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Parasomnia Kitten

Schlaf Schön Kleines Kätzchen
von

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Schlafwandler sollte man nicht aufwecken

“Look into the depths of your own soul and learn first to know yourself, then you will understand why this illness was bound to come upon you and perhaps you will thenceforth avoid falling ill.”

-Sigmund Freud


 


 

PROLOG - Schlafwandler sollte man nicht aufwecken
 

Es gibt sicherlich weitaus prickelndere Dinge, als aufzuwachen und sich in den Armen von John Allerdyce wiederzufinden. Oder unter John Allerdyce und in seinen Armen. Oder unter John Allerdyce, in seinen Armen und das während eines Geschlechtsaktes...

Und doch musste Kitty feststellen, dass sie gerade kam.
 

Man sollte keine Schlafwandler aufwecken, denn daraus können sich äusserst gefährliche Situationen für die Betroffenen ergeben.
 

Es gibt diese kurze Phase gleich nach dem Aufwachen. Man ist schlaftrunken und der Verstand muss erst einmal wach werden um wieder die Kontrolle über den Körper zu erlangen. Ähnlich musste es auch Kitty gegangen sein denn ihr Körper gab sich dem Glücksgefühl trotz langsam aufkommendem Widerwillen ihres Verstandes voll und ganz hin. Kitty gab ein Quietschen von sich, was eigentlich von niemand anderem ausser ihrem Freund jemals hätte gehört werden sollen.

-Weil: Äusserst peinlich!

Ihr Körper krümmte sich um jeden Zentimeter ihrer Haut an ihn zu drücken. Ihre Beine um seinen schlanken Körper geschlungen drückten die Becken der beiden eng aneinander. Sie tat es automatisch. Ihre Hände verkrampften sich im Kissen unter ihrem Kopf. Kitty stöhnte genüsslich auf und liess sich nach einigen Sekunden erschöpft und verschwitzt zurückfallen.

-Sekunde…! Sie wachte seit einiger Zeit öfters verschwitzt auf...
 

John hätte Kitty wirklich nicht aufwecken sollen, denn daraus ergab sich eine äusserst gefährliche Situation für ihn!

Der Verlorene Sohn


 

1. KAPITEL – Der Verlorene Sohn
 

Alles begann damit, dass Kitty Pryde sich vorkam wie Harry Potter. Nicht dass sie plötzlich hätte zaubern können oder dass ihre Stirn von einer Narbe gezeichnet gewesen wäre. Nein, sie suchten grässliche Albträume heim, die nicht einmal Professor Xavier zu deuten wusste, aber zumindest konnte er ihren Geist dagegen abschirmen, sodass Kitty wieder zu ihrem wohlverdienten Schlaf kam.

Wenn man über eine gewisse Zeit nicht fähig gewesen ist zu schlafen erscheint einem Schlaf an sich als ein Privileg. Dieses Privileg ist allen anderen ausser einem selbst eigen und wird doch von keinem geschätzt, der nicht erfahren hat, wie es ist, Nacht für Nacht schreiend aufzuwachen mit einem Puls weit über 180 und all diesen grässlichen Bildern vor den Augen. Das verrückte und geradezu unheimliche an Kittys Träumen war, dass Sie jeweils nach dem Aufwachen das Gefühl hatte, alles was sie geträumt hatte haargenau beschreiben zu können. Aber nur wenige Sekunden später war jeweils alles wieder entschwunden und nicht einmal der Professor fand es im Geist der jungen Mutantin wieder.

-Wobei die Vermutung nahe lag, dass er sich ausserdem auch nicht in die Untiefen ihres Geistes wagte…

Es blieb nur die Gewissheit, dass der Traum schrecklich gewesen war und dass er in der nächsten Nacht wiederkehren würde. Die Kräfte des Professors wirkten so mehr wie ein Schmerzmittel. Dank seinem Eingreifen konnte Kitty ruhig schlafen, aber auch er konnte nur die Symptome unterdrücken, weil er die Ursache selbst nicht kannte.

-Im Klartext: Nicht einmal der einer der mächtigsten Mutanten der Welt wusste, was zu tun war…

Die wöchentlichen Sitzungen, die Kitty damals gemeinsam mit dem Professor abhielt, brachten sie auch kein Stück weiter und bald waren sie eigentlich das einzige, was Kitty daran erinnerte, dass sie einmal Albträume gehabt hatte, denn das Schmerzmittel des Professors – also der Einsatz seiner Kräfte zum Schutz ihres Geistes - wirkte doch äusserst effektiv. Wie Morphium. Man schläft so ruhig wie ein Baby. Dass der Professor der kleinen Brünetten damit gleichzeitig auch alle anderen Träume nahm, das störte sie herzlich wenig. Schlaf war für sie nach dem langen Entzug fast schon zu einer Droge geworden. Umso schlimmer sollte der Cold Turkey werden…
 

Kitty hatte die Augen geschlossen, aber einzuschlafen hätte sie sich niemals getraut. Es würde sowieso nur auf das Gleiche herauslaufen. Sie tat nur gerne so, als würde ich tief schlafen, weil sie das Gefühl vermisste.

- Ihr war sehr wohl bewusst, wie lächerlich das war, denn diese Methode war im Vergleich zu der telepathischen Abschirmung durch den Professor gleichzusetzen mit der Wirkung von Aspirin, wenn man es anstelle von Morphium zur Schmerzlinderung eingesetzt hätte.

Kitty stellte sich jedoch nicht nur ihretwegen schlafend, sondern weil die anderen Bewohner des Instituts sich ansonsten permanent Sorgen gemacht hätten. Das war eigentlich geradezu rührend, aber auf die unschmeichelhafte Aufmerksamkeit, die ihr dadurch zu Teil geworden wäre, verzichtete sie doch nur allzu gerne. Kitty stand auch so schon ungerne im Mittelpunkt und wenn es wegen etwas wie Albträumen war dann war ihr das Ganze noch unangenehmer. Deswegen hatte sie nicht einmal ihren engsten Vertrauten erzählt, dass die Albträume von früher wiedergekehrt waren...
 

Der Professor war tot.
 

Von scheinbar weit her hörte Kitty die Stimme eines jungen Mannes. Die Weite täuschte jedoch und das auch nur, weil sie sich schläfrig fühlte, denn er sass eigentlich direkt neben ihr und redete noch dazu in einer erhöhten Lautstärke. Er regte sich auf über etwas auf. Die Phaserin reagierte nicht sondern hielt die Augen weiterhin geschlossen. Ihr Kopf war schwer, weshalb sie ihn gegen die weiss gestrichene Holzbank lehnte. Sie sassen auf der Terrasse des Instituts und liessen die warmen Sonnenstrahlen dieses schönen Spätsommers auf ihre Haut scheinen. Kitty musste mich wirklich bemühen nicht einzunicken.

- Wann fiel ihm wohl die Tatsache auf, dass ihr Augen geschlossen waren?

Er war sauer. Seine sonst so viel Sicherheit ausstrahlende Stimme überschlug sich dann immer. Sie kannte ihn. Er war definitiv sauer.

- Es war wohl besser, ihm wieder zuzuhören, bevor er sie nach ihrer Meinung fragte und sie keine Ahnung hatte wovon er eigentlich gesprochen hatte.

Sein Studium an der ,New York University - School of Law'. Er hatte gerade sein erstes Semester begonnen. Der erste Schritt zum Anwalt für Mutanten. Vorbildlich.

»Jeder geht mir aus dem Weg und das nur weil inzwischen allgemein bekannt ist, dass ich einer der ehemaligen X-Men bin und auf Alcatraz gekämpft habe. Das gibt so eine schlechte Atmosphäre, ich kann sie förmlich über mich reden hören, wenn ich durch den Gang laufe. Sogar die Dozenten gehen mir aus dem Weg!« Kitty musste schmunzeln. Er gehörte zu den Menschen, die sich mit allen anfreundeten und normalerweise kein Problem hatten, sich an eine neue Umgebung anzuspassen. Und jetzt war das erste, was er tat, wenn er mal nicht bei jedermann beliebt war, sich bei ihr auszuheulen. Die junge Mutantin gähnte, was ihm aber keinesfalls aufzufallen schien, denn dazu war er viel zu sehr mit sich selbst und seinen Problemen beschäftigt. Damit er seinen Monolog für kurze Zeit unterbrach, warf Kitty ein:

»Vielleicht sind das auch alles deine Fans und sie sind nur zu schüchtern um nach einem Autogramm zu fragen.« Das Schmunzeln auf ihren Lippen entwickelte sich bei der Vorstellung regelrecht zu einem Grinsen. Kitty hielt die Augen immer noch geschlossen. Er schnaubte auf und gab gar keine Antwort mehr auf ihre Bemerkung.

- Man musste eben nur wissen, wie man sich so eine Unterhaltung auch wirklich unterhaltsam machte.

»Und Lorna…!« Und die alte Leier… Sie wusste, was jetzt kam. Jetzt würde er ihr gleich sein Herz ausschütten und sich göttlich über seine menschliche Freundin aufregen. Kitty hatte die schöne Blondine bisher nur ein einziges Mal gesehen und das auch nur flüchtig. Irgendwie doch seltsam, wo sie und der junge Mann neben ihr sich beste Freunde nannten.

»Wieder Alex?« Kitty kannte die Geschichte. Besser gesagt: Jedem, der jemals einen Schundroman gelesen hatte, würde diese Geschichte bekannt vorkommen. Ausserdem strotzt sie nur so vor Kitsch und Drama. Man nehme einen Aufreisser und einen Typ für eine treue, ehrliche Beziehung basierend auf Liebe und blabla. Die beiden seien beste Freunde. Beste Freunde lernen unabhängig voneinander dieselbe Frau kennen, weil sie in ihrer Stammkneipe als Barkeeperin an der Seite von Jubilation Lee arbeitet. Aufreisser fängt eine Affäre mit ihr an, während sie den Beziehungstypen dated. Jubilee weiss vielleicht mehr oder auch weniger, aber sagt auf jeden Fall nichts. Die besten Freunde erzählen sich gegenseitig ihre Erlebnisse mit derselben Frau, wissen jedoch nicht, dass sie von derselben Frau sprechen. Aufreisser entwickelt Gefühle. Frau verliebt sich in den Typen, den sie dated, weil sie davon ausgeht, dass Aufreisser keine ernste Beziehung will. Sie kommt mit dem Beziehungstypen zusammen und beendet die Affäre. Der Aufreisser ist vor den Kopf gestossen und in seinem Ego gekränkt.

- Keine Sorge, es wird sogar noch (!) dramatischer.

Beziehungstyp stellt seinem besten Freund seine neue Freundin vor. Man erkennt sicherlich die Problematik dahinter. Vor allem, wenn man weiss, dass der Aufreisser sonst immer seinem besten Freund alle Frauen vor der Nase weggeschnappt hat und es jetzt plötzlich genau umgekehrt ist.

- Kitty zog Alex immer wieder gerne damit auf, auch wenn sie jedes Mal damit rechnen musste, dass er sie umbrachte. Zumindest mit Blicken

»Ja sicher! Weisst du, ich habe nichts dagegen, wenn sie sich ab und an mal sehen. Aber sie versteht einfach nicht, dass es mich stört, wenn sie sich praktisch jeden Tag sehen.« Kitty nickte beiläufig, immer noch mit geschlossenen Augen. Er übertrieb masslos. Aber sie sahen sich tatsächlich oft… Es war mehr ein nicken aus purer Höflichkeit. Er fühlte sich dadurch wohl bestätigt und dazu ermutigt, in weiteres Reden zu verfallen. Blabla Alex sei sein bester Freund blabla Alex habe selbst gesagt, er würde seine Frau nie anrühren blabla Er vertraue ihm.

- Ja..ja…ja…ja.. erstens, wieso redeten sie dann fast immer über dieses Thema und zweitens, sie redeten hier über Alex Summers…! Und der hatte sie ja bereits angerührt und auch schon öfters. Kitty war sich sicher, dass Alex noch immer scharf auf Lorna war. Sie hatte gesehen, wie er Lorna angesehen hatte, als sie sie kurz kennen lernte. Dieser Blick. Bobby hatte es nicht gesehen. Oder vielleicht wollte er es auch einfach nicht sehen. Mal ganz abgesehen davon, dass Alex‘ Ego nur schwerlich verkraftete, dass eine Frau seinen besten Freund vorzog, wenn sie doch ihn haben konnte. Und vielleicht spielten auch Gefühle eine Rolle, aber Alex hätte das wohl niemals zugegeben.

Aber das konnte Kitty ihrem besten Freund ja wohl kaum sagen. Das hätte seine Paranoia davor, seine Freundin an seinen besten Freund zu verlieren nur noch mehr geschürt. Und auch wenn es durchaus witzig gewesen wäre, so wäre die junge Mutantin diejenige gewesen, die sich das wieder alles anhören musste. Also beschloss ich, es anders zu machen.

»Wir haben uns doch auch mal geküsst.« Gute alte Zeiten. Kitty gab Lorna etwas Schützenhilfe. Wieso wusste sie nicht. »Und wir sehen uns praktisch jeden Tag. Ist Lorna deswegen eifersüchtig?« Die Brünette fand ihr Argument gut, sogar äusserst schlüssig, geradezu überzeugend. Er sah das anders, wohl weil es auch eher belustigend gemeint war. Da reagierte er manchmal etwas empfindlich. Sie kannte ihn.

»Du nimmst mich überhaupt nicht ernst!« Es klang niedlich, so entrüstet. Aber Kitty war müde also empfand sie das nur noch als nervig.

- Und oh, richtig! Hundert Punkte für diese Feststellung. Wie lange hatte er dafür jetzt schon gebraucht?

»Zum Vergleich: Wie fändest du es denn, wenn Lance ständig was mit Rogue machen würde? Nicht grad so ein schönes Gefühl oder?« Kitty rollte mit den Augen. Das war ein geradezu billiger Vergleich. Vor allem da ihr Freund und Rogue sich kaum kannten, deswegen also auch ziemlich unrealistisch. Die Augen nun fast schon trotzig zuhaltend meinte sie:

»Das ist ganz was anderes.« Kitty liess ihn nicht ins Wort fallen, sondern konterte stattdessen doch recht wortgewadt: »Ausserdem, er kann ja nicht einmal mit ihr fummeln, was würde es ihm bringen?« Es war eigentlich ein viel zu ernstes Thema, als dass man darüber Witze machte. Und doch konnte Kitty sich einen weiteren Kommentar nicht verkneifen: »Aber das, dürftest du wohl am allerbesten wissen nicht?« Das vorherige Grinsen erhellte erneut ihr Gesicht. Kitty öffnete schliesslich die Augen einen Spalt breit und beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Er sah sie bitterböse an. Sie kannte ihn. Sie hatte es erwartet. Er reagierte empfindlich. Und doch wurde Kittys Grinsen, nachdem sie seine Mine gesehen hatte noch ein wenig breiter. Er würde nicht lange böse sein. Das konnte er nicht gut, und schon gar nicht lange. Es gab nur eine einzige Person, die er immer hassen würde. Sie wusste es, da sie ihn kannte. Dieser einen Person würde er niemals verzeihen können, ihr schon, das glaubte sie zumindest noch

»Na schön, das Beispiel war schlecht. Schon klar.« Gab Bobby schliesslich zähneknirschend zu. Kitty nickte triumpfierend. Zudem war Rogue jetzt mit ihrem Neuen was auch immer auf einer Art Roadtrip. Also musste Kitty mir keine Sorgen machen, ob die andere sich zu viel mit Lance abgab oder nicht. Aber dafür konnte ich die Gelegenheit nutzen, um ihrem besten Freund noch einmal einen Spruch in diese Richtung reinzudrücken, einfach nur aus purer Freude daran, ihn zu necken:

»Klar wars das. Wieso sollte sie was von Lance wollen, wenn sie Gambit hat und der sich sogar traut, sie zu vögeln und es überlebt?« Bis jetzt zumindest. Kitty glaubte kaum, dass der Trickser sich wirklich bewusst war, in welche Gefahr er sich begab. Jetzt war Bobby derjenige, der mit den Augen rollte. Er entgegnete bissig:

»Gambit ist auch notgeil und Sex ist seine Lieblingsbeschäftigung. Kein Wunder, dass er sogar das Risiko eingeht, zu sterben, bevor er sich am Ende selbst noch einen Wedeln muss. Tut mir Leid, dass ich notfalls auch mit der Hand anlegen kann.« Kitty merkte, dass ich mit der Anspielung unter der Gürtellinie angelangt war und dass er es nicht allzu gut vertrug. Er verwendete sonst niemals eine solche Sprache. Und auch niemals so einen Tonfall. Vielleicht weil Rogue eine Verflossene von ihm war und das damals nur wegen der Verkettung von einigen Ereignissen nicht funktioniert hatte. Wie er jedes Mal zu sagen pflegte, wenn das Thema aufkam. Was er dann jeweils niemals erwähnte war, dass Kitty eventuell auch etwas mit dem Ende dieser Beziehung zu tun hatte. Aber darüber schwiegen sie. Ansonsten hätte diese Freundschaft nicht funktioniert.

- Aber eben: Das Thema kam sowieso selten auf, da er immer auswich

Es tat Kitty auch schon im selben Moment wieder Leid, was sie gesagt hatte. Das wusste er. Das konnte er sich denken. Das Schweigen der Braunhaarigen war Antwort genug. Ihre Augenlieder senkten sich wieder über die Pupillen. Kitty wollte doch eigentlich nur schlafen, aber sie wusste, dass sie nicht konnte.
 

Getötet von einer seiner eigenen Leute, seinem Schützling, einer X-Men.

Der Professor war tot.

Der Anführer X-Men. Kittys Mentor.

- Oder vielleicht eher Kittys Psychiater...?
 

Die Nachricht vom Tode des Professors erreichte die X-Men erst in den frühen Morgenstunden. Kitty wusste es schon länger. Sie hatte es von dem Augenblick, an dem ich schreiend aus dem Schlaf geschreckt war gewusst. Ich hatte in ihrem Bett gesessen, keuchend vor Aufregung. Sie hatte gezittert. Die Arme eng um den Körper geschlungen, für etwas Wärme, die nicht kommen würde und die ihrem Zittern auch kein Ende bereiten würde, da es nicht war, weil sie kalt hatte. Der telepathische Schutzschild des Professors hatte sich in Luft aufgelöst. Aber nicht einmal so sehr ihr Alptraum liess sie erzittern, sondern vielmehr die Gewissheit, dass der Mann, zu dem sie stets hinaufgesehen hatte und den sie immer bewundert hatte, tot war.

Kitty hatte nicht gewagt, sie alle aufzuwecken. Hatte nicht gewagt die Nachricht seines Todes selbst zu verbreiten. Wahrscheinlich war es die blosse Hoffnung, dass sie sich irrte. Dass er vielleicht nur seine geistige Präsenz aus meinem Verstand abgezogen hatte. Dass er es einfach vergessen hatte… Kitty hoffte, dass er noch am Leben war. Aber wann hatte Professor Charles Xavier jemals etwas vergessen?

Als Kitty am Morgen die Küche betrat herrschte Totenstille. Alle wussten es schon. Storm und Logan hatten es erzählt. Alle dachten sie, die junge Mutantin hätte keine Ahnung. Alle dachten sie, sie müssten Rücksicht nehmen. Niemand sagte etwas. Alle dachten sie Kitty würde in Tränen ausbrechen. Aber sie hatte doch schon die ganze Nacht geweint…

- Kitty wusste, dass sie alle Alpträume der Welt hinnehmen würde, wenn der Professor dafür noch am Leben wäre…
 

Kitty öffnete ihre Augen abrupt. Eine schmerzliche Erinnerung. Sie hatte die Hoffnung, dass die warmen Sonnenstrahlen sie aus ihren Gedanken vertreiben würden. Oder vielleicht auch das mehr oder weniger amüsante Gerede ihres besten Freundes, dass sie mal mehr, mal weniger mit verfolgte. Kitty drehte ihm langsam den Kopf zu. Und genau in diesem Moment, indem sie gerade wieder wach geworden war, schien Robert Drake zu glauben, ich wäre eingeschlafen:

»Du kannst auch einfach sagen, wenns dich nicht interessiert.« Stellte er beleidigt fest. Kitty musste verlegen für sichh feststellen, dass sie wirklich nicht wusste, wovon er gerade gesprochen hatte. Und sie hoffte er würde sie nicht irgendwie danach fragen. Nur damit ihr die Peinlichkeit erspart wurde und er sie wieder einmal als elende Träumerin betitelte.

- Die Ironie dieses Übernamens war geradezu bitter für sie, war sie doch diejenige, die nicht träumen konnte

Kittyventschied sich für die ehrliche Variante und hoffte, dass ihr Charme den Rest tun würde.

- Ja, auch ironisch.

»Tschuldige..Könntest du das vielleicht nochmal wiederholen. Ich schwöre ich hab nicht aufgepasst.« Er sah Kitty geradezu entgeistert an. Wegen diesem Gesichtsausdruck konnte sie nicht anders als erneut zu schmunzeln.

- Wenn man aufhört, berechenbar zu sein, wird alles gleich viel interessanter.

Bobby sah mich eindringlich an, ehe er langsam den Kopf schüttelte.

»Seit einiger Zeit bist du anders.« Stellte er fest. Kitty schloss die Augen. »Und ich meine das nicht in nem Positiven Sinn!«

- Äusserst schmeichelhaft, Drake.

Kitty nickte langsam mit dem Kopf und gähnte. Bobby liess trotzdem nicht locker:

»Keine Ahnung. Dir ist nichts mehr wichtig, du bist ständig abwesend. Früher hast du dich um alles und jeden gekümmert. Du hast den Leuten förmlich deine Hilfe aufgezwungen!« Kitty war müde. Er kannte sie doch. Er verstand sie doch. Er sollte zumindest… Sie war einfach viel zu müde um ihm aufmerksam zuhören zu können. Selbst wenn sie es versucht hätte...

Bobby schien aufgegeben zu haben. Oder aber er war zu eisernem Schweigen übergegangen, um Kitty so zu bestrafen. Eigentlich war es ihr ganz Recht, ihre Ruhe zu bekommen. Der Nachteil dabei war nur, dass die Müdigkeit sie ohne die ständige Beschallung durch Bobby immer stärker übermannte. Es kam einer Art Kampf gleich. Nicht gerade um Leben und Tod, aber angenehm würde es sicherlich doch nicht werden, wenn Kitty jetzt einnickte. Bobbys Schweigen dauerte nun jedoch schon überaus lange. Das machte die Braunhaarige stutzig. Er hasste normalerweise eine solche peinliche Stille, wie sie derzeit zwischen ihnen herrschte.

- Nicht einschlafen. Nicht einschlafen! Nicht....!

Wenn man über längere Zeit nicht mehr richtig schlafen konnte, nickt man sofort ein. Kitty hätte doch eigentlich wissen müssen, dass mir das nicht gut tun würde. Sie sah bereits den Anfang. Es fing immer genau gleich an, und endete immer gleich, und doch konnte sie mich kein einziges Mal erinnern. Sie wusste nur, dass es immer gleich war. Es war Nacht, Nebel verdunkelte die Sicht... oder war es Rauch? Rauchbombe? Lautes knallen war zu hören, Schussgeräusche. Oder war es etwas ganz anderes?

Bobby packte Kittys Hand. Sie zuckte zusammen. Ihre Augen öffneten sich wieder. Die Braunhaarige keuchte und wollte ihn im ersten Moment anbrüllen:

- Wieso zur Hölle erschreckst du mich so?!!!

Aber Kitty liess es, denn eigentlich konnte sie ihm dankbar sein. Immerhin hatte er sie gerade aus dem ungewollten Nickerchen geweckt, auch wenn er es nicht wusste. Sie drehte ihm den Kopf zu um ihn zu fragen, was los sei, dass er ihre Hand jetzt loslassen könne... Und um zu sehen, ob er gemerkt hatte, dass sie geschlafen hatte. Von den Albträumen wusste er nichts, das konnte es also nicht sein. Hoffte Kitty. Er kannte sie, aber. Er wusste, wie sie war, aber davon sollte er nichts wissen. Seine Fingernägel bohrten sich in das Fleisch ihres Armes.

- Nicht gerade angenehm, wohlangemerkt.

Bobbys Blick war starr von der Terrasse auf die Einfahrt gerichtet. Kitty runzelte die Stirn und folgte seinem Blick. Storms schwarzer VW hatte soeben geparkt. Die Direktorin war also endlich aus ihren Ferien in Afrika zurückgekehrt.

- Moment mal...! Neben ihr stand ein junger Mann...

»Pyro!« Sprach Bobby Kittys Gedanken im selben Moment auch aus. Es klang hasserfüllt, aber zugleich auch wiederum ängstlich. Da war die Person, der Bobby immer böse sein würde.

- Und böse war in dem Fall noch harmlos ausgedrückt

Da war John Allerdyce. Das war auch der Grund, wieso er sich so an Kitty klammerte. Das hatte er damals auch getan. Damals auf Alcatraz...

Kitty beobachtete das Geschehen vor mir ebenfalls mit Skepsis, aber sie war dabei weitaus gelassener, als ihr bester Freund. Besser gesagt: Erfreut war sie keineswegs und sie hoffte insgeheim, dass sie noch immer träumte.

- Und vielleicht mal einen anderen Traum hatte...! Nur ausnahmsweise. Auch kein guter, aber Hauptsache es handelte sich hierbei um einen Traum.

Aber im Gegensatz zu Bobby zeigte Kitty ihre Emotionen nicht. Sie wollte damit erreichen, dass Bobby sich beruhigte. Wie konnte Storm das nur wagen… Ohne etwas zu sagen. Ohne alle einzubeziehen. Ohne um Erlaubnis zu fragen!

- Die hätte sie dafür bestimmt nicht bekommen, ihn hierher zu bringen!

Diesen Verräter, diesen Mörder, dieses Schwein ohne Gewissen. Mein Arm begann zu schmerzen.

»Interessant.. Storm verbringt wohl seit neuestem ihre Ferien in psychiatrischen Anstalten, was?« Etwas schwarzer Humor schwang in diesen Worten mit. Seit der ganzen Schlacht um Alcatraz und dem Tod des Professors war Kitty etwas realistischer geworden. Sie nannte die Tatsachen nun beim Wort und spottete manchmal sogar in Situationen, in denen Spott gänzlich unangebracht war. Die meisten hätten sie aber wohl trotzdem noch als naives Dummchen bezeichnet. Bobby sagte kein Wort. Sein Griff um ihren Arm wurde unangenehm. Die junge Mutantin versuchte den Arm unauffällig wegzuziehen, scheiterte jedoch kläglich. Bobby schwieg noch immer.

Storm lud das Gepäck aus dem Wagen. Sie einen Koffer, John kaum etwas, nur einen kleinen Rucksack. Storm setzte sich mit Koffer in Bewegung. John hielt sie zurück. Ich traute meinen Augen nicht, Bobby sicherlich auch nicht. Er nahm ihr den Koffer ab.

- Pyro trug gerade Storms Koffer, ohne dass diese ihn darum gebeten hatte?!

Irgendwie sah es witzig aus. Ungewohnt. Kitty zog eine Augenbraue hoch und musste gleichzeitig leicht schmunzeln. Auch wenn sie nicht wollte. Sie drehte ihren Kopf zu Bobby, während die beiden Gestalten über das Kies zum Institut gingen. Ihr Arm schmerzte. Aber Kitty verstand Bobby. Sie kannte ihn. Sie wusste, wieso er mich festhielt. Den Grund dafür konnte sie nicht vergessen. Den konnte keiner Vergessen. Sie gab ihm Sicherheit. Genau wie damals. Aber trotzdem:

»Uhm.. ich glaube, du kannst meinen Arm jetzt loslassen, von dem geht ganz sicher keine Gefahr aus. Ich meine.. Er trägt gerade Storms Koffer!« Kitty fand das ein äusserst gutes Argument. Storm und Pyro hatten die Eingangstüre erreicht und verschwanden aus unserem Sichtfeld. Ihr Arm schmerzte noch immer. Und ihr bester Freund hatte noch immer kein Wort gesprochen.

»Jetzt bist du derjenige, der mir nicht zuhört!« Fügte Kitty hinzu und musste leise darüber lachen. Ihm war nicht nach lachen zu Mute. Plötzlich sprang Bobby auf und eilte an ihr vorbei. Die Braunhaarige blinzelte verdutzt, als sie auch schon die Tür schlagen hörte. Sie war immer noch müde. Aber jetzt wurde die Müdigkeit zumindest durch die Aufregung überdeckt, was eigentlich noch recht praktisch war. Deswegen sprang Kitty ebenfalls auf und folgte ihm nach drinnen.

Während Kitty noch die Treppe nach unten eilte, konnte sie bereits Stimmen von unten hören.

»Nur, weil du Magneto jetzt auch noch verraten hast, musst du nicht meinen, du kannst wieder hier auftauchen, Pyro. Ich bringe dich um« Brüllte mein bester Freund. Meine Schritte wurden schneller. Er war kein Mörder. Er wollte keiner sein. Er sollte nicht sein wie Pyro.

Pyro antwortete erstaunlicherweise gar nichts, stattdessen Storm:

»Bobby nicht..!!« Ein Krachen, das irgendwie so klang, als hätte Storm gerade Bobbys Eisstrahl abgewehrt.

»Was soll das, Storm?!« Bobbys Gebrüll.

»Bobby... ich..« Ororos Gegenwehr - nicht vorhanden und kaum hörbar.

»Wieso schleppst du uns Judas höchst persönlich an..?! Gib ihm doch gleich ne Erlaubnis, uns alle zu töten und dann das Institut abzufackeln!« Bobby war noch immer laut.

»Hör mir doch erst einmal zu.« Storm lauter, aber noch immer chancenlos.

Ich wusste, was Pyro für Storm war. Für Storm war er kein Judas, nicht Luzifers Sohn. Storm hatte immer die Hoffnung gehabt, dass er zurückkehren würde. Eigentlich war es nicht weiter verwunderlich, dass sie alles daran gesetzt hatte, dass er nicht ins Gefängnis wanderte, sondern stattdessen in eine psychiatrische Anstalt. Und, dass sie ihn jetzt scheinbar heim holte. Bobby würde Kitty die Schuld geben. Er hätte John liegen gelassen. Kitty war nicht so. Kitty war anders. Früher war Bobby auch nicht so gewesen. Man könnte fast sagen, Pyro hatte ihn charakterlich so kühl gemacht, wie er schon wegen seiner Mutation war. Zumindest, wenn es um Themen in diese Richtung ging. Er konnte auch anders sein. Nur nicht immer.

- Wenn wir grade dabei sind, Anspielungen auf die Bibel zu machen: Wenn Bobby von Judas sprach, dann war John für Ororo mehr der verlorene Sohn. Er ging undankbar wie er war weg, verlor alles und kehrte schliesslich reumütig heim. Jeder hat eine zweite Chance verdient. Das war ihre Rechtfertigung.

Bobby war verstummt. Das machte Kitty Sorgen. Sie beeilte sich noch mehr um schliesslich zu den dreien zu stossen. Um gleich eine zweite Überraschung zu erleben. Kitty sah Ororo und Bobby. Zwischen ihnen stand der Feuerteufel. Er hatte seine Hand gegen Bobby ausgestreckt.

- Um ihn zu schlagen, ganz bestimmt!

Kitty wollte einen Hechtsprung machen, um Bobbys Hand zu greifen und zu phasen. Aber John rührte sich nicht. Er schlug nicht. Er hielt Bobby seine lediglich seine Hand hin. Bobby schien ebenfalls überrascht zu sein, das war wohl der einzige Grund, warum er Pyro nicht schon an die Gurgel gegangen war. Storm ebenfalls. Aber auf ihrem Gesicht war ein stolzes und zugleich triumphierendes Lächeln zu sehen.

»Es tut mir Leid.« Brach John schliesslich das Schweigen, er hielt Bobby weiterhin die Hand entgegen, auch wenn bereits jetzt klar war, dass dieser nicht danach greifen würde. Stattdessen griff Kitty nach seiner Hand. Ihre packte Bobby, wie einen rettenden Anker, der ihn festhielt und ihm Sicherheit gab. Sie kannte ihn. Er würde seinem ehemaligen besten Freund niemals verzeihen.

- Niemals! und das war auch gut so!

»Es tut mir Leid, was ich dir angetan habe. Dass ich dich fast umgebracht hätte und alles, du weisst schon…« Klar wusste Bobby. Die Erinnerung und die Todesangst von damals liessen ihn nicht los. Aber solche Dinge erzählte er nur Kitty. Sie verstand ihn. Sie hatte ihn gerettet. Sie hatte beide gerettet und langsam begann sie zu glauben, dass das ein Fehler gewesen war. Aber sie konnte nicht so sein wie Pyro. Sie hätte es nicht gekonnt. Sie war keine Mörderin. Kitty drückte Bobbys Hand kurz etwas fester. Zur Ermutigung. John fuhr fort: »Ich weiss es gibt keine Entschuldigung für meine Taten und mein Verhalten, aber ich hoffe, du kannst mir eines Tages verzeihen, auch wenn ich es nicht glaube.«

Bobby sah John eine Zeit lange an. Niemand von den anderen wagte es, ein Wort zu sagen. Bobby schüttelte langsam den Kopf und riss seinen Arm entschieden aus Kittys Griff. Als wäre er auch wütend auf sie. Als wäre es auch ihre Schuld. Oder nur..? Sie hatte Pyro mitgenommen, als Bobby ihn bewusstlos geschlagen hatte. Bobby hatte ihr nicht geholfen, aber gehindert hatte er sie auch nicht daran. Aber auch nur, weil er sie dabei womöglich hätte verletzen können.

- Das hatte man davon. Man konnte es niemandem recht machen…!

Bobby drehte sich um und ging. Er ging einfach weg. Nicht einmal ein Wort zu Kitty. Jetzt war er wirklich sauer auf sie, nicht so wie vorhin, als sie ihm einfach nicht zugehört hatte. Die Vergangenheit holte einem eben immer wieder ein, egal was man dagegen zu tun versuchte. Kitty sah ihm nach und hörte Storm hinter mir rufen:

»Bobby.. jetzt bleib doch! Er meint es doch nur..« Kitty drehte sich zu ihr um und ihre Augen funkelten sie wütend an. Sie sollte es in der Gegenwart der jungen Phaserin bloss nicht wagen, John auch nur irgendwie in Schutz zu nehmen. Doch was Kitty gerade hatte sagen wollen, dass tat John selbst:

»Lass es, Ororo... Ich würde mir selbst auch nicht verzeihen.« Er zuckte mit den Schultern. Kitty sah ihn fassungslos an. Er hatte sich bei Bobby entschuldigt, er schien seine Fehler einzusehen, er schien zu bereuen. Da stimmte doch etwas nicht… Johns Blick fand ihren. Kitty blinzelte verdutzt, als ob sie gerade aufgewacht wäre.

- Nur in diesem Fall hätte sie sein Auftauchen wohl gerne als einen Traum abgestempelt...
 

