Kaffee und Vanille von Jeschi ================================================================================ Kapitel 1: Bandproben und Kaffeejunkies --------------------------------------- Ich möchte gerade zum Bäcker, um den Tag mit einem leckeren Croissant zu beginnen, als sich ein merkwürdiges – wenn auch sehr lustiges – Schauspiel vor mir auftut. Ich rede von meinem Nachbarn, welcher fast gänzlich von zwei Einkaufstüten verdeckt wird und dabei ist, diese die Treppe hoch zu wuchten. Fast stolpert er noch über den hässlichen Teppich, der in der Mitte des noch hässlicheren Flurs ausgelegt ist und von dem der Wohnheimsleiter darauf beharrt, dass er auch unbedingt dort liegen bleiben muss. Zu meinem wirklichen Erstaunen knallt er nicht hin, sondern findet seine Balance wieder und schleppt seine Einkäufe weiter zur Türe. Eigentlich eine gute Idee. Übermorgen – heute ist Samstag - werde ich meinen ersten Tag an der Hochschule haben und damit beginnt sicher eine stressige Woche, in der ich nicht mehr zum einkaufen kommen werde. Ich beschließe, nach dem Frühstück auch noch mein Zeug kaufen zu gehen, während ich das emsige Kerlchen weiter beobachte. Er scheint mich nicht zu bemerken, ist sicher zu beschäftigt. Gerade versucht er nämlich, seinen Schlüssel in seiner Gesäßtasche zu finden, während er weiterhin mit den Tüten balanciert. Drei lose Äpfel, zu oberst einer dieser Tüten, rollern schon gefährlich nahe zum Rand. Ein wenig sehe ich noch zu, ehe ich mein Amüsement beiseite schiebe und mir ein Herz fasse. „Kommst du klar?“, biete ich ihm meine Hilfe an. In dem Moment findet er den Schlüssel und schiebt ihn in das dafür vorgesehene Loch. „Natürlich, kein Ding,“ meint er betont fröhlich und reißt an der Türe. Sie öffnet sich nicht. Ich trete näher und sehe endlich sein Gesicht, das eindeutig genervt aussieht. „Warum krieg ausgerechnet ich die Wohnung mit der klemmenden Türe?“, flucht er schon wieder und ehe ich eingreifen kann, reißt er noch einmal mit aller Kraft daran. In dem Moment springt sie auf und er taumelt zurück, landet mit all seinen Einkäufen auf dem Boden. Ich blicke den Äpfeln nach, die gemütlich den Gang entlang rollen. „ICH HASSE ES!“, brüllt das entnervte Wesen auf den Boden und sieht mich an. Ich kann mir ein belustigtes Grinsen nicht verkneifen, obwohl das nicht zu seiner Laune beitragen wird. „Sag. Jetzt. Nichts.“, fordert er mich auf und sammelt dann mit wenigen Handgriffen sein Zeug wieder zusammen. Ich helfe ihm und suche nach den verschollenen Äpfeln. Wenig später stehen wir uns gegenüber, er mit seinen Einkäufen in der Hand, ich mit ein paar Äpfeln. „Danke,“ lächelt er mich an und wirkt schon wieder besänftigt. Dann meint er entschuldigend: „Ich hab mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Valentin. Und du bist…?“ Zum ersten Mal sehe ich ihn richtig an. Er ist ein ganz hübsches Kerlchen, aber vor etwa einem Jahr hätte ich ihn wohl noch als Freak abgestempelt, mit seinen schwarzen Haaren, den umrandeten Augen und den engen Klamotten. Zu der Zeit damals, ist jedenfalls Jona zu uns in die Basketballmannschaft gekommen. Seinerseits auch ein Emo, aber der talentierteste Spieler, der mir je untergekommen ist. Und nebenbei auch noch ein wunderbarer Freund. Seitdem wir ihn in der Mannschaft hatten, sind unsere Vorurteile wie weggeblasen. Lange Rede, gar kein Sinn, ich blicke meinen neuen Nachbarn an, der mich erwartungsvoll mustert, seine Einkäufe an seinen schlanken Körper gepresst. Da fällt mir auf, dass ich noch gar nicht geantwortet habe. „Joshua,“ sage ich also hastig, „Aber du kannst mich ruhig Josh nennen.