Tag 247 von abgemeldet (Shaun/Desmond) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Tag 247 Tag 247, 24.6.2012, 09:30 Uhr Fortsetzung des Protokolls zur Fallstudie über Subjekt 17, bekannt als Desmond Miles. Es ist ein verregneter Sonntagmorgen. Subjekt 17 scheint noch immer zu schlafen. Sein psychischer Zustand hat sich seit Tag 230 mit jedem Tag zunehmend verschlechtert. Er scheint Charakterzüge seiner Ahnen zu übernehmen. „Shaun?“, da ist sie schon wieder. Diese penetrante Stimme. Diese Stimme, die sich in meinem Kopf festsetzt hat und selbst, wenn ihr Besitzer nicht anwesend ist, in meinem Kopf nachhallt. „Shaun?!“, der Besitzer der Stimme kommt immer näher und es gibt keinen Ausweg. Denn meine geliebte Fallstudie fesselt mich an den Computer, der mein ein und alles ist. „Shaun, hier steckst du ...“ Die Erleichterung in seiner Stimme lässt mich das Gesicht verziehen. Subjekt 17, dessen Stimme nicht aufhört auf mich einzureden, steht nun hinter mir, wiederholt immer wieder meinen Namen, sodass ich genötigt bin, das Protokoll von dem Bildschirm verschwinden zu lassen. „Shaun?“, er stupst mein Schulterblatt an. „Shaun?!“, ein weiterer Stupser gegen mein Schulterblatt. „Shauuuun!“, diesmal boxt er mir gegen sie Schulter und verschandelt sogar meinen Namen. „Hör auf mich zu ignorieren! Lucy und Rebecca sind Vorräte einkaufen gegangen und mir ist langweilig.“, jammert Mr. Wannabe-Assassine mich an. Natürlich könnte ich ihn weiterhin ignorieren und meine sehr wichtige Arbeit fortsetzten, aber der Schock und die Wut über das, was er beim letzten Mal getan hat, sitzt noch zu tief in meinen Knochen. An Tag 232 kam er auf die brillante Idee auf meinen Schreibtisch zu springen. Wäre an sich kein großes Thema … Wenn er nicht auf meinen Aufzeichnungen ausgerutscht und sowohl sie, als auch meinen Computer mit sich vom Tisch gerissen hätte. Ich bin ein sehr friedvoller Mensch, doch an diesem Tag hatte ich zum ersten Mal das Bedürfnis jemanden zu töten. Und sagen wir es so, hätten sich Lucy und Rebecca nicht auf mich gestürzt, hätte ich es wahrscheinlich getan. „Sha-haun!“, murrt Desmond ungehalten und mein Gesicht verzieht sich zu einem Grinsen. Gerade als ich die Datenbank mit dem Suchbegriff Cesare Borgia bombardiere, höre ich, wie sich Subjekt 17 auf das Sofa am anderem Ende des Raumes setzt. Das ist meine Chance, denke ich und öffne das Protokoll wieder. Tag 247, 24.6.2012, 09:37 Uhr. Subjekt 17 scheint neben den Grundbedürfnissen, wie Nahrung und Flüssigkeit, Zuwendung und Aufmerksamkeit zu brauchen. Vermutlich bekommt ihm die Isolation nicht, immerhin führte er vorher ein fast normales Leben. Ich werde jetzt einen Versuch starten, mehr über sein emotionales Befinden herauszufinden. Ich beginne mit einer einfachen Konversation. Ich setzte mein übliches Pokerface auf und drehe mich in meinem wunderbaren Stuhl zu Desmond herum. Unsere Blicke treffen sich und er sieht ein wenig rosa um die Nase aus. Hatte er etwa mit Lucys Make-Up gespielt? Zutrauen würde ich es ihm. „Und was willst du jetzt machen?`“, frage ich ihn skeptisch, ziehe eine Braue hoch. Desmonds Blick huscht durch den Raum, anscheinend hatte er nicht mit solch einer Frage gerechnet. „Wie wäre es mit einer Runde?“, grinst er dann dümmlich, deutet mit seinem Finger auf die schwarze Konsole, die Rebecca an den Fernseher angeschlossen hat. Ich deute ihm einen Moment zu warten, drehe mich rasch wieder zu Computer herum. Tag 247, 24.6.2012, 09:37 Uhr. Subjekt 17 versucht über sein emotionales Loch hinwegzutäuschen. Anscheinend braucht er neue Kontaktpersonen, da ihn der Animus offensichtlich nicht ausgleicht. Desmonds Blick scheint mich zu durchbohren. Das spüre ich, als ich mich jedoch wieder zu ihm herumdrehe, tue ich so, als bemerkte ich nichts. „Wieso sollte ich mit dir … 'zocken'?“, meine ich sarkastisch, während er die Wangen aufbläst und mich wie ein beleidigtes Kind ansieht. Erinnert mich an seinen Vorfahren Altair. „Das ist kein Ballerspiel!