Auch jetzt blinzelte Kitty, aber dieses Mal, weil sie wirklich gerade aufgewacht war. Nicht aus einem Traum, denn Träumen tat sie seit geraumer Zeit nicht mehr, aber aus ihrem Schlaf und die Situation kam ihrer Meinung nach einem Albtraum ziemlich gleich.

- Abgesehen davon konnte sie sich nicht erklären, dass sie keine Albträume mehr hatte. Nach dem Tod des Professors waren sie wieder gekehrt und dann plötzlich von einem Tag auf den nächsten hatte sie ruhig schlafen können. Aber das war schon länger her, weshalb sie ihre Albträume eigentlich schon langsam zu vergessen begann.

Kitty liess John los, als hätte ich gerade heisse Kohlen angefasst. Er küsste sie fast schon liebevoll auf den Hals. Sie schrie laut auf. Und trotzdem: Eine Gänsehaut breitete sich von diesem Punkt über ihren Körper aus und ein Prickeln. Es gefiel ihr. Ihr Geist stattdessen verspürte nur Eckel.

Man sollte wirklich keine Schlafwandler aufwecken.

Kitty verpasste ihm eine Ohrfeige. Aber er musste ganz runter von ihr. Ganz Ganz! Bevor John auch nur realisierte wofür die Ohrfeige gewesen zur war, stiess die Braunhaarige ihn mit aller Kraft von mir runter. Er fiel rücklings vom Bett, sodass nur noch ein Teil seiner Beine auf dem Bett war. Das Stöhnen beim Aufprall war genug Beweis dafür, dass es Schmerzen bereitet hatte. Aber zufrieden stellen tat sie das noch lange nicht. Kitty packte eines der Kissen als Waffe und sprang auf. Sie war nackt, aber im Vergleich zu der Tatsache, dass sie gerade mit ihm geschlafen hatte, war das gar nichts. Die junge Mutantin stand auf der Bettkannte, über ihm, zwischen seinen Beinen. Das Kissen hatte sie drohend hoch erhoben.

»Was zur Hölle soll das?!!!« Brüllte sie heiser und es klang auch reichlich hysterisch. »Sag es mir! Sofort!!!« Das Kissen in ihren Händen zitterte.

John stöhnte leise und sah zu ihr hoch.

»Kitten, ich mag zwar für vieles zu haben sein, das wissen wir beide nur zu gut..« Was auch immer das heissen mochte. »Aber Dominaspiele ist nicht.« Er grinste, während er seinen Kopf nach etwaigen Verletzungen abtastete. Kitty runzelte die Stirn. »Die Rolle steht dir übrigens eh nicht. Und umgekehrt kommt auch nicht gut. Ich würde es nicht übers Herz bringen, dich zu schlagen. Ist sowieso viel niedlicher, wenn du lachst.«

Kitty lachte nicht. Er schon, aber nur leise. Genau deswegen lachte sie erst recht nicht. Wieso sagte er sowas. Er sagte sonst nie solche Dinge, nicht einmal annähernd.

»Ach komm, hör schon auf zu schmollen.« Er konnte sich anscheinend immer noch nicht dazu bringen, wieder aufzustehen. Kitty warf das Kissen mit voller Wucht auf ihn.

»Ich meins Ernst, du Idiot! Was soll das?!« Fauchte Kitty. Irgendwie fühlte sie sich gerade ziemlich verarscht. Sie hatte gestern nichts getrunken… oder sonst was getan, was sie in diese Situation hätte bringen können. Oder etwa doch…? John zog fragend eine Augenbraue hoch.

Er hatte es immer noch nicht gemerkt, aber es dämmerte ihm langsam.

Kittys Schlaf musste sonst ja immer extrem tief sein…

»Na schön… Wie du willst.« John grinste. Energisch warf er Kitty das Kissen zu und während sie noch mit abwehren beschäftigt war, brachte er sie mit einer raschen Bewegung seiner Beine zu Fall. Im Gegensatz zu ihm landete sie zumindest weich auf dem Bett. Was aber auch nicht unbedingt angenehmer für sie war.

Jetzt war er erstaunlich schnell wieder auf den Beinen. Und wieder über ihr. »Ergib dich, kleines Kätzchen.« Er wollte sie küssen. Kittys Augen weiteten sich panisch. Sie spuckte ihm mitten ins Gesicht. Und dieses Mal war John es, der blinzelte. Und zwar verdutzt. Aber so richtig. Er hielt inne. Kitty atmete schnell. Er musterte sie. Sie wollte ihn einfach nur von sich runter haben.

»Ou..« John rollte mit den Augen und rollte sich im selben Zug behände von Kitty runter. Das war auch definitiv besser für ihn, denn Kitty hatte bereits überlegt, was zu tun war, um sich von ihm zu entfernen. »Du bist wach.« Er rutschte etwas weiter weg. Als wolle er Sicherheitsabstand von ihr nehmen. Aber eigentlich war das auch besser so. Besser für ihn. Sie atmete, gehetzt wie ein Tier. Die Haut, der Körper verschwitzt und noch immer eine grössere Wärme als normal ausstrahlend. Der Geist eiskalt. Das zeigte ihm ihr Blick mehr als deutlich. Weil er wusste, dass ihr Blick auch anders sein konnte. Dass sie ihn auch anders ansah. Er redete sich ein, dass ihm das nichts ausmachte. Tat es auch nicht…! Er war gut darin, sich Dinge einzureden. Nein, tat es wirklich nicht….

Kitty war noch immer nackt. Sie zog ein dünnes Laken um ihren schlanken Körper um ihre körperlichen Vorzüge (Ja, John hätte jetzt wohl gesagt, dass sie keine körperlichen Vorzüge hatte…) zu bedecken. Er bemühte sich nicht darum, sich etwas überzuziehen. Es brachte eigentlich auch gar nichts, nackt gesehen hatte er sie ja sowieso schon. Mehr als das. Leider. Aber Kitty fühlte sich ansonsten so unwohl. Sie konnte es nicht glauben und sie zischte wutentbrannt:

»Was suchst du in meinem Zimmer und…Wieso.. Wir.. ich meine.. Du.. haben wir..?« Kitty sprach es nicht aus. Es, das was sie getan hatten. Aber sie konnte sich gerade einfach nicht erklären, wie sie in diese Situation gelangt war.

John sagte nichts. Er grinste nur leicht – auch wenn er es vor Kittys Augen zu verbergen suchte. Sie sah ihn empört an. Er bewegte seinen Zeigefinger im Kreis. Die Braunhaarige sah sich um.

»Das ist nicht…«

»Dein Zimmer?« Vervollständigte der Feuerteufel den Satz. Das Grinsen wurde breiter. Kittys Schock dafür grösser. Tatsächlich befanden sie sich in dem Einzelzimmer, das Storm John bei seiner Ankunft überlassen hatte. Er konnte schliesslich nicht mehr mit Bobby im selben Zimmer wohnen. Die Schulleiterin hatte absichtlich das Zimmer gewählt, das am weitesten von Bobbys Zimmer entfernt war. Um genau zu sein, war es sogar das alte Zimmer der beiden Jungen. Bobby hatte nach Johns Verrat nicht mehr darin leben wollen und war mit Alex Summers in ein Zimmer gezogen.

Kitty merkte, wie ihr übel wurde. Sie drehte ihren Kopf von ihm weg. Der Hals ganz trocken. Sie würgte und machte Anstalten nach vorne zu kippen. John machte eine Bewegung in ihre Richtung, als ob er sie auffangen wolle. Er stockte jedoch und liess es. Sie hatte es nicht bemerkt, weil sie ihr Gesicht mit ihren Händen bedeckte. Lass mich bitte endlich aufwachen. Lass mich einfach aufwachen. Flehte sie inständig in ihren Gedanken. Vielleicht war das der Traum, an den sie sich niemals hatte erinnern können. Vielleicht würde sie gleich aufwachen und ihn vergessen. Bitte.

»John.. Oh Gott…!!« Brachte sie schwach hervor. Eine Mischung aus Stöhnen und Wimmern.

»Das sagst du normalerweise auch.« Kitty liess ihre Hände sinken. Sie sah den Feuerteufel angewidert an. Wie konnte er nur so eine Bemerkung machen. Die Bedeutung dieser Worte wurde ihr erst kurze Zeit später klar. ‚Normalerweise‘ hiess, dass das hier öfters vorkam… Ihr wurde schlecht. Aber so richtig. Lance. Sie konnte sich an nichts erinnern. Was würde Lance denken? Sie konnte sich an nichts erinnern!

»Was auch immer das gerade war und wie auch immer das passiert ist… Es wird niemals wieder passieren!« Zischte Kitty und stand auf. Sie rang mit ihrer Fassung, und auch mit dem Gleichgewicht. Hastig sah sie sich im Zimmer um. Sie suchte ihre Kleider. Aber sie sah nur einige Teile verstreut. Die Braunhaarige eilte durch den Raum und zog sich die Teile über, dabei peinlichst darauf bedacht, dass das Laken nicht verrutschte und den Blick auf ihren nackten Körper freigab.

»Also das hast du bis jetzt noch niemals gesagt…« Er stützte seinen Kopf lässig auf seinem Arm auf. Immer noch schien es ihm egal zu sein, dass er nichts an hatte. »Das Quietschen am Ende ist immer das was ich am niedlichsten finde.« Er leckte sich genüsslich über die Lippen. Gepaart mit seinen Worten hatte es durchaus etwas zweideutiges, geradezu Anrüchiges. Pyro war ein Mistkerl. Und das war er gerne. Und beweisen tat er es noch viel lieber. Kitty sah ihn an. Aus ihrem Gesicht sprach die pure Abneigung.

Kitty hatte inzwischen Unterhosen und T-Shirt an. Genug, um die Flucht zu ergreifen, um das hier zu vergessen, es als Traum abzustempeln. Aber erst einmal musste sie ihm klar machen, dass sie es ernst meinte. Es wunderte sie, dass er überhaupt darauf kam, dass sie das jemals wiederholen würden.

Die meisten Schlafwandler wissen nichts von ihren nächtlichen Aktivitäten.

»Halt bloss den Mund Pyro. Und ich warne dich, wenn jemand davon erfahren sollte, dann hetze ich Bobby auf dich.« Kitty funkelte ihn ein letztes Mal wütend an, ehe sie aus dem Zimmer stürzen wollte.

»Wieso sollte ich jemandem jetzt was davon erzählen, wenn ich das bis jetzt auch noch nicht gemacht habe.« Kitty blieb stehen. Fast schon erstarrt zu einer Salzsäure. Schon wieder eine Andeutung in diese Richtung. Ihr lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Sie drehte sich halb zu ihm um.

»Das ist nicht schon öfters vorgekommen...!« Es sollte keine Frage sein und doch war es eine. Kitty hatte Angst. Lance. Nein. Ihr war übel. »Davon wüsste ich.« Letzeres klang einfach nur noch verzweifelt.

»Kann gut sein, dass du dich nicht erinnerst. Ich dachte schon länger, dass du schlafwandelst und dass es deswegen ist. War mir aber bis jetzt noch nicht sicher.« John sagte das in einer Gelassenheit, die Kittys Wut nur noch mehr anspornte.

»Und dann vögelst du mich einfach, so nach dem Motto, ja sie wollte es ja so, nur weil ich dich im schlafenden Zustand wahrscheinlich für Lance oder so halte?!« Platze Kitty heraus. Sie hoffte zumindest, dass sie ihn für Lance hielt. Normalerweise sprach sie solche Dinge nicht direkt an. Dafür war sie doch etwas zu schüchtern, aber die Wut, die momentan in ihr drin war, liess sie ihre Gedanken ungefiltert aussprechen. John sah sie leicht überrascht an. Er dachte wohl genau dasselbe.

»Hm.. In wessen Zimmer sind wir nochmal, Kitten?« Gab John grinsend zurück und fügte triumphierend hinzu: »Und ich bin es bestimmt nicht, der dich jede Nacht gegen deinen Willen hierher zerrt und dann gegen deinen Willen ganz ganz böse Dinge mit dir anstellt.« Die Beckenbewegung, die er dabei machte reichte, um Kitty den Rest zu geben. »Das war ganz allein deine Idee, von Anfang an. Und sagen wir es so, du hast darauf bestanden…« Sie wollte sich nur noch übergeben. Auch wenn er recht hatte. Es war sein Zimmer. Sie musste hierher gekommen sein. Und das aus freien Stücken. Gruselig. Und: Irgendwie musste es ihr gefallen haben, sogar als sie schon aufgewacht war. Er setzte noch einen drauf: »Ich weiss wirklich nicht, was da bei dir und Lance schief läuft. Aber so oft wie du hier bist muss er ne absolute Niete im Bett sein. Wobei, im Vergleich zu mir sind das alle. Ich verstehe dich also voll und ganz. Und..« Er lächelte vertrauensvoll, als würde er wirklich einmal etwas ernst und nett meinen: »Genau darum bin ich immer da für dich, wenn du mich brauchst.« Kitty hielt sich die Hand vor den Mund. Für den letzten Kommentar hätte sie ihn am liebsten geschlagen.

»Wir haben überhaupt keine Probleme und Lance ist auch nicht...« Sie stockte. Sein Grinsen war breiter geworden. Und das sagte Kitty, dass sie gerade dabei war, sich auf sein Spielchen einzulassen. Und das durfte sie auf keinen Fall. Dabei konnte man nur verlieren. Immer noch mit verhältnismässig hoher Stimme brüllte sie: »Das wird niemals wieder passieren!!!«

Kitty stürzte aus dem Zimmer. Nur noch weg. Sie konnte John lachen hören, und sein spöttischer letzter Kommentar brannte sich in ihr Gehirn ein, wie eine seine Flammen, die er einst hatte beherrschen können:

»Bis morgen Abend, Kitten.«
 

Das ganze begann von vorne. Nur, dass es jetzt sogar noch schlimmer war, als damals die Albträume.

Kitty Pryde würde nie wieder ein Auge zu tun.

Spiel nach Pyros Regeln


 

2. KAPITEL – Spiel nach Pyros Regeln
 

Augenringe sind dunkle, halbmondförmige Hautbereiche unter den Augen. Hervorgerufen werden sie oftmals durch Schlafmangel. Auch Kitty hatte an diesem Morgen Augenringe. Und Hunger, denn den grössten Teil der Nacht hatte sie damit verbracht, sich zu übergeben und ihre Augen offen zu halten. Johns Worte waren ihr wieder und wieder durch den Kopf gegangen und das hatte auch zum Auftauchen von Fragen geführt. Soweit war sie bei ihrer gestrigen Flucht natürlich nicht in ihren Überlegungen gewesen, dass er ihr alles hätte beantworten können. Sie fühlte sich immer noch miserabel. Dementsprechend war ihre Laune. Und dementsprechend wirkte sich das auch auf ihr Essverhalten aus.

Bobby und Kitty sassen in der Küche. Das Institut war noch immer so familiär wie früher. Auch wenn seit Alcatraz einige bekannte und wichtige Gesichter fehlten. Man versuchte es zu ignorieren. Es war Samstag Morgen und keiner hatte es sonderlich eilig. Logan war vor zehn Minuten hier gewesen und hatte sich jetzt auf den Weg gemacht, um mit den kleinen einige Stunden im Danger-Room ihre Kräfte zu schulen. Auch Storm ging geschäftig ihren Aufgaben nach. Die wenigen Schüler, die das Institut noch hatte genossen ihre Freizeit mit einem Stadtbummel, Schwimmen im See des Instituts oder anderen Aktivitäten.

Sie waren die einzigen, die jetzt noch in der Küche waren. Es war schon nach zehn. Kitty bemühte sich, nicht einzunicken, während Bobby lieber auf Konversation aus war. Sie nickte ab und an und liess einige mhms hören. Aber gedanklich war sie abwesend. Beim gestrigen Abend. Was sie getan hatte und bei der Frage, was John ihr für Drogen gegeben hatte, dass sie das mitgemacht hatte…

- Und die Antwort, auf die sie jedes Mal kam war, dass da wohl kaum Drogen im Spiel gewesen waren…

Sie starrte auf ihre Kaffeetasse, sodass ihr erst einmal gar nicht auffiel, dass jemand die Küche betreten hatte. Kitty bemerkte es erst, als Bobby verstummte und sie spürte, dass die Zimmertemperatur gerade deutlich gesunken war. Sie warf ihm einen Seitenblick zu, folgte seinem Blick. Er fixierte John. Kitty erstarrte. Sie kämpfte gegen das aufkommende Übelkeitsgefühl an. Weil sie einfach nicht wusste, wieso sie so etwas getan hatte und weil sie gerade von Schuldgefühlen gegenüber Lance innerlich zerfressen wurde. Gegenüber Bobby eigentlich auch. Wie betrogen er sich wohl vorkam, wenn er jemals davon erfuhr. Kitty setzte die Kaffeetasse an ihre Lippen und grüsste John nicht einmal. Das tat sie nie wenn Bobby dabei war. Und ab jetzt würde sie es sonst auch nicht mehr tun.

Dem Feuerteufel machte das herzlich wenig aus. Er musste sich bewusst sein, dass sie ihn nicht aus den Augen liess. Seine Bewegungen waren fliessend, geschmeidig. Er ging zum Kühlschrank, strich betont langsam über die Klinke, ehe er ihn öffnete und dabei ein Stöhnen der Anstrengung von sich gab. Kitty bekam eine Gänsehaut, weil ihr das alles bekannt vorkam. Gleichzeitig wünschte sie sich zurück ins Badezimmer über die Toilette und ohne Bobby neben sich, der immer noch nichts sagte. Er würde auch nichts sagen, bis John aus dem Raum war.

Anfangs war es äusserst schwierig gewesen zwischen den beiden.

- Das war es eigentlich immer noch… Aber trotzdem.

Bobby war einige Male auf John los gegangen und hatte es jedes Mal zumindest versucht, während der Feuermutant das Lämmchen gemimt hatte, das er nicht war – das hatte er Kitty spätestens letzte Nacht wieder einmal bewiesen. Storm hatte einsehen müssen, dass die beiden sich nie vertragen würden. Aber Bobby hatte akzeptieren müssen, dass Storm nicht zulassen würde, dass er Pyro umbrachte. Aber eines wusste er, irgendwann würde niemand da sein, der den anderen beschützte. Und ohne seine Kräfte war John sowieso ein leichter Gegner für ihn.

- Das fand Bobby irgendwie sogar Schade. Wo blieb da die Herausforderung?¨

So blieb Bobby einzig und alleine die Option, John wie Luft zu behandeln und so zu tun, als wäre er nicht hier. So wie es sein würde, wenn er Pyro umgebracht hatte. Es würde sowieso niemanden gross bedrücken.

- Glaubte er.

Kitty beobachtete John unauffällig dabei, wie er den Tetrapack Orangensaft aus dem Kühlschrank fischte und sich ein Glas damit füllte. Sie stocherte in ihrem Kaffee. Er kam doch sonst nie in die Küche, wenn andere in der Küche waren. Erst recht nicht, wenn Bobby unter ihnen war. Die Temperatur wurde noch kühler. John schüttelte sich leicht und fröstelte. Auch ohne seine Fähigkeiten mochte er es nicht, Kälte zu spüren. Das war ihm zu wider. Er drehte sich abrupt zu den beiden anderen um, Kitty fühlte sich ertappt.

»Drake, könntest du das bitte lassen? Kitty und ich habens lieber heiss, nicht?« Kitty ignorierte ihn. Sie stocherte schneller in ihrer Tasse. Die Temperatur sank.

- Langsam reichte es aber wirklich mit der Kälte!

Bobby sagte nichts. Er versuchte bei seiner Strategie zu bleiben, weil er sonst für nichts garantieren konnte.

John durchquerte den Raum mit wenigen Schritten. Kitty wich in ihrem Stuhl leicht zurück. Bobby ballte seine Hände zu Fäusten. Die eine liess er in der Nähe von Kittys. Sie berührte seine kurz mit ihrer und merkte, wie er sich etwas entspannte.

John stand vor ihrem Tisch. Er hatte bis anhin noch nichts von seinem O-Saft getrunken. Kitty wollte ihn nicht ansehen. Sie starrte auf die Tasse.

»Na, gut geschlafen, Kitten?« Kitty konnte Bobby verächtlich schnauben hören. Sie berührte seine Hand erneut, um ihn noch einmal zu beruhigen. Sie wusste, egal wie ruhig er gegen aussen hin wirkte, er brodelte innerlich. Bobby war der Meinung, dass John nur hier war, weil er Ororo um den Finger gewickelt hatte und das noch immer tat. Seither hatte jemand das Gerücht in die Welt gesetzt, die Schulleiterin hätte eine Affäre mit dem Ex-Brotherhoodler.

- Von wem das wohl kam…?

Kitty konnte ihn nicht einfach ignorieren, wenn sie wollte, dass er so schnell wie möglich wieder ging. Und das wollte sie weil Bobby sich nicht aufregen sollte aber vor allem auch, weil sie sich nicht aufregen wollte.

»Ausgezeichnet.« Brachte Kitty zähneknirschend als Antwort hervor. Sie bemerkte, wie sie sich geradezu an die Kaffeetasse klammerte. Ihr einziger Haltepunkt, denn Bobby war niemand zum festhalten, er war vielmehr jemand, der im Notfall festgehalten werden musste. »Du...?« Stellte sie die Gegenfrage.

Das dreckige Grinsen auf seinem Gesicht liess den wenigen Kaffee den sie heute zu sich genommen hatte ihre Speiseröhre hochkriechen. Glücklicherweise ging das wegen der Schwerkraft nicht sonderlich leicht.

»Ebenfalls. Ich hatte einen netten Traum…« Kittys Blick wurde noch finsterer. Und das liess sie mit den Augenringen gemeinsam schon recht verschlagen aussehen. Er lachte leise auf.

»Verpiss dich, Pyro...!« Der Tisch unter Kittys Armen wurde langsam von einer Eisschicht überzogen. Bobby hielt Johns Gesellschaft nicht weiter aus. Durchaus verständlich. Früher hätte er niemals die Kontrolle über sich selbst oder über seine Kräfte verloren. Aber früher hätte er John auch nicht einfach liegen gelassen. Kitty war ihm dankbar. Er tat gerade so viel für sie, auch wenn er es nicht wusste. Sie legte vorsichtig ihre Hand auf Bobbys und lächelte ihm müde zu. Die Hand des Eismutanten war eiskalt.

John klopfte mit seinem Finger leicht gegen das Glas. Es entstand ein höhlendes Geräusch, das Kitty wieder in seine Richtung sehen liess. John rieb unauffällig mit seinem Finger über das Glas. Normalerweise wäre es Kitty nicht aufgefallen, aber sie wusste, es war pure Absicht und sie wusste auch, was sein Gedanke dahinter war. Glücklicherweise wusste Bobby das nicht. John bewegte sich nicht. Kitty hielt den Atem an. Der Feuerteufel fuhr erneut über das Glas und meinte dann ohne Vorwarnung:

»Saft gefällig…?«

Kitty schloss die Augen, am liebsten wäre sie losgelaufen, hätte sich durch alles in ihrem Weg hindurchgephast und wäre in der hintersten Ecke einer Toilette über die Kloschüssel gelehnt. Zwar musste sie sich längst nicht mehr übergeben, aber sie hätte es gerne. John stellte das Glas vor ihr ab, sie hörte das Geräusch. Kitty öffnete ihre Augen und starrte auf das Glas. »Verpiss dich, Pyro oder ich schwör dir, ich tu dir was an.« Nicht, dass er das nicht schon längst geschworen hätte.. Kitty wusste es. Sie kannte Bobby. Aber nicht diese Seite an ihm. Sie mochte diese Seite nicht, denn diese Seite war wie John war. Weil John sie erschaffen hatte. Und bei dem zufriedenen Grinsen, das John Bobby zuwarf, war auch sogleich klar, dass John das auch wusste und das er auch noch mächtig stolz auf sich war.

Der Feuerteufel verliess die Küche ohne ein weiteres Wort. Er pfiff eine Melodie vor sich hin. Kaum erkenntlich, aber sie kam Kitty bekannt vor. Jedoch wusste sie nicht, wo sie sie schon einmal gehört hatte.

Kitty wusste, wie sehr er diesen Moment genossen haben musste. Bobby vorgeführt, weil er nicht mitbekam, worum es eigentlich ging. Sie, die ihrem besten Freund nicht erzählen würde, was er damit eigentlich meinte. Und ihr wurde erst richtig bewusst, was für einen Trumpf John in der Hand hatte. Er konnte Bobby jederzeit alles erzählen. Bobby würde ihm vielleicht nicht glauben, aber er würde anfangen zu zweifeln. Kitty sah sich versinken in einem Strudel von Chaos und sie wünschte sich fast schon, dass sie in der letzten Nacht nicht aufgewacht wäre, weil sie dann nichts von alledem wüsste. Sie liess Bobbys Hand reflexartig los. Sie war noch immer eiskalt.

Jetzt fiel ihr auch Bobbys entgeisterter Blick auf. Er sah sie an. Schon die ganze Zeit. Sie sah ihn kurz an, ehe sie den Blick wieder senkte.

»Frag nicht, ich habe selbst keine Ahnung, was das sollte…«

- Doch.. eigentlich schon.

Die Kaffeetasse ansehen war viel schöner und auch viel sicherer. Ansonsten hätte Bobby womöglich an ihrem Gesicht ansehen können, das sie log. Pyro dieser verdammte Lügner. Er machte sie ebenfalls zu einer Lügnerin. Sie belog Bobby, sie würde Lance belügen und so tun, als ob nichts wäre, sie würde alle belügen… Genau wie Pyro. Sie hasste sich dafür, aber noch vielmehr hasste sie ihn dafür.

»Ich weiss zwar nicht was das sollte, aber wenn er dir irgendwas getan hat oder tun wird, dann bring ich ihn um...!« Bobby hatte ihr schon wieder nicht zugehört. Kein Bisschen. Er tat gerade so, als hätte Kitty nicht wenige Sekunden zuvor das genau gleiche gesagt. Natürlich ohne den Teil mit dem Umbringe. Aber wann hörte er ihr schon wirklich zu wenn es um Themen ging, bei denen er glaubte, dass seine Meinung die einzig richtige war. Er war doch früher nicht so gewesen… Aber sobald das Thema John Allerdyce aufkam, war er wie ausgewechselt, ein ganz anderer Mensch, wütend, brutal. Jemand, der vor Mord nicht zurückschrecken würde, wie John. Und auch deswegen hasste sie John, weil er es schaffte, selbst einen herzensguten Menschen wie Bobby zu einer Bestie werden zu lassen.

Kitty schluckte. Und was für einen Trumpf John doch in der Hand hatte…
 

Kitty betrat das kleine Restaurant, das zwischen weitaus grösseren Gebäuden geradezu eingequetscht wirkte. Tagsüber hatte es ab 10 Uhr geöffnet. Am Abend wurde es zu einer Bar. Die offizielle Stammkneipe der ehemaligen Schüler des Instituts – zumindest seit Jubilation Lee hinter der Theke arbeitete. Kitty hatte keinen Hunger. Sie war auch nicht zum Essen da, sondern wegen ihrer besten Freundin. Zielstrebig lief sie durch die Tischreihen. Es war wie immer gut gefüllt. Der Besitzer verdiente sicherlich recht viel Geld – im Gegensatz zu Jubilee. Kitty fand, sie arbeite für einen Hungerlohn. Aber die junge Asiatin sagte dann stets, sie habe es im Institut nicht mehr ausgehalten. Zu viele Erinnerungen. Vor allem an glückliche Zeiten, die Vergangenheit waren. Sie hatte nur gewartet, bis sie ihren High School Abschluss hatte. Sie war nicht der Typ zum Studieren. Sie hatte sich einen Job gesucht und war vor etwa zwei Monaten in eine kleine Einzimmerwohnung in New York City gezogen. Kitty vermisste sie. Und in Anbetracht der letzten Ereignisse noch mehr.

Kitty stellte sich an die Theke. Sie sah sich nach dem schwarzen Haarschopf ihrer besten Freundin um. Aber stattdessen fiel ihr ein blonder Haarschopf auf. Und die junge Frau, der diese blonden Haare gehörten, hatte sie auch schon entdeckt.

- Verdammt! Veeeeer…dammt!

Es war zu spät um jetzt einfach wieder raus zu laufen, also drehte Kitty so schnell wie möglich den Blick weg, in der Hoffnung die andere würde nicht auf sie zu kommen.

- Bitte.. bitte nicht..!

»Kitty Pryde?« Kitty verzog missbilligend den Mund. Sie tat, als würde sie die Stimme nicht hören.

- Lalalalalala… lalala..lalala… Lorna!

- Gab nicht auf!

»Hey!« Kitty war nun fast schon gezwungen, sich umzudrehen. In knappem Rock, Schürze und Bluse bekleidet stand sie da. Bobbys blonde Freundin. Kitty hatte sie wie gesagt nur ein einziges Mal gesehen. Sie schien perfekt. Das blonde Haar. Die blenden weissen Zähne. Die kurvenreiche Figur. Und dann auch noch ein herzensguter Mensch.

- Kitty wusste, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Gut, sie wusste es nicht, aber sie vermutete es.

Lorna strahlte ihr entgegen. Trotz der Arbeit und dem Stress, den sie sicherlich dabei hatte, sah sie einfach wundervoll aus.

-Scheiss wundervoll!

Bobby war zu beneiden… Kitty zwang sich, ebenfalls zu lächeln.

»Hey… Lorna, richtig?« Gab die Braunhaarige zurück.

- Sie wusste ganz genau, dass da Lorna Dane vor ihr stand.

Die andere nickte. Immer noch breit lächelnd.

- Davon bekam man doch irgendwann Schmerzen im Gebiss?!

»Genau. Bobbys Freundin.« Lorna umarmte Kitty, welche sich dagegen gar nicht wehren konnte. »Willst du was trinken?« Fragte die andere freundlich und fügte dann in leiserem Tonfall hinzu: »Für Bobbys beste Freundin geht das natürlich aufs Haus. Er erzählt immer so viel von dir. Schade, dass du so viel zu tun hast. Ich sage ihm immer, wir müssen mal etwas alle zusammen machen.«

- Er erzählte viel von ihr?! Sie musste wohl mal ein Wörtchen mit Bobby reden..

Kitty nickte langsam. Die andere überhäufte sie ja richtiggehend mit ihren Worten. Wahrscheinlich hatte sie das das ganze halbe Jahr, was sie und Bobby jetzt schon zusammen waren, aufgespart, bis sie Kitty einmal wieder sah. Der Gedanke liess Kitty schmunzeln:

»Nein, danke nichts. Aber nett von dir. Ja…«

»Ja, dass wir einmal alle etwas zusammen machen sollten, das finde ich auch.« Kitty hörte Jubilees Stimme, die sich frech wie immer einfach in das Gespräch einmischte. Ihr Gesicht hellte sich merklich auf und sie fiel ihrer besten Freundin um den Arm. Die Erlösung. Aber als Kitty genauer über deren Worte nachdachte fiel ihr auf, dass Jubilee ihr gerade in den Rücken fiel. Sie liess sie los und runzelte die Stirn. Jubilee fuhr unbeirrt fort: »Was hältst du von nächster Woche Kitty? Vielleicht Samstag Abend?« Kitty versuchte es mit Mimik, mit Telepathie, doch Jubilee und auch Lorna liessen nicht locker, bis sie ihr Einverständnis hatten. Ein netter Abend. Kitty sollte Lance mitbringen. Lorna würde mit Bobby kommen und Jubilee würde auch noch mitkommen. Wunderbar.

- Grauenhaft…!

Kitty versuchte, sich nichts von ihren wahren Gefühlen anmerken zu lassen, als sie eher verbittert meinte:

»Jubilee.. Machst du mal ne Rauchpause, ich muss mit dir reden.« Kitty wollte weg von Lorna. Ausserdem sollte diese den Inhalt ihres Gesprächs nicht unbedingt hören. Jubilee warf ihr einen nachdenklichen Blick zu und wollte erst widersprechen aber Lorna – scheinbarer Engel auf Erden – meinte:

»Für ein paar Minuten können wir dich entbehren.« Die Asiatin lächelte ihr zu und bedankte sich. Dann folgte sie Kitty, welche keine Sekunde länger gewartet hatte, nach draussen. Lorna rief ihnen hinterher: »Ich freue mich auf nächsten Samstag.«

- Jajajajaja…

- Wenn ‚Jaja‘ gleich ‚Leck mich am Arsch‘, was sind dann ganz viele gedankliche Jaja’s…?
 

»Was sollte das da drin?! Ich hab keine Zeit für sowas!« Fauchte Kitty ihre beste Freundin an. Sie sprach von ihrem jetzt verplanten Samstag Abend nächste Woche. Die beiden jungen Frauen waren durch den Hinterausgang in eine kleine Gasse getreten. Es roch nach Müll, nach Urin, nach allem möglichen. Jubilee grinste amüsiert und steckte sich eine Zigarette an. Sie lehnte lässig gegen die Wand und nahm den ersten Zug. Kitty fischte die Kippe aus dem Mundwinkel der Asiatin und meinte ernst: »Du sollst doch nicht mehr rauchen!« Sie warf sie zu Boden und trat darauf. Seit Pietro weg war rauchte Jubilee wieder. Es war wie in ihren schlimmsten Zeiten als Teenager. Oder noch schlimmer.

»Du hast selbst von einer Rauchpause gesprochen!« Protestierte Jubilee und steckte sich kurzerhand eine weitere an. Kitty gab auf. »Aber keine Sorge, ich weiss schon, wieso ich unbedingt ne Rauchpause machen sollte.« Sie tippte Kitty auf die Brust. »Du wolltest einfach da raus. Du magst Lorna nicht.«

»Ich mag Lorna.« Log Kitty.

»Achja?« Jubilee baute sich schon fast gefährlich vor ihrer besten Freundin auf. »Da drin ist die Freundin deines besten Freundes, die du bis jetzt erst zweimal gesehen hast – heute mitgezählt. Und das, obwohl die beiden schon über ein halbes Jahr zusammen sind!« Kitty wollte etwas sagen, doch die Asiatin fuhr fort und liess sie nicht zu Wort kommen: »Und sie versucht sich mit dir anzufreunden und was tust du? Du blockst ab! Erzählt mir nicht, dass du sie magst!«

»Ich finde einfach, mit ihr stimmt was nicht.« Meinte Kitty kaum hörbar.

