Überleben is' für Weicheier! von Ange_de_la_Mort ================================================================================ 'Preciate it! ------------- Ich hatte nicht sonderlich viel Zeit, um mir Gedanken über Glücksbringer und Vorgänger zu machen, denn kaum hatte ich den ersten Schluck viel zu heißen und viel zu starken Kaffees getrunken, wurde die Tür zur Küche aufgestoßen. Herein kamen der Scout – ein Lied auf den Lippen und den linken Arm in einer Schlinge, in der anderen Hand hielt er einen blauen und ziemlich wichtig aussehenden Metallkoffer – und einige andere Leute, die ich noch nicht kannte. Ganz spontan tippte ich darauf, dass das der Rest meines Teams war. Ich Blitzmerker. Engie lächelte und nippte an seinem Kaffee. „Wie ich sehe, ist alles gut gelaufen.“ „Gut? Machst du Witze?“ Scout ließ sich auf den Stuhl neben mir fallen und schnappte sich meine Tasse, trank einen Schluck daraus. „Du hättest sehen sollen, wie ich diesen Versagern die Ärsche aufgerissen habe!“ „Aber nicht so ganz unbeschadet“, sagte ich und deutete auf die Schlinge. Er winkte ab und verschüttete dabei ein wenig Kaffee. „Das hat der gute Medic im Handumdrehen gerichtet. Dafür war da drinnen einfach viel zu wenig Zeit und Platz gewesen. Aber Medic kriegt alles wieder hin.“ Er grinste und musterte mich, neigte den Kopf ein wenig zur Seite. „Dich hat er ja auch wieder zusammengeflickt, Blondie.“ „Äh“, machte ich und nahm mir vor, mir das dringend abzugewöhnen. „Wie man sieht.“ Wie von selbst fuhr meine Hand zu dem Verband und strich darüber. Gleichzeitig fragte ich mich, ob das wohl eine eigene, seltsame Art einer Entschuldigung sein sollte. „Hat'n ziemlich cooles Geräusch gegeben, als deine Rippen gebrochen sind!“ Na gut, ich revidierte meinen letzten Gedanken. Das war definitiv keine Entschuldigung. Vielen Dank auch. „Da kann ich ja von Glück reden, dass mich der erste Schlag auf die Birne bereits ausgeknockt hat“, murmelte ich finster und klaute meine Tasse zurück, versteckte mich dahinter. „Eigentlich kannst du von Glück reden, dass dem eben nicht so war“, sagte ein schwarzhaariger Mann, der sich hinter uns aufbaute. Ich zuckte zusammen und sah zu ihm hoch, identifizierte ihn durch meine logische Schlussfolgerung als den Medic. Zugegeben, der Arztkittel mit den aufgestickten Notarztkreuzen und die Gummihandschuhe, von denen ich gar nicht wissen wollte, warum er sie ständig trug, waren auch sehr eindeutige Anzeichen für das, was er war. Er lächelte mich auf eine beunruhigende Art und Weise und mit einer Mischung aus Überheblichkeit und Genugtuung an, rückte seine Brille zurecht. Und dann sagte er einige Worte, die ich nicht verstand und die ich irgendwie für eine Beleidigung hielt. „Sonst könntest du im besten Falle mit inneren Blutungen und im schlimmsten Falle mit dauerhaftem Gehirnschaden rechnen.“ Ich starrte ihn entsetzt – und peinlicherweise mit offenem Mund – an und drehte mich dann zu dem noch immer grinsenden Scout um. „Wenn du das nächste Mal das Bedürfnis hast, mich zusammenzuschlagen, dann bitte nicht auf den Kopf, ja?“ „Einverstanden, Blondie.