Nachhilfe von Wolfseye (H&M) ================================================================================ Kapitel 5: Vermisst ------------------- Michiru wurde diesen Morgen unsanft von der Sonne geweckt. Sie Blinzelte einige Male und richtete sich dann langsam auf. Diese Nacht hatte sie nicht so gut geschlafen und vor allem viel zu kurz. Sie schlich, noch total müde zum Badezimmer und ging erst mal Duschen. Eine halbe Stunde später kam sie dann, etwas wacher, fertig angezogen unten in der Küche an. Es war aber niemand zu sehen. Sie schaute kurz auf die Uhr an der Wand und konnte kaum glaube, dass es schon halb zwölf sein sollte. Michiru konnte sich nicht erinnern jemals so lange geschlafen zu haben, eigentlich war sie eine Frühaufsteherin. Etwas geschockt verließ sie die Küche wieder und fand Sachiko schließlich im Wohnzimmer, mit einem Buch und einer Tasse Tee in der Hand. „Guten Morgen, Sachiko-san.“ „Ah, Michiru-san. Aber ich fürchte für ein "Guten Morgen" ist es schon etwas spät.“ sagte sie mit einem Lächeln. „Ja, da hast du wohl recht.“ Michiru setzte sich etwas verlegen auf das Sofa ihr gegenüber. „Wann seid ihr denn Gestern zurückgekommen? Ich hab euch gar nicht gehört. Scheint ja ziemlich spät geworden zu sein, wenn du so lange schläfst.“ „Ich glaub es war so gegen zehn, aber dann hab ich noch angefangen zu malen und konnte einfach nicht wieder aufhören. Ich weiß nicht wann ich dann endlich ins Bett gegangen bin.“ „Ach, so. Darf ich fragen was du gemalt hast? Wenn es dich so gefesselt hat, dass du nicht mehr aufhören konntest muss es ja ein umwerfendes Motiv gewesen sein.“ „Ähm, eigentlich waren es nur verschiedene Skizzen, also nichts Besonderes. Und ich werde eigentlich immer so vom Malen gefesselt, egal was ich male.“ Michiru wurde plötzlich ziemlich unwohl in ihrer Haut, denn jedes einzelne Bild was sie gestern gemalt hatte zeigte immer nur ein und dasselbe Motiv und das war natürlich Haruka. „Okay, du musst es mir nicht sagen, wenn du nicht möchtest, aber wie war denn euer Ausflug? Hat Haruka sich benommen? Und von dem Unterricht musst du mir auch erzählen. Ihr konntet ja gestern gar nicht mehr aufhören zu lernen.“ Sachiko war wirklich ziemlich Neugierig, was sie auch gar nicht versuchte zu verbergen. „Also der Ausflug war einfach wundervoll. Wir waren am Tokio Tower, im Aquarium, im Nationalmuseum und danach noch shoppen.“ „Shoppen? Du warst mit Haruka shoppen?“ „Ja. Sie war auch nicht begeistert darüber aber ich glaube, so schlimm fand sie es dann doch nicht. Jeden Falls hat sie nichts gesagt.“ Michiru konnte sich sehr gut an die Blicke erinnern, die Haruka ihr jedes Mal schenkte, wenn sie aus der Umkleidekabine gekommen war, und war der Meinung, dass es für sie daher gar nicht so schlimm gewesen sein konnte. „Wirklich? Als ich das letzte Mal mit ihr Einkaufen war, hat sie mir die ganze Zeit die Ohren voll gejammert und mit ihrer schlechten Laune sämtliche Verkäufer verschreckt.“ „Ja, das kann ich mir gut vorstellen.“ sagte sie kichernd. „Und bei dir hat sie sich benommen? Die ganze Zeit über?“ „Ja. Sie war nicht einmal gemein oder unhöflich, sondern eher sehr zuvorkommend.“ Sachiko konnte sich das überhaupt nicht vorstellen und sah Michiru nur ungläubig an. „Auch beim Lernen hat sie sich benommen. Ich glaube, es hat ihr sogar gefallen.“ Michiru amüsierte sich richtig über Sachikos Unglauben. „Ich kann das alles nicht glauben. Hast du irgendein Geheimrezept, oder so was? Wenn ja, musst du es mir unbedingt verraten.“ „Nein, hab ich nicht. Ich war selbst ein bisschen überrascht, dass sie plötzlich so freundlich zu mir war. Beim Frühstück hatte ich noch richtige Angst vor ihr.