»Hör doch auf damit!« Jubilee rollte genervt mit den Augen. »Soll ich dir sagen, was mit ihr nicht stimmt?!« Ereiferte Jubilee sich. Kitty wich automatisch zurück. »Es ist Bobbys Freundin! Das ist dein Problem!« Sie rauchte. »Es geht um Bobby.«

»Das hat damit nichts zu tun!« Wehrte Kitty tapfer ab. Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

»Weisst du, für uns war alle war spätestens nach Alcatraz klar, dass Bobby und du irgendwann zusammen kommen werdet. Bei Lance und dir war doch von Anfang an irgendwie der Wurm drin… Du weisst genau, was ich meine!« Kittys Augen wurden gross bei Jubilees Worten. »Beste Freunde… Tz von wegen. Ich hab mit Alex sogar ne Wette am laufen, wann ihr heiratet.« Sie legte Kitty die Hand auf die Schulter. Diese zuckte merklich zusammen. »Kitty, ich weiss alles über dich. Ich weiss, dass du während du mit Lance gedatet hast auch was mit Bobby hattest. Wir fanden damals auch alle, du und Bobby wärt das Traumpaar.« Kitty konnte nicht glauben, was sie hörte. Sie war gerade sprachlos, also hatte Jubilee genügend Zeit, um weiter auszuholen: »Wir wissen beide, dass Lance sich seit Alcatraz verändert hat und ich verstehe, wenn du lieber Bobby an deiner Seite hättest… Aber das mit Lorna. Das ist wahrscheinlich wirklich was ernstes und deswegen solltest du dich vielleicht damit abfinden, wenn du Bobby nicht ganz verlieren willst. Du musst einsehen, dass es für euch mittlerweile zu spät ist…« Kitty phaste sich entschieden aus Jubilees Griff. Die Asiatin redete einfach zu viel. Das sagte John immer. Aber in dem Punkt musste sie ihm ausnahmsweise einmal recht geben.

- Kaum zu glauben…

»Es ist aber nicht wegen Bobby, Jubes!« Begann Kitty langsam und wollte jetzt eigentlich zu dem Thema gekommen, zu dem sie eigentlich Jubilees Rat brauchte.

»Jaja.. du findest sie sonst einfach seltsam. Schon klar.« Meinte Jubilee. John hatte Recht. Sie redete zu viel.

Kitty schwieg. Sie sah ihre beste Freundin ernst an, bis sie sich sicher war, dass sie deren vollkommene Aufmerksamkeit hatte und dass diese sie endlich einmal ausreden liess. Sie hatte noch auf dem Weg hierher mit sich gerungen, ob sie es der Jubilee erzählen sollte oder nicht. Aber jetzt tat sie es nur schon aus Trotz und als Beweis, dass sie sich nicht unbedingt für Bobby interessierte. Es gab gar nicht viel zu sagen, fünf Worte reichten aus:

»Ich habe mit Pyro geschlafen. «

Jubilee war ruhig. Sie redete mal nicht. Immerhin etwas.

Der Asiatin fiel stattdessen die Kippe aus dem Mund und sie sah Kitty aus weit aufgerissenen Augen an.

- Schlafwandeln, zufällig aufgewacht, Arschloch lokalisiert, Lance weiss nichts

Nach einigen Erläuterungen hatte Jubilee ihre Sprache wieder gefunden. Und wie:

»Und, ist er gut?« Das war allen ernstes die erste Frage, die Kitty von ihrer besten Freundin gestellt bekam. Die Braunhaarige rollte mit den Augen. Eigentlich war das ja zu erwarten gewesen, immerhin unterhielt sie sich hier mit Jubilation Lee!

»Verdammt noch mal ich weiss es doch nicht, ich kann mich nicht erinnern und eigentlich will ichs auch gar nicht wissen!« Fauchte Kitty. Jubilee kicherte wie ein kleines Mädchen.

»Dann solltest du vielleicht mal in wachem Zustand mit ihm schlafen. Scheint dir ja irgendwie zu gefallen, wenn du schlafwandelst.« Sie kicherte erneut. Kitty funkelte sie wütend an. Noch jemand, der sich über sie lustig machte – nebst John – brauchte sie nun wirklich nicht. Der Feuerteufel reichte vollkommen aus.

- Wobei… Wenn man so darüber nachdachte… Nein, niemals!

»Sehr hilfreich bist du, wirklich. Jetzt mal ernsthaft, was soll ich tun?!!« Meinte Kitty, noch immer recht aufgebracht. Jubilee wurde etwas nachdenklicher.

»Du hattest doch früher schon Schlafprobleme…« Kitty nickte. Schlafprobleme, bei denen nicht einmal der Professor wirklich gewusst hatte, weshalb und warum. »Albträume hast du keine mehr oder?« Hakte Jubilee nach. Kitty schüttelte den Kopf. »Ist vielleicht ne ‘verstärkte’ Form von den Albträumen. Ich meine, wer weiss, was du damals jeweils so geträumt hast.« Die Asiatin brach in lautes Lachen aus. Kitty fand das nicht einmal annähernd witzig. Nicht einmal ein bisschen.

»Weisst du was, wieso hab ich dir überhaupt davon erzählt!« Knurrte Kitty und drehte sich um. Nicht einmal mehr auf ihre beste Freundin war Verlass. Die war wahrscheinlich bald die beste Freundin von Lorna Dane. Sie wollte weggehen, als Jubilee sie zurückhielt und jetzt wirklich ernst meinte:

»Tut mir Leid… Jetzt ernsthaft: Es muss was hier oben sein, das ist dir klar?« Sie tippte sich an den Kopf. Kitty rollte mit den Augen. Als wäre sie darauf nicht auch schon gekommen. »Ich meine..« Kitty wollte weitergehen. Jubilee hielt sie weiter zurück: «Nein, Kitty, hör mir zu. Es muss auch was mit Pyro zu tun haben… Sonst könntest du genau so gut mit Bobby ins Bett springen. Vielleicht solltest du mal mit John reden….«

- Wow, der erste brauchbare Vorschlag.

Kitty blieb stehen und drehte sich wieder zu der Asiatin um. Eigentlich hatte sie das selbst vorgehabt und das bewies ihr, dass Jubilee sich nun wirklich um eine Problemlösung bemühte.

»Aber ich muss dich vorwarnen… John wird dir vielleicht einen Teil sagen, um dich auf die Folter zu spannen, aber ganz sicher nicht alles, was er weiss.« Kitty sah Jubilee schroff an. Legte den Kopf leicht schräg. Die Asiatin erläuterte: »Das ist das Pyro Spielchen.«

- Psycho Spielchen wäre wohl eine bessere Bezeichnung dafür gewesen…

» Er hat es mit uns allen abgezogen. Du kannst dabei praktisch nur verlieren… Denn es ist ein Spiel einzig und allein nach seinen Regeln. Und dass das nur unfair sein kann, das kannst du dir selbst sicherlich denken. Er wusste beispielsweise schon viel früher, dass Pietro Magnetos Sohn ist.. Er hat mich im dunkeln tappen lassen, einfach nur, weil er es witzig fand. Oder bei Bobby… er wusste als einziger, dass du und Bobby schon bevor er Rogue kennen lernte was hattet… er hat Rogue damit Stück für Stück in den Wahnsinn getrieben.« Kitty sah sie ungläubig an. Pyro schien von ihnen allen viel mehr gewusst zu haben, als sie von sich selbst. »Und so weiter… deswegen sei bloss vorsichtig.« Warnte die Asiatin weiter und lächelte dann leicht. »Und wenn dich mit ihm Reden nicht weiter bringt, kannst du ja immer noch versuchen, in wachem Zustand mit ihm zu schlafen. Vielleicht ist er ja viel besser, als du denkst!« Sie zwinkerte. Kitty fand es noch immer nicht lustig. Überhaupt nicht. Vor allem, weil sie wusste, dass John besser war, als sie angenommen hatte.

Kitty verzog über den letzten Kommentar missbilligend den Mund. Aber Jubilee musste unbedingt noch etwas hinzufügen. Sie stiess ihre beste Freundin in die Seite und meinte spitzbübisch: »Jetzt wissen wir endlich beide, wie es ist auf einen BadBoy zu stehen«

»Der Unterschied ist nur, ich stehe nicht auf John und bin deswegen nicht blind vor Liebe und lasse mich wie du von einem gewissen Quicksilver nach Strich und Faden verarschen!« Gab Kitty kaltschnäuzig zurück. Sie fand es noch immer nicht lustig, und Jubilee sollte das nun endlich zu spüren bekommen. Der Kommentar war äusserst hart. Für ihre Schadenfreude vorhin hatte Jubilee das verdient. Kitty merkte im selben Moment jedoch auch schon, dass das keine gute Idee gewesen war. Das Leuchten in den Augen ihrer besten Freundin erlosch automatisch. Sie steckte sich wie in Trance eine Zigarette an.

»Das war nicht fair, Kitty.« Kitty legte ihr sanft die Hand auf die Schulter, doch Jubilee entfernte sich von ihr. Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich ab und liess Kitty stehen. Kitty selbst war noch gereizt, wegen Jubilees Kommentaren. Deswegen kamen wohl auch noch folgende Worte aus ihrem Mund:

»Dann geh doch zu deiner neuen besten Freundin, Lorna Dane!« Kitty hatte gerade genug andere Sorgen.

- Wirklich!

Aber es tat ihr trotzdem Leid…
 

Obwohl es bereits eindunkelte war es immer noch angenehm warm, dass man ohne Jacke nach draussen gehen konnte. Das tat auch John Allerdyce gerade. Seit er zurück am Institut war hielt er sich brav an die Regeln, dass Rauchen im Institut nicht erlaubt war und begab sich dafür jeweils in den Garten. Immer in dieselbe Nische an der Hauswand. Früher hatte er es überall getan, sehr zu Storms Ärgernis.

Xaviers Institut for Gifted Youngsters hatte nicht mehr sonderlich viele Schüler und auch wenige Lehrer. Und die wenigen waren so verteilt, dass kein Kindergeschrei mehr zu hören war, wie früher. Es waren zu wenige Schüler, um sie in der eigenen Schule zu unterrichten – Danger-Room Training mal ausgeklammert, das war Logans Job. Deswegen gingen die jüngeren in die Grundschule von Bayville und die Älteren, in dem Fall nur noch Kitty und John, an die Bayville High School. Alle anderen hatten bereits ihren Abschluss gemacht und studierten entweder order sie arbeiteten. Aber sie beide waren aus unterschiedlichen Gründen einige Zeit nicht zur Schule gegangen, wieso sie die letzten von der einstigen Clique sein würden, die abschlossen.

John aschte auf den Boden und lehnte sich gegen die Hauswand. Er rauchte immer hier. Die Kippenstummel auf dem Boden bezeugten dies. Hier kam kaum jemand vorbei und er war ungestört. Perfekte Bedingungen also.
 

Kittys Alpträume hatten nach einem einschneidenden Ereignis begonnen. Es lag weit vor Alcatraz, aber war vom Schrecken, den es ausgelöst hatte, durchaus mit der Schlacht auf der Insel gleichzusetzen. Als jüngste der X-Men war sie damals gerade einmal 15-Jahre alt gewesen. Grün hinter den Ohren und sich noch gar nicht wirklich bewusst, auf was sie sich überhaupt eingelassen hatte. Vor diesem Ereignis hatte man eigentlich auch noch an friedliche Zeiten geglaubt…

Das war wohl einer der Gründe, wieso das Institut bei einem Angriff der Regierungstruppen auf Befehl von Stryker vollkommen überrascht worden war. Nur wenige der X-Men waren vor Ort gewesen. Kitty konnte sich kaum mehr daran erinnern. Kein bisschen. Schüsse, Explosionen, Zerstörung – alles nur aus Erzählungen. Alles, was sie von dieser Nacht wusste war, dass als der Morgen graute in den Armen von Lance Alvers erwacht war. Ihrem Beschützer, ihrem Retter. Nur deswegen hatten sie überhaupt begonnen, auszugehen. Schon lustig. Manchmal brachten schreckliche Ereignisse eben auch gutes. Abgesehen von den Alpträumen. Und dem Schock…

Nach dem Angriff auf das Institut hatte Kitty keinen Schritt mehr nach draussen getan. Selbst ihr Zimmer hatte sie nur im Notfall verlassen, oder wenn man sie dazu gezwungen hatte. Sie war extrem ängstlich und schreckhaft geworden und sah in jedem, den sie nicht gut kannte, sofort eine Bedrohung. Sogar vor ihrem jetzigen besten Freund hatte sie sich gefürchtet. Lance war der einzige gewesen, den sie an sich heran gelassen hatte. Er hatte sie schliesslich gerettet. Er war das einzig Gute, der einzig Gute.

Aus diesem Grund war sie während dieser Zeit auch nicht mehr zur Schule gegangen. Und deswegen war sie ein Jahr später dran, als ihre restlichen Freunde.

Bei John ist der Grund schnell zu erklären. Wer zu Magneto überläuft wird wohl kaum noch die Schulbank drücken. Ausserdem muss auch noch ein Aufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt eingerechnet werden. Er konnte eigentlich von Glück sagen, dass er jetzt schon wieder auf freiem Fuss war. Aber mit Glück hatte das nichts zu tun. Nicht wirklich. Das wusste jeder.
 

»Wieso wusste ich nur, dass ich dich hier finde?« Er hatte die Augen geschlossen. Selenruhig blies er Rauch aus. Die Kippe natürlich schief im Mundwinkel hängend. Er ignorierte sie. Dieser Mistkerl. »Pyro!« Wiederholte Kitty erneut. Inzwischen stand sie direkt neben ihm. Ein mulmiges Gefühl beschlich sie. Was auch immer das zu bedeuten hatte. Er ging nicht weg. Aber er ignorierte sie noch immer. Sie hatte wirklich gerade keine Nerven dafür. »Sieh mich an, wenn ich mit dir rede, verdammt!« Fauchte Kitty. Sie legte die Hand auf seine Schulter und drehte ihn mit einer energischen Bewegung zu sich. Er öffnet die Augen, aber nur sehr langsam.

»Entspann dich, Kitten.« Brummte John und nahm einen erneuten Zug von seiner Kippe. Der Feuerteufel sah sie an und meinte mit einem leichten Grinsen auf den Lippen: »Bin bisschen müde, kannst dir ja denken wieso.« Demonstratives Gähnen.

»Kannst du vielleicht damit aufhören?!« Zischte Kitty und verschränkte dabei die Arme vor der Brust. Irgendwie eine Abwehrhaltung.

»Du bist doch die, die mir hierher gefolgt ist.« Verteidigte John sich und zuckte mit den Schultern. Ein weiterer Zug von seiner Zigarette. Kitty rollte mit den Augen. Sie beschloss, seine Kommentare zu ignorieren.

- Sollte er das doch so sehen, wenns ihm Spass machte.

»Wie lange geht das schon?« Fuhr sie fort. »Ich meine, das.. das mit uns. Was auch immer.« Kitty fiel auf, wie dämlich sich das anhörte. Und auch wie ungewohnt. Aber sie musste mit ihm darüber reden. Darum kam sie leider nicht herum, so unangenehm es auch werden würde. Jubilee hatte sie vorgewarnt.

»Wie lange bin ich jetzt etwa wieder am Institut...?« Kam prompt die Gegenfrage. Kittys Augen weiteten sich. Immerhin wich er ihren Fragen nicht aus, was nicht heissen sollte, dass seine Antworten besser waren.

»Über ein halbes Jahr...« Hauchte sie, mehr zu sich selbst, als zum Feuerteufel. Er grinste und nickte zustimmend. Kitty bedeckte ihren Mund mit der Hand. Sie taumelte leicht rückwärts. Sein Grinsen wurde breiter. Er drehte sich aus purem Desinteresse wieder etwas von ihr weg. Er klopfte eine neue Kippe aus dem Pack und steckte sie sich mit dem für Pyro charakteristischen Feuerzeug mit dem Haiaufdruck an.

»Ja, das könnte so hinkommen. Eigentlich so ziemlich vom ersten Tag an. Ich war wirklich erstaunt.« Kitty zog hörbar die Luft ein. Johns Grinsen wurde breiter. »Und bevor du fragst: Du kommst eigentlich immer, ausser wenn du bei Lance pennst.« Sie wollte Schreien. »Oder sagen wir besser: Ausser wenn du mit Lance pennst….« Laut und vor Entsetzen. Er wirkte nachdenklich: »Manchmal kommst du sogar, wenn du deine Tage hast. Aber dann kann ich dich jeweils davon überzeugen, dass das nicht so sexy wäre.« Kitty musste sich bemühen, sich nicht gleich wieder zu übergeben. Ihre Beine wurden bei seiner Schilderung immer weicher. »Ja… Punkt vier Uhr stehst du jeweils vor mir.« Er fuhr Kitty kurz durch die Haare. Sie zog ihren Kopf weg und stiess ihn zur Seite von sich weg. Er lachte leise auf.

»Und dir ist niemals aufgefallen, dass ich eventuell was dagegen haben könnte?!« Es war hoffnungslos, aber noch hatte Kitty nicht aufgegeben. »Das muss verdammt nochmal aufhören!!!«

»Anfangs habe ich mich gewundert. Aber du hast gesagt, dass sei unser kleines Geheimnis und noch ein mehr blabla, das mich nicht interessiert hat. Und versuch mal deine Zimmertür abzuschliessen, wenn jemand einfach durch Wände gehen kann. Viel hast du wohl nicht dagegen gehabt.« Klang einleuchtend, aber Kitty konnte sich ihr eigenes Verhalten einfach nicht erklären. Sie schüttelte den Kopf. »Wer sagt denn, das ich das gewollt habe? Du lässt eben einfach nicht locker.« Entgegnete Pyro. Kitty funkelte ihn empört an und ereiferte sich dann wütend:

»Oh, jetzt sag bloss noch, ich hätte dich vergewaltigt!!!« Ihm hatte das doch bestimmt Spass gemacht. In der Nacht mit ihr zu Schlafen und sich tagsüber darüber zu amüsieren, dass sie von nichts wusste.

»Theoretisch ja, praktisch hatte ich nichts dagegen.« John zwinkerte ihr zu. »Von dir lasse ich mich doch gerne zwingen.«

- Ach, wie nett.

Kitty starrte gerade aus. Jetzt war sie es, die ihn ignorierte. Fast schon aus Protest, oder auch einfach nur, weil sie nachdenken musste. John schwieg ebenfalls. Ihm war es wohl ziemlich recht, dass sie gerade den Mund hielt.

- Falsch gedacht.

Sie hatten einige Zeit schweigend nebeneinander gestanden, als ihr auffiel, dass er sie ansah. Nur aus den Augenwinkel aber trotzdem den Kopf leicht zu ihr geneigt. Kitty zog eine Augenbraue hoch Er wandte seine goldbraunen Augen ab. Kitty holte Luft, als wolle sie etwas sagen. Johns Blick lag automatisch wieder auf ihr. Unauffällig. Aber er sah sie an. Kitty stutzte. Dann meinte sie langsam:

»Es wird auf jeden Fall nicht wieder passieren.« Ihrer Meinung nach konnte das nicht oft genug wiederholt werden.

- Einfach nicht mehr schlafen, war doch ganz leicht… Hoffentlich.

»Und wie gesagt wäre ich dir dankbar, wenn du das niemandem erzählen würdest.« Kitty zwang sich dazu, es möglichst freundlich klingen zu lassen. Auch wenn freundlich zu ihm sein eigentlich das letzte war, was sie derzeit wollte. Ihm den Kopf einschlagen kam ihren Gefühlen da schon wesentlich näher. Ihre Augen wurden gross und vor Verzweiflung langsam feucht. Sie sah ihn bittend an.

»Lass das, ist ja nicht zum ansehen so erbärmlich.« Meinte John, lenkte dann aber ohne weiteres ein: »Sagte ich ja bereits.. ich würde schlechter wegkommen, wenn das plötzlich alle wüssten.« Kitty atmete auf.

John stutze plötzlich. Nachdenklich legte er seine Hand an sein Kinn. Sie musste wohl oder übel auch bei ihm stehen bleiben, auch wenn sie am liebsten weggelaufen wäre. Sie sah ihn erwartungsvoll an, immer noch entschlossen die Arme verschränkt. Irgendwie hatte sie intuitiv das Gefühl, dass das, was gleich kommen würde, definitiv nichts Gutes war.

»Wobei.. was würde zu gerne das Gesicht von dem Icedick sehen, wenn ich ihm sage, dass ich seine beste Freundin vögle.« Kitty sah ihn geschockt an. Was würde Bobby von ihr denken… das durfte nicht sein. Panik ergriff sie und drückte sich auch deutlich in ihren dunklen braunen Augen aus.

»Er würde dir nicht glauben.« Hauchte sie tonlos. Sie versuchte zuversichtlich zu klingen. Sie versuchte cool zu bleiben. Sie kannte John nicht, sie wusste nicht, ob er seine Drohung wahr machen würde. Sie kannte ihn wirklich kaum, aber sie traute ihm alles zu. Ihr Herz flatterte vor Nervosität und Angst schon jetzt viel zu schnell. Das bewegte sie dazu, noch anzufügen: »Das würdest du nicht wagen…!« Er schmunzelte nur und fuhr ihr erneut durch die Haare. Kitty stiess ihn diesmal mit voller Wucht von sich. »Wag es nicht!« Drohte sie erneut, die Hände zu Fäusten geballt. »Und es wird niemals wieder passieren!«

John packte sie schneller als Kitty reagieren konnte an einem ihrer Handgelenke und zog sie näher zu sich. Kitty spürte, wie er langsam mit seinen Fingerkuppen über ihren Rücken strich. Ganz langsam, immer tiefer. Dabei fixierte er sei mit seinen goldbraunen Augen. Zwang sie fast schon zum Augenkontakt. Kitty spürte, wie von der Stelle, die er berührt hatte ein warmes Kribbeln ausging. Sie schloss die Augen, aber nur, weil sie darum bemüht war, es zu ignorieren.

- Sagte sie sich selbst zumindest.

Er legte seine zweite Hand unter ihr Kinn. Die Bewegung war hart und fast schon zwingend, aber irgendwie auch erstaunlich zärtlich zugleich. Den Daumen auf ihre Lippen. Ihr wurde warm. Er strich ihre Unterlippe leicht nach unten. Er hatte sich vorgelehnt, sodass er ihr jetzt ins Ohr flüstern konnte:

»Sicher, dass nicht du es bist, die will, dass es wieder passiert..?« Kitty schlug ihre Augen abrupt auf. Er war ihrem Gesicht schon viel zu nahe. Diesmal stiess sie ihn nicht von sich, sie phaste sich lediglich aus seinem Griff. Demonstrativ, weil sie das konnte. Und weil er ihr so nichts anhaben konnte. »Ach komm, wir wissen beide ganz genau, wie sehr du da drauf stehst.« Suggestiv liess er seine Augenbrauen wackeln. Kitty verzog ihr Gesicht.

»Darauf bestimmt nicht!« Zischte sie entschieden.

- Doch! Aber sowas von! Sie musste ihn von sich weg halten…!

»Dann wird mir wohl so langweilig, dass ich doch mal ein Wörtchen mit Bobby reden sollte.« John zuckte mit den Schultern und steckte sich nun schon seine dritte Zigarette an. Kitty sah ihn erschrocken an. Ihr kamen bei dem Gedanken daran schon fast die Tränen, aber sie kämpfte dagegen an. Sie wandte ihren Blick ab, biss sich auf die Lippen. Sie kannte Bobby. Sie konnte sich vorstellen, wie er reagieren würde. Dabei konnte sie noch nicht einmal etwas dafür. John würde es ihm sagen. Ganz klar. In seinen Worten war eine unausgesprochene Drohung. Ihre Gesichtszüge zuckten. Sie drehte ihren Kopf weg. Er war John Allerdyce. Er würde es tun. Er würde Bobby alles sagen. Nur schon, weil er es witzig fand. Jubilee hatte es ihr ja gesagt. Er spielte sein Spielchen. Sie wollte nicht sein Spielzeug sein. Sie war kein Spielzeug.
 

Alcatraz. Alles flog durch die Luft. Das Meer bäumte sich auf. Jean, wie sie durchdrehte. John, wie er dalag. Bewusstlos. Bobby hatte gewonnen, weil Kitty ihm geholfen hatte. Bobby rannte los zum Jet. Kitty sah ihm erschrocken nach. Sie kannte ihn doch. Er war doch nicht so. Sie wusste doch, wie er war. Er liess doch niemanden einfach so am Boden liegen…

Kitty sah auf den jungen Mann, der am Boden lag. Sie wollte auch losrennen… Aber sie war nicht so.
 

Kitty drehte sich entschlossen um und brüllte John an:

»Weisst du, eigentlich erwarte ich nichts von dir.. aber wie wärs mit ein bisschen Dankbarkeit?! Ich war es nämlich, die dir damals das Leben gerettet hat! Bobby hätte dich liegen gelassen!« Ihre Stimme schwankte, aber sie brüllte weiter: »Zum Dank könntest du ruhig den Mund halten!!«

John sah Kitty an. Das Grinsen war von seinen Lippen verschwunden. Es war durch einen ernsten Gesichtsausdruck ersetzt worden. Er schwieg. Eine ganze Zeit lang. Sie ebenfalls. Er schnippte seine Kippe weg. Er spielte nicht mehr mit seinem Feuerzeug. Das war ihr aufgefallen. Das lag wahrscheinlich daran, dass er keine Kräfte mehr besass.

- Was er erstaunlicherweise, ziemlich locker zu nehmen schien… Psychiatrische Anstalten halfen also vielleicht doch.

John begann langsam zu nicken. Nur leicht. Dann meinte er und mit erstaunlich ernster Stimme:

»Ich habe dir auch einmal das Leben gerettet… Du erinnerst dich nur nicht mehr.« Das machte Kitty sprachlos. Sie sah ihn entgeistert an. John nickte leicht in Richtung Tor. Sie folgte nach kurzer Zeit seinem Blick und entdeckte den grünen Jeep, der ihrem Freund gehörte, wie er eben in die Einfahrt einbog. In dieser Zeit hatte John sich bereits umgedreht und begonnen, von ihr weg zu laufen.

Kitty winkte Lance freudestrahlend zu, als dieser aus seinem Wagen sprang und wartete, während er herankam. Aber trotz aller Freude zwang sie etwas, sich noch einmal umzudrehen. Sie beobachtete, wie John in der Dunkelheit verschwand.

- Was hatte er bloss damit gemeint…? Wahrscheinlich gelogen. Definitiv eine Lüge. Aber trotzdem…

Lance legte von hinten die Arme um seine Freundin. Sie drehte sich lächelnd um. Der einzige, der ihr das Leben gerettet hatte war Lance. Er war ihr Retter, ihr Beschützer. Kitty küsste ihn liebevoll und verdrängte entschieden den Gedanken an John und seine Worte.

- Treten laut Sigmund Freud verdrängte Tatsachen nicht in Träumen wieder auf…?

- In dem Fall konnte Kitty ja von Glück sagen, dass sie keine Träume hatte…
 

»Das Verdrängte ist ein Teil des

Unbewussten.«

-Sigmund Freud

Mona Lisas Lächeln

3. KAPITEL – Mona Lisas Lächeln
 

Die Sekretärin des Rektors beäugte Kitty äusserst misstrauisch, als sie die Tür langsam aufstiess und das Wartezimmer betrat. Sie war es gewohnt, dass Kitty hier auftauchte, aber dann war es stets wegen Angelegenheiten, die ihr mehr Arbeit bescherten, deswegen waren diese Auftritte der Brünette hier weniger beliebt.

»Hoffentlich nicht wieder wegen dem Debattierklub? Wir können nicht alles immer unterstützen.« War deswegen auch die wenig freundliche Begrüssung. Kitty gähnte. Sie war wieder einmal verdammt müde.

- Und ja, es war demonstrativ und die gute Frau sollte das auch merken.

»Nein.. ich muss zum Rektor.« Gab Kitty mehr patzig als verständlich zurück. Die Sekretärin rückte ihre Brille gerade und schüttelte dann entschieden den Kopf.

»Wenn es wieder wegen dem Debattierklub ist… er ist sehr beschäftigt. Füll einfach wieder eines der Formulare…« Kitty fuhr ihr ins Wort:

»Es ist nicht wegen dem beschissenen Debattierklub, ich wurde heute aus dem Unterricht geworfen..«

- Bist du jetzt zufrieden du alte Hexe?!

So hätte der Satz eigentlich noch weitergehen können, aber Kitty unterliess es. Einmal Ärger reichte für den heutigen Tag. Die Sekretärin sah sie auch jetzt schon geschockt an, denn solche Worte war sie sich von der zierlichen jungen Frau nicht gewohnt. Sie schnappte hörbar nach Luft und wollte sich gerade ereifern, als der Rektor im Büro plötzlich so laut sprach, dass man es im Wartezimmer nicht überhören konnte. Die Blicke beider wanderten zu der Tür.

»Eine derartige Unverschämtheit habe ich selten erlebt! Das dämliche Grinsen können sie sich gleich wieder abgewöhnen!« Kitty zog eine Augenbraue hoch und horchte weiter. Immerhin liess die ätzende Sekretärin sie so in Ruhe.

»Ihnen ist wohl nicht mehr zu helfen…! Sie wissen ganz genau, was das heisst!« Es folgte eine Pause. Wahrscheinlich redete nun der betreffende Schüler und das in einem normalen Tonfall, sodass nichts durch die Tür drang.

»Und jetzt gehen sie mir aus den Augen!!!« Die Tür öffnete sich. Heraus spazierte mit einem breiten Grinsen kein anderer als John Allerdyce. Hinter ihm knallte der Rektor wutendbrannt die Tür zu. Er zwinkerte Kitty zu, welche ihm irritiert hinterher sah. Sie war ihm aus dem Weg gegangen. So gut wie es ging. Und nachts sowieso. Dafür war sie inzwischen so unglaublich müde. Wenn sie nur schon an ein Bett dachte, fielen ihr fast schon die Augen zu. Ausserdem wollte sie das Büro des Rektors jetzt erst recht nicht mehr betreten, so wütend wie er war.

Sie hatte eine Vermutung, was der Grund für die Aufregung war. Heute morgen hatten in der gesamten Schule Plakate gehangen, auf denen der Rektor gemeinsam mit Miss Bradford – einer Lehrerin – in einer.. nun ja… eindeutigen Situation in einem Klassenzimmer zu sehen war. Ein wahrer Skandal. Später erfuhr Kitty, dass John nur wegen einiger Kommentare gegenüber Miss Bradford so hart bestraft wurde. Das Aufhängen der Plakate konnte ihm nicht nachgewiesen werden.

- Eigentlich war völlig klar, dass auch er derjenige gewesen war, der sie aufgehängt hatte… Wer sonst…?!

Aber ohne Beweise konnte der Rektor nicht wirklich viel machen.

Momentan wusste Kitty auch nur, dass sie nicht in das Büro wollte. Sie erhob sich erst, als die Sekretärin sie barsch darauf ansprach, ob sie hier Wurzeln schlagen wolle.

Langsam schob sie die Tür auf und grüsste so freundlich wie möglich. Der Rektor sah jetzt bereits genervt aus. Er wies sie an, sich zu setzen und meinte gleich zu Beginn:

»Wenn es wieder wegen dem Debattierklub ist, dann können Sie gleich wieder gehen! Ich habe gerade keine Geduld, mit ihnen über Gelder oder Räume zu diskutieren!« Sein Kopf war noch immer bedrohlich rot angelaufen. So ähnelte er einer Art Teufel…

Kitty erklärte ihm in wenigen Worten die Sachlage. Es hatte nichts mit dem Debattierklub zu tun und auch nicht mit der Bibliothek. Mit keiner ihrer sonstigen Aktivitäten an der Schule. Sie hatte im Unterricht geschlafen. Schon das fünfte Mal in dieser Woche. Das war nicht normal, sie war doch sonst eine der besten Schülerinnen. Das wusste jeder. Der Rektor sah sie überrascht an.

»Ein Rückfall?« Er klang besorgt. Kitty rollte mit den Augen. Das war jetzt aber nicht sein Ernst… Und sie war doch so müde…

- Wieso hatte eigentlich jeder das Gefühl, dass sie psychisch labil war…?!

Das war schliesslich vorbei. Schon lange. Kitty hätte ihn jetzt am liebsten angebrüllt, aber es war schliesslich ihr Rektor. Gutes Benehmen war also gefragt. Sie schüttelte lediglich den Kopf. Besser, wenn sie jetzt gar nichts sagte. So war das Risiko, etwas falsches zu sagen wesentlich kleiner.

»Sind Sie sicher..?! Ich meine, wenn, dann werde ich sofort für sie einen Termin bei unserer Schulpsychologin vereinbaren. Wir wollen nicht, dass Sie noch weitere Jahre hier an dieser High School verlieren. Sie gehörten längst ans College.« Während er geredet hatte, hatte Kittys Gesicht sich immer mehr verfinstert. Die Hände auf ihren Knien waren längst zu Fäusten geballt.

- Rektor hin oder her. Es reichte!

Er bot ihr wie einem Kleinkind ein Bonbon an.

- Es reichte wirklich!

»Das, hat nichts damit zu tun!« Meinte sie bissig und ereiferte sich dann: »Sie sollten sich lieber einmal fragen, ob mein Schlafen im Unterricht nicht etwas mit den dilettantischen Lehrmethoden ihrer Unterrichtskräfte zu tun hat! Vielleicht sind sie einfach nur todlangweilig, da kann ich doch nichts dafür, wenn ich dabei einschlafe!« Sie wusste, dass es Probleme geben würde. Wenn sie gesagt hätte, dass es wegen ihrer früheren Probleme war, dann hätte er den umsorgenden Rektor gespielt. Jetzt veränderte sich seine Gesichtsmimik jedoch auch von harmlos-nett zu rot und teuflisch, wie zuvor als er John aus dem Büro geworfen hatte..

»Na schön…« Die Ruhe vor dem Sturm. Er erhob sich langsam und kam um den Tisch, bis er hinter ihr stand. Sie stellte sich auf ein Donnerwetter ein, aber es war ihr eigentlich ganz Recht, so würde sie zumindest nicht einschlafen, während er mit ihr redete.

Die Sekretärin im Vorzimmer zuckte merklich zusammen. Ihr Blick richtete sich auf die geschlossene Tür. Die Stimme des Rektors drang erneut in einer äusserst ungewohnten Lautstärke nach draussen und das bei wohl der besten Schülerin der gesamten Schule…
 

Die Sache vom letzten Samstag Morgen hatte Bobby nicht los gelassen. Sie hätte es wissen müssen. Schliesslich glaubte sie doch, ihn am allerbesten von allen zu kennen. Er hatte John zur Rede gestellt… Sie vermutete zumindest, dass es deswegen war. Wegen den seltsamen Anspielungen des anderen. Kitty betrat mit einem Erste Hilfe Kasten und den Armen Bobbys Zimmer. Zufälligerweise war sie sowieso auf der Suche nach ihm gewesen, um ihm von ihrem Erlebnis mit dem Rektor zu erzählen. Jetzt hatte sie einen äusserst guten Grund gefunden, um sich vor ihrer kleinen Verabredung am nächsten Samstag zu drücken…

Aber stattdessen herrschte im Institut mal wieder das gleiche Szenario wie immer:

Bobby trifft auf John, Bobby fragt John über etwas, John provoziert, die beiden Prügeln sich.

Doppelt unangenehm war ihr das, weil es dabei um sie gegangen war.

Und noch unangenehmer, weil Alex Summers ebenfalls auf Bobbys Bett hockte.

