Überleben is' für Weicheier! von Ange_de_la_Mort ================================================================================ Things just gettin' started --------------------------- Das Bewusstsein zu verlieren, ist gar nicht so schlimm, wie man immer annimmt. Das Aufwachen hingegen … das ist grauenvoll. Mein Kopf hämmerte und dröhnte, als hätte ihn jemand mit einer Buschtrommel verwechselt, was – wenn ich ehrlich war – der Wahrheit nicht wirklich widersprach, und jede meiner Rippen begrüßte mich einzeln und unbegeistert und in vorwurfsvollem Tonfall. Ich ächzte leise, als ich die Augen aufschlug, und ächzte gleich wieder, da mich grelles Deckenlicht blendete. Vorsichtig betastete ich meinen Schädel, um festzustellen, ob er überhaupt noch auf meinem Hals saß. So sicher war ich mir im ersten Moment nicht. Glücklicherweise befand sich alles noch am richtigen Platz. Und außerdem hatte mir irgendeine freundliche Seele einen Verband um den Schädel gewickelt, wahrscheinlich damit mein Hirn nicht nach draußen tropfte. Selbige gute Seele hatte mich außerdem netterweise vom Boden aufgesammelt und offensichtlich zur Krankenstation gebracht. Zumindest hatte das auf mich den Anschein – wenn ich das Krankenbett und den Geruch nach Desinfektionsmittel als Hinweis sehen durfte. Langsam setzte ich mich auf und hielt mir die Stirn, schwang dann die Beine über den Rand des Bettes und traute mich aufzustehen. Zu meiner eigenen großen Freude und Verwunderung legte ich mich nicht gleich wieder auf die Nase, auch wenn ich im ersten Augenblick bedrohlich schwankte. Es war – so befand ich zumindest – an der Zeit, sich umzusehen. Immerhin war niemand im Raum. Mal wieder. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Solange ich nicht wieder verprügelt wurde, sollte es mir recht sein … Ich verließ die Krankenstation und wandte mich nach rechts, den nächstbesten Gang entlang und um die Ecke. Wo ich dummerweise gegen jemanden prallte. Hmm. Ich ließ an meinem ersten Tag wirklich kein Klischee aus. Jedenfalls richtete ich meinen Blick nach vorn, um zu sehen, wer mich da beinahe umgerannt hatte. Und als das nicht half, richtete ich meinen Blick nach oben. Und schluckte. Der Mann, der vor mir stand, war nicht viel größer als ich, aber doch um einiges stämmiger. Und die hochgekrämpelten Ärmel seines Hemden entblößten ein paar Muskeln, von denen ich mich eigentlich sehr gerne sehr schnell wieder entfernen wollte. Als er mir mit der behandschuhten Hand – der riesigen behandschuhten Hand, wie ich hinzufügen möchte – auf die Schulter klopfte, dachte ich, er wollte mir selbige brechen. Also ächzte ich wieder auf. „Sieh an, du weilst wieder unter den Lebenden.“ Er grinste breit und musterte mich eingehend, wobei ich überrascht blinzelte, weil seine Stimme um einiges weniger finster und düster klang, als ich angenommen hatte. „Und du bist also unser neuer Scharfschütze.“ „Äh“, machte ich und als ich merkte, wie wenig intelligent ich dabei klang, fügte ich schnell hinzu: „Ich bin – “ „Unser neuer Scharfschütze“, wiederholte er und grinste. Wahrscheinlich über meinen absolut dämlichen Gesichtsausdruck. „Ja, aber … “ Wieder ließ er mich nicht ausreden. „Mehr müssen wir nicht wissen. Mehr wollen wir nicht wissen. Weißt du“, sagte er freundlich und legte mir einen Arm um die Schulter, auf den ich misstrauisch schielte, „hier interessiert es keinen, wer du bist oder woher du kommst oder wer dir als Kind den Hintern abgewischt hat. Hier zählt nur, was du kannst.“ „Oh“, machte ich leise und blinzelte einige Mal. Das hörte sich für mich ziemlich einsam an. Niemand wollte wissen, wer man war, woher man kam, welche Sorgen und Sehnsüchte und Ängste man hatte. Heute weiß ich, dass es besser war, dass es endlich um mich ging und nicht darum, im Schatten meines Vaters zu stehen und mit Erwartungen konfrontiert zu werden, die ich nicht erfüllen konnte. Auch damals war mir klar, dass ein Teil des Drucks, der mich erwartete und den ich mir selbst auferlegt hatte, damit verschwinden würde. Dennoch kam es mir damals einsam vor. Heute bin ich gerne einsam … „Und du bist?“, fragte ich und sah zu ihm hoch, sah das schmale Lächeln und die vor Intelligenz funkelnden Augen und fand ihn plötzlich gar nicht mehr so furchteinflößend. Wie schnell sich so ein erster Eindruck änderte, wie? Das sollte ich übrigens noch öfter lernen. „Ich bin der Ingenieur hier“, sagte er und deutete mit dem Daumen auf sich. „Kannst mich Engie nennen, Junge. Tut jeder hier.