“ „Okay, Josh,“ meint er und tritt in seine Wohnung. „Komm doch mit rein, dann mach ich uns einen Kaffee…“, er sieht mich breit grinsend an, „Hast du sicher nötig, nachdem diese Idioten deine Kaffeemaschine demoliert haben.“ Er wartet nicht darauf, ob ich ihm folge, sondern geht einfach davon aus. Und weil ich eh nichts sehr viel besseres zu tun habe und in der Tat für einen Kaffee morden würde, folge ich ihm. Ich bereue es allerdings sofort, denn Valentins Wohnung ist ein einziges Chaos. Ich dachte ja, ich hätte in meinen paar Zimmern noch genug zu tun, aber er hat fast noch gar keine Kiste ausgeräumt. Dafür fliegen überall Klamotten und CDs herum. „Valentin bemerkt meinen amüsierten – und auch irgendwie erleichterten – Blick und meint lahm: „Hey… sorry… ich habe noch keinen Kleiderschrank.“ Ich blicke skeptisch auf die vollen Kisten. „Außerdem will ich streichen. Da lohnt es sich nicht, erst alles auszupacken. Sonst wird’s nur dreckig.“ Ich hab das Gefühl, dass das nur die halbe Wahrheit ist, aber ich sage nichts, grinse nur. Er reicht mir einen Kaffee, den ich mit Freuden an mich nehme. „Streichen könnte ich meine Wohnung eigentlich auch mal,“ bemerke ich dann und lasse mich auf einem Küchenstuhl nieder, blicke zu Valentin. „Jetzt erzähl mal. Was studierst du?“ Irgendwie scheine ich da sein Lieblingsthema getroffen zu haben, denn er strahlt mich an und setzt sich mir gegenüber, ehe er meint: „Ich bin auf der Musikhochschule.“ Dann erzählt mir in knappen Sätzen, dass er auf diese Schule möchte, seit er in der Grundschule das erste Mal vor anderen hat singen müssen. Anscheinend ist er auch noch extrem clever, denn er hat die dritte Klasse übersprungen und wohl auch sonst hart gearbeitet. Er hat wohl sogar in einer Band gespielt, ehe er hier her kam. „Cool,“ pfeife ich anerkennend und sehe ihn dann fragend an: „Und was willst du dann später machen?“ Er scheint darüber nachdenken zu müssen. „Am liebsten würde ich ja mit meiner Band auf Tour gehen,“ grinst er dann. Ich muss lachen. „Aber ansonsten unterrichten.“ „Das würde ich auch gerne,“ gestehe ich. Er lächelt mich an und streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht. Seine Frisur sieht aus, wie explodiert. Steht ihm aber total. „Hast du schon eine neue Band gefunden?“, frage ich dann und er nickt. „Wir heißen ‚True Blood’*. Uns gibt es jetzt seit einer Woche. Kennen gelernt haben wir uns an einem Schnuppertag an der Schule. Da war uns sofort klar, dass wir zusammen Musik machen wollen. Gestern hatten wir auch schon Probe. Ist zwar noch alles andere, als harmonisch, aber das wird schon. Wir sind alle sehr talentiert, weißt du.“ Dann errötet er ein wenig und entschuldigt sich, dass dies sicher eingebildet klang. Ich winke ab und finde das niedlich. „Gar nicht. Du kannst doch zu deinem Talent stehen. Und was genau spielst du?“ „Gitarre. Und Klavier. Aber in der Band mach ich nur Gitarre und die Vocals.“ „Cool,“ meine ich erneut und ich frage ihn, ob ich mal zuhören darf. Daraufhin nickt er euphorisch und ich glaube, ich konnte ihm gar keine größere Freude machen. Schon lustig. „Jetzt erzähl aber du mal,“ fordert er mich daraufhin auf. „Das du unterrichten willst, weiß ich ja jetzt, aber was genau studierst du eigentlich?“ Also erzähle ich ihm, dass ich Sport studiere und dass ich versuchen werde, in das Basketballteam der Hochschule zu kommen. „Und du warst Vizekapitän in deinem alten Team? Klingt ja ungemein cool,“ befindet er und gießt sich seinen zweiten Kaffee ein. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass er seine Tasse schon leer hat. Ich blicke auf meine halbvolle Tasse und leere diese ebenfalls. „Na ja,“ winke ich dann ab. „Basketball ist einfach mein Leben.“ Dann schwärme ich ein wenig, auch wenn er gar keine Ahnung von dem Sport zu haben scheint und bitte ihn letztlich um eine weitere Tasse Kaffee. „Ich bin total auf Entzug,“ meine ich peinlich berührt, worauf er nicht weiter eingeht, sondern mir nur nachschenkt. „Ich würde sterben ohne Kaffee,“ erwidert er irgendwann und fragt dann, ob er mal zu einem meiner Spiele kommen darf. Ich willige ein, schon alleine, weil er mich so bittend ansieht. „Insofern ich es ins Team schaffe,“ füge ich hinzu. Dessen bin ich mir aber eigentlich recht sicher. Das sage ich aber lieber nicht. Danach trinken wir schweigend unseren Kaffee zu Ende, ehe ich mich verabschiede. Ich möchte noch ins Fitnessstudio, ein wenig Kraft für die Probespiele tanken und einkaufen muss ich ja auch noch. Am Montag habe ich eigentlich recht gute Laune. Ich habe am Samstag und den ganzen gestrigen Tag die restlichen Kisten ausgeräumt, alles andere ist auch erledigt und ich verstehe mich gut meinem Nachbarn. Meine gute Laune wird allerdings gedämpft, als der erste Tag in meiner neuen Schule schon in einem reinen Desaster endet. Zuerst komme ich zu spät, weil ich mich verlaufe und im falschen Raum lande, dann rempelt mich in der Pause jemand an und schüttet mir dabei noch seinen Kaffee über mein Hemd, und zu guter Letzt wurde ich Zeuge davon, dass sich total viele Menschen für das Vorspielen im Basketball eintragen, die größer und sportlicher aussehen, als ich. Können die sich nicht für Fußball eintragen oder für… Rugby, frage ich mich mit bitterer Miene, während ich den Heimweg antrete. Ein wenig missmutig schließe ich meine Wohnungstüre auf und will mich gerade mit depressiver Stimmung isolieren, als es unten klappert und Valentin mit wütendem Gesicht die Treppen hoch stürmt. Irgendwie regt sich der Junge zu viel auf. „Lass mich raten,“ meine ich und sehe ihn – noch immer fix und fertig – an, „Dein Tag war genauso beschissen, wie meiner?“ Er bleibt vor mir stehen und nickt. „Unser Drummer hat uns sitzen gelassen. Folglich hatten wir einen extrem beschissen Auftritt. Und jetzt haben wir wohl kaum Chancen, beim Sommerfest zu spielen.“ Das Sommerfest*. Davon hat er mir gestern schon berichtet. Wohl eine Art Stadtfest, bei dem die Hochschule eine Band ins Rennen schickt. „Natürlich haben wir noch die minimale Chance, bis Mittwoch einen neuen Dummer zu finden, der auch noch mit uns harmoniert. Weil am Mittwoch nämlich noch mal Vorspielen ist.“ Er rauft sich die Haare – schwerfällig, weil er nämlich einen Starbuckskaffee mit sich herumträgt. Das wird in der Tat schwer, in zwei Tagen jemand neues zu finden, da kann ich ihn leider nicht wirklich aufheitern. Er tritt jedenfalls mit voller Kraft gegen die Wohnungstüre, die daraufhin gleich noch schiefer aussieht, als eh schon. Danach scheint er sich abreagiert zu machen, dann sein Körper entspannt sich etwas. „Also,“ meine ich in dem Moment langsam und beiße mir auf die Lippen, ehe ich fortfahre. „Ich kann auch Schlagzeug spielen. So als Notlösung…“ In dem Moment mutiert er zu einem wahren Atomkraftwerk, strahlt mich an und fällt mir spontan um den Hals. „Oh, ich liebe dich! Danke Josh. DANKE!“ Und im nächsten Moment hat er Hummeln im Arsch oder so. „Ich gebe dir später die Songs rüber, damit du üben kannst!