Dark Circle von Darklover ================================================================================ Kapitel 8: 8. Kapitel --------------------- Sie waren durch den großen Garten zum Haus zurück gelaufen. Es würde sicher noch eine Weile dauern, bis Paige sich hier auf dem Grundstück und im Inneren auskannte. Dabei hatte sie trotz des vergangenen Gesprächs immer noch kein Bedürfnis so lange hier zu bleiben. Um ein wenig zu unterstreichen, dass sie bloß wegen ihrer Aussprache jetzt noch keine Freunde waren, ging sie einfach weiter, als sie durch die Terrassentür kamen. Sie steuerte in die Richtung, in der sie Ais Zimmer vermutete. Noch wollte sie es nicht ihr eigenes Zimmer nennen. Das wäre doch wirklich übertrieben gewesen. Da sie länger weg gewesen war, als geplant, gab sie sich keine besondere Mühe, die Tür außerordentlich leise aufzumachen. Wie sie vermutet hatte, war Ai sowieso schon wach. Die Asiatin steckte gerade ihre dicken, glänzend schwarzen Haare mit einem Holzstäbchen zu einem kompliziert wirkenden Knoten hoch und schenkte Paige ein Lächeln, als sie eintrat. „Guten Morgen.“ Bei Ais Anblick, die immer, egal in welcher Lebenslage, aussah, als wäre sie frisch aus dem Ei gepellt, fühlte Paige sich sogar noch abgekämpfter, als zuvor. Dennoch brachte sie ebenfalls ein warmes Lächeln zustande und ging zu Ai hinüber, um deren Bauch zu streicheln. Das Baby schien hellwach und wieder mal auf Fitnesstraining aus zu sein, so stark, wie es sich bewegte. Um ihrer Freundin nicht zu zeigen, wie viele Gedanken sie sich doch ihretwegen machte, entschuldigte sie sich und trat in das Bad nebenan. Es gehörte allein zu dem Gästezimmer, denn keine zweite Tür führte in den Raum, der trotzdem größer war, als Paiges ehemalige Küche. Gerade noch so schaffte sie es die Tür hinter sich zuzudrücken, bevor sie von einem tiefen Seufzer durchgeschüttelt wurde. Eisschrank hatte Recht. Selbst wenn das hier ein unbekanntes Haus war, wo Ai niemanden kannte, kümmerten sich alle doch kompetenter um sie, als Paige es je gekonnt hätte. Inzwischen wäre sie tausende Deals mit ihrem seltsamen Gastgeber eingegangen, wenn es bedeutet hätte, das Ai hier noch ein wenig gepeppelt und umsorgt wurde. Ein wenig sauer und zerrissen über die Situation streifte sie sich die Kleider vom Körper und stellte das Wasser an. Im Gegensatz zu ihrem eigenen Zuhause, kam hier sofort heißes Wasser aus der Leitung und sie konnte sich unter einen lauwarmen Wasserstrahl stellen. Sie mochte zwar manchmal eine feurige Persönlichkeit sein, aber das hieß nicht, dass sie sich immer mit Hitze umgab. Manchmal war ihr etwas Abkühlung sogar ganz lieb. Solange es nicht zu kalt wurde. Das Shampoo und Duschgel, die auf einem kleinen Regal standen, dufteten herrlich und zart nach Blüten und entspannten Paige noch mehr als die Dusche an sich. Als sie wieder aus der Kabine stieg, fühlte sie sich herrlich erfrischt und blitzesauber. Jetzt wäre eine Bürste noch der herrliche Abschluss gewesen, aber man konnte nicht alles haben. Aussicht auf Brunch trieb sie zu hohem Tempo an und sie schleppte Ai fast hinter sich her in Richtung Küche. Auf dem Weg erklärte sie ihrer Freundin noch, dass sie gern darauf verzichten würde, jemandem hier ihren Namen zu verraten, solange es sich verhindern ließ. An ihrem Blick konnte sie erkennen, dass Ai das zwar nicht wirklich nachvollziehen konnte, aber sie würde sich auf jeden Fall nach Paiges Wunsch richten. „Hättest du vielleicht einmal die Güte, uns darüber aufzuklären, was hier zum Teufel noch mal los ist?“ Tyler blickte noch nicht einmal von seiner Tätigkeit hoch, aber die Art, wie er das Messer führte, untermalte seine Worte nur noch. In diesem Augenblick wollte Ryon nicht mit der roten Paprika tauschen. „Wir haben Ärger am Hals, was dachtest du?“, mischte sich Tennessey ein, ehe er eine Seite der Tageszeitung umblätterte und wieder dahinter verschwand. „Wenn du damit unsere Gäste meinst, kann ich deine Meinung nicht teilen. Ich bin froh, dass wieder einmal Leben in dieses Haus kommt. Oder kannst du etwa behaupten, dass hier in letzter Zeit nicht ständig eine Grabesstille geherrscht hat?“ „Tyler…“, warnte der Arzt ihn. „Was ist?“ Der Rotschopf blickte von dem in kleine Würfel geschnittenem Gemüse hoch, sah zuerst Tennessey an, der ihm einen scharfen Blick zuwarf, ehe er sich an seinen schweigsamen Herrn wandte. Ryon lehnte am Rahmen der Terrassentür und starrte in den Garten hinaus. Man konnte seinen Gesichtsausdruck nicht wirklich interpretieren, aber Tyler musste auch so erkennen, dass man mit der dazu gerechneten Haltung auf – verbissen – kommen würde. „Ich meine ja nur, dass nicht sehr viel los war.