“ „Schade. Aber egal was es ist, dass sie so verändert hat, ich hoffe es hält noch etwas länger an.“ „Das hoffe ich auch.“ „Und wie war der Unterricht an sich? Konntest du ihr helfen?“ „Also, eigentlich war der Unterricht nicht wirklich nötig.“ sagte sie zögerlich. „Wie meinst du das? Haruka schreibt nur noch fünfen und sechsen. Sie brauchte auf jeden Fall Hilfe.“ fragte Sachiko verwirrt. „Ja. Aber nicht weil sie den Unterricht nicht versteht. Sie hatte gestern nicht die geringsten Schwierigkeiten mir zu folgen und hat alle Aufgaben die ich ihr gestellt habe auf Anhieb richtig gelöst. In Mathe ist sie sogar besser als ich. Sie hat mir gesagt, sie hätte einfach keine Lust auf die Schule und deshalb nicht mehr mit gemacht, aber ich glaube, da steckt noch irgendetwas anderes dahinter, ich weiß nur nicht was.“ Sachiko verstand die Welt nicht mehr. Ihre Tochter soll mit Absicht ihre Noten so verschlechtert haben? Das konnte sie sich nicht vorstellen, also musste Michiru Recht haben und es einen anderen Grund dafür geben. Aber was könnte ihre Tochter dazu bringen so schlecht in der Schule zu werden? „Ich hatte keine Ahnung, dass es einen anderen Grund dafür geben könnte. Ich dachte sie würde im Unterricht nicht mehr mitkommen und sei deshalb immer so schlecht gelaunt und fängt diese Schlägereien an. Aber warum sagt sie mir denn nicht, was sie für ein Problem hat? Sie kann doch über alles mit mir reden.“ „Das weiß ich leider auch nicht.“ Aber Michiru wollte es unbedingt herausfinden. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Haruka leiden oder schmerzen haben könnte. „Ich danke dir, dass du mir das erzählt hast, Michiru-san. Ich glaube du bist an nur einem Tag näher an sie ran gekommen, als ich in einem ganzen Jahr.“ „Das glaube ich nicht.“ „Oh doch, glaub mir.“ Eine Weile saßen sie nur schweigend da, bis Michiru die Stille unterbrach. „Ist Haruka-san eigentlich schon wach?“ „Ich glaube nicht, jeden Falls habe ich sie heute noch nicht gesehen. Ach, und da fällt mir ein, deine Mutter hat gestern Abend noch angerufen. Sie war ziemlich besorgt, weil du dich noch nicht gemeldet hast.“ Michirus Augen weiteten sich vor Schreck. „Oh Gott, das hatte ich ja völlig vergessen. Ich hab ihr versprochen mich spätestens am nächsten Tag zu melden.“ „Ja, das hat sie auch gesagt und sich schon schreckliche Sorgen gemacht. Aber ich denke, ich konnte sie beruhigen, musste ihr aber versprechen, dass du dich heute auf jeden Fall bei ihr meldest.“ „Das mach ich am besten sofort. Darf ich euer Telefon benutzen?“ „Natürlich darfst du. Es steht da hinten auf dem Tisch. Ich werde dir inzwischen eine Kleinigkeit zu essen machen. Du musst doch schon Hunger haben.“ „Oh, aber das musst du nicht. Ich kann mir auch selbst was machen. Das ist wirklich nicht nötig.“ „Ach, was. Bei der Gelegenheit kann ich mir selbst auch noch was machen, und wenn Haruka heute noch mal aufstehen sollte, hat sie bestimmt auch Hunger.“ „Na, gut. Danke.“ Michiru ging zum Telefon herüber und wählte sofort die Nummer ihrer Eltern, während Sachiko in der Küche verschwand. Die nächste halbe Stunde verbrachte Michiru damit ihrer Mutter in allen Einzelheiten zu erzählen, wie sie es hier fand und was sie schon alles erlebt hatte. Nur gewisse Einzelheiten über Haruka ließ sie aus. Danach ging sie wieder zu Sachiko in die Küche, wo sie dann gemeinsam etwas aßen. „Willst du Haruka gar nicht wecken, damit sie mit uns zusammen essen kann?“ fragte Michiru ganz nebenbei. Sie vermisste die Anwesenheit der Sportlerin nämlich schon die ganze Zeit und fand es mehr als seltsam, dass sie immer noch nicht aufgestanden war. „Auf keinen Fall! Wenn es keinen triftigen Grund gibt, dass Haruka wirklich aufstehen muss, wie die Schule zum Beispiel, tu ich mir das sicher nicht freiwillig an.