- Denn Moment, das Szenario war noch nicht zu Ende!

Alex ging wie schon so oft dazwischen und verhinderte das schlimmste.

Kitty seufzte kaum hörbar, als sie den Kasten auf dem Bett abstellte und ihn öffnete. Sie wollte Bobby nicht ansehen. Konnte es kaum. Sie hatte erst davon gehört, als Alex sie gerufen hatte. Storm war damit beschäftigt, John zu verarzten, deswegen sollte Kitty den anderen der beiden Streithähne übernehmen. Bobby behauptete schon die ganze Zeit lautstark, dass Storm sich wie immer von dem John einlullen lassen würde.

- Das behauptete er immer.

»War das wirklich nötig…? Konntest du ihn nicht einfach ignorieren?« Meinte Kitty, als sie Desinfektionsmittel auf einen Wattebausch träufelte. Sie war nicht sicher, was genau die beiden dieses Mal als Streitgrund genommen hatte.

- War sowieso immer gesucht. Sie mussten sich einfach zoffen um glücklich zu sein. Irgendwie aber auch verständlich, John hatte immerhin versucht, Bobby umzubringen.

Alex hatte ihr vorhin zwar in kurzen Worten geschildert, dass er leider erst recht spät dazugekommen war, aber, dass ihr Name einige Male gefallen war… Aber wieso genau Bobby so ausgerastet war, dass wusste sie bis jetzt noch nicht.

»Oh, du verteidigst ihn also auch noch! Sehr schön, wirklich!« Zischte Bobby und wich ihrer Hand mit dem Wattebausch trotzig aus. Kitty seufzte erneut, sie war zu müde dafür. Er tat lästig und beleidigt, und sie wusste noch nicht einmal, was sie jetzt schon wieder falsch gemacht hatte, geschweige denn, was sie damit zu tun hatte.

Drei Tage nicht geschlafen. Ausser in der Schule, oder bei Lance. John aus dem Weg gegangen, auch nachts. Eigentlich eine gute Bilanz, von der Müdigkeit mal abgesehen.

- Moment mal!

Kitty ergriff Panik. Wenn John nun irgendetwas über ihr Schlafwandeln und die Folgen gesagt hatte.

- Katastrophe vorprogrammiert.

Sie spürte, wie sie nervös wurde und ihre Hand mit dem Wattebausch zitterte. Sie verfluchte sich dafür.

»Tut sie nicht, aber scheiss doch auf ihn! Er will dich provozieren, gut, dann ignorier ihn doch einfach!« Mischte Alex sich nun ebenfalls in das Gespräch ein. Sie war ihm dankbar dafür, aber falls John wirklich zu viel gesagt hatte, wollte sie nicht unbedingt, dass auch noch Alex davon erfuhr. Also wäre es ihr lieber gewesen, wenn er nicht hier gewesen wäre. Er hatte schliesslich keine Verletzungen davon getragen. Er hatte eben Übung darin die Streithähne zu trennen..

»Summers halt den Mund, du hast keine Ahnung, worum es eigentlich ging!« Gab Bobby zurück, noch immer darauf bedacht, Kitty auszuweichen.

- Kitty hatte doch auch keine Ahnung, worum es gegangen war.

Auch wenn Johns Schläge Bobbys Gesicht gezeichnet hatten. Er hatte keine Kräfte angewandt. So fair war er zumindest noch. Da kam der zukünftige Anwalt für Mutanten eben doch noch irgendwie zum Vorschein. So kannte sie ihn. Anders nicht.

»Ach, gehts nicht immer um das gleiche?!« Gab Alex nun in gleicher Lautstärke zurück.

Kitty wäre am liebsten eingeschlafen. Dahingehend war es äusserst gut, dass die beiden sich so laut unterhielten – oder besser stritten. Das hielt wenigstens wach. Ihr Blick wanderte zu Bobby. Sanft berührte sie seine Hand. Er zuckte zusammen. Die Temperatur seiner Haut senkte sich radikal ab. Sie liess jedoch nicht los. Er drehte ihr den Kopf zu. Sie verstand. Immerhin kannte sie ihn. Ausserdem dachte sie das gleiche.

»Alex.. das hier schaff ich auch alleine. Sie lieber mal nach Pyro und Storm.« Meinte sie bestimmt. Alex würde den versteckten Hinweis sicher verstehen. Havok sah zwischen ihnen beiden hin und her. Er schüttelte leicht den Kopf, ehe er sich erhob und ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer rauschte.

Kitty liess sich neben Bobby auf dem Bett nieder.

- Bett… Schlafen…

Sie durfte gar nicht daran denken. Ein Gähnen wurde so gut wie möglich unterdrückt. Sie fixierte Bobby. Er versuchte, sie nicht anzusehen.

»Was sollte das?« Wiederholte Kitty in sanftem Tonfall. Seine Körpertemperatur wurde langsam wärmer. »Wieso lässt du dich wegen einem Kommentar vor einigen Tagen so provozieren…?« Sie verstand ihn nicht. Überhaupt nicht. Und das kam niemals vor, weil sie ihn eigentlich kannte.

»Weil… weil das nicht der Grund war… höchstens ein Auslöser.« Bobbys Hände ballten sich zu Fäusten. Abrupt drehte er ihr den Kopf zu. Die eisig blauen Augen musterten sie. Sie konnte den Blick nicht deuten. Auch etwas, das niemals vorkam… »Es war.. weil er so getan hat, als würde er dich besser kennen, als ich es tue.«

Kitty sass da wie versteinert. Nur ihre Gesichtszüge zuckten leicht hilflos. Sie wusste nicht, ob sie laut lachen sollte oder einfach nur geschockt sein sollte. John hatte also doch von ihrem Schlafwandeln erzählt…?! Bobby glaubte es aber allen Anschein nach nicht gänzlich, aber irritieren tat es. Sie war so müde. Kitty schloss die Augen, senkte ihren Kopf und legte die Hand auf ihre Stirn. Das war zu viel für sie. Sie war einfach nur müde.

»Und, weil er es gewagt hat, von früher zu sprechen. Von damals…« Kitty sah wieder zu ihm auf und runzelte die Stirn. Es schien also vielleicht doch nicht um das Schlafwandeln zu gehen…

Bobby schien plötzlich emotional ergriffen. Er sah gegen die Decke und strich sich dann kurz unauffällig übers Gesicht. Sie sah ihn an. »Er hat schon damals sein Spiel gespielt und ich hab ihm mehr geglaubt als dir… Du weisst, was ich meine.«

Sie wusste es. Sie kannte ihn, sie kannte sich und sie wusste, wovon er sprach. Und genauso wusste sie auch, dass sie direkt auf eine Katastrophe zu schlitterten, wenn sie jetzt weiterredeten…

- Gratulation, John. Er musste nicht einmal da sein, um alles zu zerstören und er musste auch nicht einmal das Schlafwandeln erwähnen. Es ging auch anders.

Kitty schloss die Augen erneut. Sie war müde, aber sie schloss sie diesmal nicht wegen der Müdigkeit, sondern weil sie spürte, dass sie gleich weinen würde, wenn sie ihn weiter ansah.

»Und ich hab mich wieder einmal wie schon so oft gefragt, was geschehen wäre, wenn er damals nicht gewesen wäre, wenn ich damals dir geglaubt hätte und nicht ihm...«

Er wusste nichts von ihrem Schlafwandeln. Definitiv nicht. Eigentlich ein Grund zum aufatmen, aber Kitty war sich nicht sicher, ob das, was er gerade ansprach nicht ein noch schlimmeres Thema war. Beide waren ihr äusserst unangenehm

»Ich habe ihn damals nicht geküsst.« Sie log.

»Ich weiss.« Damals hatte er ihr nicht geglaubt. »Ich weiss es jetzt. Und es tut mir Leid.«
 

Es hatte durchaus auch eine Zeit vor den Albträumen gegeben. Vor dem Krieg, vor dem Leid, vor dem Schmerz. Es war keinesfalls eine Zeit gewesen, ohne Probleme, aber doch sehr viel unbeschwerter und freier. Noch vor Kellys Aufstieg, vor der ‚Cure‘, vor Alcatraz.

Sie hatte ihn in der Bibliothek getroffen. Sie hatte geglaubt, dass er ganz bestimmt nicht zu denen gehörte, die Bücher lasen. Sie hatte am Regal gestanden und gerade nach einer Ausgabe von Pride & Prejudice gesucht. Zwar hatte sie das Buch schon so oft gelesen, dass sie es eigentlich längst auswendig können sollte, aber trotzdem liebte sie es, immer wieder von vorne zu beginnen.

Ihr Blick war auf ihn gefallen. Erst hatte sie ihn gar nicht genau erkannt. Die Brille auf seiner Nase war ungewohnt. Er trug doch keine Brille. Hatte sie geglaubt zu wissen. Er trug sonst niemals eine. Jetzt schon. Wahrscheinlich fühlte er sich unbeobachtet. Die Bibliothek war leer. Er wirkte konzentriert. Vor sich auf dem kleinen Tischchen lag ein aufgeschlagenes Notizbuch. Ab und an lehnte er sich vor und schrieb einige Zeilen. Manchmal strich er durch. Sie hatte gestockt und ihn eine Zeit lang beobachtet. Erstaunt und überrascht. Er war doch keiner von denen, die lasen.

Sie hatte sich wieder dem Regal zugewandt, als sie merkte, dass auch er sie ansah. Sie stockte in der Bewegung. Das Buch bereits in der Hand. Sie sah zu ihm. Er ebenfalls. Er nahm die Brille nicht ab, aber er klappte das Notizbuch entschieden zu, jedoch ohne den Blick von ihr zu wenden.

Er war keiner von denen, die lasen…

- Bestimmt nicht!

Er erhob sich entschieden. Sie stand noch immer unbewegt. Er ging. Er ging einen Weg bei dem er nicht an ihr vorbeikam. Sie betrachtete das Buch in ihrer Hand, blätterte darin. Drehte es in den Händen und schnupperte daran. Sie liebte den Geruch von Büchern.

Dann setzte auch sie sich in Bewegung.

Kurz vor dem Ausgang hatte sie es dann liegen gesehen. Das kleine schwarze Einband, welches schon äusserst gebraucht aussah. Sie hatte sich gebückt. Sie hatte sich umgesehen. Er war nicht mehr da. Sie musste es ihm zurückbringen. Sie durfte nicht hineinsehen… Das durfte man nicht.

Sie roch daran. Es roch leicht verkohlt. Es war einmal ein dünnes Notizbuch gewesen, aber er hatte viele Seiten einfach hineingelegt oder hineingeklebt. Sie drehte es in ihren Händen. Sie schlug es auf.

- Er würde sie umbringen!

Texte, kleine Skizzen dazu, Gedichte, unfertige Schriften, Kritzeleien, Handschrift – kaum zu entziffern, hie und da eine Seite herausgerissen, dort ein Brandloch.
 

Mona Lisa vergass das Lächeln

Mona Lisa verlernte das Lächeln

Oder bist du lediglich eine gute Diebin

Mona Lisa sollte von dir lernen

Dein Lächeln ist unvergesslich

Bloss schönes Diebesgut

Lässt sich nicht verstecken

Doch ist es kein Lächeln,

sondern ein Strahlen
 

Freispruch!
 

Dieses Gedicht hatte sie mehr oder weniger zufällig aufgeschlagen. Es war schon älter, das zeigte das Datum. Sie musste lächeln. Er hatte es durchgestrichen. Aber nur mit einem Strich. Es war noch gut lesbar und sie mochte es irgendwie. Sie fuhr über die Zeilen. Seine Handschrift war zierlich. Ungewohnt. Genauso ungewohnt wie die Brille.

Er klappte das Notizbuch zu. Abrupt. Sie zuckte zusammen. Er hatte sich ebenfalls niedergekauert. Aber sein Blick war hart. Er zog ihr das Büchlein aus den Fingern. Sie fühlte sich schuldig, aber sie hielt es noch mit zwei Fingern. Er sah sie irritiert an.

»Wieso hast du es durchgestrichen…?« Zaghaft von ihr.

»Wieso liest du fremder Leute Notizbücher?!« Patzig von ihm.

»Ich mag es« Sie ignorierte, dass er unfreundlich war. Das war er immer. Und jetzt hatte er auch einen Grund dazu.

»Ich nicht!« Er zog jedoch nicht an dem Buch. Er sah sie an.

»Du mochtest es aber mal…« Stellte sie fest.

Er sah sie an und schwieg. Er schwieg ziemlich lange, sodass sie unsicher den Blick auf das Buch senkte. Sie hätte es nicht lesen dürfen. Sie fühlte sich schuldig. Umso erstaunlicher war, was er als nächstes von sich gab:

»Ich mochte auch dich mal.« Die Brille machte ihn intelligent. Sie hob den Kopf und sah fragend an. Das Gedicht handelte von ihr. Sie lächelte nicht. Seine Ehrlichkeit machte sie perplex. Und es war wahr. Das sah man in seinen Augen. Er meinte es ernst. Er log immer, aber das hier meinte er ernst. Er hatte die Maske aus Arroganz und Arschloch abgelegt und sah sie mit diesem ernsten, ehrlichen Blick an.

»Aber du magst Bobby…« Ergänzte er und zog sanft an dem Buch. Sie liess es nicht los. Stattdessen zog sie es zu sich. »Und er mag dich.« Er lächelte matt. Das Lächeln von jemandem, der wusste, dass er verloren hatte und das, ohne überhaupt jemals wirklich angetreten zu sein.

Sie liess ihn nicht aus den Augen und zog trotzdem weiter langsam an dem Notizbuch. Er liess es zu, was sie erstaunte. Er musterte sie mit seinen goldbraunen Augen. Es waren kleine Sprenkel in dunklerem Braun darin zu erkennen. Bisher war ihr das nie aufgefallen, denn bisher war sie ihm noch nie so nahe gewesen. Mittlerweile hatte sie das Notizbuch so weit zu sich gezogen, dass es auf ihrem Oberschenkel zu liegen kam, mitsamt seiner Hand. Sie sah ihn an.

Im nächsten Moment küsste sie ihn. Eine kurze Berührung ihrer beider Lippen. Sie hatte noch nicht wirklich viel Übung darin. Er war viel zu überrascht, ob geübt oder nicht. Sie wusste nicht wieso sie es tat. Es war lediglich ein innerer Drang, wenn auch verrückt.

Sie lächelte.

»Schuldig!« Meinte er grinsend.

Sie strahlte.
 

»Ich habe John damals wirklich geküsst, er hat nicht gelogen…« Die Wahrheit. Sie konnte nicht länger lügen. Die Erinnerung hatte Kitty wach gerüttelt. Sie hatte jahrelang gelogen. Weil John sie zur Lügnerin gemacht hatte.
 

John erzählte Bobby davon. Sie hasste ihn dafür. Bobby stellte sie zur Rede. Sie erzählte ihm das Gegenteil. Bobby glaubte seinem besten Freund. Kitty konnte sich nicht erklären, wieso sie so etwas dummes hatte tun können. Sie hatte sich mit der Erklärung abgefunden, dass es Mitleid gewesen war. Dass das Gedicht sie dazu gerührt hatte. Sie ging John und Bobby aus dem Weg. Wenig später lernte Bobby Rogue kennen und kam mit ihr zusammen. Eine Tatsache, die sie nur noch weiter voneinander entfernte.

Und jetzt, wo das eigentlich alles vergessen war, und Geschichte und verdränt… da kam John plötzlich und sprach das Thema erneut an. Und wieder hasste sie ihn dafür, denn wieder zerstörte er damit alles.
 

Der Eismutant sah sie versteinert an. Jetzt war Kitty diejenige, die versuchte, Blickkontakt zu vermeiden. Doch er sah sie weiterhin an. Und plötzlich hörte sie ihn lachen. Erst leise, dann laut und schallend. Es hatte etwas von einem Wahnsinnigen. Kitty sah zu ihm.

- Jetzt drehte er wohl völlig am Rad…

»Was ist daran so lustig…?« Kitty hatte Angst vor der Antwort, wenn sie ehrlich war. Sie hatte allgemein Angst davor, was er jetzt sagen würde.

»Der Mistkerl hat ein einziges Mal nicht gelogen…« Bobby lachte weiter. Ein verzweifeltes Lachen. »Und ich habe mir jahrelang Vorwürfe gemacht, weil ich ihm damals geglaubt habe und nicht dir.« Bobby fuhr sich durch seine Haare. Sie verstand immer noch nicht, wie er in einem solchen Moment lachen konnte.

»Aber weisst du, was wirklich witzig daran ist…?!« Seine Stimme klang plötzlich bedrohlich. Gar nicht mehr wie Bobbys Stimme. Mehr wie John. Sie merkte, wie sie leicht zurückwich. Er fixierte sie mit den eisig blauen Augen. Sie waren eiskalt. Sie waren sonst niemals so. Trotz des eisigen blau strahlten sie sonst immer wärme aus. »Eigentlich meinte ich nicht einmal das….« Kittys Augen weiteten sich. Sie war wie gelähmt. Sie hätte am liebsten die Zeit zurückgedreht, bis zu dem Zeitpunkt an dem sie ihm verraten hatte, dass sie ihn über Jahre angelogen hatte.

- Das hätte sie dann aber wohl ganz gerne schon öfters getan.

Über Bobbys Stirn lief frisches Blut. Ein besonders guter Treffer von John. Der Eismutant machte sich nicht die Mühe, es wegzuwischen. Kitty hätte es sich in diesem Moment niemals getraut, auch wenn es ihm wohl gleich ins Auge laufen würde.

»Es ging nicht darum, sondern…« Bobby lachte noch immer. Inzwischen war es ein bitteres Lachen. Er schüttelte leicht den Kopf. »Er wusste, dass wir nachdem er gegangen war und bevor Rogue geheilt zurückkam was am Laufen hatten.« Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, aber er hätte sie wohl sowieso nicht reden lassen. Bobby fuhr sogleich fort: »Und da habe ich mich gefragt: Du und ich wissen als einzige davon. Ich weiss zufällig, dass ich es ihm nicht gesagt habe….« Kitty begann entschieden den Kopf zu schütteln. Sie wusste, worauf Bobby gerade hinauswollte. Aber sie wusste auch, dass sie niemals mit John darüber geredet hatte. Sie hatte mit ihm über überhaupt nichts geredet!

»Ich auch nicht!« Gab sie zurück. Sein Tonfall gefiel ihr überhaupt nicht. Er war so fremd. »Wieso sollte ich ihm so etwas erzählen?!«

»Ach… weisst du, geküsst hast du ihn ja auch schon.«

- Wenn der gute Bobby wüsste, was sie sonst noch so alles mit John getrieben hatte…

Kitty musste fast schon ein Grinsen unterdrücken. Ironie der Situation.

- Aber seine Aussage war nicht fair…!

»Und da hat es dir auch nichts ausgemacht, mich über Jahre hinweg zu belügen! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie enttäuscht ich von dir bin!« Er blinzelte. Das Blut war ihm ins Auge gelaufen. Kitty unterdrückte den Reflex, ihm den Wattebausch zu reichen oder gar selbst zu tupfen. »Wieso hast du ihn damals geküsst?!« Er packte sie. Sie mochte es nicht. An beiden Schultern. Sie versuchte sich aus seinem Griff zu winden.

»Ich weiss es nicht! Lass mich los, du tust mir weh!« Fauchte Kitty. Er hatte doch sonst niemals so gehandelt.

»Gute Ausrede, wirklich. Sehr originell und alles. Nur sagst du das immer! Was hast du für eine Ausrede dafür, dass wir nach Alcatraz zwar etwas hatten, aber nicht zusammen gekommen sind?! Wenn du jetzt mit Lance kommst dann…. Dann…. Wieso hast du ihn dann überhaupt erst betrogen?!« Er schüttelte sie. Kitty verzog das Gesicht. Ihr war nach weinen zu Mute. Es war keine Ausrede, was den Kuss mit John betraf, sie wusste es schlichtweg einfach nicht. Aber auf Bobbys andere Frage kannte sie die Antwort genau.

»Es war nicht wegen Lance...« Kittys Stimme klang erstickt, kläglich, brüchig. Sie wollte weinen. »Rogue kam zurück. Sie hatte sich für dich geheilt…« Meinte sie langsam. Sein Griff war eisern. Es tat weh. Sie phaste sich jedoch nicht einfach weg. Langsam begannen einzelne Tränen über ihr Gesicht zu rollen. »Versteh doch.. ich konnte nicht…! « Weil sie nicht so ein Mensch war. Sie hoffte es zumindest. Sie glaubte zumindest daran.

Bobby sah sie an. Er liess sie los. Sie sah ihm an, dass er gerne auch geweint hätte. Er raufte sich erneut die Haare. Das tat er immer, wenn er der Verzweiflung nahe war und nicht weiter wusste. Er überlegte. Sie strich sich die Tränen aus dem Gesicht.

»Die Ausrede ist weitaus besser… Aber was hältst du davon: Du konntest nicht mit mir zusammen kommen, weil du deine Entscheidung insgeheim schon vor langer Zeit getroffen hast! Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du wolltest die ganze Zeit nur John, wieso hast du ihn sonst auf Alcatraz gerettet? Er hätte es verdient, zu verrecken!!!« Kitty erstarrte erneut. Sie sah ihn entgeistert an. Bobby lachte erneut. Diesmal war es dreckig. Er lachte doch sonst nicht so dreckig. Und er hätte niemals so etwas gesagt. Das war kein Anwalt für Mutanten, das war ein Rächer, der nach dem Motto Selbstjustiz handelte. Sie sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

»Aber nein… ich weiss die richtige Antwort: Du wusstest nie, was du willst. Du hängst doch nur an Lance, weil er dir damals das Leben gerettet hat. Und John… John kam wohl gerade richtig, weil du so einer Beziehung mit mir ausweichen konntest und mit Rogue war es das gleiche.« Das war hart, und es traf sie und er musste das wissen. Aber er hatte es trotzdem gesagt. Kitty schluckte. Sie wollte erneut weinen. Oder einfach schlafen und vergessen.

- Müde… Müde… Sie bekam Kopfschmerzen von alledem.

Sie musste hier raus. Kitty stand entschieden auf. Es reichte. Eigentlich war es verlockend, ihm jetzt unter die Nase zu binden, dass sie auch schon mit John geschlafen hatte. Irgendwie. Auch wenn sie sich daran selbst kaum erinnern konnte. Nur um die Reaktion zu sehen und zu geniessen. Aber sie sagte nichts darüber. Stattdessen:

»Du fragst mich, wieso ich ihn gerettet habe?! Dich habe ich doch auch gerettet, sonst hätte er dich umgebracht, wieso sollte er mir also wichtiger sein?!« Es war der Kuss von damals. Definitiv. Das hatte wohl immer an Bobby genagt, er hatte es nur niemals ihr gegenüber erwähnt. Dabei erzählten sie sich doch alles. »Und weisst du, Ich brauche keinen Grund, um ein Menschenleben zu retten. Du brauchtest früher auch keinen!« Brüllte Kitty, damit er endlich still war. Damit er endlich aufhörte, sich selbst kaputt zu machen. Damit er einfach damit aufhörte, wie John zu sein. Sie musste vor Aufregung nach Luft schnappen und meinte dann etwas ruhiger: »Es tut mir Leid, dass ich dich angelogen habe. Aber alles andere tut mir jetzt nicht mehr Leid. Und Samstag können du und deine Miss Perfect von Freundin gleich vergessen, ich muss die Schule putzen.« Sie hatte momentan wirklich andere Probleme – Schlafstörungen zum Beispiel – da musste er nicht auch noch ankommen. Konnte er nicht einfach einmal vergessen. »Aber ist sowieso besser so, bis du wieder normal bist. Hör dir doch einmal selbst zu.. Du bist.. du.. bist wie..!« Pyro. Kitty stockte. Wenn sie jetzt sagte wie Pyro würde das ganze mit der Eifersucht sicherlich von vorne losgehen. Und sie wollte eigentlich nur noch schlafen. Schlafen und vergessen. »Ach, weisst du was, du kannst mich mal!« Sie wollte sich umdrehen und aus dem Raum stürmen, doch er hielt sie am Arm zurück. Sein Griff war wieder viel zu stark. Sie verzog den Mund.

»Wir gehen Samstag trotzdem alle weg, verstanden…?! Lorna zu liebe, weil du dich schon so oft irgendwie rausgeredet hast. Das mit der Strafe war sicherlich auch Absicht. Seit ich dich kenne wurdest du noch nie bestraft. Im Ausreden erfinden bist du ja äusserst kreativ, wirklich! Wofür hast du die Strafe denn überhaupt gekriegt? Hat der Rektor rausgefunden, dass du doch nicht Mutter Theresa bist sondern eine miese Verräterin und Schlampe noch zugleich? Hat dir Spass gemacht, das alles, was?« Sie versuchte sich aus seinem Griff zu befreien. Sie mochte seinen Ton wirklich nicht. Und auch seine Ausdrücke nicht. Er hatte sie nie so genannt.

- Hatte der Mistkerl sie gerade Schlampe genannt ?!

Er hatte doch keine Ahnung. Sie war sogar jetzt noch so müde, trotz der ganzen Aufregung. Sie hatte keinen Kopf dafür.

»Und glaub mir ich hole dich persönlich bei der Schule ab, auch wenn ich am liebsten gar nicht mehr mit dir reden würde! Ich bin so verdammt enttäuscht von dir!«

- Hatte sie heute schonmal gehört. Er wiederholte sich. Blabla… es begann wirklich, ihr egal zu sein. Und er sagte gerade, dass er sich nur mit ihr abgeben würde, um seiner Freundin den Gefallen zu machen. Idiot! Sie wollte nichts mehr davon hören.

Kitty wollte sich verteidigen. Sie wollte es richtig stellen. Sie wollte sagen, dass sie im Unterricht eingeschlafen war. Eigentlich hatte sie vorgehabt ihm davon zu erzählen, ihm vielleicht sogar alles zu erzählen… Aber das war jetzt einfach nur noch undenkbar.

Bobby liess ihr sowieso keine Zeit, etwas zu erwidern:

»Aber am meisten bin ich enttäuscht, weil du Pyro scheinbar alles erzählst!« Das verletzte wohl sein Ego, dass sie ihm vielleicht weniger erzählt haben könnte. Kitty war aber ganz sicher, dass sie John nichts erzählt hatte. Niemals. Wieso auch. Sie versuchte verzweifelt sich zu erinnern, aber ihr fiel keine Gelegenheit ein. Sie würde den Feuerteufel zur Rede stellen.. und wie. Denn er war eigentlich der Auslöser des Streits mit ihrem besten Freund!

»Bobby, ich scheiss drauf, was du denkst!« Fauchte die zierliche Braunhaarige schliesslich hilflos. Es wuchs ihr alles über den Kopf. Sie riss sich entschieden von ihm los. Es ging nur mit Hilfe ihrer Kräfte. Es hatten sich an ihrem Handgelenk bereits rote Stellen gebildet.

»Ah, schön, dass du jetzt endlich mal dein wahres Gesicht zeigst!« Bobby konnte sehr hart sein, wenn er wollte. Das hatte er früher schon gekonnt und das wusste sie. Nur war er es früher niemals gewesen. Zu niemandem und zu ihr schon gar nicht. »Und ich dachte immer, John spielt miese Spielchen. Aber du.. du bist definitiv noch besser darin, ihr würdet perfekt zusammenpassen!« Rief Bobby ihr hinterher. Und das traf sie wirklich. Sie beschleunigte ihre Schritte, weil sie wusste, dass sie gleich in Tränen ausbrechen würde.

Kitty war einige Gänge gerannt. Dann lehnte sie sich keuchend gegen eine Wand. Sie begann hemmungslos zu schluchzen. Bobby hatte doch keine Ahnung. Sie sank langsam der Wand entlang nieder zu Boden, wo sie zusammengekauert und weinend sitzen blieb. Die Beine gekreuzt, den Kopf in die Hände gestützt. Sie war so wütend auf Bobby, dass er sie mit John verglich. Sie war nicht stolz auf alles, was sie getan hatte, bestimmt nicht. Aber für alles gab es einen Grund.

Sie hatte damals nach Alcatraz etwas mit Bobby angefangen, weil sie sich von Lance im Stich gelassen gefühlt hatte.

- Dumme Ausrede, natürlich. Bobby hatte schon irgendwie Recht.

Aber Lance hatte sich verändert nach dieser einen Schlacht. Nachdem sein bester Freund Pietro gegangen war. Er war nicht mehr dieselbe Person gewesen. Sie sprachen seither nicht mehr dieselbe Sprache. Sie hatte sich selbst ertrinken sehen in all dem Leid und Bobby war der rettende Anker gewesen…

Sie war nicht mit ihm zusammen gekommen, weil Rogue zurückgekehrt war. Geheilt oder besser einfach der Kräfte beraubt. Sicherlich hatte sie es grösstenteils wegen Bobby getan. Kitty hatte nicht weitermachen können… Denn sie war nicht so.

Das einzige, was sie sich selbst jedoch nicht erklären konnte, war dieser eine Kuss von damals. Wieso sie in diesem Moment so gebannt von John gewesen war, dass sie den Drang verspürt hatte, ihn küssen zu wollen und dass sie einfach nachgegeben hatte. Seine Worte waren ernst gemeint gewesen. Das hatte sie ihm angesehen. Aber genauso ernst wie er gemeint hatte, dass er sie einmal gemocht hatte, hatte er auch gemeint, dass er sie zu dem Zeitpunkt nicht mehr mochte, weil sie Bobby mochte. Und doch hatte sie ihn geküsst. Obwohl sie selbst glaubte, dass sie Bobby mochte. Es hatte sich einfach irgendwie richtig angefühlt.

Kitty schloss die Augen. Sie glaubte, dass es nur war, um die Tränen etwas zu stoppen, aber sie war so müde…
 

»Er wollte wissen, wieso ich dich gerettet habe. Damals. Alcatraz. Du weisst schon. Er meinte, weil ich immer nur dich wollte.« Kitty hörte ihre Stimme und spürte, wie sich ihr Mund bewegte. Aber sie hatte nicht das Gefühl, diesen Satz gerade selbst gesagt zu haben. Sie blinzelte. Sie sass auf einem Bett. Jemand hatte von hinten die Arme um sie gelegt. Sie schnupperte.

»Weil ich deins auch gerettet habe. Damals. Du weisst schon. Und ich hoffe mal, dass da doch irgendetwas Wahres dran ist…« Sie stockte und horchte. Er imitierte sie, sicherlich um sie zu necken. Aber viel wichtiger war der Inhalt seiner Worte. »Wobei du dann auch die warst, die mich der Polizei übergeben hat… von daher nicht unbedingt ein schlüssiges Argument.. Irgendwie.« Er redete gerade mehr zu sich selbst, als zu ihr. Langsam begann auch Kittys Verstand wieder einwandfrei zu arbeiten. Das war Johns Stimme. Sie musste eingeschlafen sein, in dem Gang. Das musste sein Zimmer sein. Eigentlich hatte sie jetzt einen Schock und eigentlich hätte sie ihn am liebsten von sich weg gestossen. Aber er hatte gerade das angesprochen, was ihr Kopfzerbrechen bereitet. Ob er gelogen hatte oder nicht. Ob er ihr das Leben gerettet hatte und wenn ja, wann…?

- Definitiv einen Lüge!

Er fuhr nicht fort. Sie rollte ungeduldig mit den Augen und versuchte ihre sanfte Stimmlage von vorhin zu imitieren, auch wenn sie am liebsten gebrüllt oder geschrien hätte:

»Nein, der Grund ist ganz einfach, dass ich niemanden einfach so sterben lasse…!« Gab sie zurück und wartete. Vielleicht würde er von selbst noch einmal auf das Thema zurückkommen. Doch er schwieg. Stattdessen küsste er sie sanft aufs Haar. Wieder der Drang ihn weg zu stossen, aber gleichzeitig dieses warme Kribbeln.

»Ich weiss.« Antwortete John. Sie konnte ihn praktisch lächeln hören. Irgendwie hörte es sich gut an. Aber er würde nicht mehr weiterreden. Und das ärgerte sie. Sie gab sich nicht einmal mehr die Mühe, sich zu verstellen:

»Und nein, nicht, weil du mir mal das Leben gerettet hast. Denn das ist gelogen! Du bist so ein Lügner!« Sie sprang mit einem weiten Satz auf und drehte sich zu ihm um. Er fuhr sich durchs Haar. Irgendwie schien er sich gerade ertappt zu fühlen. Wenn er sich durchs Haar fuhr, wirkte es ganz anders, als bei Bobby. Nicht ärgerlich, sondern mehr verlegen. Es verlieh ihm sogar etwas Schüchternes.

»Wie du meinst, Kitten.« John zuckte gleichgültig mit den Schultern und gähnte. So hatte er vorhin noch nicht geklungen. Jetzt lag in seiner Stimme das pure Desinteresse, zuvor hatte er sich ernsthaft mit ihr unterhalten. Aber ihr war das momentan gänzlich egal.

- Und, achja, sie trug alle ihre Kleider, das war ja mal etwas ganz neues !

»Genau!« Kitty hasste es, wenn er so tat, als würde sie nicht mit ihm reden und als würde es ihn nichts angehen. »Aber egal, es interessiert mich nicht! Aber wenn ich schonmal hier bin: Was habe ich dir alles noch erzählt?!!« Sie hatte die Hände in die Seiten gestemmt und stand so vor ihm. Er sass noch immer auf dem Bett. Gerade hielt er es für wichtiger, sich eine Kippe anzustecken, als mit ihr zu reden. Bobby hatte auch ordentlich zugeschlagen. John hatte ein Pflaster über dem linken Auge, welches zudem noch geschwollen war. Ausserdem auch sonst blaue Flecken oder gar Blutergüsse. Sie hatten sich wirklich nichts geschenkt. Irgendwie tat es ihr Leid und irgendwie hätte sie das auch gerne gesagt. Obwohl sie ja eigentlich gerade wütend war.

John schwieg und sah sie einfach nur an. Er sah immerhin nicht durch sie hindurch, aber er reagierte auch kein bisschen auf ihre Frage. Stattdessen bliess er Rauch aus. Er musste wissen worum es ging. Er wusste es ganz genau. Wie oft hatten der Professor und später Storm ihm schon gesagt, dass man im Haus nicht rauchen durfte. Eigentlich hielt er sich daran. Eigentlich also seltsam, dass er sich nun trotzdem eine ansteckte.

- War er vielleicht nervös?

»Rede verdammt! Hat dir mein.. mein Schlafendes Ich sonst noch etweas erzählt?!« Sie wurde hysterisch. John legte den Kopf leicht schräg. Er musste schmunzeln. Kitty nicht. Er machte sich über sie lustig.

»Nein.« War seine einsilbige Antwort. Eine glatte Lüge. Sie wusste es und er konnte es vielleicht ahnen und er log ihr trotzdem ins Gesicht.

- John, der König der Lügner.