“ Ein schwacher Versuch seine Worte wieder gut zu machen. Das wusste er. „Der Ärger hat nicht mit den Frauen zu tun. Zumindest nicht direkt.“, durchbrach Ryon endlich die äußerst angespannte Atmosphäre, ohne jedoch einen seiner Freunde anzublicken. „Daher will ich, dass ihr alles tut, was ihr könnt, um sie zu beschützen. Um den Rest werde ich mich kümmern.“ „Aha. Und vor was sollen wir sie beschützen? Etwa vor Langeweile?“, verlangte der Doc zu wissen. „Also, wenn du den Clown machst, Tennessey, dann bin ich für die Bewirtung zuständig.“ Ein Zischen unterbrach das Gespräch für einen Moment, als Tyler das geschnitten Gemüse in die Pfanne mit dem bereits erhitztem Öl warf und sich kurz darauf ein köstlicher Geruch ausbreitete. „Das ist nicht witzig, Tyler.“, brummte der Arzt. „Ich hasse Clowns.“ „Schade, mit dem Waschbärbauch hättest du einen echt spitzenmäßigen Clown abgegeben. Da müsste man das Kostüm gar nicht mehr auspolstern.“ „Wenigstens sehe ich nicht aus, wie Pipi Langstrumpf. Außerdem, wer kocht hier ständig für eine ganze Kavallerie?“ „Ich sehe nicht aus wie Pipi Langstrumpf!“ Tylers Haare wurden mit einem Schlag schwarz und die Sommersprossen verschwanden auf der Stelle aus seinem Gesicht. Tennessey grinste. „Stimmt, du hast heute gar nicht deine bunten Strapse an.“ „Jemand ist hinter dem Amulett her.“, verkündete Ryon schließlich, ohne auf das Geplänkel einzugehen. Mit einem Schlag verstummte das Gespräch und nur noch das Brutzeln in der Pfanne war zu hören, bis es von einem Glasdeckel gedämpft wurde, den Tyler darauf setzte, nachdem er sich aus seiner kurzen Starre gelöst hatte. „Wer?“, wollte er wissen. „Warum?“, warf Tennessey ein. Einen Moment lang schwieg Ryon noch, doch dann drehte er sich zu seinen Freunden herum, um ihnen dabei direkt in die Augen sehen zu können. „Ich weiß es nicht. Ich habe eine Vermutung, wer dahinter stecken könnte, aber keine Ahnung, weshalb das Amulett so wichtig für sie sein sollte.“ Tyler und Tennessey warfen sich einen vielsagenden Blick zu. „Denkst du, was ich denke?“ Der Arzt nickte. „Du meinst doch diesen Orden, Ryon, oder? Der gegen den Mar~“ Er verstummte mitten im Satz, als Ryon sich erneut und ruckartig von ihnen abwandte. Der Hüne zitterte. „Tut mir ehrlich leid.“ Sein alter Freund wirkte ehrlich geknickt. Weshalb Ryon sich wieder etwas zu entspannen versuchte, um Tennessey nicht noch mehr in die Eier zu treten, aber es gelang ihm nur sehr schwer. Zumindest schaffte er es, seine Hände wieder zu lockern. „Schon gut.“, murmelte er leise. Irgendwann würden sie sowieso nicht mehr an dem Thema vorbei reden können. Aber solange es möglich war, wollte er es vermeiden. Seine Freunde wussten das. Sobald Ai mit einer fröhlichen Begrüßung in die Küche trat, war klar, dass sie erwartet wurden. Nichts Anderes war zu erwarten gewesen, auch wenn Paige auf die Aufmerksamkeit für eine Weile hätte verzichten können. Sie grüßte die Anwesenden ebenfalls, auch wenn sie beim Anblick des Mannes hinter dem Herd kurz stockte. Er hatte die Züge des Butlers, schien aber alle Attribute eines Rothaarigen verloren zu haben. Ein Wechselbalg. Paige schmunzelte in sich hinein. Hätte sie sich eigentlich denken können, dass Ryon sich nicht mit ganz normalen Menschen umgab. Selbst wenn sie für ihn arbeiteten. Jetzt interessierte sie sich umso mehr dafür, was genau in dem Mann steckte, von dem sie nur vermuten konnte, dass er irgendeine Art Wandler war. Dass ihr 'irgendwas Großes' nicht unbedingt weiterhalf, war klar. Aber auf alle Fälle ein Raubtier, wenn man die Krallen bedachte. Schon bemerkenswert, dass er sich selbst bei den Kämpfen mit ihr nicht verwandelt hatte. Dabei fühlten sich die Gestaltwandler aus gutem Grund in ihrer tierischen Form stärker und geschützter. Am Ende war er vielleicht doch ein zu groß geratenes Erdmännchen. Der ansonsten riesige Tisch, wirkte unter der Last der vielen Speisen schon ganz und gar nicht mehr so groß. Glich dafür aber eine Art himmlischem Buffet. Es war so gut wie alles vorhanden, was man sich bei einem Frühstück wünschen konnte. Müsli, Cornflakes, Kakao, Tee, Kaffee, Obst, frische und geschnittene Gemüsesnacks, Omelette, Pfannkuchen, Toast, gekochte Eier, Joghurt mit Früchten, usw. Auf alle Fälle würde hier niemand zu kurz kommen. Was immer wieder ein gutes Licht auf Tyler warf, der erstaunlich schnell und auch gekonnt ein fünf Sterne