, verzweifelten Stimme. Doch das war es nicht, was sie schließlich dazu brachte, ihren völlig überforderten Körper neben Ryon zusammen sinken zu lassen. Ihre Hände krallten sich aus dem Grund um seinen Oberkörper, aus welchem sie auch ihr Gesicht an seiner Halsbeuge vergrub und die Tränen gar nicht mehr aufhalten konnte. Ryon hatte ausgesprochen, was Paige mit jeder Faser ihres Körpers hinaus schreien wollte. 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