“ „Wie meinst du das?“ fragte Michiru verwundert. „Glaub mir, es ist gefährlich sie zu wecken, wenn sie eigentlich noch hätte schlafen können, und ihre Laune ist dann auch nicht zu ertragen. Obwohl sie langsam wirklich mal aufstehen könnte. Normalerweise ist sie spätestens um zwölf wach.“ Haruka kam aber nicht und so aßen die zwei alleine zu Ende. Nachdem sie alles abgeräumt hatten ging Michiru wieder nach oben. Die Künstlerin wollte unbedingt wissen wo Haruka blieb. Sie hatte die Warnung von Sachiko zwar ernst genommen, aber sie konnte ja wenigstens mal nachsehen, ob diese eventuell schon wach war und einfach nur nicht runter gekommen war. An der Tür angekommen Klopfte sie vorsichtig an. … Nichts. Sie tat es noch einmal, dieses Mal kräftiger. „Haruka-san, darf ich reinkommen? Ich bin’s, Michiru.“ … Wieder nichts. Also machte sie einfach die Tür auf und trat vorsichtig ins Zimmer. ... Es war leer! Geschockt sah sich Michiru im ganzen Raum um. »Wieso ist sie nicht hier? Ist sie etwa weggefahren? Ohne etwas zu sagen? Oder ist sie irgendwo anders im Haus?« Michiru ging zur Badezimmertür und öffnete sie einfach. … Auch leer. Jetzt wurde sie langsam nervös. Sie verließ das Zimmer wieder und sah in jedem Raum auf dieser Etage nach aber sie konnte sie einfach nicht finden. Stattdessen fand sie das andere Badezimmer, welches Sachiko erwähnt hatte und ein Zimmer, welches sie sich unter anderen Umständen sehr viel genauer angesehen hätte, aber im Moment wollte sie einfach nur Haruka finden. Als sie diese Etage durch hatte tat sie unten genau dasselbe, nur das Wohnzimmer und die Küche ließ sie aus. Aber Haruka blieb verschwunden. Also blieb nur noch eine Möglichkeit. Sie ging nach draußen und sah vor der Garage immer noch das gelbe Auto stehen aber was viel wichtiger war, das Garagentor stand offen und es fehlte das Motorrad. Sie war also wirklich weg gefahren. Wann? Wohin? Und wieso hat sie nichts gesagt? Michiru war jetzt nicht nur besorgt und nervös sondern auch noch sauer. Wütend ging sie ins Haus zurück und landete wieder bei Sachiko im Wohnzimmer auf der Couch. „Sie ist überhaupt nicht da!“ sagte Michiru genervt. „Was?“ Verwundert sah Sachiko von ihrem Buch auf. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass Michiru schon wieder bei ihr war. „Haruka-san. Ich wollte nachsehen, ob sie vielleicht doch schon wach ist, aber sie ist nicht in ihrem Zimmer und das Motorrad ist aus der Garage verschwunden. Also ist sie weg!“ „Was, sie ist weg? Ah, ich hätte die Schlüssel für die Garage zurück verlangen sollen. Na ja, was soll’s. Sie wird schon wieder auftauchen. Mach dir keine Sorgen, das ist wirklich nicht das erste Mal, dass sie plötzlich spurlos verschwindet.“ „Na gut, du hast recht. Ich bin dann in meinem Zimmer.“ sagte sie enttäuscht. Michiru erhob sich und ging wieder rauf. Sachiko sah ihr schmunzelt hinterher. Es war auch nicht so, dass Michiru die Sorge quälte der Rennfahrerin könnte etwas passieren, sondern eher was die jetzt tat, ohne sie. Sie kam an dem Raum vorbei den sie vorhin noch ignoriert hatte und da sie ja jetzt nichts Besseres mehr Vorhatte ging sie wieder hinein. Dieser Raum war etwas kleiner als ihr Zimmer aber nicht weniger beeindruckend. An den Wänden waren große Vitrinen und regale angebracht in denen Überall Urkunden, Medaillen und Pokale standen. Sogar Fotos waren dazwischen zu finden. Überall Haruka drauf, wie sie langsam immer älter wurde. Michiru musste unweigerlich lächeln. Haruka sah wirklich schon immer wie ein Junge