Menü auf den Tisch zaubern konnte. Immerhin waren die Speisen nicht einfach nur auf einem Teller oder in einer Schüssel, sondern auch noch mit Kräutern garniert, künstlerisch geschnitten oder aber auch farblich perfekt aufeinander abgestimmt. Dabei meinte Tennessey schon seit Jahren, dass er auch einfach nur mit etwas Dahingepanschten zufrieden gewesen wäre, solange es schmeckte. Ryon konnte dem nur zustimmen, aber da es seinem Freund offensichtlich so viel Freude bereitete, ließ er ihm seine künstlerischen Freiheiten. Auch den Rest des Hauses versuchte der Diener ständig irgendwie aufzupeppen, ohne die Grundausstattung zu verändern. Offenbar war ihm ab und zu wirklich ziemlich langweilig. Was sich ab jetzt wohl garantiert ändern würde. Wenn Langeweile Ryons einzige Sorge wäre, könnte er froh sein. Doch das war es nun einmal nicht. Als die beiden Frauen die Küche betraten, hatte das männliche Dreiergespann bereits zu einem unverfänglicheren Thema übergewechselt. Ryon war der Ansicht gewesen, später noch einmal in Ruhe mit seinen Freunden zu sprechen. Allerdings hatte er sie auch angewiesen, sich bei Tischgesprächen auf ganz normale Dinge zu konzentrieren. Keiner von ihnen wollte Ai in ihrem Zustand stressen und ihr unnötigen Sorgen bereiten. Vielleicht wusste sie schon von den Problemen, vielleicht aber auch nicht. Es sollte auf alle Fälle vorerst unerwähnt bleiben. Außerdem wollte Ryon nicht, dass einem seiner Freunde wieder etwas heraus rutschte, was sie später bereuen würden. Er hatte mit der Diebin zwar nun einen Deal, aber das hieß noch lange nicht, dass er sie an seiner Vergangenheit teilhaben lassen wollte. Es würde zwar über Kurz oder Lang nicht zu ändern sein, dennoch würde er sich dabei nur auf das Wesentliche beschränken. Alles andere ging sie absolut nichts an. Nach dem Frühstück sollten sie auf alle Fälle die weitere Vorgehensweise besprechen. Über das Amulett ließ sich vielleicht etwas in seiner kleinen Bibliothek finden, obwohl er es ehrlich gesagt bezweifelte. Alle Bücher die in jene Richtung führten, lagen gut verstaut in Kartons in der Galerie … nein, dem Dachboden. Mehr war das inzwischen nicht mehr. Wie nicht anders zu erwarten war, sorgten Tyler und Tennessey ohne Probleme dafür, ein anständiges Gespräch am Laufen zu halten, um kein unangenehmes Schweigen am Tisch aufkommen zu lassen. Da sie jetzt alle wohl einige Zeit zusammen leben mussten, war es sicher keine schlechte Idee, sich halbwegs mit jedem gut zu stellen. Trotzdem hing Ryon lieber seinen eigenen Gedanken nach, während er sich einen Pfannkuchen nach dem anderen einverleibte. Danach noch Omelettes. Etwas Joghurt mit Früchten. Würstchen mit Speck und anschließend noch eine kleine Schüssel mit Cornflakes. Dazu wieder schwarzen Kaffee. Ihm entging dabei keineswegs, dass Tennessey immer wieder einen prüfenden Blick auf Ryons Teller warf. Aber offenbar gab es an seinem Appetit nichts auszusetzen, weshalb sich der Arzt schließlich wieder anderen Dingen widmete. Paige konnte ihr Misstrauen nicht so einfach vollkommen ablegen. Bevor sie sich irgendetwas von den Speisen auf dem Tisch nahm, beäugte sie sie kritisch und wartete teilweise sogar darauf, dass einer der Männer zuerst davon aß. Allerdings hielt dieser winzige Widerstand nicht lange an, als sie merkte, dass sich niemand an der riesigen Kanne Kakao bediente. Ihre Blicke schweiften immer wieder sehnsüchtig hinüber, bis sie sich wirklich nicht mehr beherrschen konnte. Die filigrane weiße Porzellantasse, erschien Paige viel zu klein, um ausreichend Kakao hinein zu schütten. Da stellte sie die Kanne lieber nicht zu weit von sich weg, damit sie leicht an Nachschub heran kam. Beide Hände um die Tasse geschlossen, führte sie das dampfende Getränk erst zur Nase, um daran zu schnuppern, bevor sie mit verträumten Augen davon nippte. Wie schön es doch war, keinen nagenden Hunger zu leiden. Dann konnte man sich viel mehr auf den köstlichen Geschmack konzentrieren, die bei Tylers Speisen in ihrem Mund zu explodieren schienen. Um sämtliche Köstlichkeiten, unter denen sich der Tisch bog, probieren zu können und nicht vorzeitig satt zu werden, zelebrierte Paige zuerst das Essen jener Dinge, die sie besonders mochte und schon lange nicht mehr bekommen hatte. Wer konnte sich schon Speck mit Rührei zum Frühstück leisten? Vergnügt knabberte sie vor sich hin, nahm sich einen Pfannkuchen und Obst und spülte mit einer großen Menge Kakao nach. In ihrem Inneren schien die Sonne aufzugehen, so wohl fühlte sie sich und merkte gar nicht, wie sie über ihre Tasse hinweg einmal in die Runde strahlte, bevor sie weiter aß. Nur Ai lächelte wissend zurück und widmete sich mit gleicher Bedacht und Wonne wie Paige ihrem Frühstück. Die beiden Frauen überließen meistens den Männern die Konversation. Sie mochte in 'World Underneath' aufgewachsen sein, aber das bedeutete nicht, dass Paige die Grundregeln der Höflichkeit nicht kannte und mit vollem Mund sprach. Eine Frage schien der Asiatin allerdings auf der Seele zu brennen, denn sie sprach sie völlig zusammenhangslos aus, als gerade Ruhe in der Runde herrschte. „Leider kenne ich mich in der Welt des Nicht-Menschlichen nicht besonders gut aus.