“ Hmm. irgendwie hatte ich die leise Ahnung, welchen Spitznamen ich nie wieder loswerden würde. Wie auch immer, Medic jedenfalls zog den Scout verbal mit sich, wohl um ihn entweder zu verarzten oder um rabiate, menschenverachtende Experimente an ihm auszuführen. Zutrauen würde ich ihm beides. Ich seufzte leise und richtete meine Aufmerksamkeit auf die anderen Anwesenden im Raum. Im Gegenzug wurde ich geflissentlich ignoriert. Auch gut. Das störte mich nicht, denn immerhin wollte ich mir unbemerkt ein Bild von ihnen machen. Der Kerl mit dem Helm fiel mir als erstes auf – seiner Lautstärke wegen. Er war groß und klobig, irgendwie … rechteckig geformt. Und er war mitten in eine Unterhaltung vertieft, wobei er selbst sich nicht unterhielt. Er schrie, statt zu reden. Er lachte bellend. Er war alles in allem übermäßig laut und autoritär und durchgedreht und furchteinflößend. Er erinnerte mich an Vater. Unnötig zu sagen, dass ich ihn nicht mochte. Dann war da noch der Schwarze mit der Augenklappe – aufgrund der Tatsache, dass er an einer Whiskeyflasche nuckelte, war ich zu fast einhundert Prozent sicher, dass das der Demoman mit dem Alkoholproblem sein musste – und ein riesiger, schwerer Typ, der alleine vom Aussehen her Heavy sein musste. Ganz nebenbei stellte sich mir die unausweichliche Frage, ob Körpergröße ein Aufnahmekriterium darstellte. Falls ja – was machte ich dann hier? Hinter mir gab es einen Knall. Ich zuckte stark zusammen und wich automatisch zurück – was leider bedeutete, dass ich mit dem Stuhl nach hinten kippte, ein polterndes Geräusch verursachte und damit rechnen durfte, die Aufmerksamkeit eines jeden Augenpaares – soweit paarweise vorhanden – auf mir ruhen zu haben. Sehr zu meiner größten Freude, versteht sich. Ich rappelte mich also auf stellte auch den Stuhl wieder hin und – da sich leider kein Erdloch auftat, das mich verschlucken könnte – schaute notgedrungen zu dem Mistkerl, der mich da so erschreckt hatte. Er war eine von jenen Gestalten, denen ich nicht im Dunkeln begegnen wollte. Im Hellen übrigens auch nicht. Immerhin und beruhigenderweise war er nicht sonderlich viel größer als ich und trug einen dunkelblauen Nadelstreifenanzug inklusive Krawatte und Hemd. Dazu schwarze Lederhandschuhe. Wenn ich bedachte, wie sehr mir hier teilweise der Schweiß auf der Stirn stand, musste er ja erst recht schwitzen. Oder vielleicht hatte er sich bereits an die Hitze gewöhnt. Den Abschluss und das auffälligste Accessoire, das ich der Dramatik wegen zum Schluss erwähne, war eine ebenfalls dunkelblaue Sturmmaske. Man kann nachvollziehen, dass er mir durch und durch unheimlich war. Wie ich nach der ersten Schrecksekunde feststellte, hatte er den Knall dadurch verursacht, dass er den Metallkoffer auf den eisernen Tisch gehievt hatte. Hier war übrigens so gut wie alles aus Metall oder Stahl oder Gusseisen. „Musstest du mir so einen Schrecken einjagen?“, fragte ich ihn mürrisch und richtete meine Weste. „Offensichtlich. Gewöhn' dich dran.“ Also das war doch wohl … ! „Überraschungen gibt es hier immer. Wenn du damit nicht zurechtkommst, kannst du gleich wieder gehen. Angsthasen und Feiglinge haben hier keinen Platz.“ „Ich bin kein -“ Zum Protestieren kam ich leider nicht, da mich in dem Moment der charakterliche Doppelgänger meines Vaters aus dem Weg stieß und ich krampfhaft mit den Armen rudern musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und zum dritten Mal an diesem Tag den Boden zu küssen. „Und?