aus. Auf keinem der Fotos hatte sie lange Haare oder Kleider an. Langsam ging sie an der Schrankwand entlang und sah sich alles genauer an. Es waren nicht nur Auszeichnungen im Motorsport, sondern auch so gut wie alle anderen Sportarten die Michiru kannte vertreten. Und fast überall war der erste Platz versehen. Die Violinistin war ziemlich beeindruckt, dass Haruka so sportlich, und auch noch so gut war, hatte sie nicht gewusst. Aber am interessantesten fand sie den großen Flügel der in der Mitte des Raumes stand. »Könnte es sein, dass der Haruka gehört? Wenn ja, muss ich das unbedingt hören. Vielleicht könnten wir ja sogar Mal zusammen spielen.« Michiru träumte schon von einem Duett mit Haruka und bekam wieder leuchtende Augen. Sie verließ den Raum wieder und nahm sich sofort als sie in ihrem Zimmer angekommen war, ihre Geige zur Hand und fing an zu spielen. Den Rest des Tages verbrachte sie damit Geige spielen, zu malen und wartete sehnsüchtig auf die Rückkehr Harukas. Sie zerbrach sich den Kopf darüber wo diese war, was sie tat, ob sie vielleicht immer noch sauer auf sie war und deshalb verschwunden war, was ihr Problem wegen der Schule sein könnte, ob es ihr gut ging und … und … und …. Haruka war natürlich erfolgreich in ihrem Plan gewesen. Sie hatte schon nach wenigen Minuten an der Bar mehrere Angebote von hübschen Frauen erhalten. Sie hatte sich natürlich, die für sie schönste und gefügigste rausgepickt und war schon nach einigen Drinks und Flirtspielchen auf den Weg mit ihr zu deren Wohnung unterwegs. Ihre Wahl war dann zwar doch ziemlich geschockt, dass sie sich keinen Mann mit nachhause genommen hatte aber Haruka wusste genau wie sie eine Frau rumbekam, besonders wenn diese sich schon vor Lust verzehrten und so hatte sie natürlich genau das bekommen was sie wollte. Allerdings bekam sie für nicht eine Sekunde das Türkishaarige Mädchen aus ihrem Kopf. Irgendwann war sie dann völlig genervt und erschöpft neben dem Mädchen, dessen Namen sie nicht einmal wusste, eingeschlafen. Total erschrocken riss Haruka die Augen auf. Irgendwas war ihr ins Gesicht geknallt. Sie richtete sich auf und sah neben sich. Dort lag, noch immer Nackt, ihr "Opfer" von letzter Nacht. Sie hatte sich offenbar im Schlaf umgedreht und Haruka dabei ihren Arm ins Gesicht geschlagen. Die Sportlerin ließ ein leises Grummeln von sich hören und stand dann vorsichtig auf, um die andere nicht zu wecken. Sie sammelte ihre Sachen vom Boden auf und verließ dann leise das Zimmer. Nachdem sie sich im Flur angezogen hatte, machte sie sich auf den Weg zu ihrem Motorrad, welches unten an der Straße stand. Jetzt saß sie auf ihrer Maschine und hatte keine Ahnung wo sie hin fahren sollte. Auf jeden Fall nicht nachhause, das stand fest. Dort würde sie nur auf Michiru treffen und wahrscheinlich könnte sie der Versuchung nicht widerstehen und würde mit ihr gemeinsam den Tag verbringen. Nein. Sie musste sich unbedingt von diesem Mädchen fernhalten, zum Wohl ihrer als auch deren Sicherheit. Aber sie vermisste sie schon jetzt, auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte. Sie startete den Motor und fuhr erst mal zu einem Café, um zu frühstücken, doch wirklich Appetit hatte sie nicht. Es war erst acht Uhr Morgens und eigentlich war sie sonntags um diese Zeit zu nichts anderem Fähig als zu schlafen. Also quälte sie sich eher ihr Frühstück herunter und machte sich dann auf zu einem Gamecenter. Doch sie konnte sich einfach nicht auf ihr Autorennspiel konzentrieren und fuhr so ein Auto nach dem anderen zu Schrott, bis sie völlig frustriert wieder aus dem Laden verschwand. Schon wieder saß sie auf dem Motorrad und dachte