“ Paige konnte immer wieder kaum fassen, dass Ai mit ein wenig Röte auf den Wangen noch schöner aussah. Die Männer würden ihr jede Frage beantworten, selbst wenn sie wissen wollte, ob sie gerne Frauenunterwäsche trugen. Es herrschte gespanntes Schweigen, in dem Paige sogar ihr Kauen auf einem Stück Apfel zu laut vorkam. „Könnte ich erfahren, warum Sie nicht mehr rothaarig sind, Tyler? Es ist mir nur aufgefallen und so jemanden wie Sie, habe ich noch nie kennen gelernt.“ Erst jetzt fiel dem Butler wohl auf, dass er sich seit dem letzten Treffen verändert hatte. So weit Paige wusste, brauchte es dazu keinen anderen Anlass, als eigene Willkür. Aber das war immerhin wieder ein unverfängliches Thema, über das sie reden konnten. Ihr war keinesfalls entgangen, dass die Anwesenden es genau darauf angelegt hatten. Und dass Ai der primäre Grund dafür war, hielt sie doch für sehr wahrscheinlich. Also trank sie weiterhin zufrieden ihren Kakao, den ihr anscheinend niemand streitig machen wollte und hörte mehr zu, als dass sie sich ins Gespräch einschaltete. Zumindest so lange, bis das Frühstück langsam zum Erliegen kam und der Zeitpunkt der wirklich ernsten Themen sich kaum noch aufschieben ließ. Paige stellte die Tasse ab und sah Ryon erwartungsvoll an. Immerhin war er Herr dieses Hauses und musste bestimmen, wo und wann sie sich weiter unterhielten. Allerdings sollte er es nicht mehr sehr lange aufschieben, wenn man bedachte, was er vorhin so richtig bemerkt hatte. Die Typen würden nicht aufgeben und je länger sie zögerten, desto größer wurde die Gefahr, dass die Auftraggeber sie auch hier fanden. Als Ai Tyler wegen seiner neuen Haarfarbe fragte, kamen Ryons Gedanken auf der Stelle zum Erliegen und er hörte aufmerksam zu. Eigentlich hätte er angenommen, dass die Schwangere ebenfalls nicht menschlich war, so wie der Rest der Personen, die hier am Tisch saßen. Da sie aber andeutete, es eben nicht zu sein, überraschte es ihn umso mehr, dass sie in der World Underneath gewohnt hatte. Für Menschen musste das ganz schön hart sein, auch ohne ständig daran erinnert zu werden, dass man in dieser Stadt als Mensch eindeutig nicht dazu gehörte. Mit einem gewinnenden Lächeln klärte Tyler die werdende Mutter über seine Natur auf und dass er sich in jede beliebige Person verwandeln konnte, die er wollte. Wenn er jemanden imitieren sollte, wäre es allerdings leichter ein Bild von der gewünschten Person zu haben, da sein Gedächtnis alleine dazu nicht ausreichte. Wenn Ai also einmal mit Brad Pitt oder George Clooney frühstücken wollte, müsste sie Tyler ein Foto von besagten Personen mitbringen. Dass Tyler so einen Vorschlag überhaupt machte, verwunderte Ryon noch mehr. Der Wandler hasste es schon seit seiner Jungend, ständig von Leuten aufgefordert zu werden, sich in jemanden anderen zu verwandeln. Für seine wahre Erscheinung schien sich dahingehend niemand zu interessieren. Was sicher auch nicht leicht für Tyler sein musste. Soweit sich Ryon erinnern konnte, hatte er seinen Diener nur einmal mit seinem wirklichen Ich gesehen. Aber das war so lange her, dass er keine Details mehr nennen konnte. Damals war er immerhin erst Vier oder Fünf Jahre alt gewesen. Wie dem auch sei, Tyler wirkte auf jeden Fall so, als wäre es ihm ein großes Vergnügen Ai zu Diensten zu sein. Für Unterhaltung wäre also gesorgt, sollte sie sich einmal langweilen. Sie war in guten Händen, während er sich mit der Diebin an die Recherchen machen konnte. Wie auf Stichwort stellte Flame ihre Tasse ab und schenkte ihm über den Tisch hinweg einen für ihn vielsagenden Blick. Es wurde Zeit. Ryon stellte ebenfalls seine Tasse mit dem schwarzen Gebräu ab, ohne ausgetrunken zu haben und blickte sich dann in der Runde um. Als Tyler einmal kurz seinen Blick von Ai los reißen konnte, ergriff er die Gelegenheit beim Schopf. „Ai, würde es dir etwas ausmachen, wenn dir Tyler Gesellschaft leistet, sollte dir danach sein? Ich müsste noch etwas mit…“ Er blickte Flame an und wurde sich bewusst, dass sie ihm noch immer nicht ihren Namen verraten hatte. Eigentlich etwas ziemlich Unhöfliches, aber er nahm es ihr nicht einmal übel. „…deiner Freundin bereden. Es könnte etwas länger dauern.