Aber war sie nicht genauso gut im lügen wie er… Kitty verdrängte den Gedanken und schnaubte ärgerlich. Es gab eine kurze Pause. Sie musste sich etwas überlegen. Taktik ändern. Schliesslich kam ihr ein Gedanke.

»Wieso hast du Magneto verraten…?« Das hatte sie sowieso schon immer wissen wollen und jetzt kam es gerade recht. Sie wollte ihn reizen.

John sah sie wieder nur an. Sein Blick hatte sich verändert. Unnahbar und eiskalt.

»Ich werde nicht über dieses Thema reden!« Meinte er schliesslich und erhob sich entschieden. Er ging einige Schritte und blickte aus dem Fenster in die Dunkelheit. Der Rauch umspielte ihn. Kitty grinste zufrieden.

»Gut, wenn du nicht darüber reden willst…« Sie folgte ihm und legte spielerisch die Arme von hinten um ihn. Er zuckte zusammen, wohl nicht wegen der Berührung aber weil ihre Stimme so sanft war wie zu Beginn. Sie schmiegte sich enger an ihn. »Dann ist das auch in Ordnung…« Das brachte ihn wohl auch dazu, sich wieder zu ihr umzudrehen. Sie liess ihre Arme sinken. Immer noch das war das berechnende Grinsen auf ihren Lippen.

- Überraschung… und erwischt!

Sie fügte in wesentlich härterem Tonfall hinzu:

»Aber dann sag mir jetzt endlich, was ich sonst noch zu dir gesagt habe! Bobby hast du ja auch schon so einiges erzählt!« Er merkte natürlich sofort, dass sie nur gespielt hatte. Irgendwie war ihm die Enttäuschung anzusehen, auch wenn er es zu verhindern versuchte. Aber er fing sich wie immer schnell und ersetzte den Ausdruck durch Ernst und Kühle. Er hatte begriffen, was sie meinte und wohl auch, dass er sich damit verraten hatte und sie deswegen wusste, dass er log.

»Na schön, wenn du die Tour willst, dann kannst du sie haben!« Die drohende Stimme erinnerte ganz an ihren Streit mit Bobby. Sie war immer davon ausgegangen, dass Bobby das von John hatte.

- Aber konnte es nicht vielleicht umgekehrt der Fall sein…?

Kitty wich leicht zurück. John packte sie nicht wie Bobby und schüttelte sie auch nicht vor Wut. Das erstaunte sie. Er meinte einfach nur schneidend:

»Also gut, du wolltest es nicht anders: Du hast gesagt, dass du mich liebst.«

Kitty stockte. Sie blinzelte überrascht. Mit allem hatte sie gerechnet, aber damit sicherlich nicht. Ihr Mund wurde trocken, ihr Hals wie zugeschnürt. Gleichzeitig spürte sie jedoch auch, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann, als er diese Worte erwähnte.

Seine Worte waren in einem anderen Sinne hart als Bobbys Worte. Eigentlich gar nicht prinzipiell bösartige Worte, aber so wie er es gesagt hatte, gab er dem ganzen einen bitteren Beigeschmack. Ausserdem ging es um sie beide. Um sie. Es verschlug ihr schlichtweg die Sprache. Kitty stützte sich hilflos mit einer Hand an der Wand neben sich ab. Er beobachtete sie sichtlich zufrieden.

»Oh John… Wann hörst du endlich auf zu lügen..?« Kitty zwang sich, einmal kurz aufzulachen. Mehr verzweifelt als selbstsicher. Aber er sollte aufhören, so zufrieden zu grinsen. Bobby konnte sie leicht wütend machen. Ihn kannte sie. John hingegen schien durch nichts wirklich aus der Ruhe zu bringen.

- Wobei man ihm zu Gute heissen musste, dass er damals, den Kuss betreffend auch nicht gelogen hatte… Aber egal!

»Dann, wenn du aufhörst, immer wieder zurückzukommen!« Gab John triumphierend zurück. Es war gleichzeitig entwaffnend. Denn darauf konnte sie nichts erwidern. Sie sahen sich an. Kitty schüttelte nur langsam den Kopf. Mehr zu sich selbst als zu ihm. Er rauchte nur.

Es war, als hätten sich ihre Albträume damals, als sie aufgehört hatten, selbstständig gemacht und sich auf ihr Leben übertragen. Denn so kam es ihr gerade vor. Sie hatte nie darüber nachgedacht und jetzt war ihr auch klar, wieso nicht…

»Und wenn wir schon dabei sind, dann können wir doch auch gleich darüber reden, wieso du von dem Angriff auf dem Institut an über ein Jahr nicht zur Schule gegangen bist..!« Setzte John nach. Das brachte Kittys mutige Fassade endgültig zum zerbersten und zurück blieb sie ganz alleine. Schutzlos.

- Wieso wusste er davon…?

Sie sah ihn wie versteinert an.

Kitty hatte gerade eine erschreckende Feststellung gemacht.

Sie drehte sich wie in Trance wortlos um und verliess das Zimmer durch die nächstbeste Wand.
 

Kitty hatte darüber nachgedacht, wann ihre Albträume aufgehört hatten und die erschreckende Feststellung war, dass das ungefähr in dieselbe Zeitspanne fiel, wie Johns Rückkehr ans Institut.
 


 


 


 


 

»Ich habe ihn gefunden…!«

Aus dem 24. Stock einem New Yorker Apartment war zu beobachten, wie gerade ein Mann mit hellem blonden Haar das Gebäude verliess. Es kam eines dieser für Sommer typischen Gewitter auf, weshalb er notbedürftig seine Jacke über den Kopf zog und so schnell wie möglich zur nächsten U-Bahnstation rannte.

Lorna Dane liess den weissen Vorhang zurückfallen. Das Telefon hielt sich noch immer an ihr Ohr. Sie spielte mit dem Glas Wein in ihrer Hand. Auf dem kleinen Tischchen vor dem Sofa stand ein weiteres leeres Weinglas, daneben die Weinflasche.

»Alex war gerade bei mir und hat mir etwas wirklich Interessantes erzählt…« Sie lächelte zufrieden und lehnte sich dabei gegen die Küchentheke. »Du wirst nicht glauben wo er sich versteckt hat…« Lorna lachte amüsiert auf. Wie lange hatte sie jegliche Gefängnisse abgesucht – wobei sie sich jeglicher Kniffe hatte bedienen müssen. Dann war sie auf psychiatrische Anstalten und anderes ausgewichen. Aber auch das hatte sie nicht weiter gebracht. Er war gut im untertauchen.

Eine kleine Pause, während die Person am anderen Ende sprach.

»Er hat wohl keine sonderlich hohe Strafe bekommen. Ich kann mir auch denken, wieso.. Wo er dem Staat doch so nützlich war.« Lorna stellte das Weinglas auf der Theke ab. »Er ist zurück nach Hause. Und sie haben ihn wieder aufgenommen. Das war zu erwarten. Darauf hätte ich auch schon früher kommen können.« Lorna zog an ihrem blonden Haar. Nur eine Perücke. Sie hasste es, aber es musste sein. Ihre richtigen Haare waren straff hochgesteckt, damit keines jemals unter der Perrücke hervorkam. Mit wenigen Handgriffen entfernte sie sämtliche Klammern. Sie schüttelte ihre eigentliche Haarpracht. Grünes Haar. Sie liebte ihre Haarfarbe. Aber für die Allgemeinheit war es nicht ‘normal’ genug.

»Und das wird die ganze Sache kinderleicht machen.« Sie grinste siegessicher. Alex hatte vor knapp einer Stunde vor ihrer Tür gestanden. Aufgeregt und irgendwie auch wütend. Sie hatte ihn natürlich eingelassen. Er hatte ihr erzählt, dass ihr Freund sich geprügelt hatte. Er hatte auch die Umstände erwähnt.

- Es war wirklich praktisch, wenn jemand in einem verliebt war…

Aber vor allem hatte er John Allerdyce erwähnt.

Bobby hatte nie davon geredet. Natürlich nicht, er hasste John. Sie hatte niemals nachgefragt, weil sie gar nicht an die Möglichkeit gedacht hatte, dass John sich vielleicht im Institut aufhalten könnte.

- Alex erwies sich doch noch nützlich. Und Bobby auch. Es war also doch nicht alles umsonst.

»Aber je einfacher es für mich wird, desto schlimmer wird es für Pyro.« Die metallenen Messer zitterten gefährlich in den Schubladen. Es waren unheimliche Geräusche zu hören.

- Bobbys menschliche Freundin war scheinbar doch nicht so menschlich…

»Die miese kleine Ratte wird es noch bereuen, unseren Vater verraten zu haben, das schwöre ich dir, Pietro«

Während du schliefst

4. KAPITEL – Während du schliefst
 

Kitty war gereizt. Unendlich. Jeder der ihr in diesem Moment auf die Nerven ging, der würde wohl ihrer Laune zum Opfer fallen. Die Gereiztheit rührte aber daher, dass sie wieder seit einigen Tagen nicht geschlafen hatte. Nicht einmal ein Auge zugetan hatte sie, und blinzeln wurde immer absichtlich schnell erledigt. Nur kein Risiko eingehen. Und eben weil sie kein Risiko hatte eingehen wollen, hatte sie nun diese Strafarbeit. Das war doch zum Haare raufen.

Langsam wurde es für sie ausserdem extrem schwierig den Leuten, die sie nicht sehen wollte aus dem Weg zu gehen, denn es schienen immer mehr zu werden. John.. Bobby.. Und genau jetzt sollte es sogar unmöglich werden.

John Allerdyce.

Sie wollte umdrehen, kehrt machen und wieder nach Hause. Nach Hause ins Bett. Denn wenn er hier war, dann war sie sicher im Bett. Kittys sowieso schon halb geschlossene Augen – wegen der Müdigkeit – verengten sich noch mehr zu einem bösen Funkeln.

»Das machst du mit Absicht, oder?!« Er sah zu ihr auf und seine Lippen verzogen sich automatisch zu einem Grinsen.

»Also eigentlich bist du immer diejenige, die zu mir kommt.. aber..« Er schnippte seine Kippe mit einer einfachen Handbewegung weg und fügte an. »Ich freue mich auch, dich zu sehen, Kitten.«

Eisernes Schweigen folgte. Kitty drehte sich vollkommen von ihm ab, die Arme eng vor der Brust verschränkt. Der Tag fing wirklich sehr gut an. Der Abend würde es nicht unbedingt besser machen. Noch eine Person sehen, auf die sie momentan gut verzichten konnte. John schwieg ebenfalls, aber wohl mehr, weil es ihm egal war. Wie immer.

Die beiden Straftäter mussten auch nicht sonderlich lange warten, da erschien bereits der grimmige alte Hausmeister der Bayville High und wies sie an, ihm zu folgen. Die Aufgabenstellung war eigentlich ganz einfach. Bei A anfangen und alles bis Z sauber machen. Sie hatten ja den ganzen Tag Zeit. Der letzte Kommentar des Hausmeisters ging an John:

»Immerhin haben Sie diesmal die Hilfe einer reizenden Dame und müssen nicht wie sonst immer alles alleine machen, Mr Allerdyce.« Ein Zwinkern in Richtung John.

»Hilfreich glaube ich kaum, und reizend heute wahrscheinlich auch nicht. Madame leidet derzeit etwas unter Schlafmangel.« Gab John grinsend zurück, während er sich nach einem der Eimer bückte. Kitty schnaubte verächtlich.

- Schlafmangel, ja! Aber warum wohl?!

Sie griff ebenfalls nach einem der Eimer, aber im Vergleich zu seiner Bewegung war ihre hastig und man sah ihr den aufkommenden Zorn deutlich an. Der Hausmeister sah John fragend an. Dieser zuckte nur unschuldig mit den Schultern. Aber das Grinsen sprach Bände.

Erst einmal galt es, den Schulhof von eben jenen Zigarettenstummeln zu befreien, welche John so gerne herumschnipste. Etwas an den Worten des Hausmeisters hatte Kitty doch stutzig gemacht und zwar so sehr, dass sie ihr ‚Strafen durch Schweigen‘ kurzzeitig unterbrach.

»Was meint er mit ‚Immer alles alleine machen‘?« John steckte sich eine Zigarette an. Es schien fast so, als wolle er gar nicht mit der Arbeit fertig werden. Seine braunen Augen wanderten überrascht zu ihr.

»Naja. Ich verbringe praktisch jeden meiner Samstage hier.« Kitty sah zu ihm hoch und musste schmunzeln. Das kam ihr bekannt vor. Früher hatte er auch ständig irgendwelche Strafarbeiten von Storm oder Scott aufgebrummt bekommen. »Aber ich hab nichts dagegen. Was sollte ich sonst tun?« Er bückte sich ebenfalls und hob den Stummel auf, den Kitty eben im Begriff gewesen war, aufzuheben. Kitty sah ihn an. In diesem Moment tat er ihr fast ein wenig Leid. Sie überlegte gar, ob sie ihm die Hand auf die Schulter legen sollte. Oder ob sie irgend etwas tröstendes sagen sollte. Aber er kam ihr zuvor:

»Ach übrigens, herrscht Stress im Paradies?« Diesmal war sein Grinsen schon fast feixend. Er tat ihr überhaupt nicht mehr Leid. Kitty erhob sich entschieden und beschloss so zu tun, als hätte sie ihn nicht gehört. Aber das liess er ihr natürlich nicht durchgehen. »Haben du und der Icedick einen kleinen Streit.« Kitty biss sich auf die Lippen. Sie hatte sich von John abgewandt. Woher wusste er das denn nun schon wieder.

- Sie hatte sicher nicht geschlafen… oder?!

Und ausserdem: Wusste er gar, dass sie seinetwegen Streit hatten?

»Nerv mich nicht!« Knurrte Kitty äusserst angespammt. Sie war wirklich schon strapaziert genug durch den Schlafentzug. Sie brauchte nicht noch den ehemaligen Feuerteufel, der ihr vorhielt, was sonst noch alles schief lief. Das versuchte sie ja gerade zu verdrängen.

»Ist er grundlos eifersüchtig..?« John klang so unschuldig, wie…

- Ach, ihr fiel kein passender Vergleich ein.

»Deiner Meinung nach liebe ich dich ja, von daher… grundlos wärs nicht?« Eine kleine Bemerkung, die deutlich zeugte, dass Kitty ihm natürlich nicht glaubte. Immerhin stand sie vor dem König der Lügner.

- Also bitte…

Dummerweise schien John bestens über alles Bescheid zu wissen. Sie sollte sich Nachts jeweils ans Bett binden lassen mit einem dicken Klebstreifen über den Lippen. Kitty verfluchte sich. »Leg die Kippe weg, sonst werden wir nie fertig!« Eigentlich wollte sie ganz gerne ablenken, denn sie befürchtete neue beunruhigende Dinge von dem anderen zu hören.

»Ich hab Zeit.« Der Braunhaarige zuckte mit den Schultern und liess sich demonstrativ auf einer der Bänke nieder. Kitty stand vorwurfsvoll vor ihm. Entschieden verschränkte sie die Arme vor der Brust. »Und du kennst den Grund bereits.« Kitty wusste, weshalb sie die Arme vor der Brust verschränkt hatte. Denn als er weiter sprach begann ihr Herz wie wild zu klopfen. Sie wusste nicht wieso, aber eines wusste sie. Sie hasste dieses Spiel. Sie hasste es, das er scheinbar in ihre Karten blicken konnte und stets ein Ass im Ärmel hatte. Sie hasste die Hilflosigkeit in der sie ihm schutzlos ausgeliefert war. Es war keineswegs ein faires Spiel. Es war von Anfang an nicht fair gewesen. Aber sie konnte nicht aussteigen, dazu war sie wiederum zu neugierig.

Kitty brachte kein Wort über ihre Lippen, ihr Mund war trocken. Der einzige Schutz war Lance…

- Wenn man mal darüber nachdachte.

»Zumindest so wie ich das ganze sehe.« John winkte ab: »Ist aber schon länger her, wenn du dich jetzt wundern solltest, warum du dich nicht erinnern kannst.« Ein schelmisches Zwinkern. Er wusste genau, dass sie sich an nichts erinnern konnte. Kitty war zu müde dafür. Viel zu müde. Sie liess sich neben ihm nieder und stütze den Kopf in beide Hände. Sie schwieg eine längere Zeit. Er rauchte. Dann meinte sie nachdenklich:

»Ich.. ich rede.. mit dir?« Wenn an seinen Worten nun wirklich etwas dran war. Irgendwoher musste er schliesslich wissen, dass sie etwas mit Bobby gehabt hatte, irgendwoher musste er all das wissen. Kitty war nicht sicher, ob sie verängstigt darüber sein sollte oder ob es irgendwie ein seltsam gutes Gefühl war.

Er schien ihr zuzuhören… Wann hatte Bobby ihr das letzte Mal zugehört? Eigentlich drehte sich doch alles um Lorna, um Alex… Sie konnte es nicht mehr hören. Und wann hatte sie das letzte Mal mit Lance wirklich geredet…? Daran konnte sie sich auch nicht erinnern, genausowenig wie, dass sie mit John geredet haben sollte. Eine gewisse Ironie schwang da schon irgendwie mit.

»Tja, manchmal muss ich mir deinen Gefühlsscheiss eben anhören, wenn ich zum Schuss kommen will.« Seine Formulierung war wie immer unterstes Niveau. Darüber hätte Kitty sich erneut aufregen können. Aber sie war so müde. Ausserdem hatte er zweimal zu dem Satz angesetzt, als hätte er zuvor etwas anderes sagen wollen und sich danach noch schnell umentschieden. Und genau deswegen ignorierte sie seine rüde Bemerkung. Stattdessen drehte sie ihm den Kopf zu und meinte:

»Du redest mit mir..?!« Das war nun schon mit etwas Nachdruck. Aber aus seinen Worten war eindeutig hervorgegangen, dass auch er ihr Dinge erzählt hatte. Äusserst interessante sogar – und das liess sie verrückt werden. Vor Aufregung schlug ihr Herz immer noch bis zu ihrem Hals. Sie konnte es sich selbst nicht erklären.

John sah sie an. Ihre Blicke trafen sich. Mit ihren Augen fixierten sie einander. Er legte eine Pause ein. Ihm musste gerade klar geworden sein, dass er zu viel gesagt hatte. Genauso wie Kitty sich dessen gerade bewusst geworden war. Er hatte sich in die Karten blicken lassen. Nur ein kleines Bisschen. Aber dieses kleine Bisschen nahm seinen unfreundlichen Worten sämtliche Kraft zu verletzen.

»Selten.« Kam es äusserst knapp und er war im Begriff sich erheben zu wollen. »Wir sollten weiter arbeiten.« Sie packte ihn hastig am Arm und hielt ihn zurück.

- Jetzt war doch tatsächlich er derjenige, der ausweichen wollte!

»Du redest mit mir!!!« Rief Kitty aus und auf ihrem Gesicht bildete sich automatisch ein Lächeln. Sie konnte sich nicht erklären weswegen. Bisher hatte sie eigentlich nur geglaubt, dass es eine reine ‚Rein-Raus-Sache‘ war, die sie aus unerklärlichen Gründen mit sich machen liess.

»Ich werde nicht über dieses Thema reden, Kitten!« Kam es unerwartet heftig von ihm, scheinbar auch von ihm selbst nicht unbedingt geplant. John wand sich aus ihrem Griff und begann, weiter zu arbeiten. Kitty beobachtete ihn mit weit aufgerissenen Augen. Ihr wurde erneut etwas klar…

- »Ich werde nicht über dieses Thema reden!«

Sie hatte genau diesen Satz bereits von ihm Gehört. Nur war es dabei um seinen Verrat an Magneto gegangen und nicht um eine ‚verhältnismässig‘ kleine Sache wie diese hier. Aber trotzdem, dass er wohl eher unabsichtlich die genau gleichen Worte verwendet hatte zeigte deutlich, dass ihn dieses Thema nicht kalt liess. Eigentlich hatte Kitty sogar das Gefühl, dass sein Tonfall weitaus heftiger gewesen war, als als es um Magneto gegangen war.

- Nur schon das ‚Kitten‘ welches dem ganzen einigen Nachdruck verschaffte…!

Sie beschloss das Thema ruhen zu lassen, wie er wünschte. Sie wollte ihn nicht weiter provozieren, aber auf einem guten Weg, mehr über diese merkwürdige Sache herauszufinden war sie auf jeden Fall.

Inzwischen waren sie zum Lauf rächen über gegangen. Als sich ihre Wege kreuzten meinte Kitty mit einem Schmunzeln auf den Lippen:

»Bobby hat mich Schlampe genannt.« Sie drehte ihm den Kopf zu. John grinste:

»Wenn er wüsste, wie Recht er damit doch hat!« Ein kurzes Schweigen. Dann mussten sie beide auflachen. Weil es stimmte, aber auch, weil es in diesem Moment wirklich witzig war. Auch wenn John sie irgendwie genauso betitelt hatte, wie Bobby es getan hatte, so war es doch anders. Es war nicht auf diese abwertende Art und Weise. Es war anders. Es war so, wie sie es von Bobby erwartet hätte. Und Bobbys Kommentar war so, wie sie ihn von John erwartet hätte. Und eigentlich hatte sie immer geglaubt, dass John auf Bobby abgefärbt hatte…

»Du hast dich immer gefragt, wieso Bobby und ich uns so in den Haaren gelegen haben.. Du warst die einzige, die es hat kommen sehen. Die gemerkt hatte, dass wir schon bevor ich zu Magneto überwanderte längst nicht mehr beste Freunde waren. Du kanntest uns.« Johns Stimme klang unnatürlich ernst. Diesmal war er es, der unerwartet ein Gespräch begann. Kitty hielt in ihrer Rechenbewegung inne. Ein Nicken war unnötig. Er wusste, dass er Recht hatte.

- Was wusste er eigentlich nicht über sie ?!

»Als ich ans Institut kam, stand ich total auf dich. Frag mich heute noch wieso..« Kitty ignorierte diese Zwischenbemerkung und liess ihn stattdessen weiterreden. Sie ignorierte auch den Sprung, den ihr Herz dabei grundlos (!) vollführte. »Vielleicht weil du so ne unglaubliche Fröhlichkeit ausgestrahlt hast. Unglaublich dämlicher und naiver Optimismus.« Er verpackte das Kompliment sehr geschickt in einer weiteren Beleidigung. »Bobby wusste das!« Das klang nun schon etwas bitterer. »Und von dem Augenblick an, als er das wusste, hat er sich an dich ran gemacht.« Kitty dachte nach. Sie musste feststellen, dass Bobby sich lange Zeit kein bisschen für sie interessiert hatte, sondern stets für die viel Ältere Jean geschwärmt hatte.

- Wenn John nicht der König der Lügner wäre…. Sie musste misstrauisch bleiben.

»Im ersten Moment hab ich ihn dafür gehasst, als du darauf eingingst hab ich dich dafür gehasst und dann wars mir egal. Hatte er eben gewonnen, meinetwegen, wenn er damit glücklich und zufrieden war, meinetwegen. Wir waren noch immer beide beste Freunde…« John fixierte sie erneut mit seinen tiefen, braunen Augen. »Bis du mich geküsst hast. Und ich ihm davon erzählt habe. Und er mir angeblich nicht geglaubt hat, sondern dir…« Kittys Griff um den Rechen war inzwischen so eisern, dass sich ihre Fingernägel bereits in ihr Fleisch schnitten.

»Von dem Augenblick an, habe ich gemerkt, dass das seinen Stolz extrem gekränkt haben muss, denn – Ich gehe nicht davon aus, dass du mir glauben wirst – von dem Augenblick an war er nicht mehr mein bester Freund. Sondern mein grösster Rivale. Es fiel mir nicht sofort auf, aber mit der Zeit… Er nahm an keiner meiner Aktionen mehr teil, hat sie so gut es ging sogar sabotiert und heimlich beim Professor und Storm gepetzt. Er war der Saubermann, ich der Bastard – Was ich auch bin, aber trotzdem.« Er gab es wenigstens zu. Kitty musste leise auflachen. »Das war nur der kleine Anfang. Es warf grössere Wellen, die Rivalität zwischen uns wuchs automatisch. Ich kann nicht sagen, dass es mir egal war. Aber ich hatte den einen Kuss, den er nicht hatte!« John lächelte Kitty zu. Ein richtiges Lächeln. Ein zufriedenes. Aber nicht unbedingt, weil er dahingehend triumphiert hatte. Nein… Einfach ein Lächeln, das irgendwie Glück ausstrahlte. Sie hatte ihn noch niemals so lächeln sehen.

- Oder etwa doch…?

»Ich meine gegen Ende haben wir versucht uns gegenseitig umzubringen..« So wie John es sagte, klang es nach einer lustigen Freizeitaktivität. »Aber, was ich damit eigentlich sagen wollte: Bobby wird genau aus diesem Grund immer eifersüchtig auf alles sein, was mit dir und mir zu tun hat. Weil ich einmal scheinbar ein klein wenig besser gewesen bin, als er und er das bis heute nicht ertragen kann. Mal ganz abgesehen davon konnte er dich nach Alcatraz zwar küssen, aber nicht gänzlich haben..« Sein Lächeln wurde breiter. Kitty spürte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss und sie wurde automatisch rot. Sie sah ihn verlegen an und konnte sich nicht entscheiden, ob sie darüber jetzt empört sein sollte, oder sich gleichzeitig irgendwie geschmeichelt fühlen sollte.

- Was verdammt noch einmal hatte sie ihm eigentlich nicht erzählt ?!

»Weshalb ihn natürlich ziemlich stören würde, dass ich mit dir geschlafen hab.« Er verwendete zum ersten Mal schöne Worte dafür. Kitty errötete noch mehr und drehte den Kopf ab. Sie würde ihm nicht glauben, sie durfte ihm nicht glauben. Bobby war nicht so. Sie kannte ihn. Er war definitiv nicht so. Sie kannte ihn doch so gut.

Der Streit zwischen ihr und dem Eismutanten kam ihr erneut in den Sinn.

Schlampe, Verräterin…

Bobby war vielleicht doch so…

Kitty hatte sich soeben entschieden, es rauszufinden.

»Du hast heute Abend noch nichts vor oder..?« John zog eine Augenbraue hoch. Er unterliess zu antworten, also fuhr Kitty fort: »Dann bin ich mal gespannt, was Bobby zu meiner Begleitung sagt!« John runzelte die Stirn, schien dann aber zu begreifen. Er grinste, jetzt war es wieder das arrogante und auch recht fiese Grinsen, welches Kitty sonst so von ihm gewohnt war.

»Scheint ja wirklich Streit zu herrschen im Paradies.« Kommentierte der ehemalige Feuermutant. Kitty sah das als Zustimmung an und grinste zufrieden. Der Abend würde eine erstaunliche Wendung nehmen.

Das würde er wirklich. Für alle Beteiligten.

Den Rest des Tages verbrachten sie mit Fensterputz, Böden nass aufnehmen, natürlich Klos mit Zahnbürsten säubern und sonstigen idiotischen Arbeiten. Aber im grossen und ganzen war es ein schöner Tag – was Kitty nicht erwartet hatte. Sie redeten nicht viel, aber das, was sie redeten reichte vollkommen aus. Und wenn Kitty jeweils kurz davor war, wegzunicken, dann versetzte John ihr einen sanften Stoss in die Seite, damit sie wieder vollständig wach wurde.

- Schon seltsam.
 

»Wieso hast du mich damals geküsst…?« Meinte John dann plötzlich in die Stille, die erneut zwischen ihnen herrschte und so direkt, dass Kitty ihn regelrecht perplex ansah. Das kam nun vollkommen unerwartet. Die Überraschung war ihr auch deutlich anzusehen. Ihm war anzusehen, dass er in diesem Moment den Atem anhielt. Man sah ihm doch sonst nie etwas an. Das kannte sie von ihm. Das hier nicht. Er schien gar nervös.

- Etwas, das der gute Herr nicht zu wissen schien…?!

Kitty sah ihn mit einer unglaublich zufriedenen Mine an und sagte dann geheimnisvoll:

»Ich werde nicht über dieses Thema reden.« Die zierliche Braunhaarige grinste. John musste ebenfalls Grinsen.

»Schlampe!« War die einfache Antwort. Ihm war sie nicht böse. Bobby schon. Vielleicht, weil sie es von John erwartet hatte, er es aber nicht sonderlich ernst meinte. Im Gegensatz zu Bobby.
 


 

Bobby stand pünktlich zum Zeitpunkt, den er mit Kitty verabredet hatte ohne dass sie wirklich ihre Meinung dazu hatte sagen können, vor der Schule. Er lehnte gegen seinen Wagen und wippte ungeduldig mit einem Fuss auf und ab. Kitty hatte eigentlich erst gar nicht hingehen wollen, aber da John nun freundlicherweise den Part als ihre Begleitung unternahm und die Aussicht darauf bestand, dass der Abend noch annähernd witzig werden konnte, hatte sie ihre Meinung schlussendlich doch noch geändert. Auch wenn sie müde war…

Bobby kümmerte es kein bisschen, dass sie müde war. Er merkte es nicht einmal. Er merkte zurzeit sowieso nicht sonderlich viel.

John stupste sie an. Er merkte, wie müde sie eigentlich war…

»Ich.. ich hab nicht geschlafen..« Meinte Kitty etwas verlegen – verschlafen klang sie aber trotzdem.

»Du doch nicht.. Ich wollte auch nur sagen, dass Icedick uns bereits erwartet.« Kitty folgte einem Kopfnicken von John und spähte aus dem Fenster. Tatsächlich. Sie spürte eine unglaubliche Wut in sich. Aber sie hatte John. Und das würde Bobby sowas von auf die Palme bringen.

Gemeinsam verliessen sie die Schule und traten zu Bobby heran. Dieser hatte beschäftigt auf seinem Handy herumgetippt und hob den Kopf deswegen erst, als die beiden schon kurz vor ihm standen. Seine Mimik war sowieso schon kühl, aber als er John neben Kitty erblickte, wurde sie geradezu eiskalt.

»Was soll das?!« Blaffte er sie unverhohlen an. Die Begrüssung war er direkt übergangen. Kitty blinzelte perplex, musste dann jedoch zufrieden grinsen.

- Funktionierte perfekt!

»Meine Begleitung…?« Meinte sie mit einer Unschuldsmine und einem zuckersüssen Lächeln. Sie hakte bei John ein und blinzelte Bobby dabei immer noch so falsch lächelnd zu.

- Dass sie das überhaupt konnte, das verwunderte sogar John…!

»Was zur…« Bobby kochte schon jetzt. »Wo ist Lance?!«

»Keine Zeit.« Kittys Stimme war leiser geworden. Darüber wollte sie auch nicht reden.

»Wie immer..« Fügte John an. Kitty warf ihm einen Blick zu, der wohl eigentlich warnend hätte sein sollen, aber stattdessen traurig wirkte. Er hatte Recht. Sie musste ihm davon erzählt haben…

»Er kommt nicht mit!« Zischte Bobby.

- Er hätte genauso gut pure Galle spucken können, so klangen diese Worte.

»Oh doch!« Kittys Stimme selenruhig, aber bestimmt. John nickte grinsend. Er war wohl derjenige, der sich am meisten amüsierte.

»Du hasst ihn! Er kommt nicht mit!« Meinte Bobby mit einigem Nachdruck. Dabei packte er Kitty an der rechten Schulter, welche nicht an John gelehnt war, und wollte sie mitziehen. Da war es wieder. Das, was er früher nie gemacht hätte. Das, was sie darum auch nicht von ihm kannte. Kitty hielt sich an Johns Arm fest. John legte seinen Arm um ihre Taille. Ihr Herz hüpfte wie wild. Sie schob es auf die Aufregung über Bobby.

»Sag mir nicht, wen ich hasse und wen nicht!« Fauchte sie zurück. Bobby merkte, dass sie immer enger an John rückte. Er sah seine Hand. Es machte ihn rasend, aber er liess ihre Schulter los. »Sonst sag ich dir, wen ich momentan hasse!«

- Bobby!

Der Eismutant wusste, wer gemeint war. Auch John wusste es. Bobby verzog keine Mine. John lachte. Bobbys Blick wanderte zu ihm. Es war kälter geworden. Natürlich…

»Wir gehen jetzt!« Bestimmte Kitty, öffnete entschieden die Tür zum Beifahrersitz und liess sie demonstrativ mit einem lauten Knall zufallen. Sie würde nicht mehr weiter diskutieren, vorerst reichte die Genugtuung aus. Aber nur vorerst.

John grinste Bobby frech an. Der andere hatte die Hände zu Fäusten geballt. Kitty hörte nicht mehr, als der ehemalige Feuermutant gefährlich leise flüsterte:

»Ich schätze heute werde ich sie ficken… dank dir, Robert!« John zwinkerte Bobby provokant zu. Bobby machte einen Schritt auf ihn zu, als wolle er gerade ausholen und zuschlagen. Aber in diesem Moment kurbelte Kitty die Fensterscheibe nach unten und meinte ungeduldig:

»Jetzt mach schon, Bobby!« Bobby näherte sich John, dass nur noch wenige Zentimeter zwischen ihnen war und zischte dann für Kitty nicht hörbar:

»Wage es ja nicht…!« Sie fixierten sich mit starren, gehässigen Blicken. »Sonst vollende ich, was ich längst hätte vollenden sollen und bringe dich wirklich um!« Einige Sekunden vergingen. Dann lachte John auf und klopfte dem anderen fast freundschaftlich auf die Schulter.

»Wenn du Weichei es jemals gekonnt hättest, hättest du es damals getan, Cinderella!« Ein weiteres Klopfen auf die Schulter – es war fast so, als könne er Bobby damit in den Boden stampfen, denn die leicht geknickte Haltung Bobbys liess es irgendwie so wirken. Mit diesen Worten stieg auch John wieder in den Wagen. Kitty hatte längst die Fensterscheibe hochgedreht und die Musik angemacht.

Bobby betrachtete seinen Wagen, oder vielmehr die Insassen ehe mehr zu sich selbst meinte: »Ich werde es vollenden… das verspreche ich dir, Pyro!«
 

So betraten sie also das Café, in dem Lorna arbeitete. Bobby ziemlich übel gelaunt, Kitty hatte ebenfalls nicht ihren besten Tag, auch wenn momentan alles recht gut lief. Einzig John war gut gelaunt. Jubilee arbeitete nicht, das fiel Kitty auf. Sie war in letzter Zeit viel zu oft krank geschrieben, als dass es sich um ständig wechselnde oder widerkehrende Infektionen handeln konnte. Kitty hatte das Gefühl, dass es diesmal etwas mit ihr zu tun hatte. Sie kannte Jubilee. Sie musste sie kennen. Es war doch ihre beste Freundin. Eigentlich.

Lorna kam freudig auf sie zu und fiel Bobby überschwänglich in die Arme. Kitty drehte sich bei dem Anblick regelrecht der Magen um. Natürlich wurden sie und John erst einmal nicht beachtet, sondern es gab einen Begrüssungskuss. Erst, als Lorna den Kopf auf die Schulter des Eismutanten legte, hatte sie Blick auf seine Begleiter. Kitty schenkte sie ein Lächeln.