“ Er nickte mir zu und machte eine ausladende Geste mit der freien Hand. „Ich sorge dafür, dass hier alles funktioniert, halte den Kram in Schuss, damit keiner über kaputte Radios klagt. Oder über nicht funktionierende Selbstschussanlagen. Ha! Das wär ja auch eine Schande, was, Junge?“ „Äh … “ „Du fragst dich sicher, wo der Rest der Rasselbande steckt.“ „Also … “ „Weißt du, nachdem unser Scout aufgehört hatte, deinen Schädel als Baseball zu missbrauchen und dabei zu schreien: 'Hierher! Hierher! Ich hab den Drecksack!', und als wir aufgehört hatten, uns um dich zu scharen und uns zu wundern, warum du nicht zu 'nem Spion wurdest, war uns aufgefallen, dass der echte Bastard von den REDs sich mit unseren geheimen Unterlagen aus dem Staub gemacht hatte.“ „Oh.“ „Ja, 'oh' haben wir dann auch gesagt. Na ja, jedenfalls sind die anderen jetzt unterwegs, um unsere Sachen zurückzuholen.“ Ich nickte. Einerseits fühlte ich mich ein wenig schuldig, weil ich gleich an meinem ersten Tag unfreiwillige Beihilfe bei einem Diebstahl geleistet hatte. Andererseits, so dachte ich, waren die Idioten doch selbst schuld und es geschah ihnen ganz recht, für diese Dummheit bestraft zu werden. Man hätte mich doch auch einfach fragen können, ob ich zu den Guten gehörte oder nicht! „Wie sind die anderen so?“, fragte ich also einfach nur. „Ganz in Ordnung, wenn man sich mit ihnen näher befasst“, sagte er, während er mich durch die Gänge zog und ich mich umsah und verzweifelt versuchte, nicht die Orientierung zu verlieren. „Den Scout kennst du ja schon.“ Er lachte darüber, dass ich eine Grimasse zog und den Verband betastete. „Keine Sorge, er ist nicht immer so voreilig. Dann gibt es noch unseren Arzt. Der hat dich wieder zusammengeflickt. Oh, und er meinte, dein Schädel wäre härter als Beton und wir sollten dich mitnehmen, wenn wir das nächste Mal in die gegnerische Basis müssen. Wir könnten dich als Rammbock benutzen.“ „Ein echtes Herzchen“, murrte ich leise. „Nicht wahr?“ Er erzählte weiter. Von dem Bombenleger, den ich besser nicht aufregen oder auf sein Alkoholproblem ansprechen sollte, was wiederum nur darin resultieren würde, ihn aufzuregen. Von dem Spion, der immer grimmig erschien, aber eigentlich ein Herz aus Gold hatte. Von dem Typen mit dem Flammenwerfer, der eigentlich überhaupt nichts von sich preisgab. Von „Heavy“, der eigentlich gar nicht Heavy hieß. „Bei unserem Soldaten solltest du aufpassen.“ Wir erreichten die Küche und er scheuchte mich an den Tisch, während er uns beiden Kaffee kochte. „Etwas Gutes hat er. Er hasst jeden gleichermaßen, also diskriminiert er wenigstens keinen. Zumindest nicht absichtlich. Halt dich einfach von ihm fern, es sei denn, er redet mit dir. Dann bist du besser höflich. Oh, und vergiss nicht, ihn immer beim Namen zu nennen.“ „Name?“ Engie zwinkerte mir zu. „Er heißt 'Sir, ja, Sir!'“ Das sollte sicher ein Scherz sein. Dummerweise fand ich ihn nicht zum Lachen. Es erinnerte mich schmerzhaft an meinen Vater. Ihn nannte man besser genauso – es sei denn, er fragte mich, ob ich etwas wert war, dann lautete die Antwort „Sir, nein, Sir!“ Klang das undankbar? Das klang undankbar, oder? Mist. Das wollte ich nicht. Zurück zum Thema. Es war ziemlich viel, das ich mir merken musste, wenn man bedachte, dass ich mir durch die Kopfschmerzen eigentlich nichts merken konnte. Also sah ich einfach zu, wie der Kaffee tropfenweise durch den Filter lief, während Engie nach zwei Tassen griff. „Ich denke, ich hab da was, das dich aufmuntern wird, Junge. Eine Art Glücksbringer.“ Er reichte mir eine der Tassen und grinste mich erwartungsvoll an. Ich lächelte. Ich zwang mich dazu. Ich wusste doch, dass er es nett meinte. Aber als ich die Aufschrift auf der Tasse sah, krampfte sich mir der Magen zusammen. Nicht nur, weil ich glaubte, ich würde sie nicht verdienen. '#1 Sniper', wie? Wenn man bedachte, dass sie wohl meinem Vorgänger gehört hatte, und man weiterhin bedachte, was mit ihm passiert sein musste, weil ich sonst ja nicht hier wäre … dann hatte sie ihm wohl nicht sonderlich viel Glück gebracht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)