“, vollendete er seinen Satz. „Falls etwas sein sollte, wir sind in der Bibliothek. Tennessey kennt den Weg.“ Und würde definitiv beim Abwasch helfen müssen. Auch wenn der Arzt bereits jetzt so aussah, als wolle er sich am liebsten davor drücken. Aber Ryon wäre es lieber, wenn beide Männer in Ais Nähe blieben und auf sie aufpassten. Nur für alle Fälle. Natürlich hatte Ai nicht das Geringste dagegen, dass ihr Tyler und Tennessey Gesellschaft leisteten. Nachdem sie bei Paige meistens in der Wohnung gesessen und mit nicht allzu vielen Leuten Kontakt gehabt hatte, war das eine sehr willkommene Abwechslung. Nicht, dass Paige sie eingesperrt hätte, aber wie Ai schon sagte, war sie mit dem Leben und den Bewohnern von 'World Underneath' nicht besonders vertraut gewesen. Daher war sie eigentlich nur mit Paige zusammen nach draußen gegangen oder vielleicht einmal bis zum Gemüsemarkt, der von ihrer ehemaligen Wohnung nur einen Häuserblock entfernt lag. Wie schäbig Paige ihr eigenes Leben, das sie für Ai völlig umgekrempelt hatte, gerade vorkam, war kaum auszudrücken. Deshalb ließ sie nur kurz den Kopf ein wenig hängen und nickte der Asiatin dann beschwichtigend zu. Sie hoffte wirklich, sich auf Ryon verlassen zu können. Hier waren sie für's Erste in Sicherheit. Ihr war sein Stocken aufgefallen, als er versucht hatte, sich mit Paige zu entschuldigen. Noch wusste Ryon ihren Namen nicht und bei der gemütlichen Runde eben am Tisch, war ihr das durchaus unangenehm gewesen. Immerhin war wohl keiner so dumm, nicht zu bemerken, dass er dieses Detail von ihr nicht wusste. Warum sie ihn diesbezüglich so schmoren ließ, wusste sie selbst nicht genau. Unter Umständen lag es daran, dass sie sich immer noch ein bisschen dafür rächen wollte, dass er ihr Unvermögen unterstellt hatte, was Ai anging. Wenn er so wenig von ihr hielt, wie sie vermutete, dann brauchte er Paiges Namen nicht zu erfahren. Es war immer besser, sich nicht ganz zu offenbaren. Sonst konnten selbst Personen, denen man vertraute einem ganz schön böse mitspielen. Als unbewusste Reaktion auf ihre eigenen Gedanken zog Paige ihre Hände in die Ärmel ihres Oberteils zurück und entzog sie so jeglichen Blicken. Es war ein ganzes Stück durch das Haus, bis sie schließlich schweigend die Bibliothek erreichten. Schon beim Eintreten weiteten sich Paiges Augen, was sich nur noch steigerte, als sie das Ausmaß der Sammlung begriff. Leise und ehrfürchtig ging sie an einem der Regale entlang, die den Erker förmigen Raum säumten, berührte einen alten Buchrücken mit den Fingerspitzen und las ein paar Titel, die in Gold aufgedruckt und teilweise schon am Abblättern waren. Bücher hatten sie schon immer fasziniert, aber weder als Kind, noch als Erwachsene hatte sie in ihrem Leben Platz für dieses Luxusgut gehabt. Ganz im Gegensatz zu Ryon, wie es aussah. Kein Wunder, dass er sich oftmals so gewählt ausdrückte. Bei einer Bank unter einem großen Fenster angekommen, dessen obere Hälfte unterteilt und mit buntem Glas geschmückt war, blieb sie stehen und drehte sich um. „Ich nehme an, dass du als Erstes erfahren möchtest, was ich weiß.“ Sie wartete gar nicht ab, dass er antworten würde, sondern ließ sich auf die Bank sinken und verschränkte ihre Hände auf den Knien. „Viel ist es wirklich nicht. Jemand auf dem Umschlagmarkt hat mich angesprochen und mir einen Zettel mit einer Telefonnummer in die Hand gedrückt. Er sagte, dass irgendeine vermummte Person ihm das für mich gegeben habe. Es handle sich um einen Auftrag, der viel Geld einbringen würde.“ Der Händler hatte wirklich nur von einer 'Person' gesprochen und Paiges Stirn kräuselte sich, als sie an die Stimme am Telefon dachte. „Ich habe mehrmals diese Nummer angerufen. Zuerst, um Informationen über den Auftrag zu bekommen. Wo ich dich aufspüren kann. Irgendwann haben sie mir ein...“ Sie sah ihn prüfend an und dachte an das Foto, das nun wohl immer noch in dem zerfledderten Buch irgendwo in ihrer Wohnung lag, oder inzwischen in den Flammen umgekommen war. „Ein älteres Bild von dir unter der Tür durchgeschoben. Ai war allein daheim und hat niemanden gesehen. Aber der Stimme am Telefon nach, würde ich auf eine Frau tippen. Vielleicht mehrere verschiedene. Ich könnte im Moment keine Auffälligkeiten benennen, außer...