“, ruft er und stürmt auf und davon, um die anderen Leute aus seiner Band zu benachrichtigen. Ich sehe ihm nach und seufzte. Was hat mich geritten, so etwas anzubieten? Als hätte ich keine eigenen Sorgen. Was interessieren mich dann seine Probleme? Wir kennen uns ja kaum. Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr… Es ist später am Abend, als jemand an meiner Türe Sturm klingelt. Ich kann mir denken, wer es ist und mühe mich aus meinem Sessel, um zu öffnen. Tatsächlich steht vor mir ein schon beinahe vertrautes Bild: Valentin mit einem Coffee to go in der Hand. Ich kenne ihn zwar kaum, aber ich weiß, dass er ständig Kaffee mit sich herum trägt. Ich glaube, ich habe ihn noch nie ohne Kaffee gesehen. In der anderen Hand hat er jedenfalls einen ganzen Haufen Noten, Songetexte und CDs, was er alles krampfhaft umklammert. „Hey,“ begrüße ich ihn und lasse ihn eintreten. „Leg das Zeug einfach auf dem Küchentisch ab.“ Das tut er nur all zu gerne, eh er sich in meiner Wohnung umblickt. Ich bin froh, dass ich vorhin noch aufgeräumt habe und jetzt wirklich alles ordentlich ist. Nur noch die zusammengefalteten Umzugkartons im Flur zeugen davon, dass ich erst vor kurzem eingezogen bin. „Hier riecht’s voll nach Vanille,“ stellt er als erstes fest, was mir persönlich gar nicht auffällt. Wahrscheinlich bin ich einfach daran gewöhnt. Könnte das Waschmittel sein… „Ist wirklich hübsch hier,“ meint er dann. „Danke,“ erwidere ich und sehe ihm zu, wie er sich weiter umsieht. Weil das auf Dauer ein langeiliges Schaupsiel ist, blicke ich auf den ganzen Kram, der sich auf meinem Tisch häuft und zerre wahllos einen Zettel hervor. Ich blicke auf das Textbaltt in meiner Hand. „’Losing you’ von ‚Dead by April’,“ lege ich vor und zieh die Brauen hoch. „Muss ich die kennen?“, wende ich mich an Valentin. Die Frage bereue ich in dem Moment, in dem er zu mir herumfährt und mich aus großen, empörten Augen ansieht. „’Dead by April’ ist eine der geilsten Bands ever!“, klärt er mich dann auf. „Natürlich musst du die kennen!“ Empört reißt er mir den Zettel aus der Hand, um damit vor meiner Nase herum zu wedeln. „Und diesen Song musst du unbedingt drauf haben, weil meine Stimme da total gut zur Geltung kommt!“ Fast macht er mir ein wenig Angst, wie er sich da hineinsteigert. Aber weil ich verstehe, dass das wichtig für ihn ist, sage ich nichts dazu und hoffe nur darauf, dass der kleine Wirbelwind vor mich nicht platzt, vor lauter Aufregung. „Ich krieg das schon hin, keine Angst,“ beschwichtige ich ihn also lieber und nehme mir ein neues Blatt. ‚Something’ von ‚Escape the fate’. Ich verkneife mir, nach dieser Band zu fragen. Sonst explodiert er noch… „Die Songs, die ganz wichtig sind, habe ich rot markiert,“ erklärt er mir und irgendwie ist fast jeder Song rot markiert. „Die anderen kannst du ja üben, wenn du noch Zeit dafür hast!“ Er lässt sich auf einem Stuhl nieder, der in der Küche steht und trinkt seinen Kaffee leer. „Wäre wirklich super, wenn du dich da ein wenig rein findest, damit wir morgen Nachmittag proben können.