“, rechtfertigt er sich, sucht anscheinend nach einem vernünftigen Grund. „Man kann da verdammt gut seine Fähigkeiten trainieren! Außerdem ist es echt tiefgründig, aber das versteht so eine Intelligenzbestie wie du natürlich nicht.“ Anscheinend will er mich reizen, damit ich mit ihm spiele. „Aha? Warte bis Rebecca wieder da ist, sie zieht dich bestimmt gern ab.“, die Boshaftigkeit in meiner Stimme ist nicht zu überhören, ein leises Auflachen kann ich mir ebenfalls nicht verkneifen. Desmond blickt zur Seite und in diesem Moment wirkt er so verletzlich, dass es mir in den Sinn kommt, dass ich zu hart zu ihm gewesen war. Den Gedanken schüttle ich jedoch schnell wieder ab. Ich zu hart, zu Desmond? Pah. „Was ist los?“, frage ich mit hochgezogenen Augenbrauen, nehme meine Brille ab und putze sie an meinem Pulli ab um sie dann wieder aufzusetzen. „Nichts, habe nur kurz vergessen, was für ein Arschloch du bist!“, kommt es trotzig zurück. Desmond schaltet die Konsole und den Fernseher ein. Während er das tut, bewegen sich die Muskeln unter seiner Haut sichtlich. Ich sehe noch zu, wie er in die Mitte des Kontrollers drückt und dieser an der Rückseite aufleuchtet, allerdings erspare mir ein weiteres Wortgefecht mit ihm und sehe dabei zu wie er über das Hauptmenü in das Spiel einsteigt. Tag 247, 24.6.2012, 09:45 Uhr. Das emotionale Problem scheint größer zu sein als ich dachte. Sein Verhalten ist im Vergleich der letzten Tag anders. Subjekt 17 wirkt angreifbarer, wird schnell beleidigend und patzig. Es ist kaum eine Spur des Verhaltens von Altaïr Ibn-La'Ahad oder Ezio Auditore da Firenze zu spüren. Ist dies ein Grund zur Beunruhigung? Als Desmond anfängt zu fluchen, sehe ich wieder zu ihm. Sein Blick huscht vom Bildschirm immer wieder zu meiner Wenigkeit und wieder zurück. Ich stelle mir die Frage ob etwas auf meinem Rücken klebt. Tag 247, 24.6.2012, 09:51 Uhr. Ergänzung: Subjekt 17 scheint Konzentrationsschwierigkeiten zu haben. „Hab ich dir schon einmal gesagt wie scheiße du eigentlich bist?!“, faucht Desmond, wirft den Kopf in den Nacken, lässt den Kontroller zwischen seine Beine sinken. Anscheinend hat man ihn getötet. „Nein, und wenn, es hat es mich je interessiert?“, frage ich ungewohnt ungehalten, spüre eine seltsame Wut in mir aufkeimen. Der junge Mann fängt an zu lachen, diesmal wird er sogar etwas an den Ohren rot. „Es sollte dich interessieren“, nimmt er den Kontroller wieder in die Hand und steigt auf ein neues in die Runde ein. Sein Kommentar verwirrt mich, jedoch lasse ich mir das nicht anmerken. Ich bin immerhin der Profi. Tag 247, 24.6.2012, 09:50 Uhr. Weitere Ergänzung: Des weiteren macht er „Du bist ein verdammtes, sarkastisches Arschloch, aber eigentlich mag ich dich.“ Einen Moment lang ist es totenstill, ich erstarre und spüre wie mir zuerst die Farbe aus dem Gesicht weicht, nur um dann intensiver zurückzukehren. Mir ist echt das Herz stehen geblieben. Ich drehe mich zu ihm herum. „W-Was redest du da?“, frage ich hektisch und richte meine Brille. „Hast du schlecht geschlafen, oder sowas?!“ Ich habe das Gefühl, dass meine Hände anfangen zu schwitzen. „Oh man, Shaun. Ich mein's ernst. Anfangs hab ich dich echt gehasst, aber mittlerweile eher das Gegenteil.“ Seine Worte lassen mich tiefer erröten, während meine Hände regelrecht auf meiner Hose kleben. „Ich liebe dich“, haucht er. Ich kann hören, wie er ungerührt weiter irgendwelche Pixel tötet. Seine Liebeserklärung klang so beiläufig. „Desmond! Mach einen Punkt!“, brülle ich hysterisch und sehe ihn wütend an. „Du liebst mich nicht! Du bist von der Zivilisation abgegrenzt und hast seit Monaten keinen Sexualpartner mehr gehabt! Das ist es! Das ist alles, klar?!“ Mein Atem geht schneller, ich bin immer noch rot und hoffe, dass es wirklich nur an den aufgezählten Punkten liegt. „Wenn du meinst“, sein Seufzen klingt enttäuscht, seine Augen immer noch auf den Bildschirm gerichtet. Die Situation scheint damit abgeschlossen zu sein. Soll ich mich damit abfinden? Nein, dass kann ich nicht. „Wie kommst du auf die Idee?