- Falsch, wie Kitty fand.

Denn als sie John erblickte, gefror ihre Mine zu Eis.

- Musste wohl von ihrem Freund kommen…

Abrupt liess sie Bobby los, welcher sie verdutzt ansah. Dann meinte die Blondine:

»Ich.. ich freue mich, dass es endlich geklappt hatte.« Diese Worte waren an Kitty gerichtet, aber Lorna konnte dabei ihren Blick nicht von John wenden. Sie wirkte gerade seltsam emotional bewegt. »Ich.. eh.. ich..« Kitty hob eine Augenbraue. John grinste Lorna genauso frech an wie zuvor ihren Freund. »Ich bin gleich wieder da..!« Ohne ein weiteres Wort der Erklärung stürmte die junge Frau zum Hinterausgang und verschwand. Kitty sah John an. John sah Kitty an. Er zuckte mit den Schultern und meinte dann an den perplexen Bobby:

»Ich glaub sie hat meinetwegen einen Hitzeschock. Kein Wunder, wahrscheinlich herrscht bei euch in allen Bereichen Eiszeit!« Er lachte dreckig auf. Bobby sah Kitty vorwurfsvoll an. Die zierliche Mutantin meinte lediglich gelassen:

»Wir trinken jetzt erstmal was!« Sie liess Bobby einfach beim Eingang stehen und zog John mit sich zur Bar.

Kurze Zeit später kehrte Lorna etwas gefasster zu den anderen zurück und auf Bobbys Drängen hin wurde sich an einen Tisch gesetzt. Die Theke selbst wirkte sich nicht sonderlich positiv auf den Gesprächsfluss aus, wie er Kitty zuraunte.

»Als würdest du dich ernsthaft mit mir Unterhalten wollen…« Flüsterte sie leise und bereits recht beschwipst zurück. Sie hatte es vorgezogen auf sämtliche Longdrinks zu verzichten und gleich mit Shots zu beginnen.

»Was soll das heissen?« Gab er zurück. John liess sich in der Zwischenzeit gegenüber von Lorna nieder, während Kitty und Bobby ihren Kleinkrieg flüsternd austrugen.

»Das weisst du ganz genau!« Meinte Kitty mit agressiverem Tonfall.
 

»Du bist ihr Freund..?« Es war Lorna anzusehen, dass es sie einige Überwindung gekostet hatte, ein Wort an John zu richten – aber wenn der Freund einem einfach hängen liess… John musterte sie. Seine Sinne waren praktisch trainiert darauf zu merken, wenn jemand nervös war, ängstlich oder eben so, wie Lorna sich gerade benahm.

Mal ganz abgesehen erinnerte sie ihn an jemanden…

Er liess seinen Blick zu Kitty schweifen, welche nun immer wütender mit Bobby diskutierte. Noch waren sie aber nicht so laut, dass man sie bis hierher hörte. Er schwieg.
 

»Nein, das weiss ich nicht. Ich hör dir immer zu. Und jetzt sei gefälligst leiser! Sonst merkt Lorna etwas.« Kittys Augen weiteten sich vor Empörung. Er verbot ihr den Mund.

- Er hätte genausogut sagen können: Halt die Klappe und mach einen auf Best Friend Forever.

Kitty schnaubte empört und packte ein Shotglas, welches noch auf der Theke auf sie wartete. Sie leerte es herunter und schritt schnellen Schrittes an Bobby vorbei zum Tisch. Ohne ein weiteres Wort und ohne ihm einen weiteren Blick zuzuwerfen.
 

»Nein… aber..« John kam nicht mehr weiter und dafür war er eigentlich auch dankbar, denn Kitty liess sich neben ihm nieder und rutschte dabei unnatürlich nahe an ihn heran. Ihm war vollkommen klar, dass es Absicht war und dieser kleine geflüsterte Streit zwischen den besten Freunden nur der Vorbote gewesen war.

Bobby setzte sich ebenfalls und legte den Arm um Lorna. Seine Freundin sah ihn fragend an. John beschloss Kitty einen Gefallen zu tun und legte den Arm um sie, dabei grinste er Bobby triumphierend zu. Sein Blick sagte alles.

- Ich habe es dir ja gesagt, Robert.

Kitty und Bobby waren vollkommen damit beschäftigt, sich wütende Blicke über den Tisch zuzuwerfen, während Lorna mehr hilflos versuchte, die Konversation anzukurbeln. John sorgte jeweils für Nachschub an Drinks. Er fand, dass es langsam Zeit wurde, für die Eskalation und meinte beiläufig:

»Was ich vorhin sagen wollte…« Er richtete seine Worte direkt an Lorna. »Nein, ich bin nicht ihr Freund, aber sie und Bobby wären mal fast zusammen gekommen.« John hob sein Glas gegen Bobby zu. Kitty verschluckte sich und musste husten. Bobby starrte ihn wütend und zugleich fassungslos an. Und Lorna sah verwirrt zwischen allen Beteiligten hin und her.

- Bravo.. Bravo…!

»Das hast du nie erwähnt, als wir…« Begann Lorna. Sie war viel zu erschrocken darüber um direkt zur Wut überzugehen. Bobby fuhr ihr auch sogleich ins Wort:

»Das hat nichts bedeutet… das war nur flüchtig!« John sah zu Kitty.

»Oh, das war aber nicht nett..« Bemerkte er.

- Immer schön Öl ins Feuer giessen…

Kitty leerte ihr Glas in einem Zug, denn gerade fielen ihr nur Schimpfwörter ein, die sie in Richtung Bobby brüllen konnte. Und gleich einen ganz schlechten Eindruck bei Lorna hinterlassen war eigentlich nicht das Ziel gewesen. Die zierliche Mutantin war viel zu wütend über Bobbys Kommentar dazu, als dass sie sich überhaupt noch hätte darüber aufregen können, dass John eigentlich der gewesen war, der damit angefangen hatte.

»Das ist überhaupt nicht mit dem zu vergleichen, was wir haben, Schatz..! Kitty hatte sowieso mit recht vielen etwas.« Ein hasserfüllter Blick zu John. Kitty keuchte empört auf und auch der Inhalt von Johns Glas fand den Weg in ihren Magen.

»Lässt du dir das gefallen…?« Flüsterte John ihr leise zu. Kitty war so müde. Bobby machte ihr Kopfschmerzen. Sie war viel zu müde um weiter mit ihm zu diskutieren und sich von ihm beleidigen zu lassen. Sie war so müde, dass sie gar nicht vorhatte, sich zu wehren. Lorna wollte etwas sagen – wahrscheinlich um die Situation zu entschärfen – doch bevor sie dazu kam erhob Kitty sich entschieden.

»Ich gehe…!« Es war anstrengend diese Worte zu sagen. Der Alkohol hatte sie noch viel müder gemacht. Ihre Zunge war zu müde um die Worte gänzlich richtig auszusprechen – und natürlich zu betrunken.

John war im Begriff, ebenfalls aufzustehen. Dabei liess er Bobby jedoch keineswegs aus den Augen. Wieder das triumphierende Grinsen.

- »Ich schätze heute werde ich sie ficken… dank dir, Robert!«

Wenn sie jetzt ging, dann würde das passieren..! Sie durfte nicht gehen! Er durfte nicht verlieren. Bobby riss Kitty zurück. Schon wieder. Er hatte sich verändert. Sie kannte ihn nicht mehr.

»Du bleibst! Lorna hat sich extra für heute frei genommen!« Kitty phaste sich aus seinem Griff. Es war ihr egal, was Lorna sah und was sie nicht sah. Er sollte sie nicht so packen. Sie griff nach Johns Hand. Sie war warm. Seltsam vertraut. Er drückte sie kurz. Ihr Herz.

»Ganz genau das meinte ich…« Sie war den Tränen nahe. Aber mehr wegen Enttäuschung und Wut, als wegen Trauer. »Weisst du..« Bobby liess sie nicht ausreden, kein bisschen. Er brüllte:

»Setzt dich sofort wieder hin! Keine Ahnung, was mit dir schief läuft, aber merkst du eigentlich, wessen Hand du hältst..?!« Kitty sah zu John. Er lächelte ihr sanft zu.

»Die richtige!« Kittys Stimme wurde lauter und diesmal liess sie nicht mehr zu, dass der Eismutant ihr ins Wort fiel. »Alles was dich interessiert ist Lorna. Nichts sonst. Sonst wär dir nämlich aufgefallen, weshalb Lance nicht hier ist und dass es mir auch schon mal besser ging.« Sie taumelte leicht und wäre wohl fast eingeknickt, wenn John sie nicht gehalten hätte. »Lorna ist dir so wichtig, dass dir unser Streit völlig egal war. Dass du mich hierher zwingst, statt irgendwie zu versuchen, herauszufinden, was eigentlich los ist!« Bobby sah sie überrascht an. Er war wohl erstens überrascht, dass sie sich gerade wehrte und zweitens überrascht von sich selbst. Zum ersten Mal seit langem hörte er zu, denn ihm fehlten sowieso die Worte.

»Gehen wir bitte nach Hause, John.« Kitty klang weinerlich, mal ganz abgesehen davon, dass sie Schwierigkeiten hatte, gerade zu stehen. John nickte. Bobby sah zwischen den beiden hin und her und sagte dann mehr flehend mit gebrochener Stimme:

»Tu das nicht.. Bitte. Nicht meinetwegen.« Lorna wagte es gar nicht, irgendetwas zu sagen. Kitty musste gerade gegen die Tränen ankämpfen. Der Alkohol machte auch das noch schwerer. Sie sah Bobby an und lächelte traurig, müde, bitter.

»Wenn du mich schon für eine Schlampe hältst… dann sollte ich mich auch wie eine benehmen.«

- Ein einziger Satz. Aber umso vernichtender.

»Können wir jetzt bitte gehen..!« Kitty drehte sich John zu und fiel ihm dabei praktisch in die Arme. Er meinte leise, aber doch für Bobby deutlich hörbar:

»Natürlich, Schatz. Ich habs gerne, wenn du dich wie ne Schlampe benehmen willst.« Ihr war egal, wie er es meinte. Ob ernst oder nicht. Alles war besser als hier bleiben und gerade zielte sie sowieso nur darauf ab, Bobby eins rein zu würgen.

»Lass uns einfach gehen…«
 

John musste die kleine Mutantin praktisch den ganzen Weg über halb stützen, halb tragen. Schlussendlich hatten sie es durch ein Taxi bis vor die Tür ihres Zimmers geschafft. Er öffnete sie für sie und meinte leise:

»Du hasts ihm ordentlich gegeben, Kitten. Den Rest schaffst du sicher alleine… Gute Nacht!« John wollte sich umdrehen, doch sie hielt ihn zurück – oder musste sie sich lediglich an ihm festhalten…? Wohl von beidem ein bisschen.

Sie sahen sich an. Kitty zog ihn zu sich. Er sträubte sich etwas dagegen.

»Was…?«

»Ich will was probieren..«

Kitty küsste ihn. Sanft und erst einmal vorsichtig. Er beugte sich mehr zu ihr runter und legte die Arme um ihre Taille. Sie schlang die Arme um seinen Hals. Kitty trat langsam zurück, zog ihn mit sich, den Kuss nicht unterbrechend. Sie drehten sich. Sie trat mit einem Fuss die Türe zu. Er drückte sie dagegen. Sie fuhr durch sein Haar. Er hob ihr Bein an. Sie schlang es um seinen Körper. Er hob sie hoch.

Als hätten sie es perfekt einstudiert.

Sie drehten sich. Er warf sich mit ihr aufs Bett, aber so, dass sein Gewicht nicht auf ihr lag.

Als wüsste er ganz genau, wie zerbrechlich sie innerlich und auch äusserlich war.

Sie fuhr unter sein Shirt, fand seine Hose, den Gürtel. Sie war im Begriff ihn zu öffnen. Zu ihrem eigenen Erstaunen wusste sie, dass er im dritten Loch befestigt war.

John hielt ihre Hand fest. Kitty wusste, dass er das sonst niemals tat, dass er sie sonst machen liess.

Als wüsste er, dass es nicht richtig war.

Erstmals lösten sie den Kuss. Beide ausser Atem. Automatisch trat eine Pause ein. John spielte mit ihrer Hand, liess seine Finger durch die Öffnungen zwischen ihren wandern.

»Was…?« Diesmal sagte Kitty dieses Wort.

»Du weisst, dass.. du nicht.. schläfst..!« Kam es zögerlich von John. Sie sah ihn wie versteinert an.

»Macht.. das für dich.. einen Unterschied?« Langsam kam sie wieder zu Atem. In Kittys Stimme schwang deutlich eine Warnung hin. John konnte das gar nicht überhören und trotzdem meinte er:

»Nein, aber…« Er stockte. Kitty liess ihre Hände sinken. Er hielt die eine jedoch noch immer, blickte stur diese Hand an, statt in ihr Gesicht. »Du bist betrunken, ich will nicht dass..« Wieder verstummte der ehemalige Feuermutant. Kitty nickte leicht, dann lachte sie leise auf:

»Ich glaubs nicht, es macht einen Unterschied..!«

»Nein…« Noch immer wagte er es nicht, sie anzusehen.

»Dann sag mir, warum du Magneto verraten hast!« Es war ein Test. Sie war sich sicher, dass er ihr das erzählt hatte, nur dass sie dabei geschlafen hatte. Johns Kopf fuhr herum. Er hielt ihre Hand zwar noch immer sanft, aber ihm war anzusehen, dass sie ihn damit aufbrachte. Eigentlich war das ja auch der Plan gewesen.

»Du weisst, dass ich darüber nicht reden will!« Meinte er bissig und knapp. Sie nickte wieder leicht. Bitter. Aus irgendeinem unverständlichen Grund tat es ihr irgendwo tief im Herzen weh.

»Meinem schlafenden Ich hast du es bestimmt erzählt…« Es war nur ein leises Hauchen. Sie war erneut den Tränen nah. Diesmal wusste sie nicht, wieso.

- Sie irrte, denn das war sein grösstes Geheimnis. Er hatte es ihr nicht mal als sie schlief erzählt. Sie hatte auch niemals gefragt. Niemand fragte ihn danach. Denn es hatte niemanden interessiert. Sie hatten sich alle schon ihre Meinung zu dem Thema gebildet. Bis sie angefangen hatte, ihm wirklich zuzuhören. Bewusst.

Aber John war der König der Lügner. König, walte deines Amtes:

»Sicher doch, und ich kann da auch ganz gerne sagen, wieso!« Er brüllte sie an und stockte dann. Ihm war aufgefallen, dass das, was er hatte sagen wollen in eine gute Richtung gegangen wäre. Automatisch. Weil er ihr trauriges Gesicht nicht sehen konnte. Neuer Ansatz. Entschieden liess er ihre Hand los und beugte sich näher zu ihr:

»Wenn du mir jetzt schön einen bläst und dich dann brav von mir vögeln lässt, dann sage ich es dir vielleicht. Das klappt bei deinem schlafenden Ich auch immer gut!« Er drückte ihr einen barschen Kuss auf. Nichts im Vergleich zu vorhin. Er war grausam. Er war John, wie sie ihn kannte. Nichts im Vergleich zu vorhin. Er war wieder wie immer.

Kitty schlug ihn. Eine Ohrfeige. Mitten ins Gesicht. Noch während des Kusses. Heftig. Diesmal gelang es ihr nicht zu verhindern, dass die Tränen langsam begannen, über ihre geröteten Wangen zu kullern. Sie phaste sich durch ihn hindurch und presste mit erstickter Stimme hervor:

»Und ich hätte fast vergessen, wer du bist. Danke, dass du mich daran erinnert hast, John!« Ohne ein weiteres Wort verliess sie den Raum. Auch wenn es ihr Zimmer war, sie konnte keine Sekunde länger mit ihm ein einem Raum sein. Sie realisierte, was sie eigentlich getan hatte. Sie musste alleine sein. Nachdenken. Schlafen…

- Verdammt, das durfte sie nicht. Aber es war dringend nötig.

Was Kitty nicht mehr sah, war, dass John tatsächlich aufgesprungen war und Anstalten machte, ihr nachzusetzen, aber schlussendlich bewegte er sich doch nicht von der Stelle.

Sie interessierte sich dafür. Sie war nervig, weil sie nicht locker liess, aber sie interessierte sich dafür. Niemand tat das. Alle dachten sie zu wissen wieso. Alle dachten sie, er hätte so den Knast vermieden und wäre deswegen auch schon nach zwei Jahren wieder raus. Nicht einmal ihr schlafendes Ich - Wobei er wirklich keinen Unterschied machte. Aber er merkte, dass sie sich bewusst dafür interessierte, ohne von ihrem Unterbewusstsein geleitet zu werden. Sie kannte ihn besser, als sie es selbst wusste. Und er hätte es ihr so gerne gesagt, damit sie nicht weinte.

Aber er konnte nicht….
 

Das war der einzige Punkt, von dem er wusste, dass sie ihn niemals verstehen würde.

Ein Versprechen

5. KAPITEL - Ein Versprechen
 

Wieso hast du Magneto verraten…?
 

John musste bei dem Gedanken an Kitty, wie sie ihm diese Frage immer und immer wieder stellte und ihn dabei aus ihren grossen braunen Augen ansah, leicht schmunzeln. Auch wenn es überhaupt nicht zum schmunzeln war. Nicht einmal annähernd.

Der junge Mann schob die Tür einen Spalt weit auf und spähte auf den Flur. Seine Augen hatten sich längst an die Dunkelheit gewöhnt. Noch immer war niemand zu sehen. Die gleiche Situation wie zuvor, als er den Raum betreten hatte. Er warf einen Blick zurück.
 

Xavier war tot und es war ihm egal.
 

Den X-Men jedoch nicht. Sie hatten das alte Büro ihres Mentors noch immer im selben Zustand belassen. Johns Blick streifte den Rollstuhl, der die Mitte des geräumigen und wohl schönsten Raum des Instituts bildete. Man hatte Ausblick auf das gesamte vordere Gelände des Instituts. Eiligst verliess er den Raum. Er fand ihn unheimlich. Es glich ja fast schon einem Schrein.
 

Magneto war tot und es war seinetwegen.
 

Aber auch das schien ihm egal zu sein. John betrachtete das kleine Notizbuch, welches er in der einen Hand hielt. Es war sorgsam in braunem Leder gebunden und schien geradezu unauffällig. Er blätterte kurz durch die Seiten. Auf seinen Lippen bildete sich dabei ein zufriedenes Grinsen.
 

Er lebte und das war gut so.
 

John öffnete die Tür zu seinem Zimmer und erstarrte. Seine Haltung zeigte, dass er sich ertappt fühlte. Das Notizbuch zitterte. Es fiel zu Boden. Er zitterte.
 

Der Mond schien geheimnisvoll durch die halb zugezogenen Vorhänge des kleinen Zimmers. Der Schein fiel auf die Silouette einer jungen Frau in eine dünnes Nachthemd gekleidet. Jenes mit den niedlichen Mäschchen, die er so gerne aufzog. Sie sass auf dem Bettrand und starrte auf die Wand gegenüber. Schon eine ganze Weile. Schweigend.

Kitty drehte den Kopf zu ihm, als sie ihn hörte. Sie sah ihn an. Der Blick weinerlich, aber sie versuchte stark zu wirken. Und entschlossen. John gab dem Notizbuch unauffällig einen Tritt, sodass es unter sein Bett rutschte. Sie hatte es gesehen.

- Natürlich.

Aber es war ihr egal. So egal, dass sie seine Handlung gänzlich ignorierte und ihm stattdessen weiterhin ins Gesicht. Sie schlief nicht, das sah er. Was sie sagen würde, konnte er ahnen. Wie sie fühlte, wusste er. Er kannte diesen Blick. Er hatte ihn ein einziges Mal gesehen.
 

John war kein besonders schwerer Fall gewesen, was alle Ärzte der psychiatrischen Klinik äusserst überrascht hatte. Eigentlich war man davon ausgegangen, dass man ihn niemals wieder auf freien Fuss setzten würde. Als er Magnetos rechte Hand gewesen war, hatte man ihn als absolut geistestgestörten Mörder wahrgenommen, der auf Befehl Menschen zu Asche verarbeitet hatte. Aber er hatte sich gänzlich ohne die Anwendung von illegalen Methoden sehr kooperativ gezeigt. Er hatte seinen ehemaligen Mentor eiskalt ans Messer geliefert. Wegen der Informationen, die er geliefert hatte, hatte man Magneto nach monatelangem Tappen in der Dunkelheit erwischt, nachdem diesem die Flucht von Alcatraz gelungen war. Er war in Argentinien umgekommen. So hiess es. Bei einer heftigen Verfolgungsjagd war sein Wagen über die Klippen gestürzt und auf den Felsen zerschellt. Manche Verschwörungstheorien unter seinen Anhängen besagen, dass man ihn absichtlich in den Tod getrieben habe, andere sind der Meinung, dass er noch leben würde.

Und John war damit von einem Tag auf den anderen zum meistgehassten Mutanten geworden – was die Anhänger Magnetos betraf. Für die ganze restliche Welt war er ein feiger Verräter.

Noch am selben Tag wurden die ‚Acolytes‘ gegründet. Eine Gruppe von Mutanten, welche Magnetos Sohn Pietro um sich scharte, um das Werk seines Vaters fortzuführen. Jedoch wenden die Acolytes mehr Terror und Guerilla Aktionen an, Pietro hält nichts von den gross angelegten Plänen, die sein Vater früher gemacht hatte.

- Steter Tropfen höhlt den Stein..

Pietro war bei den X-Men aufgewachsen. Lange Zeit hatte er nichts von seiner Verwandtschaft zu einem der mächtigsten Mutanten der Welt gewusst, bis er in Magnetos Gefangenschaft geriet. Xavier hatte es stets vor ihm zu verheimlichen versucht und Erik jegliche Möglichkeit mit seinem Jungen zu sprechen verwehrt. Für die X-Men kam Pietros Abwendung deswegen auch äusserst überraschend. Niemand hatte mit so etwas gerechnet. Ausser Xavier, der es gewusst hatte.

Auch Professor Xavier war nicht der Saubermann gewesen, zu dem seine Schützlinge ihn gerne machten.

Ähnlich wie bei John, nur dass dieser nun beide Seiten verraten hatte. Und noch dazu wehrlos war.

Storm hatte John nicht ohne Grund wieder im Institut aufgenommen. Sie wusste, dass er hier am sichersten war und er wusste es auch.

Und er und Pietro waren mal so gute Freunde gewesen…
 

»Du wirst irgendwann noch bereuen, dass du mir das Leben gerettet hast, Kitten«
 

Sie sah ihn mit genau dem gleichen Blick an, wie jetzt. Den Blick, den er nicht ausstehen konnte. Der Blick, der einem automatisch traurig stimmte. Eine dicke Scheibe aus Plexiglas trennte sie. Sie sahen sich kurz an. Kitty hatte dunkle Ringe unter den Augen. Sie schlief noch immer zu wenig. John konnte sich nur ganz entfernt an das lachende Gesicht des Mädchens ohne dies Augenringe erinnern.

Kitty rang mit sich, bis sie schliesslich den auf der Seite befestigten Hörer ergriff und ihn gegen ihren Kopf hielt. Sie schwieg und sah ihn erwartungsvoll an. Er musste seinen auch nehmen. John hatte die Arme vor der Brust verschränkt und lehnte sich zurück. Von den Sitzen neben ihm waren andere Häftlinge zu hören, welche sich mit ihren liebsten unterhielten.

Sie war keine seiner liebsten. Er hatte keine ‚Liebsten‘.

Noch immer hielt Kitty den Hörer an ihr Ohr, auch wenn inzwischen bereits geraume Zeit vergangen war. John fand es in diesem Raum wesentlich angenehmer, als in seiner Einzelzelle. Freigang hatte er sowieso keinen. Das hier war praktisch besser als Kino, vor allem, wenn sich nebenan über Probleme mit der Morgenlatte und dem Vermissen der Freundin unterhalten wurde. Er musste sich regelrecht beherrschen, damit der gleichgültige Ausdruck nicht zu einem amüsierten Grinsen wurde.

Kitty hielt durch. Seltsames Mädchen. Dämliches Mädchen.

Seine Gerichtsverhandlung war beendet. Schuldig. In allen Punkten. Mildernde Umstände wegen vollständigem Geständnis und Kooperation. Psychiatrische Anstalt auf unbestimmte Zeit. Bei vollständiger Genesung frühzeitige Entlassung möglich.

Er hatte Glück gehabt. Aber eigentlich hatte es mit Glück nichts zu tun.

Morgen würde er in die Anstalt verlegt werden. Damit er psychisch Gesund wurde. Heute war der Termin für seine ‚Körperliche Heilung‘. Deswegen war Storm im Haus und Kitty begleitete die neue Schulleiterin wohl, welche sich jetzt gerade in einem anderen Raum mit unzähligen Beamten herumschlug – unter anderem darüber, ob man das ganze auf Band aufzeichnen dürfe, damit man es heute Abend gross in den News ausstrahlen konnte. Hank an ihrer Seite. Kitty konnte man dort nicht wirklich gebrauchen. Kitty hatte einfach zu viel Zeit. Anders war es nicht zu erklären, dass sie den Hörer noch immer an derselben Stelle hielt.

Nein, mit Glück hatte es wirklich nichts zu tun.

John sah ein, dass sie nicht aufgeben würde und hob schliesslich doch den Hörer ab. Während er sich eine Kippe ansteckte meinte er barsch:

»Wenn Drake dich schickt, dann kannst du dich verpissen!« Es war absolut ernst gemeint und er vermutete, dass sie nur hier war, um ihm ‚Schöne Grüsse‘ – soll heissen: Haha, du sitzt im Knast – vom Iceman auszurichten. Sähe Bobby jedenfalls ähnlich, sich nicht selbst hierher zu trauen.

- Obwohl.. bei seiner Anhörung hatte Iceman im Publikum gesessen, mal ganz abgesehen, dass er Zeuge war.

»Bobby hat damit nichts zu tun…!« Gab Kitty genervt und leicht stockend zurück. Dann redete sie nicht mehr weiter sondern senkte den Blick. Johns Augen verengen sich. Er verfügte für sein junges Alter über einiges an Menschenkenntnis.

- Was ihm keiner zugetraut hätte.

»Drake weiss gar nicht, dass du hier bist!« Stellte John erstaunt fest. Kitty zuckte leicht zusammen, das ‚Ja‘ konnte sie sich danach getrost sparen. John grinste zufrieden. Wenn Bobby wüsste, dass sie hier war, würde er sich wohl verraten fühlen. Aber ziemlich. Und das gab dem Feuerteufel einiges an Genugtuung.

»Das ist jetzt nicht wichtig.« Meinte Kitty zögernd.

»Nein, aber witzig!« Kam es direkt darauf von John. Er lehnte sich lässig zurück und steckte seine Glieder. Vom vielen Herumsitzen wurde man ganz steif. Feixend fügte er an: »Was hast du denn so ‚wichtiges‘ mit mir zu besprechen, von dem Drake nichts mitkriegen soll? Wenn du mir deine unendliche Liebe gestehen willst, bevor ich für immer in die Geschlossene Anstalt gehe, dann kann ich das natürlich verstehen. Du darfst zum Beischlaf einmal pro Woche vorbeikommen.« Er lachte dreckig auf.

- Gott, Sex würde im fehlen…. Er tat sich selbst Leid.

Kitty schnaubte empört und schüttelte angewidert den Kopf. Wenn John wüsste, dass sie inzwischen etwas mit besagtem Iceman am Laufen hatte, würde er wohl auch anders denken. Es war geradezu verlockend, ihn darauf aufmerksam zu machen. Kitty hatte bereits den Mund geöffnet, besann sich dann jedoch eines besseren und schloss ihn wieder. Eine kurze Pause entstand, ehe sie meinte:

»John du bist widerlich!«

»Gerne doch.« Er zuckte mit den Schultern.

»Wieso hast du Magneto verraten?!« Diese Frage kam so direkt und gleichzeitig so unerwartet, dass Johns Augen sich vor Schock weiteten und er sie einfach nur anstarrte. Er wollte wütend werden, aber er konnte es nicht. Der Feuerteufel schluckte. Nun war er es, der den Kopf senkte. Seine Fassade bröckelte. Aber sie durfte nicht bröckeln. Nur ganz kurz, dann hob er den Kopf wieder, der Blick eiskalt.

»Lies die Zeitungen, dann weisst dus!« Meinte er knapp und mit einem Zähneknirschen. Er hatte Magneto verraten, um selbst besser davonzukommen – das dachte jeder, also musste es doch so sein. Das stand überall und das hörte man überall.

- Was für eine Frage sollte das denn bitteschön sein?!

Kitty schüttelte entschieden den Kopf. Ein mattes Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Noch ein Kopfschütteln.

»Nein, nein das kann nicht der Grund sein, und das weisst du genau!« Stellte sie entschieden fest. John war überrascht von der Sicherheit in ihrer Stimme. Er war überrascht, dass sich dieses Mädchen über so etwas Gedanken machte. Eigentlich sollte sie sich freuen.

- Jubilee...

»Mal ganz abgesehen davon, dass es dich einen feuchten Dreck angeht ist es aber so. Find dich damit ab und hör auf, mir auf die Nerven zu gehen. Das tun hier schon viel zu viele Leute.« Er überlegte, den Hörer aufzulegen. Aber er tat es nicht.

»Magneto ist deinetwegen tot, das kann dir nicht egal sein!« Ereiferte Kitty sich und drückte dabei eine Hand gegen das Plexiglas. Er betrachtete sie. Die zarte Haut, die kleinen Finger. So zerbrechlich, so schwach. John drückte seine Kippe auf ihrer Handfläche aus. Natürlich spürte sie nichts davon wegen dem Glas, aber seine Geste war eindeutig.

- Wie konnte er nur...

»Ist es aber.« Gab er trocken zurück. »Genauso wie mir egal ist, was du denkst und was der Rest der Welt denkt. Mein Leben halte ich für wichtiger, als seins.«

»Magneto war für dich wie Xavier für mich! Es kann dir nicht egal sein!« John schluckte. Langsam wurde es schwierig mit der Körperbeherrschung. Seine Gesichtszüge zuckten. Das hatte jedoch nur zur Folge, dass sein Ausdruck nur noch desinteressierter wurde.

»Woher willst du das wissen?! Ich bin nicht wie du und heule Leuten hinterher. Es ist vorbei und jetzt hör auf, mich zu nerven!« Er legte noch immer nicht auf.

»Wenn es dir egal wäre, dann würdest du schon längst nicht mehr mit mir reden…« Stellte Kitty fest. John hatte ihre Menschenkenntnis wirklich unterschätzt.

»Ah, da liegt das Problem. Bitteschön.« Er knallte den Hörer auf die Gabel. Sie hielt ihren noch immer gegen ihr Ohr. John funkelte sie wütend an und erhob sich. Er wollte gehen, aber sie hielt den Hörer noch immer. Er drehte sich um. Schliesslich liess er sich wieder auf seinen Stuhl sinken und hob ab.

»Wieso interessiert dich das?« Eine kurze Pause, ehe er leiser meinte: »Ich bin ein feiger Verräter, der die Seiten wechselt, wenn es ihm gerade passt. So einfach ist das.« Wieso fragte sie ihn so etwas. Wieso durchschaute sie ihn. Das durfte nicht sein. Auf keinen Fall.

Kitty zuckte mit den Schultern, ehe sie meinte:

»Na schön, wenn du das sagst. Ist eigentlich sowieso auch nicht der Grund, weshalb ich hier bin.«

- Ach, das war also erst der Small Talk gewesen?! Die hatte vielleicht Nerven…!

Sie atmete tief durch. Man sah, dass sie nervös war. Kitty war nicht sicher, ob man ihn in der psychiatrischen Anstalt überhaupt besuchen durfte, deswegen hatte sie Storm heute einfach begleiten müssen. Sie musste ihn einfach fragen. »Ich habe seit einiger Zeit immer den gleichen Albtraum. Ich kann mich aber wenn ich aufwache nicht mehr daran erinnern – aber ich weiss, es muss immer derselbe sein..« Sie wurde immer stockender mit ihren Worten. Unsicher sah sie ihn an. »Aber manchmal denke ich beim Aufwachen an dich… Ich.. ich kann mir einfach keinen Reim darauf machen..« Weiter sprach sie nicht. Im Nachhinein gesehen fiel ihr auf, wie unglaublich dämlich sie gerade klingen musste. Sie biss sich auf die Lippen. Den Blick hatte sie inzwischen beschämt gesenkt. Erst als John unnatürlich lange schwieg hob sie den Kopf. Sein Blick wirkte seltsam irritiert. Es schien gar so, als würde er sich ernsthaft Gedanken darüber machen. Doch schliesslich meinte er in arrogantem Tonfall:

»Ich glaube, die sollten dich statt meiner in diese Irrenanstalt einweisen lassen!« Kitty funkelte ihn wütend an. Sie fuhr mit ihrer Hand durch das Plexiglas und gab ihm einen Klaps gegen den Kopf. Er versuchte ihre Hand festzuhalten, aber sie phaste Sich sogleich wieder durch das Glas. John fluchte.

Beide schwiegen sie. Aber trotzdem legte keiner von ihnen den Hörer auf.

»Ich kann dir nicht sagen, wieso ich Magneto verraten habe… Aber eine Sache kann ich dir versprechen.« Der Feuerteufel beugte sich zu ihr vor – was keinen Unterschied machte, denn das Glas war ja noch immer zwischen ihnen. »Irgendwann wirst du es bereuen mir das Leben gerettet zu haben.« Er klang irgendwie bitter, wenn nicht gar traurig. Kitty konnte sich nicht erklären wieso. Aber John wusste, was für ein Mensch er war und er wusste, was sie für ein Mensch war. Und er wusste auch, dass sie ihn nur aus den besten Absichten heraus gerettet hatte. Weil sie keinen Menschen einfach sterben lassen konnte. Sie war ein herzensguter Mensch. Aber er wusste auch ganz genau, wie er war…

Kitty sah ihn entgeistert an. Es machte sie gerade sprachlos. Das war praktisch ein Versprechen, dass er sich nicht ändern würde. Auch wenn er das bei der Verhandlung fast unter Tränen geschworen hatte. Auch wenn er gesagt hatte, dass er alles bereute und es ihm Leid tat, so war das nur ein Versprechen dafür, dass er gelogen hatte. Dass er immer derselbe sein würde, egal wie er sich gab. Dass er ein verdammt guter Schauspieler war…
 

Genau aus diesem Grund hatte Kitty John seit seiner Ankunft am Institut misstraut.