“ Eigentlich habe ich dafür ja gar keine Zeit. Aber irgendwie kann ich ihm keinen Wunsch abschlagen, während er hyperaktiv auf meinem Stuhl rumwackelt und mich anlächelt. Und ich habe mich ja auch angeboten. „Worauf habe ich mich da nur eingelassen,“ söhne ich dennoch und wuschle ihm durchs Haar. „Hey, nicht,“ quiekt er daraufhin sofort. „Für die Frisur hab ich ne Stunde gebraucht,“ murmelt er dann und grinst mich an. Eine Stunde, denke ich entsetzt und frage mich, wie man sich als Kerl nur so lange frisieren kann. Aber Valentin ist eh eine Sache für sich und bei dem geordneten Chaos auf seinem Kopf ist es irgendwie klar, dass man das nicht in fünf Minuten fertig bekommt. „Außerdem bist du selbst Schuld. Du hast dich angeboten,“ geht er auf mein Gestöhne zuvor ein. Und damit sind wir auch schon wieder beim springenden Punkt. „Ich hoffe nur, ich bereue es nicht,“ necke ich ihn. Er grinst zurück und verspricht: „Wirst du nicht.“ Dann springt er auf. „So. Und jetzt geh ich erst Mal einen Kaffee trinken.“ Und schon ist er weg und ich sehe ihm nach. Was für ein Junkie, grinse ich und frage mich, was er sich eigentlich noch so alles in den Kaffee kippt. Koffein hin oder her, dieser Tatendrang kann doch nicht normal sein. Ich strecke mich genüsslich und blicke dann wieder auf meinen Küchentisch, schnappe mir ein paar Blätter und pflanze mich damit auf meinen Lieblingssessel. Aber im Ernst, man. Worauf habe ich mich da nur eingelassen? Der zweite Tag in meiner Schule ist wesentlich entspannter. Ich bin Pünktlich, die Lesung interessant und die Liste mit den Spielern ignoriere ich einfach, so gut es geht. Erfreut, über den gelungen Verlauf des bisherigen Tages, stehe ich gegen vier Uhr in meinem Bad und zupfe an meinen Haaren herum. Zugegeben, meisten föhne ich sie und wuschle noch mal durch und dann fallen sie so, wie sie sein sollten. Und das, obwohl sie fast kinnlang sind. Heute scheinen sie mich aber ärgern zu wollen. Ich kann tun, was ich will… meine braune Haarpracht macht nicht mit. Vielleicht bilde ich mir das aber auch nur ein, weil Valentin mich mit seiner Stunde Haarpflege irgendwie irritiert hat. Als es klingelt, fahre ich entsetzt zusammen – jetzt sieht mich jemand auch noch so - und eile dann zur Türe. „Valentin?“, stelle ich erstaunt fest, als ich diesen erblicke. Er wollte erst in einer Stunde hier sein, um mich zur Probe abzuholen. „Huhuuu,“ macht er jedenfalls und wirbelt förmlich in meine Wohnung. „Ich wollte dir für heute Absagen. Ich hab in meiner Klasse einen Kerl gefunden, der sehr gerne die Drums übernehmen würde und die Songs schon von seiner alten Band kennt. Also der ideale Kandidat für eine dauerhafte Besetzung.“ „Oh“, meine ich nur und bin ehrlich enttäuscht, was mich am meisten verwundert. Ich blicke pikiert auf den Kaffeebecher in seiner Hand, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. „Trinkst du eigentlich noch was anderes?“, rutscht es mir heraus und schon wieder habe ich was gefunden, auf das er empört reagieren kann. „Natürlich!“ Er wedelt mit dem Kaffee herum, so dass ein wenig herausspritzt. „Wasser!“ „Und auf wie viel Liter kommst du dann am Tag? Zehn?“ Ich muss ihn einfach ein wenig ärgern. „Natürlich nicht,“ murrt er und stemmt die Hände – so gut es eben geht – in die Hüften. „Allerdings behaupten immer alle, dass ich eine Blase hätte, wie ein Mädchen.“ Jetzt muss ich lachen und ertappe mich dabei, wie ich schon wieder an meinen Haaren herumhantiere. Irgendwie habe ich das Gefühl, total scheiße auszusehen. Und irgendwie will ich vor Valentin nicht scheiße aussehen. Als ich ihm seine Songs hole, nimm die Enttäuschung wieder Überhand. Obwohl ich ja eigentlich froh sein kann, dass ich mich damit jetzt nicht auch noch herumärgern muss. „Du kommst aber trotzdem mal mit zu einer Probe, oder?“, fragt er, während er das ganze Zeug an sich nimmt. Als ich nicke, winkt er mir kurz zu, ehe er mit einem „Super, ich muss dann los!!! Bis später!