“ frage ich schockiert. „Ich hab dich gesehen.“ Mehr sagt er nicht, als wüsste ich genau um was es nun geht. „Wie?“, kommt es etwas bedeppert von mir. „Ich hab dich gesehen. Und gehört, haha. Unter der Dusche, letzte Woche. Ich musste pinkeln und du standest gerade unter der Dusche. Du hast meinen Namen gestöhnt während du dir einen runtergeholt hast. Oh, Mistkerl, wo kam die Granate her?“ Oh nein, schießt es mir durch den Kopf. Peinlich Situation. Ich kann spüren wie mein Gesicht von Rot zu dunkelrot wechselt. „Ach, ist das so?“, versuche ich cool zu antworten, aber meine Stimme kippt. Desmond bemerkt dies natürlich, dreht den Kopf und grinst mich so breit an, wie noch nie zuvor. Scheiße, man. Er hat mich. Es ist aus. Aus und vorbei und ich kann nichts mehr dagegen tun. „Darf ich mir darauf etwas einbilden?“ Da ist es. Altair oder Ezio? Ich kann es nicht genau sagen, aber es klingt sehr nach Ezio, auch im Tonfall. „Ich meine,“ langsam erhebt er sich, im Hintergrund hört man immer noch das Spiel und dessen tosenden Kampf. „Ich wollte schon zu dir kommen um dir zu helfen, aber“, nun steht er vor mir, hat seine Hände auf die Armlehnen meines Stuhles gestützt und beugt sich zu mir herab. „Die Mädchen hätten bestimmt gehört, wenn du um Gnade geschrien hättest.“ Ich werde noch röter, versuche mich von ihm abzuwenden, doch seine Narbe am Mund fesselt mich. Ich kann mich nicht dagegen wehren. Aber in einem bin ich mir sicher: Es ist Ezio. „Shaun…“, er haucht meinen Namen, beugt sich vor und legt seine Lippen auf meine. Für einen Moment zucke ich zusammen, will ihn wegstoßen. Doch diese Entscheidung wird mir abgenommen. Im Hintergrund höre ich Lucy und Rebecca näher kommen. Sie scheinen sich prächtig amüsiert zu haben. Sie lachen und laufen an dem Hauptraum, in dem wir uns mit dem Animus befinden einfach vorbei in die Küche. Desmond hat sich derweil von mir gelöst und sich wieder an sein Spiel gesetzt. Meine Wenigkeit sitzt noch immer rot und geschockt da. Ich lecke mir über die Lippen, drehe mich langsam wieder zu meinem Computer und will weiter schreiben. Doch meine Gedanken hängen wo anders. Tag 247, 24.6.2012, 10:04 Uhr. Subjekt 17 versucht inziintimere Kontakte zu knüpfen. Sein emotionales DingsDefizit scheint größer und schwergewichtigerwiegender zu sein als ich dachte. Ich sollte das weiterhin überwachen. Zudem haben sich wieder Charakterspuren seiner ShnenAhnen in seinen Handlungen widergespiegelt. Vielleicht sollten wir die Sitzungen im Animus verlängernkürzen. „Na, bereit, Desmond?“, fragt Rebecca mit ihrem üblichen Enthusiasmus als sie dem Raum betritt. Am Klacken der Absätze bemerke ich, dass auch Lucy den Raum betreten hat. „Jo, wir können starten. Ich bin gespannt wie es weiter geht.“ Ich höre blanke Ironie aus seinen Worten. Irgendwo kann ich es verstehen. „Shaun? Hast du etwas über Cesare Borgia herausbekommen?“, spricht mich die Blondine an, steht neben mir und lächelt. „Äh, ja, hier“, gebe ich so knapp wie möglich von mir, reiche ihr die Papiere und sehe ihr nach, als sie summend verschwindet. Noch einmal wandert mein Blick zu Desmond, welcher sich gerade in den Animus setzt. Wir halten den Blickkontakt, bis er die Augen schließt und Rebecca ihn zurückschickt. Tag 247, 24.6.2012, 10:09 Uhr. Vielleicht habe ich mich geirrt und sein Verhalten kommt von etwas anderem, als der Suche nach bloßer Aufmerksamkeit. In den nächsten Tagen sollte ich versuchen herauszufinden, was das alles zu bedeuten hatte und welche Einflüsse dabei Altaïr Ibn-La'Ahad oder Ezio Auditore da Firenze auf ihn haben. Ergänzung: Subjekt 17 wirkt eine starke Anziehungskraft auf seine Mitmenschen aus. Wir sollten vorsichtiger sein. [Gefahrenstufe 3?] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)