“, fragte er den Spy – und ich war mir sicher, dass das der Spy sein musste, sonst blieb ja niemand mehr übrig. Außer dem Pyro. Aber ich bezweifelte, dass jemand, dessen Job es war, Dinge in Brand zu stecken, das tat, während er einen schicken Nadelstreifenanzug trug – und ich konnte sehen, dass er noch mehr sagen oder fragen wollte, doch der Spy hob nur eine Hand; mit der anderen strich er über das Zahlenschloss des Koffers. „Alles in Ordnung“, sagte er dann. „RED konnte den Code nicht knacken.“ Das war offenbar gut, denn der Soldier nickte zufrieden. Was dann folgte, war weniger gut. Denn dann erblickte er mich. Und dabei war sein Gesichtsausdruck alles andere als glücklich. „Und du bist?“ Ich schluckte. „Sir, der neue Sniper, Sir!“, sagte ich mit fester Stimme und versuchte, eine gerade Haltung einzunehmen, was wirklich alles andere als leicht war, wenn einem die Knie schlotterten. Er musterte mich von Kopf bis Fuß und beugte sich zu mir herab, wobei sich seine Nasenflügel so sehr aufblähten, dass ich schwören könnte, er würde an mir schnuppern wie ein wilder Stier. Oder so. „Das kann nicht sein!“, entschied er schließlich. „Man würde uns kein Kind in die Truppe schicken!“ Eigentlich war ich kein Kind, sondern bereits dreiundzwanzig und außerdem war ich der Meinung, dass Scout um einiges jünger sein musste als ich, aber das war eines der vielen Dinge, die ich niemals sagen konnte, weil man mich einfach nicht zu Wort kommen ließ. „Hast du überhaupt schon einmal auf einen Menschen geschossen?“ „... nein.“ „Wie war das?“ „Sir, nein, Sir?“ Er sah mich an, als wäre er von mir ziemlich angewidert. Was er wahrscheinlich auch war. „Du!“ Er stupste mit dem Zeigefinger fest gegen meine Brust – au, ganz nebenbei! „Du wirst es lernen, du wirst dein Quartier niemals von innen sehen, du wirst diese Küche nie wieder betreten, du wirst wie ein guter Soldat im Dreck schlafen und dich von Maden ernähren, du kleine wertlose Made -“ War ich der einzige, der bemerkte, dass das keinen Sinn ergab? Wenn ich doch … und mich von … das wäre dann doch Kannibalismus, oder? „Du wirst jetzt sofort - “ „Morgen“, kam mir Engie zu Hilfe, der das Ganze bis dato schweigend beobachtet hatte. „Er kann morgen anfangen. Wir haben Waffenstillstand, da eilt es nicht so sehr.“ In diesem Moment wollte ich Engie am liebsten küssen, so dankbar war ich ihm. Mit einem Lächeln auf den Lippen und einem Augenzwinkern beschrieb er mir den Weg zu meinem Zimmer, wo ich erst einmal in aller Ruhe meinen Kram auspacken sollte. „Und um Punkt Zwanzighundert Z bist du wieder hier“, brüllte mir Soldier hinterher, während ich bereits den Rückzug antrat, „sonst kannst du sehen, wo du Nahrung herbekommst!“ Nun, im schlimmsten Fall konnte ich ja immer noch nach Maden suchen … Aber erst einmal zurück zur Garage, denn dort lag noch immer mein Rucksack, den ich bei meinem glanzlosen Auftritt verloren hatte. Mit einem leisen Seufzen streifte ich durch die Gänge und versuchte, mich an den Schildern zu orientieren. Da konnte ich leise Schritte hören, das Klackern von Absätzen auf dem Fußboden. Und ich nahm den schwachen Duft von Zigarettenrauch und Asche wahr. Aber so unscheinbar, in so weiter Ferne, dass ich dachte, ich hätte es mir eingebildet. Leider stellte sich sehr schnell heraus, dass ich mich da geirrt hatte – denn in genau diesem Moment wurde ich angegriffen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)