“ Die Furchen auf ihrer Stirn wurden noch tiefer, während sie die Augen schloss, um sich jedes noch so winzige Detail ins Gedächtnis zu rufen. „Ich glaube nicht, dass es uns weiter hilft, wenn ich sie als 'verträumt' beschreibe, oder?“ Paige zuckte mit den Schultern und ihr Blick war entschuldigend. Obwohl sie ihm von Anfang an gesagt hatte, dass sie nicht viel wusste. Allerdings hatte sie ja immer noch keine Ahnung, welche Rolle er bei der ganzen Sache hatte. Vielleicht sagte ihm diese mehr als dürftige Beschreibung sogar etwas. Ryon blieb bei der verschlossenen Tür stehen und lehnte mit verschränkten Armen daran, während er Flame dabei zusah, wie sie sich in seiner Bibliothek umschaute. Es war nicht zu übersehen, dass sie etwas für Bücher übrig hatte, vielleicht gefiel ihr aber auch nur die Ausstrahlung, die dieser Raum in sich barg. Es war auf alle Fälle ein Raum der Ruhe und zum Nachdenken, zudem beherbergte er Wissen von mehreren Generationen. Seit seine Eltern gestorben waren, hatte er ihre Büchersammlung übernommen und zum Teil selbst erweitert. Aber so gerne er auch Bücher wälzte, er hatte bisher nie wirklich die Zeit gehabt, sich gründlicher um eine Vervollständigung der Bibliothek zu kümmern. Es gab noch viele Kategorien und wertvolle Werke die fehlten. Als die Diebin sich gesetzt hatte und zu erzählen begann, richtete sich sein Blick auf sie, während er aufmerksam zuhörte. Sie erwähnte verschiedene Frauenstimmen, eine davon hatte ihrer Meinung nach verträumt geklungen. Ein Foto hatten sie von ihm auch noch gehabt? Diese Tatsache war nicht gerade beruhigend, vor allem, da es ein älteres Foto gewesen war und somit nicht erst vor Kurzem gemacht wurde. Um wie viel älter? Selbst nachdem Flame mit ihrer dürftigen Beschreibung fertig war, schwieg er weiter tief in Gedanken versunken. Dabei starrte er den glänzenden Holzboden an, während seine Augen in weite Ferne gerichtet waren. Frauen … das würde seinen Verdacht bestätigen. Wären die Auftraggeber eindeutig männlich gewesen, hätte er seine Vermutung verwerfen können. Die an die er dachte, würden sich jedoch keinem Mann beugen. Immerhin waren sie sozusagen Hexen. Freie Frauen mit freiem Willen, die man(n) nicht bändigen konnte und sollte, sofern man an seinem Leben hing. Aber ein schlagkräftiger Beweis war das natürlich auch nicht. Dennoch, wenn Ryon sich von der Tatsache lossagte, dass das alles nur Zufälle waren und akzeptierte, dass dem eben nicht so war, dann wüsste er zumindest, auf was er seine Aufmerksamkeit richten sollte. Der Gedanke drehte ihm förmlich den Magen um. „Anhand der wenigen Informationen bin ich mir natürlich absolut nicht sicher, aber alles deutet daraufhin, dass dein ehemaliger Auftraggeber eine Hexe ist. Auch bekannt unter den Namen: Zauberin oder Magierin. Garantiert nimmt sie sogar eine höhere Rolle dabei ein. Eine Priesterin oder das Oberhaupt eines ganzen Ordens von Hexen. Normalerweise arbeiten diese Frauen eigentlich nie alleine.“ Das wäre auch ziemlich unpraktisch, wenn es um verschiedene Zeremonien ging, bei denen mehrere andere Gleichgesinnte sich zusammen schlossen. Bei den guten ‚Hexen‘ waren jene Rituale machtvoller, an denen mehrere Personen teilnahmen. Bei Festen konnte man das sehr deutlich spüren, selbst wenn man keine Hexe war. „Was allerdings immer noch keinen Aufschluss darüber gibt, weshalb diese Frau oder der ganze Orden hinter dem Amulett her ist. Zumindest kann ich dir aber schon einmal sagen, wenn das wirklich deine Auftraggeber waren, dann werden sie uns hier niemals finden.“ Weiße Magie war genauso machtvoll wie schwarze Magie. Das Grundstück war also mehr als nur sicher, sollte jemand mit magischen Mitteln versuchen, sie aufzuspüren. Es würde garantiert fehlschlagen. Dafür war gesorgt worden. „Sobald wir das Grundstück jedoch verlassen, sind wir wieder auf uns alleine gestellt. Wenn wir hier in den Büchern also nichts über das Amulett finden, werden wir rausgehen müssen, um weitere Nachforschungen anzustellen. Ich weiß nicht, ob du bei dem Vorschlag dabei bist, aber um zu wissen, weshalb diese Frauen hinter dem Amulett her sind, müssen wir über das Geheimnis des Schmuckstücks selbst etwas herausfinden.