- Wobei nun war sie immer mehr dazu versucht, ihm zu trauen…

Der König der Lügner…
 

»Erstmal musst du hier rauskommen!« Keuchte Kitty atemlos. »Und das wird niemals passieren!«

»Wollen wir wetten…?« Gab John mit einem siegessicheren Grinsen zurück. Kitty schüttelte ununterbrochen den Kopf. »Aber bitte, wenn du dann ruhig schlafen kannst… Vielleicht komme ich wirklich nicht mehr hier raus.« Er zuckte mit den Schultern. Was für eine äusserst miese Anspielung auf ihre Albträume, die sie zuvor erwähnt hatte. John fügte mit diabolischem Grinsen an: »Wahrscheinlich aber schon…!« Kitty schwieg. Er war unglaublich. Wie konnte ein Mensch so egoistisch sein und so kalt.

Sie würde nicht ruhig schlafen können. Aber nicht seinetwegen.

»Du hast es geschafft. Ich glaube dir, dass dir Magnetos Tod egal ist.« Meinte Kitty mit erstickter Stimme. »Er ist nicht einmal mir egal!« Ihre Stimme war hoch und zitterig. Es war ihr wirklich nicht egal, obwohl sie keine sonderlich positiven Gefühle gegenüber Magneto gehabt hatte. Und doch hätte es nicht sein brauchen. »Xavier hätte das nicht gewollt…« Sie war sich sicher. »Wie kannst du nur so grausam sein..« Ihre Augen waren glasig.

»Meine Mutter hat mich nie geliebt…! Mein Vater auch nicht.« John formulierte es äusserst sarkastisch, sodass sie es sicher kapierte. »Tut mir Leid, Kitten, dass ich mein Leben für weitaus wichtiger halte, als das des alten Tattergreises.« Die letzten Worte musste der Feuerteufel regelrecht hervorwürgen. Aber er war wahrlich ein guter Schauspieler. Sie sah ihm nichts davon an. Alles was sie sah, war das überlegene Grinsen.

»Du wirst ab heute ein Mensch sein. Ohne Fähigkeiten. Und das war der einzige Sinn, den du in deinem Leben hattest!« Jetzt waren Kittys Worte hart und kühl. John blinzelte. Sie besass die unglaubliche Frechheit, das Thema anzusprechen und gegen ihn zu verwenden. Wollte sie ihn etwa zwingen, zu bereuen…?

Erneut entstand eine unangenehme Stille zwischen ihnen. Kitty starrte ihn an. Zitterte dabei. Er sah sie an. Eigentlich wollte er wütend blicken, hasserfüllt. Aber es gelang ihm nicht mehr. Sein Blick war beherrscht von Ausdruckslosigkeit.

»Darf ich dich um einen Gefallen bitten…?« Meinte John, nachdem er einige Zeit geschwiegen hatte und Kitty schon wieder den Kopf gesenkt hatte. Diesmal, weil sie sich schuldig fühlte, so harsche Worte verwendet zu haben.

»Vielleicht.« Meinte sie leise immer noch zitternd.

»Es ist der letzte Wunsch eines Verdammten…?« Fügte John an.

Kitty nickte, schwieg aber.

»Küsst du mich noch ein einziges Mal?« Sie zuckte zusammen, als sie diese Worte hörte. Traute ihren Ohren nicht und sah ihn dann verwundert an. Sie zögerte und musterte ihn. »Bitte..« Fügte John leise hinzu. Nicht nur Magneto und seine Kräfte waren ein Sinn in Johns Leben gewesen. Das musste Kitty ja nicht unbedingt wissen – ahnen hätte sie es schon länger können. »Um der guten alten Zeiten willen.« Und weil es ihn damals schon in Höchststimmung versetzt hatte. Und weil es das sein würde, was ihn die Tortur, seine Kräfte zu verlieren überleben lassen würde.

Es war ihm ganz und gar nichts egal. Nichts von alledem. Er log nur gerne und er musste es.

Sie war ein herzensguter Mensch.

Kitty lehnte sich langsam vor, bis ihr Gesicht durch das Plexiglas kippte. Die Wärter waren sowieso nicht sonderlich aufmerksam. John berührte sanft ihre Wange. Strich über die zarte Haut. Sie küsste ihn vorsichtig. Auch dieses Mal wusste sie nicht, wieso sie es tat. Sie schob es auf Mitleid. Aber im Grunde genommen wollte sie ihn küssen, weil sie damit rechnete, ihn niemals wieder zu sehen. Und dass sie nach ihren Albträumen jeweils oft an ihn denken musste war doch ziemlich seltsam. Eine Gänsehaut bildete sich über ihrem Rücken, als John den Kuss weiterführen wollte. Kitty riss sich entschieden von ihm los und zog sich keuchend auf die andere Seite des Plexiglases zurück.

John lächelte sie an. Sie lächelte kein bisschen.

»Kommst du mich irgendwann einmal besuchen..?« Fragte John leise.

Kitty schüttelte den Kopf und meinte dann knapp und tonlos: »Nein.«

Es war besser so. Für sie, für ihn, für beide. Und für alle anderen. Trotzdem musste sie aus irgend einem Grund lächeln.

»Kitty, kommst du?!« Das war Storms Stimme. Die zierliche Mutantin fühlte sich regelrecht ertappt, sodass sie den Hörer fallen liess. Kitty erhob sich hastig und wollte gehen. Sie warf nur noch einen Blick zurück. John hatte den Hörer immer noch nicht aufgelegt. Kitty blieb stehen, zögerte, und hob ihn schliesslich wieder an ihr Ohr.

»Lass dich bloss nicht von anderen verändern. Wehe dir, wenn du nicht mehr so lächelst, wenn wir uns das nächste Mal sehen.« Ihr Lächeln wurde breiter, aber auch trauriger. John lächelte ebenfalls. Sie liess den Hörer langsam sinken, antwortete dann aber trotzdem:

»Wir werden uns aber nicht mehr wiedersehen.«John sah zwar nur, wie die Lippen der Braunhaarigen sich bewegten, aber er konnte sich denken, was sie gerade gesagt hatte. Er zuckte mit den Schultern. Eigentlich war es ihm doch auch egal…

- Oder?
 

Am darauffolgenden Tag war Kitty erstmals nach Monaten, in denen sie sich in ihrem Zimmer verkrochen hatte, wieder zur Schule gegangen. Nach dem Angriff auf das Institut an den sie sich nicht mehr erinnern konnte hatte sie niemanden an sich ran gelassen. Anfangs nur Lance, in dessen Armen sie nach dem Angriff sicher aufgewacht war. Später Bobby, dann immer mehr. Aber sie war noch immer nicht dasselbe Mädchen gewesen, wie zuvor.

Es war, als hätte ihr dieses eine Treffen, die Worte des Feuerteufels, ja vielleicht sogar dieser eine Kuss – sie hätte es abgestritten – mehr Leben eingehaucht, als die gesamte Beziehung zu Lance.
 

Sie hatte nicht mehr so gelächelt, wie damals.

- Auch wenn sie sich wirklich bemüht hatte… Seltsam.

Und damals hatte sie schon nicht mehr so gelächelt, wie zu dem Zeitpunkt, als John sie kennen gelernt und sich sofort in ihre Art verliebt hatte.

- Mona Lisas Lächeln

Jetzt lächelte sie auch nicht. John war sich nicht sicher, ob sie sogar geweint hatte.

- Wie lange sie wohl schon hier sass?

John nervös. Kitty ruhig. Er nervös, weil er hoffte, dass sie keine Fragen bezüglich dessen stellte, was ihm aus der Hand gefallen war. Würde sie aber auch nicht. Seine Nervosität war unnötig. Es war ihr egal. Er rührte sich nicht, wartete auf etwas von ihr. Es kam nichts. Schlussendlich flüsterte er leise:

»Du schläfst nicht, und doch bist du wieder da…?« Es überraschte ihn wirklich – mal ganz abgesehen von dem anfänglichen Schock, bei etwas ertappt worden zu sein. Ihr Gesicht blieb reglos. Langsam hauchte sie:

»Bobby hat Lance alles erzählt..« Ein Stocken. »Alles erzählt über Samstag.« Mehr sagte sie nicht. Ihre Augen wirkten weinerlich. Mal ganz abgesehen davon, dass sie gerötet und angeschwollen waren. Sie musste lange geweint haben. Es hätte ihm egal sein sollen, aber es tat ihm Leid.

»Schönen besten Freund hast du da… Aber genauso kenne ich Bobby.« John wollte eigentlich nicht mies sein, aber es war automatisch. Ausserdem er kannte es tatsächlich von Bobby. Es war früher ganz genauso gewesen. Kitty fuhr sich unwirsch über ihre Augen. Nein, das hatte er nicht gewollt. Er hatte nicht verletzend sein wollen, und doch war er es. Wenn sie schlief dann konnte er es doch auch. Also, ‚Nicht verletzend sein‘. Wieso wurde er jetzt automatisch so, wie er immer war. John fügte an:

»Und ich wiederhole mich: Und doch bist du wieder da?!« Wieso… »Kannst wohl einfach nicht genug von mir kriegen..« Er biss sich auf die Lippen. Er durfte nicht nett sein. Er war nicht nett. Niemals. Zumindest nicht, wenn sie sich danach daran erinnern konnte.

»Aber Bobby hat ja recht.. in allem. Ich meine.. ich bin hier.. Ich weiss nicht.. Ich weiss es doch nicht, wieso ich wieder hier bin.. Ich weiss nicht, wieso ich das tue.. ich weiss nicht..« Sie redete wirr, brach ab. Ihre Stimme versagte gerade und wich einem Wimmern. Er blieb unbewegt. Sie sah wieder zu ihm hoch und fügte leise und von Schluchzern unterbrochen an: »Zu wem sollte ich sonst gehen…? Ich kann nicht mit den Leuten reden, denen ich am meisten vertraue, mit wem sonst…« Johns Augen weiteten sich. Sie redete mit ihm, obwohl sie nicht schlief. Sie erwähnte es im Zusammenhang mit den Leuten, denen sie am meisten vertraute.

- Vertraute sie ihm also auch bewusst und nicht nur, wenn sie schlief.. wenn auch nur ein kleines bisschen?

»Mit meinem Freund kann ich nicht darüber reden…« Sie strich sich einige Tränen aus den Augen. »Mit meinem besten Freund will ich nicht mehr darüber reden…« Sie sah John an. »Und Jubes redet nicht mehr mit mir… Wegen..« Kitty redete nicht weiter.

»Ich weiss.. « John betrachtete das Häufchen Elend vor sich. »Die Abtreibung…« Meinte er leise. Kitty presste ihre Lippen aufeinander und nickte dann in Resignation.

»Ach.. das habe ich dir auch erzählt. Gut zu wissen.« Sie strich sich ihre Haare hinter die Ohren.

»Du hast sie begleitet. Hast gesehen wie das fröhliche Mädchen in den Raum ging und wie sie so herauskam, wie sie jetzt ist. Ein Schatten ihrer selbst..« Führte John Kittys Satz für sie weiter. Sie liess ihn nicht ausreden, denn im nächsten Moment war die zierliche Mutantin aufgesprungen und stand vor ihm. Sie begann ihn zu schlagen, während sie brüllte:

»Das ist alles nur deine Schuld!!! Du hast Magneto verraten. Deinetwegen ist Magneto tot.. Deinetwegen ist Pietro gegangen!!! Alles nur deinetwegen!! Sie wollte es ihm erzählen! Sie wollte es behalten!! Aber er ist gegangen…!! Sie hatte keine Gelegenheit dazu…« Sie schlug ihn, so heftig, wie sie es nur konnte. Es machte ihm nichts aus. Sie weinte. Ihre Stimme überschlug sich. John packte sie und hielt sie fest, aber sie hörte nicht auf.
 

Das war Kitty. Das war wirklich Kitty. Das war bewusst Kitty und nicht unbewusst. Sie hatte immer wissen wollen, wieso er Magneto verraten hatte. Er hatte stets geglaubt, sie wolle ihn damit ärgern. Sie hatte es stets so formuliert, als würde sie es einfach wissen wollen, weil es sie neugierig machte. Sie hatte sich niemals anmerken lassen, dass es noch einen tiefgreifenderen Grund hatte.

- Sie liess sich im allgemeinen nichts anmerken.

Und sie hatte es nichteinmal während sie schlief durchblicken lassen.

Kitty hatte wissen wollen, wieso er Magneto verraten hatte, weil es der ausschlaggebende Grund dafür gewesen war, dass Pietro die X-Men verlassen hatte um das Erbe seines Vaters anzutreten. Der Grund für Jubilees Abtreibung. Der Grund, dass ihre beste Freundin innerlich gestorben war.

- Wie konnte sie bloss so selbstlos sein, wo sie doch selbst am meisten durchgemacht hatte…

Er war blind gewesen und hatte geglaubt alles über sie zu wissen…
 

»Du..du bist Schuld. Deinetwegen habe ich Streit mit Bobby.. Deinetwegen.. Lance…Er.. ich..!!« Sie schlug ihn noch immer. Sie lenkte von Jubilee ab. Das war Absicht. Er merkte es. Johns Umarmung wurde enger. Aber er vergass ihre Zerbrechlichkeit keinen Moment lang.

»Du hast Recht.. es ist meine Schuld.« Hauchte John ihr leise ins Ohr und ja, er meinte es wirklich so, wie er es sagte. Sie vergrub ihr Gesicht in seiner Brust. Sie war viel zu müde um ihn zu schlagen. Viel zu müde. Sie hatte schon viel zu viel mit Lance diskutieren müssen. Sich rechtfertigen. Lügen. »Und es tut mir Leid.«

Kurze Zeit standen sie so.

John machte sie wieder zu einer Lügnerin.

Kitty stiess ihn von sich. Sie brachte etwas Distanz zwischen sich und den ehemaligen Feuerteufel. Solche Worte aus seinem Mund. Sie musste sich verhört haben. Kitty lächelte leicht. Aber kein glückliches Lächeln. Nicht das Lächeln, dass er liebte.

»Du weisst, dass das nicht wahr ist. Du lügst schon wieder…« John sah sie an. Irgendwie konnte man bei ihr auch nur alles falsch machen. »Ich wünschte es wär so.. aber du weisst genau, dass ich selbst Schuld bin.« Sie redete schon lange nicht mehr von Pietro oder Jubilee. Sondern von Samstag, von dem Streit mit Bobby, mit Lance…

Kitty liess sich zurück auf das Bett sinken und schluchzte erneut. Dann sah sie zu John hoch und meinte tonlos: »Wieso.. wieso verdammt schlafe ich mit dir. Wieso tue ich all diese Dinge. Erklär mir das. Bitte..!« Sie klang so verzweifelt. »Ich meine.. so geil kann der Sex mit dir nun auch wieder nicht sein.«

- Oh… ihm wären tausend Dinge eingefallen, die man darauf hätte erwidern können. Verlockend. Er wusste nicht, was ihn daran hinderte es auszusprechen. Was dafür sorgte, dass Ruhe herrschte. Vielleicht die Tatsache, dass er wusste, dass sie es momentan nicht mehr vertragen hätte. Stattdessen liess er sich neben ihr nieder.

Schon wieder unangenehme Stille. Einzig durch ihr Atmen unterbrochen, welches aufgrund des Weinens lauter war als normal.

»Du hattest genau das gleiche an wie jetzt..« Süsse Mäschchen. John begann. Kitty stockte und drehte den Kopf halb zu ihm. John fuhr sich durchs Haar. Ihr fiel auf, dass er das öfters tat, wenn er verlegen war. »In der Nacht damals, als ich wieder im Institut war.« Kittys Augen wurden gross. Er legte gerade seine Karten auf den Tisch. Karten, in die er sich bis anhin praktisch nicht hatte blicken lassen – ausser wenn er sie hatte ärgern wollen. Ihre Mundwinkel wurden automatisch zu einem Lächeln verzogen.

Vielleicht war er endlich einmal ehrlich…

»Du standest plötzlich einfach so vor mir und hast dich bedankt.« Erzählte John weiter. Kitty runzelte die Stirn.

»Wofür…?« Sie stockte und ihre Augen verengten sich. »Und ich dachte, du würdest einmal ehrlich sein!« Die Enttäuschung war ihr anzusehen.

»Was denn?!« Fuhr John sie an. »Dafür, dass ich dir das Leben gerettet habe! Das ist nun mal die verfickte Wahrheit, die du wolltest!!! Was zur Hölle erwartest du denn noch von mir?!« Kitty verstummte. Sie musste wieder schmunzeln. Sie glaubte ihm zwar nicht, aber sie musste trotzdem schmunzeln.

Er legte weitere Karten auf den Tisch.

»Von da an kamst du eigentlich jede Nacht zu mir. Lange Zeit haben wir nur geredet. Über unwichtige Dinge, aber auch über wichtige. Das ganze mit dem Sex.. das ist einfach.. irgendwann passiert. Ich weiss doch auch nicht…« Er zuckte etwas hilflos mit den Schultern. Schon wieder fuhr er sich durchs Haar. Er war wirklich verlegen…

Jetzt war sein Haar vollkommen zerzaust. Einige Strähnen hingen ihm gar ins Gesicht. Kitty streckte langsam ihre Hand aus.

Das war sie, die Wahrheit. Das sagten zumindest seine Augen. Kitty wollte ihm glauben, aber sie konnte nicht. Lance war ihr Licht in der Dunkelheit gewesen und sie wollte, dass es noch immer so war. Trotzdem lächelte sie. Wie früher.

Kitty strich ihm sanft eine der Strähnen aus dem Gesicht. In der Bewegung hielt sie inne und musterte sein Gesicht. Es wirkte jung, es sagte nichts darüber aus, was er alles bereits hinter sich hatte. Nur ein wenig hatten sich von seinem Grinsen kleine Fältchen gebildet. Die sah man aber nur, wenn man wirklich genau hinsah.

»Willst du damit sagen, dass Lance mich Jahrelang angelogen hat, John?« Ihrer Stimme war anzuhören, dass sie ihm nicht glaubte, dass diese Frage keineswegs ernst gemeint war. Sie war so sanft und weich. John konnte es gar nicht überhören. Deswegen ging er auch gar nicht darauf ein. Denn das wollte er nicht hören.

Er hatte so viele Karten offen gelegt. Zu viele.

John strich über ihre Wange, ihren Hals entlang, über ihr Dekolleté zu der grössten Masche, welche den Beginn des dünnen Nachthemds, das in einem sanften rosa gehalten war, markierte. Sie befand sich oberhalb von Kittys bescheidenen, aber doch süssen Rundungen. Er strich über den glänzenden Stoff.

»Ich liebe es, diese Masche zu öffnen.« Das war alles, was er darauf zu erwidern hatte. Der ehemalige Feuerteufel sah ihr nicht in die Augen. Eigentlich sah er nirgens hin. Sie würde nicht verstehen, wie er das meinte. Obwohl sie ihn sonst so gut verstand. Aber das war Kitty, nicht schlafend.

Sie würde verstehen, dass er es liebte, mit ihr zu schlafen. Aber es war seine Art zu sagen, dass er sie liebte. Das würde sie nicht verstehen. Das hatte er ihr auch nicht gesagt, während sie schlief.

»Liebt er es auch…?« John hob langsam den Kopf. Dabei zog er gleichzeitig langsam an der Masche.

Sie schwieg. Das war normal. Aber sie tat gar nichts. Und das sagte alles.

- Scheisse nur, dass er bereits wusste, was sie ihm gleich sagen würde. Scheisse nur, dass er von Anfang an gewusst hatte, wieso sie hier war. Scheisse nur, dass er nichts dagegen tun konnte. Und scheisse, dass es ihm nicht egal war!

John hatte die Masche ganz aufgezogen. Sie hatte das dünne Nachthemd zusammengehalten. Nun fiel es zu beiden Seiten schlaff an ihrem schlanken – fast schon kränklich dünnen.. – Körper herunter. Die Anfänge ihrer Brüste waren zu erkennen – wobei diese noch halb bedeckt waren – ihr Bauchnabel. Das zum Nachhemd passende Höschen. Auch mit Mäschchen. Sie tat noch immer nichts dagegen.

John lehnte sich langsam vor. Es hatte noch mehr Mäschen. Zwei über ihrer Schulter, welche die dünnen Träger bildeten. Er fuhr zu der einen Masche. Sie drehte den Kopf in dieselbe Richtung, aber tat noch immer nichts. Er küsste sanft ihren Hals. Ein Zittern ging durch ihren Körper. Er war nicht sicher, ob sie ihn vielleicht nicht doch verstand. Vielleicht würde sie ihm doch nicht das sagen, womit er rechnete. Wovon er wusste. Die Hoffnung darauf wirkte geradezu beflügelnd, liess ihn sie noch einmal auf den Hals küssen. Kitty sog hörbar die Luft ein.

»Du schreibst wieder?« Meinte sie dann plötzlich. Kitty lenkte ab. Wie immer. John lehnte sich gegen ihren Hals

»Hm..?« John spielte an den Bändchen der Masche herum.

»Das Notizbuch…« Er erstarrte und rappelte sich auf. Wieder fuhr der ehemalige Feuerteufel sich durch die Haare. Dieses Mal nicht verlegen sondern nervös. Kitty musste schmunzeln. »Muss dir nicht peinlich sein.« Fügte sie an. Innerlich atmete er auf. Sie dachte, dass er das Büchlein so schnell hatte verschwinden lassen, weil er sich dafür schämte. John musste auflachen.

Er hatte einige Karten aufgedeckt.

Liebe gutgläubige herzensgute Kitty.

Aber er war John Allerdyce. Natürlich spielte er mit gezinkten Karten.

Johns Hände fuhren an ihre Taille und er zog sie näher zu sich, halb auf sich. Sie tat noch immer nichts dagegen. Stattdessen fand ihr Blick seinen. Sie liess nicht zu, dass er ihn abwandte. Dann meinte sie leise:

»Lance hat mich nicht angelogen…!« Kitty machte sich also doch allen ernstes Gedanken darüber. Das erstaunte ihn. John hielt inne. Es klang wie eine Frage, obwohl es ganz klar eine Feststellung sein sollte.

»Und doch bist du hier…!« Stellte John fest. Ihre Augen weiteten sich und sie zuckte merklich zusammen. Kitty schien zu bemerken, was sie gerade tat. Er wusste, dass es vorbei war, er wusste, dass sie ihn nicht verstanden hatte. Er liess seine Hände sinken. Kitty erhob sich. Sie tapste etwas von ihm weg. Schon wieder waren ihre Augen feucht geworden.

»Ja.. jetzt fange ich sogar an, hier zu sein, wenn ich nicht einmal schlafe..« Das war mehr zu sich selbst. Dann meinte Kitty entschlossen: »Ich.. ich werde zu Lance ziehen… Es ist besser so.«

John hatte es gewusst. Deswegen war sie hier. Nur deswegen. Er hatte es gewusst, weil sie es ihm bereits gesagt hatte. Und doch versetzte es ihm einen tiefen Stoss ins Herz. Ihm, John Allerdyce, dem es eigentlich egal sein sollte.

Kitty wollte wie immer eiligst aus dem Zimmer stürzen. Sie drehte sich bereits um und setzte sich in Bewegung. Es war ihr dabei egal, dass das Nachthemd zur Seite rutschte und ihre nackte Haut entblöste. Kannte er ja alles. Sie wollte nur weg.

»Du lässt sich von ihm verändern...« Ein Satz in den Raum. Sie wusste, es stimmte. Sie erinnerte sich an seine Worte von damals. Jetzt wollte sie erst Recht einfach nur weg.

Doch dieses Mal liess John sie nicht einfach gehen. Mit einem Satz war er auf den Beinen und hatte sie am Arm gepackt. Er riss sie herum. Aber nur so heftig, weil er nicht wollte, dass sie sich gleich wieder phaste. Er hielt ihre beiden Handgelenke und presste sie gegen seine Brust. Sein Herz hämmerte wie wild. Sie müsste es spüren können. Aber es war ihm momentan egal.

»Du weisst, dass dich das nicht glücklich machen wird…!« Meinte der ehemalige Feuerteufel eindringlich. Sie versuchte sich loszureissen. Er hielt sie fest. Wenn sie wirklich weg gewollt hätte, dann hätte sie sich gephast. Das wussten sie beide.

»Woher willst du wissen, was mich glücklich macht..?!« Hauchte Kitty. Die zierliche Brünette hatte keine Kraft mehr um zu brüllen, und eigentlich wollte sie auch gar nicht brüllen. Eigentlich wollte sie ihn küssen, eigentlich wollte sie ihm glauben. Aber Lance hatte ihr das Leben gerettet, sie konnte nicht ohne ihn. Sie konnte ihn nicht verlieren, sie konnte ihn nicht loslassen. Dann war sie ganz alleine. Sie konnte John nicht glauben, denn ihm konnte sie nicht vertrauen.

- Und Kitty war so müde… Kein Wunder, dass sie in den letzten Tagen ab und an ungewollt eingenickt war…

Lance hatte ihr keine Wahl gelassen, das wusste John. Das hatte sie ihm erzählt. Er hatte sie vor die Wahl gestellt. Entweder sie zog zu ihm nach New York City in seine kleine Wohnung, oder aber es war aus. Kitty hatte John ihre Entscheidung als sie schlief nicht mitgeteilt, aber er hatte es sich denken können. Er kannte sie. Er wusste, dass sie ihm nicht glaubte und er wusste, dass es eigentlich besser so war.

»Du hast es mir gesagt.« Meinte John und liess sie los.

Es war besser so. Sie hatte Recht. Ihm konnte man auch nicht glauben. Das stimmte.

Kitty sah ihn entgeistert an. Sie schien vergessen zu haben, dass sie eben noch hatte den Raum verlassen wollen. Auch, dass sie halbnackt vor ihm stand, obwohl sie die ganze Zeit beteuerte, einen anderen zu lieben.

»Du sagtest, um glücklich zu sein bräuchtest du eigentlich nur eines. Mich.« Kittys Gesichtszüge zuckten. John wollte nicht, dass sie weinte. Aber er wollte auch nicht, dass sie ging. »Dass du, obwohl der Angriff auf das Institut schrecklich gewesen ist trotzdem froh bist, weil du dadurch mich gesehen hast. Wirklich gesehen hast, wer ich bin.« Kitty schluckte und senkte den Blick. Sie wollte ihn nicht ansehen. »Dass du dir deswegen eigentlich nicht wünschen würdest, dass es nie passiert ist, aber dass du dir wünschtes, wir könnten in einer anderen Welt einfach glücklich zusammen sein, ohne irgendwelche Probleme mit Menschen und anderen Mutanten.«

Aber es war besser so.

Er hatte gesagt, dass sie gesagt hatte, dass sie ihn liebte. Sie wusste nicht, was sie glauben sollte. Sie wusste nicht was sie fühlte. John wusste, dass es nicht gut war, was er tat. Für ihn, für sie. Für beide. Aber er konnte nicht anders.

»Und… liebst du mich?« Ihre Stimme war klar und deutlich.

- Erstaunlich!

Eine einfache und direkte Frage. Jetzt sah sie ihn an, aber er sie nicht mehr. Kitty nickte leicht. Das war die bittere Gewissheit. Sie band die Schleife wieder zu einem Mäschchen.

Kitty hatte ihn verstanden.

Aber weil er jetzt schwieg, weil er jetzt nichts sagte, glaubte sie, dass er lediglich den Sex mit ihr liebte.

»Siehst du. Es kann nur besser werden und wenn ich nicht immer Nachts mit dir schlafe wird es das!« Harte Worte. John sah sie noch immer nicht an. Er tat, als wäre es ihm egal. Das hätte er von Anfang an tun sollen.

Kitty drehte sich um und ging zur Tür. Diesmal hielt er sie nicht zurück, was sie verletzte, diesmal meinte er lediglich:

»Du wirst nicht glücklich sein…« Sie blieb stehen und antwortete, ohne sich umzudrehen:

»Das bin ich auch jetzt nicht, obwohl du da bist.. oder?« John war oftmals mies, Kitty nicht. Aber wenn sie einmal mies war, dann dafür richtig. Erstaunlich, wie sie in diesem Momenten so vernichtende Worte finden konnte. Es schnürte ihm den Hals zu, nahm ihm die Luft aus den Segeln, nahm ihm jegliche Hoffnung, liess ihn sich selbst nicht mehr glauben…

Er blieb unberührt. Sie ging.

John stand kurze Zeit ohne Regung. Er kannte sie. Aber eigentlich nur, wenn sie schlief. Bis anhin hatte er geglaubt, sie ganz zu kennen. Aber es gab scheinbar noch weitaus interessantere Seiten an ihr, die er noch kaum kannte.

Plötzlich kam Bewegung in seinen Körper und er kramte das kleine Notizbuch unter dem Bett hervor. Er blätterte mit einem wahnsinnigen Blick darin. Xaviers Handschrift war sauber, weshalb das lesen kein Problem war. Es standen lauter Zahlen und Codes darin. Unter anderem Xaviers Konto. Alles wichtige eben.

Auf einer Seite stoppte John. Es war das Foto einer jungen Frau eingeklebt. Sie hatte rotbraunes zerzaustes Haar und sah mit einem wahnsinnigen Blick in die Kamera.

Pietro hatte lange Zeit nicht gewusst, dass Magneto sein Vater war. Xavier hatte es stets vor ihm geheim gehalten. Aber dass er auch noch eine Zwillingsschwester hatte, davon hatte nicht einmal Magneto gewusst. Bis Xavier es ihm kurz vor seinem Tode gebeichtet hatte. Selbst ein Mann, der sein ganzes Leben lang mit etlichen Lügen gelebt hatte, konnte diese schrecklichen Geheimnisse nicht mit ins Grab nehmen.

Wanda Maximoff.

Eine überaus mächtige Mutantin, die die Fähigkeit besass, die Realität zu verändern. Xavier hatte sie weggesperrt, weil sie ihm zu gefährlich geworden war. Jean hatte er psychisch weggesperrt. Wanda physisch. Er war nicht de Saubermann gewesen, für den ihn seine Schützlinge gehalten hatten.

John versah die Seite mit einem Eselsohr und verstaute das Notizbuch dann sicher zwischen Matratze und Laken.

»Es ist besser so…« Kitty hatte Recht.

Xavier hatte Wanda weggesperrt. In eine psychiatrische Anstalt für besonders schwere Fälle – Mutanten. Wo man die besonders schweren Fälle ganz gerne unter starke Medikamente setzte, um sie ruhig zu stellen.

Das Notizbuch enthielt sämtliche Informationen über Scarlet Witch. Auch die Codes, die man benötigte, um ihre Entlassung zu bewirken. Xavier hatte sich gut abgesichert. Zu gut, dieser Mistkerl. Er hatte gewusst, was ihm zustossen würde, wenn sie jemals auf freien Fuss kam. Deshalb die Sicherheitscodes.

John hatte zwei Jahre seines Lebens in einer psychiatrischen Anstalt für besonders schwere Fälle verbracht….

Der König der Lügner

so, meine lieben... normalerweise sage ich nichts... aber nach so langer zeit ist es wohl angebracht, sich zu entschuldigen, dass ich euch so lange hab warten lassen. Stressige Zeiten, die leider noch nicht vorbei sind, aber mir war danach (:
 

viel spass und ich hoffe man versteht jetzt langsam alles.. das puzzle ist fast vollständig nach diesem kapi ;)
 


 


 


 

6. KAPITEL – Der König der Lügner
 

Kitty schrie. Im nächsten Moment sass sie kerzengerade im Bett. Sie zitterte wie Espenlaub und war schweissgebadet. Ihre Wangen waren tränenverschmiert. Sie schlang die Arme um ihren zierlichen Körper, um das dünne Nachthemd mit den Mäschchen, die John liebte. Ihr Blick wanderte voll Angst und Resignation neben sich. Lance regte sich mühselig – durch ihren Schrei geweckt.
 

Sie erinnerte sich.
 

Lance gab ein Murren von sich. Kitty konnte sich nicht rühren. Die Bilder waren so klar in ihrem Kopf, dass sie gerade selbst damit überfordert war. Ihr Atem ging rasselnd, als hätte sie gerade einen Sprint hinter sich.
 

Sie erinnerte sich an alles.
 

Absolut alles!
 

Der Professor rollte aus Kittys Zimmer. Er schien vollkommen in Gedanken versunken. So etwas war ihm noch nie untergekommen. Seine Fähigkeiten halfen ihm nicht weiter. Und das kam niemals vor…

Lance drängte an ihm vorbei in den Raum. Xavier liess ihn gewähren. Wollte erst noch etwas sagen, liess es dann aber. Den Jungen würde sie an sich ran lassen. Ihn hatte sie fast gänzlich ignoriert. Und das war auch noch nie vorgekommen…

Storm hatte vor der Tür gewartet. Aber er beachtete die Wettergöttin ebenfalls nicht. Seine Stirn war kraus gezogen. Storm liess sich jedoch nicht so leicht abwimmeln. Sie holte den Professor schnell ein und hielt von nun an mit ihm Schritt.

»Und.. immer noch nichts neues?« Man sah ihr an, dass sie besorgt war. Äusserst besorgt. Sie bewegten sich gemeinsam durch die arg lädierten Gänge des Instituts. Das gesamte Gebäude hatte unter dem Angriff der Truppen der Regierung ziemlich gelitten. Genauso wie einige seiner Bewohner. Es war erst wenige Tage her.

Xavier schüttelte den Kopf. Er machte eine kurze Pause, ehe er nachdenklich meinte: »Nein, sie ist kränker, als ich es bis anhin gedacht hatte.« Das half Storm nicht sonderlich viel weiter, weshalb sie nachbohrte:

»Hat sie immer noch nichts gegessen?« Xavier schüttelte den Kopf. »Konntest du in ihrem Kopf den nichts finden…?« Xavier fuhr in sein Büro. Storm folgte.

»Nein. Sie kann sich auch an nichts erinnern. Nur, dass sie in Lances Armen aufgewacht ist. Und ich finde in ihrem Hirn nicht mehr darüber. Besser gesagt will ich mich nicht noch weiter vorwagen, als ich es schon getan habe.« Storm nahm Platz. »Ansonsten könnte sie bleibende Schäden davon nehmen. Ihr Körper wollte nicht, dass sie sich erinnert, ich sehe das als eine Art Selbstschutz. Solche Dinge sollte man respektieren…« Storm wollt etwas sagen, doch der glatzköpfige Mann fuhr unbeirrt fort: »Ich könnte diesen Schutz brechen.. aber ich denke, das würde alles noch schlimmer machen. Das würde sie vollkommen aus der Bahn werfen. Das würde sie…« Er machte eine Pause. »Wahnsinnig werden lassen..« Storms Augen wurden glasig. Man sah ihr an, dass es sie sehr bewegte und mitnahm. Eine Träne rann über die wohlgeformten Wangen.

»Du musst doch etwas tun können…« Hauchte die Weisshaarige atemlos. »Charles.. ich bitte dich.. du.. du weisst doch immer, was zu tun ist.« Sie wirkte fast schon verzweifelt. Xavier musterte sie mit traurigem Blick.