“ verschwindet. Und schon ist er weg und ich bleibe auf meinem Flur stehen, starre ihm nach und fühle mich irgendwie abserviert. Herzlichen Glückwunsch auch, Josh, denke ich verbittert. So schlimm habe ich mich in der Tat das letzte Mal gefühlt, als meine Ex – Tamara – mit mir Schluss gemacht hat, als ich weggezogen bin. Das Dümmste daran ist, dass ich nicht mal weiß, warum ich so schlecht darauf bin. Ich meine, es ist ja nicht so, als wäre die Band mein neuer Lebensinhalt geworden. Aber irgendwie wäre es cool gewesen, ein wenig Zeit mit Valentin zu verbringen. Ich mag ihn nämlich. Er ist amüsant. Andererseits heißt das ja nicht, dass ich ihn gar nicht mehr sehe. Sicher sehe ich ihn noch öfter, als mir lieb sein wird. „Wha!“, mache ich genervt von mir selbst, weil ich so viele komplett bescheuerte Gedanken hege. Was ist denn los, man. Es gibt gar keinen Grund, enttäuscht zu sein. Ich hab mich zwar gefreut, aber die Welt geht jetzt nicht unter. Außerdem habe ich ja jetzt Zeit für mich, die ich nutzen kann, um ein wenig Basketball zu spielen. Also schnappe ich mir einen Ball und mach mich auf, um Körbe werfen zu gehen. Die Zeit im Basketballteam war bisher die beste Zeit in meinem Leben. Ich hatte einfach alles, was ich mir nur vorstellen konnte. Wir waren einige der coolsten Schüler und mein bester Freund war der Kapitän des Teams. Auch mit den meisten anderen habe ich mich bestens verstanden und wir haben uns fast jeden Tag nach der Schule getroffen, um ein paar Körbe zu werfen oder gegeneinander zu spielen. Bei all der Leidenschaft waren wir zwar nicht die besten, aber das hat sich schlagartig geändert, als erst Chris und dann Jona in unser Team gewechselt sind. Beide absolute Ausnahmetalente und total engagiert. In meinem letzten Jahr haben wir dann tatsächlich die Schulmeisterschaften gewonnen und leider war damit aber auch der Traum zu Ende. Noch immer in Gedanken vertieft, werfe ich, bis es dunkel wird, ehe ich nach Hause zurückkehre. Als ich im Wohnheim ankomme, weiß ich, dass Valentin noch nicht zurück ist. Von der Straße aus erkennt man unsere Zimmer und in seinem brennt kein Licht. Dabei brenne ich doch darauf, zu erfahren, wie die Probe gelaufen ist und ob der Drummer halten konnte, was er versprochen hat. Ich werde mich also noch gedulden müssen und beschließe, so lange zu duschen. Wenig später sitze ich nur im Bademantel auf meinem Sessel, der im Moment doch mein treuester Freund ist, ziehe die Beine an und wühle die Nummer von Benni. Über all das Basketballspielen habe ich einfach Lust bekommen, ihn anzurufen. „Josh, hey,“ begrüßt er mich, weil er natürlich meine Nummer schon auf seinem Dispaly erkannt hat. „Wie geht’s dir, Kumpel?“, will er dann sofort wissen. Ich erwidere, mir gehe es gut und frage ihm nach seinen Befinden. Dann will ich unbedingt wissen, wie es an seiner Uni ist. Ich habe noch gar nicht erwähnt, dass Benni mit mir Abschluss hatte und jetzt Medienwissenschaften studiert. Zuerst wollte er erst Profi werden, wie wir alle eigentlich, hat es sich dann aber anders überlegt und sich für eine seriösere Laufbahn entschieden. Dafür spielt er aber noch in einer kleinen Stadtmannschaft. So richtig vom Ball kann er sich wohl einfach nicht lösen. „Ganz cool Ich muss noch rein kommen, aber es macht Spaß. Und bei dir?“ „Das Gleiche,“ erwidere ich, aber so schnell werde ich ihn nicht von Thema loskriegen. Also erzähle ich ihm, dass die Konkurrenz bei Vorspielen sehr hoch ist. „Einige sind richtig gut. Ich hoffe, ich kann da noch überzeugen.