“ Normalerweise war Paige wirklich niemand, der stumm vor sich hin grübelte, aber diesmal verfiel sie lange Zeit in Schweigen, während sie über Ryons Worte nachdachte. Er wusste offensichtlich sehr genau, wer da hinter seinem Schmuckstück her sein könnte. Paige selbst wäre nie auf die Idee gekommen, dass es sich dabei um eine Zauberin handeln könnte. Dafür waren die Hinweise, die ihr zur Verfügung standen, einfach zu dürftig gewesen. Aber wenn er wirklich so viel mehr wusste und sie ihm nur eine weitere Bestätigung für seine Vermutung gegeben hatte... Warum machte er sich dann nicht einfach daran und brachte diese Hexe zur Strecke? Abschätzend sah sie zu ihm auf und musterte ihn ausgiebig. Bis jetzt hatte sie immer nur daran gedacht, Hinweise an ihm zu suchen, die ihr sagen konnte, ob und wie gefährlich er ihr werden konnte. Jetzt war die Frage, was er Paige alles verheimlichte und warum er das tun sollte. Ihrer Meinung nach hatte sie ihren Teil der Abmachung bereits erfüllt. Von hier aus konnten sie zwar zusammen arbeiten, aber Paige würde ihrem Gegenüber nur durch ihre Fähigkeiten nützen können. Hinweise hatte sie keine. Sie hatte ihre Auftraggeber ja nie gesehen und an der Stimme würde sie sie auch eher schwer wieder erkennen können. Ihre Augen verengten sich und Misstrauen trat wieder in sie, während sie Ryons Blick suchte. „Ich will hören, was du über diese Hexe weißt.“ Völlig ruhig, um nicht wieder einen Streit vom Zaun zu brechen, sprach sie weiter, während sie aber ihren bohrenden Blick nicht von ihm nahm. „Und versuch' erst gar nicht mir weiß zu machen, dass da nichts ist. Du hast mehr als nur eine Idee, wer es sein könnte. Was ist so schwierig daran sie zu finden und kalt zu stellen?“ Sie sah ein, dass es geschickter war, zuerst mehr über das Objekt der Begierde heraus zu finden. Damit hatten sie so etwas wie ein Druckmittel gegen die vermeintliche Obermagierin in der Hand. Aber ein bisschen altmodische Beinarbeit und Befragung hatte noch nie etwas geschadet. Paige hätte mit dem Händler auf dem Markt angefangen, um zumindest ein paar Details aus ihm heraus zu quetschen. Außerdem war Paige auf dem Umschlagplatz bekannt. Ihr würden auch andere etwas erzählen, wenn sie mehr über diese vermummte Gestalt erfahren wollte. Dazu kam auch, dass vor oder nach ihr selbst bestimmt auch andere bekannte Diebe mit dem Auftrag betraut worden waren. Bei denen konnte man ebenfalls nachfragen. … Wenn sie denn noch am Leben waren, nachdem sie versagt hatten. Geduldig wartete er darauf, dass sie etwas auf seine Worte erwiderte, während er selbst ebenfalls weiter grübelte. Als sie ihm schließlich fest in die Augen blickte, schien selbst die räumliche Distanz zwischen ihnen zu schwinden und sich die Stimmung wieder deutlich aufzuheizen, wo sie doch für eine Weile ziemlich abgekühlt gewesen war. Woran sie wohl beide schuld waren. Immerhin, Flame wollte nicht, dass er ihr etwas weiß machte, obwohl er das bisher gar nicht versucht hatte. Wenn er ihr etwas nicht verraten wollte, dann erwähnte er es auch erst gar nicht. Punkt. Aber darüber würde er sie garantiert nicht aufklären. „Falls dir die Leichen in deiner Wohnung entgangen sind, frische ich dein Gedächtnis gerne noch einmal auf: Das waren auf dich angesetzte Killer, aber im großen und ganzen wären sie in einem Orden wie den dieser Hexe lediglich Laufburschen. Die Kerle sind jederzeit austauschbar, auch wenn sie alles andere als ungefährlich sind. Du kannst gerne selbst hochrechnen, wie schwierig es sein dürfte, die Führungsposition dieses Ordens auszuschalten. Außerdem weißt du selbst, was sie mit Leuten machen, die zu viel wissen.“ Ryon löste sich von der Tür und ging zu einem der großen Fensterbögen hinüber, ehe er fortfuhr. „Ich weiß nicht besonders viel über diese Hexe. Ihren richtigen Namen kennen nur wenige und ich gehöre sicherlich nicht dazu. Also selbst wenn ich schon früher gewollt hätte, könnte ich sie nicht umbringen. Ich wüsste nicht, wo ich sie suchen sollte und solange ich mir nicht absolut sicher bin, dass dieses Weib hinter dem Amulett her ist, werde ich auch nicht jagt auf sie machen. Es könnte sich als fataler Irrtum heraus stellen, weshalb ich mich lieber auf die Suche nach mehr Wissen über das Amulett mache. So oder so, wird man versuchen, es mir ein weiteres Mal zu entwenden. Nur dieses Mal bin ich darauf vorbereitet und weiß worauf ich achten muss.“ Die Letzten, die versucht hatten, es ihm zu stehlen, waren ohne zu zögern von ihm getötet worden, ohne dass er sie lange hatte plaudern lassen. Diese Frau auf seiner Sitzbank war bisher die einzige Ausnahme. „Hör zu.“ Er sah Flame wieder an. „Dieser Orden gehört zu denen, die du als die Bösen bezeichnen würdest. Sie bedienen sich nur zu gerne schwarzer Magie und scheuen auch nicht davor zurück, sich nichtmenschliche Geschöpfe als Haustiere zu halten und für ihre Zwecke zu benutzen. Diese Leute kennen keine Gnade.