Fieberhaft darüber nach, an welchem Ort sie wohl in der Lage wäre, dieses Mädchen aus dem Kopf zu bekommen. Kurzerhand entschloss sie sich zum Strand zufahren. Normaler weise halfen der Wind und das Rauschen der Wellen immer, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Aber sie musste feststellen, dass das Meer wohl der letzte Ort war an dem sie Michiru vergessen könnte. Erst gestern hatte diese ja erwähnt, wie sehr sie das Meer liebte und die sanften Wellen erinnerten viel zu sehr an deren Haare, das Blau des Wassers viel zu sehr an deren Augen und der Klang der Wellen aus irgend einem Grund an deren melodische Stimme. Jetzt fuhr sie komplett verzweifelt einfach nur noch durch die Gegend und selbst das schien nicht wirklich zu helfen. Wie eine besessene raste sie Stundenlang durch die Straßen Tokios und Umgebung. Um einige Strafzettel und Verwarnungen, wegen Geschwindigkeitsüberschreitung reicher, kam sie abends doch wieder bei der Villa an und stand jetzt, wie angewurzelt vor der Tür und traute sich einfach nicht hinein. Den ganzen verdammten Tag über hatte sie sich wie verrückt nach diesem Mädchen gesehnt und jetzt hatte sie plötzlich Angst davor. Aus einem für sie undefinierbaren Grund, fing ihr Herz auf einmal an schneller zu schlagen und sie hatte das Gefühl, als würde es gerade ziemlich heiß hier draußen werden. »Ah, verdammt! Reiß dich zusammen, Haruka! Sie ist doch nur irgendein Mädchen, also nichts Besonderes.« Doch sie wusste, dass das nicht zutraf, nicht für sie. Schwer seufzend öffnete sie die Tür und trat ein. Von draußen hatte sie gesehen, dass noch Licht brannte, also wusste sie, dass noch wer wach war und ganz so spät, als das sie erwartet hätte, dass schon alle schliefen, war es auch noch nicht. So war sie nicht überrascht ihre Mutter in der Küche anzutreffen, die dabei war das Geschirr aus dem Geschirrspüler in die Schränke einzuräumen. „Ach ne, beerst du uns heute doch noch mit deiner Anwesenheit? Wo bist du gewesen? Und du kannst mir gleich die Schlüssel für die Garage zurückgeben. Ich habe dir zwar gestern erlaubt, mit dem Auto Michiru-san in die Stadt zu fahren, aber an einen Tages Ausflug mit dem Motorrad heute, kann ich mich nicht erinnern.“ Sie sah Haruka fordernd an und hielt ihr ihre Hand ausgestreckt entgegen. Diese versuchte gar nicht erst zu widersprechen. Sie war viel zu deprimiert um Widerstand zu leiste und gab ihr die Schlüssel zurück. „Tut mir leid.“ sagte diese und setzte sich auf einen der Stühle an den Esstisch. Das brachte Sachiko wieder aus der Fassung. »Keine Wiederrede? Kein Geschrei? Kein Gemurre und Gejauchze? Nicht einmal Wut? Und stattdessen sogar eine Entschuldigung? Wer ist das und wo ist meine Tochter geblieben?« „Äh, schon okay. Erzählst du mir, wo du warst?“ fragte sie immer noch verwirrt. „Ich bin einfach nur durch die Gegend gefahren.“ Das klang irgendwie traurig und abwesend, so dass es Sachiko dazu veranlasste sich ihr Gegenüber zu setzen und nun mit besorgtem Blick ansah. „Haruka, gibt es vielleicht irgendetwas das dir Sorgen bereitet? Du weißt, dass du mir alles erzählen kannst, oder? Also wenn ….“ „Wie kommst du denn jetzt darauf?“ unterbrach Haruka ihre Mutter geschockt. „Ich weiß nicht. Du klangst nur so traurig, und Michiru-san hat mir erzählt, dass du überhaupt keine Nachhilfe benötigst und da dachte ich, es bedrückt dich vielleicht irgendwas.“ „Mich bedrückt überhaupt nichts, okay? Es ist alles in Ordnung!“ sagte sie gereizt und wurde fast laut dabei. „Okay, schon gut. Du musst es mir nicht sagen. Ich wollte dir nur mitteilen, wenn du mal reden willst, ich bin für dich da, und hör dir zu. Das ist alles. ... Hast du vielleicht noch Hunger?