“ Ich seufze, weil mich das ganze schon wieder runter zieht. Da tröstet mich auch sein Zuspruch nicht. „Dir hätte es hier sicher auch gefallen,“ meine ich dann. Es wäre so schon gewesen, mit meinem beten Freund zu studieren. Aber Sportlehrer oder Sportwissenschaftler oder was auch immer, das ist einfach nicht Bennis Welt. Entweder ganz nah am Ball oder was anderes. „Und ich bin glücklich, hier in Dortmund,“ erklärt er mir. „Am Wochenende kann ich nach Hamm zurück fahren und Jona sehen. Von Köln aus ginge das nicht so leicht.“ „Ja, ich weiß.“ Das ist auch das einzige, was mich an Köln stört. Ich vermisse sie alle ganz sehr. Nicht nur Benni und seinen Freund. Sondern auch alle anderen aus dem Team. „Wie geht es Jona? Kommt er klar?“ „Sonst wäre er nicht Jona, oder?“ Wir müssen lachen und ich kann mir vorstellen, wie Benni bei diesem Thema unwillkürlich das Grinsen anfangen wird. Was für ein hoffnungsloser Fall. Für uns alle war es damals ein keiner Schock, als Benni uns eröffnet hat, er hätte ich in Jona verliebt. Davor war Benni ein richtiger Frauenschwarm, hatte eines der geilsten Mädchen der Schule zur Freundin. Irgendwann hat er mir dann gesteckt, er hätte eine Affäre mit unserem Lieblingsemo und kurz darauf hat er auch mit Amelie – so hieß seine Freundin – Schluss gemacht. „Er wird eh irgendwann Profi,“ scherze ich, aber eigentlich ist das gar kein Scherz. Wir glauben alle, dass Jona irgendwann in der Profiliga spielt. „Die lecken sich eh schon die Finger nach ihm,“ erläutert mir Benni daraufhin. Das kann ich mir nur all zu gut vorstellen. Ich strecke mich genüsslich in meinem Sessel und fühle mich gleich um einiges Wohler. Es tut so gut, von Benni zu hören. Und wenn er von den anderen erzählt, dann fühle ich mich fast, wie zu Hause. „Hast du schon Anschluss gefunden?“, möchte ich von ihm wissen und weiß, dass dem so ist. Benni ist ein sehr offener Typ, komplett kontaktfreudig. Er findet einfach überall sofort Freunde. Ich hingegen bin zwar auch ein netter, offener Mensch, tue ich mich aber schwer, wirklich tief greifende Freundschaften aufzubauen. „Du kennst mich doch,“ erwidert Benni jedenfalls nur und bestätigt damit meine Vermutung. „Und wie sieht’s bei dir aus?“ Daraufhin fällt mir als erstes Valentin ein und so meine ich: „Na ja… in meinen Kursen hab ich mit noch kaum jemanden wirklich geredet. Das sind irgendwie alles Einzelkämpfer. Der einzige, mit dem ich mich ganz gut verstehe, ist mein Nachbar.“ „Das ist mehr, als ich erwartet hätte,“ neckt er mich und ich muss grinsen. „Ja, ich weiß schon. Aber er ist wirklich okay, wir verstehen uns ganz gut und so.“ Irgendwie habe ich das Bedürfnis, noch mehr über Valentin zu erzählen. Aber ich reiße mich zusammen. Außerdem meint Benni in dem Moment: „Ich muss jetzt Schluss machen, sorry. Ich hab Jona versprochen, ihn um Halb anzurufen.“ Und so verabschieden wir uns und ich lege auf. Nach dem Gespräch muss ich erst Mal seufzen. Jetzt hab ich irgendwie Heimweh bekommen und fühle mich alleine. Aber ich habe keine Zeit, in Selbstmitleid zu versinken, denn in dem Moment klingelt es. * Der Name kam mir, weil ich die gleichnamige Serie gesehen habe, als ich die Idee zu der FF hatte. XD Ich hoffe mal, es gibt keine Band, die so heißt. Wenn doch, haben die Pech. Die Band gehört jetzt zu Valentin. ;P * Das Sommerfest ist auf meinem Mist gewachsen, um Valentin das Leben schwer zu machen. Keine Ahnung, ob es das so oder anders gibt und in wie weit die Musikhochschule dann evtl. involviert ist. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)