“ Ryons Tonfall blieb ausdruckslos wie immer, aber er war angespannt. Erst recht, als er seinen Blick wieder abwandte und weiter sprach. „Es hat sehr lange einen Orden der weißen Magie gegeben, der versucht hat, diese Brut der Finsternis aufzuhalten. Aber inzwischen ist davon niemand mehr übrig geblieben. Seit die Hohepriesterin tot ist, haben die Mitglieder ihre Zuversicht verloren und sich in alle Winde zerstreut.“ Zumindest hatte man ihm das erzählt. Er war nie wirklich bei diesen Machtkämpfen dabei gewesen. Um ehrlich zu sein, hatte ihn das Ganze bisher auch nur wenig interessiert. Es gab immer irgendwelche Leute, die Angst und Schrecken verbreiteten, das war absolut nichts Neues. In der Welt des Übernatürlichen erst recht nicht. Wo er Recht hatte, da hatte er Recht. Die Leichen waren ihr natürlich nicht entgangen und würden ihr noch eine ganze Weile im Gedächtnis bleiben. Wenn auch nicht so lange wie die auf der Straße, die sie hatte mit eigenen Händen erledigen müssen. Der Mann mit dem eiskalten Lachen fiel ihr wieder ein und Paige wurde kurz von einem Frösteln durchgeschüttelt. Nein, es würde nicht so einfach werden, an den Kopf dieses Ordens heran zu kommen. Wenn man es recht bedachte, war es sogar besser, wenn irgendjemand Anderes dahinter stecken sollte. Schon allein die Vorstellung, dass irgendjemand Geschöpfe wie sie selbst als Tiere hielt, machte sie so wütend, dass sich das erste Mal an diesem Tag Schuppen über ihren rechten Handrücken schoben. Schnell legte sie ihre Linke darüber, die noch völlig menschlich war und deckte ihre nach außen gezeigte Reaktion vor Ryon ab. Immerhin war es nicht seine Schuld und so wie sie das sah, wollte er mit ihrer feurigen Seite bestimmt keinen Kontakt mehr haben. Inzwischen tat es ihr sogar fast leid, dass sie ihn so stark verbrannt hatte. Aber dass sie einmal auf der gleichen Seite stehen würden, hatte sie zu dem Zeitpunkt in ihrer verwüsteten Wohnung ja nicht wissen können. Um sich selbst und auch den Mann, der sie nicht aus den Augen ließ, ein wenig abzulenken, sah sie sich wieder im Raum um. „Denkst du denn, du hast hier irgendwas, wo Informationen über das Amulett drin stehen? Ich nehme doch an, du hast das Ding nicht erst seit letzter Woche...“ Er hatte gesagt, dass es schon mehrere Versuche gegeben hatte, es ihm abzunehmen. Wenn Paige selbst im Besitz so eines Schmuckstückes wäre und sich zudem so viele Andere dafür interessierten, dann hätte sie schon längst versucht, mehr darüber zu erfahren. Oder änderte sich das, wenn man so viel Geld hatte, dass man sich alles kaufen konnte, was man wollte? Fiel dann so ein Amulett und ein paar kleine Diebe, die es einem abnehmen wollten, nicht mehr ins Gewicht? „Wo willst du anfangen?“ Hoffentlich verstand er, dass das ihre Art war Frieden zu schließen. Wenn sie sich hier weiter irgendetwas an den Kopf warfen, dann würden sie gar nicht weiterkommen. Außerdem stand zu befürchten, dass sie sowieso noch genug streiten würden. „Ich weiß es nicht. Vielleicht findet sich etwas hier in der Bibliothek. Ein paar Bücher könnten irgendetwas Nützliches enthalten, selbst wenn es nur Informationen über diese Hexen sind. Das Internet können wir ohnehin ausschließen. Dort habe ich vor ein paar Tagen schon gesucht und nichts gefunden. Es hätte mich auch gewundert, wenn es anders wäre.“ Wer würde es schon wagen, so gefährliche Daten für alle Welt zugänglich zu machen? Ryon vermied es noch, den Dachboden zu nennen, wenn es um mögliche Informatsionsquellen ging. Er würde diese Möglichkeit erst nutzen, wenn sie hier nichts fanden. Bis dahin blieb die Hoffnung, bereits in den anwesenden Büchern fündig zu werden. Was das Amulett anging, hatte er bisher nicht das Bedürfnis verspürt, etwas darüber heraus zu finden. Für ihn war es noch nicht einmal so wertvoll, weil es aus purem Gold und Juwelen bestand. Er hatte andere Gründe. „Wenn dir jemand Ohrringe schenkt, würdest du auch eine gründliche Recherche darüber anstellen oder dich einfach nur darüber freuen?“, fragte er rein rhetorisch, während er zwischen den Reihen der Bücher verschwand, um nicht länger Zeit zu vergeuden, auch wenn ihm trotz der erschreckenden Erkenntnis über Flames Auftraggeber, schon etwas wohler war. Zumindest lief ihnen die Zeit wohl doch nicht so einfach davon. Sie waren hier vorerst sicher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)