“ fragte sie um ihre Tochter wieder zu beruhigen. „Ja.“ kam es leise zurück. Haruka hätte ihrer Mutter nur zu gerne alles erzählt aber sie konnte nicht. Sie konnte einfach nicht. Schon öfter hatte sie darüber nachgedacht, es ihr einfach zusagen, in der Hoffnung der Albtraum würde dann endlich Enden, aber sie hatte zu große Angst davor. Was wenn ihre Mutter auch so reagieren würde wie ihr Vater, oder wenn er ihr dann das gleich antat? Lieber würde sie sämtlichen Schmerz der Welt auf sich nehmen, als dass ihrer Mutter so etwas angetan werden könnte. Also schwieg sie, immer weiter. Ihre Mutter war inzwischen aufgestanden um ihr noch etwas zu essen zumachen. „Übrigens hat Michiru-san dich heute sehr vermisst.“ „Wirklich?“ Haruka hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Das kam viel zu schnell und klang viel zu Hoffnungsvoll. „Ja, wirklich. Sie wirkte ziemlich niedergeschlagen, nachdem sie dich nicht finden konnte und dein Motorrad ebenfalls verschwunden war.“ „Oh.“ Mehr sagte sie nicht dazu. Sie wusste nicht, ob sie das jetzt gut oder schlecht finden sollte. Einerseits löste der Gedanke Michiru könnte sie vielleicht ebenso vermisst haben, wie Haruka sie, ein Glücksgefühl in ihr aus, welches sie noch nie gespürt hatte, andererseits hatte sie Angst davor. »Was wenn es wirklich so ist? Kann ich mich dann noch von ihr fernhalten? Könnte sie wirklich etwas für mich empfinden, oder sieht sich mich nur als einen Freund? ... Und was empfinde ich eigentlich?« Erst als ihre Mutter ihr plötzlich etwas zu essen unter die Nase stellte, erwachte sie wieder aus ihren Gedanken.“ „Sie ist wirklich ein nettes Mädchen, oder? Du musst zugeben sie ist etwas Besonderes, sonst wärst du doch niemals mit ihr shoppen gegangen.“ Haruka sah ihre Mutter etwas nervös und genervt an. Das war doch genau das was sie sich vorhin noch hatte ausreden wollen. »Mist. Musste sie ihr das erzählen?« Sie sah immer wieder zwischen ihrem Essen und den hellblauen Augen ihrer Mutter hin und her, die gar nicht daran dachte, den fragenden Blick aufzugeben. „Vielleicht ein bisschen.“ kam es irgendwann gequetscht aus ihr heraus. Sachiko musste ein Lachen unterdrücken. Das war mehr, als sie jemals erwartet hätte und es bestärkte sie nur in ihrem Glauben, dass genau Michiru der Grund für Harukas verändertem Verhalten war. „Sie ist bestimmt noch wach und wartet auf dich. Vielleicht schaust du ja noch mal kurz bei ihr rein, bevor du ins Bett gehst. Ich jedenfalls werde jetzt schlafen gehen. Ich wünsch dir einen Guten Appetit und eine Gute Nacht. Oh, und räum das bitte noch weg, bevor du hoch gehst, ja?“ Damit erhob sie sich wieder vom Stuhl, strich ihrer Tochter noch kurz durch das sandfarbene Haar und ließ sie dann allein zurück. „Nacht.“ sagte Haruka ihr noch nach und machte sich dann übers Essen her. Mit essen fertig räumte sie noch schnell den Teller weg und machte sich dann auch auf den Weg nach oben. Im Flur blieb sie natürlich wieder stehen. Konnte sie es wirklich wagen jetzt noch zu ihr ins Zimmer zu gehen, ohne, dass sie dann nicht noch irgendetwas Dummes anstellte? Sie hatte Michiru den ganzen Tag nicht gesehen und verzerrte sich geradezu nach ihrer Anwesenheit. Doch sie entschied sich gegen ihren Willen, das Zimmer nicht zu betreten und ging stattdessen in ihr eigenes und legte sich schlafen. Morgen kam sie auf gar keinen Fall darum herum sie zusehen, denn Morgen war Michirus erster Tag in der neuen Schule und sie selbst konnte es sich nicht mehr leisten dort nicht hinzugehen. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief sie ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)