»Ich wünschte, es wäre so, Ororo.« Meinte er leise und fast schon beschämt darüber, dass auch er nicht wusste, was zu tun war. » Aber ich kann nichts für sie tun, ich kann nur dafür sorgen, dass die Alpträume die sie hat abnehmen.« Dann würde sie wenigstens ruhig schlafen können und nicht auch noch Nachts von ihren Gedanken geplagt werden. »Ich glaube der einzige, der Kitty momentan helfen kann, ist Lance.« Storm nickte langsam. Lance, der Junge, der ihr das Leben gerettet hatte, der einzige, mit dem sie momentan sprach würde hoffentlich irgendwie dafür sorgen können, dass sie wieder halbwegs normal leben konnte. Dass sie wieder essen würde, dass sie wieder schlafen würde, dass sie wieder lachen würde.
 

Aber Kitty würde über ein Jahr lang nicht zur Schule gehen, über mehrere Monate hinweg ihr Zimmer nicht verlassen, über mehrere Wochen hinweg nur mit Lance reden und nur sehr wenig, über mehrere Tage gar nichts essen.
 

Bis zu dem Tag, als Kitty John im Gefängnis besuchte…
 

»I’m the master of my fate: I’m the captain of my soul!«

- William Ernest Henley
 

Kitty weinte hemmungslos. Selbst wenn sie versucht hätte, die Tränen zurückzuhalten, hätte sie es wohl nicht gekonnt. Ihre Fingernägel gruben sich in das Fleisch ihrer Unterschenkel. Lance regte sich noch immer kaum, bis ihm schliesslich klar wurde, dass seine Freundin da Schluchzte und das nicht zu seinem Traum gehörte. Er drehte sich mit mürrischer Mine zu ihr um. Heute war ein anstrengender Tag gewesen, er arbeitete auf dem Bau, da war man müde. Ausserdem hatte er Kitty nach der Arbeit auch noch dabei helfen müssen, die letzten Kisten in die Wohnung zu schleppen. Und dann hatten sie ihren Einzug nicht einmal ordentlich gefeiert…. Das Bett nicht eingeweiht…

Gut, das hatten sie sowieso schon länger nicht mehr getan!

Nein, ihm war jetzt nicht nach Drama.

»Beb, was ist los…?« Sie hasste es, wenn er sie so nannte, aber sie hatte ihm nie etwas davon gesagt. Kitty konnte noch immer nicht aufhören zu weinen. Sie sah ihn dabei entgeistert an. Lance rollte genervt mit den Augen. Es war vier Uhr morgens…

- Das musste jetzt wirklich nicht sein!

Sie hatte jeweils um vier Uhr morgens vor Johns Bett gestanden, das hatte der Feuerteufel ihr gesagt. Um vier Uhr morgens war etwas geschehen, was ihr Leben bis jetzt beeinflusste. In dieser Nacht hatten Strykers Truppen das Institut überfallen, in dieser Nacht hatte Lance ihr das Leben gerettet und an diese Nacht konnte sie sich nicht erinnern.

Bis jetzt.

Als Kitty nichts sagte, sondern lediglich schniefte, schnaubte Lance genervt und wollte sich soeben wieder wegdrehen.

»Willst.. willst du mir vielleicht irgend etwas sagen, Lance…?« Meinte Kitty zögernd. Sie konnte es nicht glauben. Sie schüttelte noch immer ihren Kopf. John konnte nicht die Wahrheit gesagt haben. Es durfte nichts wahres an seinen Worten sein. Lance machte sich nicht einmal die Mühe, sich umzudrehen, sondern murrte:

»Ich werde weniger trinken, jetzt wo du da bist, entspann dich. Das war heute nur ein heimliches Bier. Du siehst aber auch alles.« Wenn es nur sein überholter Alkoholkonsum gewesen wäre. Kitty atmete tief durch. Entschieden schlug sie die Decke zurück und erhob sich. Sie begann hastig einige Sachen in eine Tasche zu werfen, dann schlüpfte sie in die erstbeste Kleidung, die sie finden konnte. Erst jetzt schien Lance zu realisieren, was sie gerade tat – ein Wunder, dass er es überhaupt merkte.

»Hey!« Der junge Mann setzte sich auf. Kitty machte unbeirrt weiter. »Du zickst jetzt aber nicht wegen dem Bier oder…?!« Sie schwieg und öffnete die Tür, welche in ihr kleines Wohnzimmer führte. Lance sprang auf und hatte sie schnell eingeholt. Er hielt sie zurück. Nicht so barsch wie Bobby, nicht so vorsichtig wie Pyro, sondern genervt. Kitty sah ihn an. Sie schwieg.

»Ich hör damit auf.. okey?!« Meinte Lance entschieden und fügte dann mit Nachdruck an: »Es ist nur alles nicht so leicht grade…« Kittys Augen waren noch immer voller Tränen. Er hatte sie gezwungen, hierher zu ziehen, aber das hatte er nicht gewollt. Lances Blick wurde weich. Er nahm ihre Hand sanft und drückte sie. »Ich hör damit auf…« Meinte er leise.

Kitty schwieg noch immer. Sie sah ihn an, aber wenn sie ihn ansah, sah sie sich, wie sie vor Jahren in seinen Armen aufgewacht war und wie er ihr gesagt hatte, dass er ihr das Leben gerettet hatte. Dass es knapp gewesen war. Entschieden zog Kitty ihre Hand aus seinem Griff.

»Es geht nicht um das Trinken…« Meinte sie, kaum hörbar.

»Was..?« Er wurde wieder lauter, ungeduldig. Er hatte sie nicht verstanden.

»Es geht nicht um das Trinken, verdammt!« Brüllte Kitty. Lance sah sie fragend an. Er verlor leicht die Geduld. Das würde bald passieren, wenn sie so weiter machte.

»Willst du mir nicht etwas sagen, was du mir vor langer Zeit hättest sagen sollen..?« Sie gab ihm gerade eine zweite Chance. Lance sah sie noch immer fragend an. Dann rollte er mit den Augen, schüttelte den Kopf und wollte sich abwenden mit den Worten:

»Weisst du was, du kannst mich mal. Sag was los ist oder lass es bleiben!« Als er wieder ins Schlafzimmer gehen wollte, blieb er plötzlich stehen und drehte sich zu ihr um: »Oder hat Bobby am Ende doch recht gehabt und du vermisst diesen Scheisskerl?« Er meinte John. Kittys Blick wurde finsterer. Jetzt kamen sie der Sache doch näher. Lance kam ihr wieder näher. Jetzt packte er sie an beiden Schultern. Wieder nicht so grob wie Bobby, aber doch bestimmt. Fast schon, als wäre sie sein Eigentum.

»Und wenn…?« Kitty verzog keine Miene. Inzwischen war ihre Fassade eiskalt geworden. Lance sah sie im ersten Moment sprachlos an. Er hob seine rechte Hand. Kittys Herz raste. Sie blieb schloss die Augen. Nichts passierte. Sie öffnete ihre Augen wieder. Er hatte die Hand noch immer leicht erhoben, aber er tat nichts. Besser für ihn. Kitty schälte sich aus seinem Griff. Sie ging ein paar Schritte und öffnete ein Fenster. Frische Luft war jetzt gut. Sie betrachtete eines der Mäschchen.

»Ich hatte heute Nacht denselben Traum, den ich früher immer hatte.« Meinte sie dann langsam. Sie war nicht mehr im Institut, sie hatte nicht zu John gehen können, eigentlich hätte sie wissen müssen, dass sie heute träumen würde... »Und darum frage ich dich noch ein letztes Mal: Willst du mir nicht irgend etwas sagen…?«

Lance schwieg. Er wusste es. Sein Schweigen bestätigte das ganze nur noch. Kitty nickte bitter und drehte sich langsam zu ihm um. Ihre Haare wehten sanft wegen dem Luftzug, der wegen dem offenen Fenster seinen Weg in die kleine Wohnung fand.

Sie sahen sich an.
 

»Ich erinnere mich.« Meinte Kitty leise. Lance wusste haargenau, was das hiess…
 

Um vier Uhr Morgens in dieser Nacht lief Strykers Angriff ungefähr seit zehn Minuten. Im Erdgeschoss wimmelte es nur so von Soldaten, welche sich nun in den ersten Stock zu den Zimmern vorkämpften. Wobei kämpfen zu viel gesagt war. Sie überraschten unschuldige Kinder im Schlaf. Dafür musste man nicht von einer Spezialeinheit der US Army sein. Es war einfach nur feige.
 

Um vier Uhr morgens erreichte der erste Soldat das Zimmer von Kitty Pryde. Jubilee ihre Zimmergenossin war gerade ausserhalb. Urlaub mit den Eltern. Unter anderem auch, weil es gerade stürmische Zeiten waren und sie diese lieber im Ausland verbrachten, wo es für ihre Tochter weniger gefährlich war. Bahamas – oder so.

Kitty konnte sich nun genau daran erinnern, wie er sie aus dem Schlaf gerissen hatte. Er hatte sie an den Haaren aus dem Bett gezerrt und gegen die Wand geschleudert. Und leider sorgten solche Situation immer wieder dafür, dass Männer vergassen, dass sie keine Tiere waren und dass es gewisse Gesetzte gab. Kitty war erschrocken gewesen, und benommen um zu phasen. Es war mehr ein hilfloses Krabbeln am Boden, welches der Soldat beendet hatte, indem er sie zurück auf das Bett geschleudert hatte und auch schon über ihr gewesen war. Sie erinnerte sich düster an ein feines piksen. Er musste ihr wohl eine Beta-Form von Cure injiziert haben, denn auch wenn sie es wollte, ging das mit dem Phasen nicht mehr. Sie dienten gleichzeitig auch als Versuchskaninchen. Kitty hatte gestrampelt, gekratzt und geschrien, doch der Soldat war im Begriff, sich auszuziehen und sie würde wohl die nächste sein.

Doch da war plötzlich dieses Feuer. Es rieselte dem Soldaten über den Rücken, liess sein Rückenmark auf qualvolle Weise verdampfen und seine Knocken zu Staub zerfallen. Seine Überreste fielen auf Kitty, welche schluchzend und zitternd einfach liegen blieb.

Aber auch das nicht für lange, denn sie wurde gepackt und auf die Füsse gezogen. Kitty wollte sich wehren, glaubte, dass das der nächste war. Aber ihre Beine machten sowieso nichts mehr mit und sie knickte ein. Verzweifelt kauerte sie auf dem Boden unfähig, sich zu bewegen. Doch plötzlich spürte sie eine sanfte Berührung an ihrer Wange. Kitty öffnete die Augen. Das Bild war verschwommen, wurde aber langsam schärfer und schlussendlich erkannte die zierliche Braunhaarige ihn.

John Allerdyce kauerte vor ihr. Das war der Flügel, der Zimmer der Mädchen. Kitty sah ihn dankbar an. Er war nicht zufällig hier. Sie wollte etwas sagen, ihre Lippen bewegten sich sogar bereits. Er musste sie gesucht haben… Doch sie verlor das Bewusstsein und fiel in seine Arme.
 

Daher also der Rauch, an den sie sich nach ihren Träumen jeweils immer erinnert hatte. Lance schwieg noch immer. Kitty sah ihn auffordernd an.

»Dann habe ich diese Tatsache vielleicht verschwiegen, und… ändert das was?!« Fauchte er schliesslich.

Ein weiterer Schwall Tränen trat aus Kittys Augen. Sie schüttelte den Kopf. Das änderte alles! Sie musste es nicht einmal aussprechen. Lance wusste es, deswegen setzte er nach:

»Oh, so ist das also! Na schön, wenn John so ein grosser Retter ist, wieso hat er dich dann mir in die Arme gedrückt und hat sich verdrückt häh?!« Kitty wusste es nicht, aber das spielte keine Rolle. Sie wussten beide, dass sie nur noch wegen der Tatsache, dass Lance ihr Leben gerettet hatte, zusammen waren. Sie wussten aber auch beide, dass sie überhaupt nur wegen dieser Tatsache zusammen gekommen waren.

»Ich war es, der dich ganz in Sicherheit gebracht hat. Ihm war das am Ende doch egal! Und ich war es, der danach an deiner Seite gewesen ist, während John mit Pietros Scheissdad unterwegs war.« Kitty hörte deutlich heraus, dass Lance immer noch nicht verkraftet hatte, dass Pietro gegangen war. Es war sein bester Freund gewesen. Der Grund, warum er trank. Sie wischte erneut einige Tränen von ihren Wangen.

»Du hast mich all die Jahre belogen…!!!« Brüllte sie dann abrupt. Kurz aber laut. »Und es ist dir niemals in den Sinn gekommen, irgend etwas zu sagen! Niemals!!« Wenn Lance etwas gesagt hätte, dann hätte sie sich vielleicht erinnert. Dann hätte sie vielleicht verstanden, warum sie sich zu John auf so eine kranke Art und Weise hingezogen fühlte, dass sie sogar mit ihm schlief.

»Weil du dann genau so reagiert hättest!« Gab Lance ebenso laut zurück.

»Nein, das hätte ich nicht!« Fauchte Kitty.

»Ach, du hättest verstanden, warum ich dir nicht alles erzählt hab..?!«

Kitty schwieg.

»Du hast mich nie beachtet. Immer nur Bobby hier, Bobby da. Als dein Lebensretter hattest du endlich einen Grund, mich zu beachten. Das hat nichts mit unserer jetzigen Beziehung zu tun. Unsere Beziehung sollte mehr sein als das.« Kitty schwieg, das sagte auch alles. »Das ist nicht dein Ernst!« Brüllte Lance darauf.

Kitty hob die Tasche vom Boden. »Ich muss John suchen suchen…« Meinte sie lediglich und eilte durch die Eingangstür. John suchen, John finden, mit John reden… was auch immer.
 

»Wenn du mir das Leben gerettet hast, dann sag mir doch einfach wann und wie!« Kitty sah John auffordernd an. Sie befanden sich auf der Therasse des Instituts. Er rauchte. Sie hatte frische Luft gebraucht. Es war schon einige Tage her.

Er sagte nichts, bliess Rauch aus und drehte denn den Kopf zu ihr. Er sah sie nachdenklich an. Dann hatte er langsam nach einer ihrer Haarsträhnen gegriffen. Kitty hatte nichts dagegen unternommen, auch nicht, als er sie fast schon zärtlich um seinen Finger wickelte. John liess die Haarsträhne los, aber so, dass sie sich an Kittys Wange schmiegte und ihre Haut sich kurz berührte.

»Wenn du es nicht von selbst weisst, dann glaube ich, dass es dafür einen guten Grund gibt.« Er lächelte traurig. Kitty schnaubte verächtlich.

»In anderen Worten: Du hast mich verarscht und lachst nun innerlich darüber, dass ich sogar noch ernsthaft darüber nachgedacht habe!« Sie hatte sich umgedreht und war wütend weggegangen. Das brauchte sie wirklich nicht! Auf dieses dämliche Spiel wollte sie sich wirklich nicht einlassen, auch wenn sie bereits mitten drin war.
 

Im Nachhinein betrachtet verstand Kitty die Worte des ehemaligen Feuerteufels. Ihr Körper hatte sie schützen wollen. Die traurige Gewissheit war vernichtend. So sehr, dass sie eigentlich nur noch in seinen Armen liegen wollte. Das hatte sie schon immer gewollt, sie hatte es bis anhin nur nicht wahr haben wollen.
 

Nicht John war der König der Lügner… Lance übertraf ihn um Längen!
 

Kitty hörte Glas zerspringen, als sie die Treppen nach unten eilte. Und sie hörte den Hall von Lances Stimme, der ihr hinterher schrie:

»Pyro hat einen scheiss für dich getan, aber du kümmerst dich ja seit neuestem auch einen scheiss um andere. Ihr verdient euch!!!«

Worte eines tief verletzten Mannes. Kitty hörte nicht hin. Es tat ihr nicht einmal Leid.
 

John hatte sie nicht geglaubt. Sämtlichen Anzeichen, die ihr ihr eigener Körper gegeben hatte, hatte sie nicht geglaubt. Weil das bedeutet hätte, dass Lance sie über Jahre hinweg angelogen hatte. Aber jetzt, wo alles bildlich vor ihr war, liess es sich weder schön reden, noch leugnen.

Sie musste John finden. Was sie tun oder sagen würde, das wusste sie nicht, aber sie wusste, dass sie ihn finden musste.
 

Kitty nahm ein Taxi um schnellstmöglich im Institut zu sein. Während der Fahrt hatte sie genügend Zeit um ihre Gedanken etwas zu ordnen. Es begann auf einen Schlag alles Sinn zu machen. Sie war krank und zwar noch immer. Ihr Geist hatte den Versuch der Vergewaltigung und auch die Rettung durch John verdrängt. Aber die Erinnerung hatte sie in ihren Träumen heimgesucht und Schutz hatte sie bei John gesucht. Wenn auch auf eine ganz merkwürdige Art und Weise.
 

Nach ihrer Ohnmacht war sie in Lances Armen aufgewacht. John hatte sie ihm in die Arme gedrückt. Wieso – diese Frage konnte sie noch nicht beantworten. Aber dafür wusste sie nun, wieso sie die Albträume gehabt hatte und auch, wieso die Albträume aufgehört hatten, als John wieder am Institut aufgetaucht war. Es war schon erstaunlich, wie sich alles fügte. Regelrecht beängstigend.
 

In Johns Zimmer war der Feuerteufel nicht zu finden, was seltsam war, da er sich doch praktisch nur in diesem Raum aufhielt. Um diese Uhrzeit war niemand im Institut unterwegs, den sie hätte fragen können. Es hätte ihr aber wahrscheinlich sowieso niemand weiterhelfen können.
 

Doch dann sah sie Licht, welches aus dem Gemeinschaftsraum auf den Flur drang. Um diese Uhrzeit war doch noch jemand wach…? Kitty verlangsamte ihre Schritte und schlich auf Zehenspitzen zur Tür, bis sie nahe genug am Zimmer war, um ein interessantes Gespräch zu belauschen…
 

»John wird uns ab heute nicht belästigen…« Bobbys Stimme
 

»Woher willst du das wissen?« Alex Summers
 

»Ich habe dafür gesorgt, dass er endlich Ruhe gibt. Für immer.« Alex schien wohl zu glauben, dass Bobby scherzte. Kitty ahnte natürlich sogleich, worauf Bobby damit anspielte. Sie hatte die Wortfetzen zufällig aufgeschnappt. Aber das reichte ihr. Kitty trat entschieden in den Gemeinschaftsraum. Die beiden jungen Männer zuckten zusammen und sahen sie an, als hätten sie einen Geist gesehen. Immerhin wohnte sie seit heute offiziell nicht mehr hier.
 

Kitty lief direkt zu Bobby und packte ihn mit einer Stärke, die man ihr gar nicht zugetraut hätte und zerrte ihn mit sich. Eigentlich redeten sie ja nicht mehr mit einander – aber naja. Bobby schien das als ihre Art der Versöhnung anzusehen, weshalb er sich widerstandslos mitziehen liess. Nur etwas verdattert darüber, sie im Institut um diese Uhrzeit zu sehen, obwohl sie doch erst am gestrigen Tag ausgezogen war.
 

»Wo ist John und was hast du mit ihm gemacht?!« Begann Kitty, als sie in ihrem alten Zimmer standen, welches inzwischen leer geräumt war. In Bobbys Gesicht konnte sie die Schuld ganz deutlich herauslesen – sie kannte ihn. Auch wenn er log:
 

»Das hast du falsch verstanden… Ich meinte, dass er um diese Zeit sicherlich nicht mehr wach ist.« Bobby versuchte, sie abzuwimmeln. Deswegen versuchte er auch, das Thema zu wechseln: »Was sagt Lance denn dazu, dass du hier bist und nach Pyro suchst?« Eine gewisse Häme konnte der Eismutant sich nicht verkneifen. Er war immerhin der verantwortliche dafür, dass Kitty umgezogen war. Keine Sache, auf die man stolz sein konnte. Und sowas war einmal ihr bester Freund gewesen…
 

-Ja, Kitty hätte ihm gerade ganz gerne den Kopf abgerissen.
 

»Lance ist ein Lügner.« Fauchte sie.
 

»John ja nicht, was?« Gab Bobby zurück. Er hasste den ehemaligen Feuermutanten, von ihm war nichts anderes zu erwarten.
 

»John hat mir das Leben gerettet.« Meinte Kitty.
 

»Ach, und wann bitteschön? Das einzige Mal also du wirklich in Gefahr warst da…« Bobby stockte. Der Gedanke, den er hatte aussprechen wollen in Verbindung damit, dass Kitty Lance einen Lügner nannte, sorgte dafür, dass Bobby begriff, worum es ging.
 

»Darum war er nicht in unserem Zimmer, als ich unsanft von den Militärtypen geweckt wurde…« Es war mehr zu sich selbst. Ein Gedanke, den er unabsichtlich laut ausgesprochen hatte. Kitty sah ihn mit grossen Augen an. Bobby realisierte das. Er biss sich auf die Lippen, denn das stellte John positiver dar, als er ihn darstellen wollte. Und war ein weiterer Beweis dafür, dass Kittys Traum sie nicht getäuscht hatte.
 

»Wenn ich dir jemals irgend etwas bedeutet habe. Ob als beste Freundin oder sonst irgendwie, dann bist du endlich ehrlich.« Meinte Kitty bestimmt, die Hände zu Fäusten geballt. Aber eigentlich liess sie das mehr putzig als bedrohlich wirken. Bobby zögerte. Dann gab er schliesslich klein bei:
 

»Als ich auf Pyro traf, da hatte er Rogue im Schlepptau. Gemeinsam sind wir dann mit Wolverine abgehauen und so bei meinen Eltern gelandet. Dich habe ich nie gesehen, an dem Abend.« Kitty wirkte enttäuschte. Bobby zögerte erneut, ehe er langsam meinte: »Rogue meinte, er habe dich in seinen Armen getragen, als sie auf ihn getroffen ist. Sie seien von einigen Soldaten eingekesselt geworden sein und John habe dich Lance in den Arm gedrückt um seine Fähigkeiten besser einsetzen zu können.« Jetzt machte es keinen Unterschied mehr und Bobby fuhr fort: »Als die Soldaten aus dem Weg geräumt waren, war Lance mit dir bereits geflüchtet. Sie hielten es für wichtiger, mich zu suchen, auch wenn John erst noch darauf bestand, dich und Lance zu suchen.« Kitty sah Bobby wütend und gleichzeitig gerührt an. Er hatte es die ganze Zeit gewusst. Er hatte gewusst, dass Lance ihr nur halb das Leben gerettet hatte und er hatte ihr nie etwas davon gesagt, weil er John hasste… Sie konnte es nicht fassen.
 

Nicht John war der König der Lügner, Bobby durfte sich die Krone gerne mit Lance teilen. Kitty brodelte.
 

Aber gleich würde ihr dieses Vergehen noch ganz harmlos vorkommen…
 

»Ich weiss nicht, ob dir das schon jemals jemand gesagt hat, aber du bist ein Arschloch, Bobby Drake.« Kommentierte Kitty trocken.
 

»Ich weiss. Und ich schäme mich so sehr für das, was ich getan habe.« Bobby senkte den Blick. Kitty wurde hellhörig. Das klang verdächtig. Er hatte nicht in der Vergangenheit gesprochen. Es klang so, als würde er von etwas sprechen, was er erst vor kurzem Getan hatte. Bobby sah sie schuldbewusst an. Kitty liess ihn nicht aus den Augen. Bobby druckste herum, dann hob er den Kopf. »Ich bin ein schlechter Verlierer.« Der Eismutant lachte bitter. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen war ihm aber eher weinerlich zu Mute. Bobby Drake besass am Ende also doch noch so etwas wie schlechtes Gewissen.
 

»Was hast du getan…?« Kittys Stimme zitterte vor Anspannung und Nervosität.
 

»Du weisst doch, meine Freundin Lorna. Du fandest sie immer komisch.« Kitty nickte ungeduldig. Diese Frau war unwichtig, sie begriff nicht, wieso er nun damit anfing. »Du hattest Recht…« Kitty hätte jetzt gerne triumphierend gejubelt, aber es war unpassend und eigentlich war ihr auch nicht nach Jubeln zu Mute. Sie ahnte schlimmes. »Es handelt sich dabei nämlich um Magnetos Tochter höchstpersönlich…« Bobby konnte sie gar nicht mehr ansehen. »Sie war wohl schon länger auf der Suche nach John, hat ihn lediglich nicht im Institut vermutet, weil sie Storm nicht für so dämlich gehalten hat… Aber als du letzten Samstag mit ihm aufgetaucht bist, hat sie mir die Wahrheit gesagt.. und… sie hat mir den Auftrag erteil, ihn auszuliefern…Er hat Magneto verraten. Sie und Pietro wollen sich an ihm rächen, was nur verständlich ist. Und ich war so geladen… Kitty.. das musst du verstehen. Ich…« Kitty schüttelte immer wieder den Kopf. Sie konnte es nicht glauben. Das konnte er nicht getan haben.

»Ich muss gar nichts. Und verstehen schon gar nicht. Wie.. wie konntest du nur. Ich dachte mal, du wärst besser als er. Ich dachte mal, er war derjenige, der auf dich abgefärbt hat. Ich dachte mal, dass ich dich kennen würde!« Kitty schlug gegen seine Brust. Immer und immer wieder. Bobby ertrug es. Musste er. »Aber du bist keinen Deut besser! Nein, du kannst ihn nicht einmal selbst aus dem Weg räumen, du lässt das feige andere für dich machen!! Wie konntest du nur!« Und so jemandem hatte sie einmal vertraut.

Bobby schluckte. Er schien es aber doch für nötig zu halten, noch weiter zu erklären. Vielleicht fand er dann irgendwann auch noch etwas Rechtfertigung für sein Handeln:

»Ich habe John um vier Uhr zu einem Ort bestellt. Ich habe ihm gesagt, dass wir dann unsere Differenzen für immer regeln würden… Er war einverstanden. Ich bin nicht zu dem Treffpunkt erschienen… Lorna und Pietro werden ihn erwartet haben…« Bobby sprach nicht weiter.

»Du..« Begann Kitty und wollte ihn mit einem Schwall von Schimpfwörtern betiteln, als plötzlich ein Luftzug durch das Zimmer wehte und tatsächlich Pietro Maximoff – dieses Schwein – in Begleitung von Lorna Dane – dieser Bitch – vor ihnen standen.

»Pyro ist ebenfalls nicht zu dem Treffpunkt erschinen!« Meinte Pietro mit schneidender Stimme. Er beachtete Kitty kein bisschen, sondern war mit schnellem Schritt direkt bei Bobby und packte diesen. Er verstand dahingehend gar keinen Spass und gerade fühlte er sich von Bobby etwas verarscht. Kitty funkelte die Geschwister wütend an. Der Eismutant starrte den Sohn Magnetos mit weit aufgerissenen Augen an. Er sollte soeben beginnen, sich zu rechtfertigen und sich zu wundern, aber Kitty liess ihn gar nicht zu Wort kommen.

»Moment mal…« Sie machte ein paar Schritte und drehte sich dann wieder zu den anderen um: »Wenn John nicht bei mir ist, wenn John nicht im Institut ist… und wenn er nicht an eurem Treffpunkt war.« Die Braunhaarige machte eine vielsagende Pause. Sie wussten alle, was sie gleich sagen würde:
 

»Wo zur Hölle ist John dann?!«
 

Die feuerfeste Tür zu Johns Zelle öffnete sich. Eine Feuerfeste Türe war eigentlich nicht mehr nötig. Er war seit wenigen Tagen zu einem Menschen gemacht worden. Der Feuerteufel hob seinen Kopf nicht. Er lag reglos und zusammengekauert auf dem Boden und erinnerte an ein Häufchen Elend.

»Sie können uns jetzt alleine lassen.« Das war Storms Stimme. John reagierte nicht. »Ich meine es Ernst!« Die Tür schloss sich hinter der Weisshaarigen. Storm liess sich auf Pyros harter Pritsche nieder.

»Hallo, Pyro.« Begann die Wetterhexe. Wieder keine Reaktion von John. Aber er war bei Bewusstsein, das wusste Storm. Storm kniete sich zu John nieder und drehte ihn mühsam auf den Rücken. Was sie dann sah, das überstieg sogar noch ihre Befürchtungen. Mal ganz abgesehen, von den Blauen Flecken, die man auf seinem gesamten Körper sehen konnte, fiel der Blick der Dunkelhäutigen sofort auf seine Brust. Auf seiner Brust befanden sich fünf Striche. Der fünfte Strich quer über allen anderen. So, wie Häftlinge, die Tage zählten. Fünf Tage war es her, seit er seine Fähigkeiten nicht mehr hatte. Fünf Striche, eingebrannt. Das Gesicht hatten sie unversehrt gelassen, damit der Richter nichts merkte.

»Diese Schweine…« Meinte Storm. John sah sie aus leeren Augen an. Das Funkeln war verschwunden. Mit seinen Fähigkeiten. Er reagierte nicht auf sie.

»Na schön, du willst weiterhin ein Dickkopf sein…? Bitte.« Storm erhob sich. »Ich nehme an, dass bedeutet, dass du mein Angebot definitive ablehnst.« Sie war im Begriff zu gehen, wollte sogar schon an die Tür Klopfen, damit sie geöffnet wurde. Doch plötzlich erhob John seine brüchige Stimme:

»Hol mich hier raus…!« Auf Storms Gesicht bildete sich ein zufriedenes Grinsen. Dann drehte sie sich wieder zu der Gestalt am Boden um.

»Was hast du gesagt?« Nein, John Allerdyce war noch nicht genug gedemütigt. Eigentlich verdiente er das alles, aber dass die Wachen sich an ihm vergriffen und ihn misshandelten, das war trotzdem nicht richtig. »Ich weiss nicht, ob ich dich richtig verstanden habe…«

John richtete sich etwas auf. Sie konnte ihm ansehen, dass ihn dabei jedes seiner Glieder schmerzte. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände. »Bitte… Hol mich hier raus, Storm.« John Allerdyce klang gerade äusserst weinerlich. »Bitte.. ich.. ich halte das nicht aus.. ich.. ich du musst mich hier raus holen.« Wurden da etwa gerade seine Augen feucht. Storm sah ihn ungläubig an. So schnell liess sich John Allerdyce also brechen… »Bitte hol mich hier raus.« Er weinte. Sie ersparte es ihm nicht. Nein, eigentlich hätte man diesen Moment, so barbarisch es auch sein mochte, filmen müssen.

»Mit einem einfachen Bitte, ist es nicht getan, das habe ich dir bereits gesagt, John.« Die Wetterhexe konnte richtiggehend hart sein. Aber das lag daran, dass auch sie nicht hexen konnte.

»Was… was soll ich den tun..?« John rieb sich auffällig oft über die Augen. Er versuchte es zu verbergen, aber Storm wusste, dass er gerade gerne einfach nur hemmungslos geweint hätte. Sie nickte zum Tisch. Er gehorchte und liess sich mühselig auf einem der Stühle nieder. Storm setzte sich ihm gegenüber.

»Doch, du weisst genau, was du tun sollst!« Stellte sie fest. John biss sich auf die Lippen. Er stützte den Kopf gänzlich auf seinen Armen ab, sodass man sein Gesicht gar nicht mehr sehen konnte. Die Tischplatte wurde feucht. »Es ist die einzige Möglichkeit. Dann kannst du auf mildernde Umstände hoffen, dann kannst du auf die Psychiaterische Klinik speziell für Mutanten hoffen und Ravencroft umgehen – Gegen das, was sie dir dort vermutlich antun werden, ist das hier noch lange nichts.« Sie meinte seine zahlreichen Wunden. Die Brandnarben, die wohl die grösste Demütigung darstellten. Als sie das erwähnte, ging ein heftiges zittern durch den abgemagerten Körper.

John hob den Kopf und sah sie verzweifelt an. Jetzt schien es ihm egal geworden zu sein, dass sie ihn weinen sah. Er war sowieso eine durch und durch kaputte Erscheinung. Den Stolz durch die ‚Heilung‘ gebrochen, wie auch den ganzen Rest des ehemaligen Feuerteufels.

»Ich kann das nicht…« Hauchte Pyro tonlos. Storm sah ihn eine längere Zeit lang prüfend an.

»Uns hast du auch verraten, du solltest also Übung darin haben.« So die eiskalte Antwort darauf. John sagte nichts mehr.

»Ich komme in einer Stunde wieder, und dann will ich wissen, wo Magneto sich versteckt halt!« Klare Ansage. Storm konnte sehen, wie der junge Mann nun noch heftiger zitterte. Gut so. Sie erhob sich und wollte den Raum verlassen. John meinte plötzlich:

»Glaub nicht, dass es leicht für mich ist. Das ist etwas vollkommen anderes als damals bei euch X-Men…« Er war wieder erstaunlich gefasst. Storm blieb vor der Tür stehen. Sie drehte ihm den Kopf zu und antwortete:

»Ich weiss, dass es nicht leicht für dich ist. Genau deswegen will ich, dass du es tust. Ich hole dich nicht umsonst hier raus, du sollst dich dein ganzes Leben lang selbst dafür hassen.« Das war eine harte Aussage. Storm drehte sich um und meinte zum Abschluss. »Und jeder wird nur noch den feigen Verräter in dir sehen, Was du ja auch bist.«
 


 

Die Tür hatte sich geschlossen. John trocknete sich die Tränen mit einem Taschentuch, welches Storm ihm da gelassen hatte. Und obwohl er wusste, dass er unter ständiger Beobachtung stand, konnte er sich im Schutze des Taschentuchs ein triumphierendes Grinsen nicht verkneifen.

Er war kein Verräter, definitiv nicht.. Es gab nur einen Plan B
 

Eine Blondhaarige Frau sass an einem der zahlreichen Schachtische aus Stein, welche im Park standen. Um sie herum beschäftigten sich ältere Männer mit dem strategischen Spiel. Sie spielte gegen sich selbst. Gerade setzte sie einen ihrer Könige Schach, als sie merkte, dass jemand zu ihr herangetreten war.

»Da hast du alle Informationen, die du brauchst.« Der König wurde mit dem Rand eines Notizbuches umgestossen. Sie betrachtete den kleinen Einband und hob dann den Kopf. »Mystique.« Beendete John seinen Satz. Die Blondine nahm den Einband in die Hand und drehte ihn. Dann blätterte sie kurz durch und lächelte zufrieden.

»Sehr schön, jetzt haben wir alles, was wir brauchen.« John hob den gefallenen König auf und stellte ihn auf die flache Vorderseite des Notizbuches in Mystiques Händen.

»Der König kehrt zurück.« Kommentierte John.

Plan B sollte ausgeführt werden, falls Alcatraz misslang. Es war ein riskanter Plan, denn im Plan inbegriffen war, dass Magneto dabei ums Leben kam. Es durfte eigentlich nichts schiefgehen. Es war vieles schief gegangen und es hatte sehr viel länger gedauert, als gepalnt. Trotzdem waren sie nun an diesem einen entscheidenden Punkt angelangt.
 

Magneto war tot. Aber das gehörte zum Plan B. John war kein Verräter.
 

Im Gegenteil.
 

Mystique schlug eine Seite auf, welche John markiert hatte. Wanda Maximoff blickte ihr von einem Passfoto entgegen. Sie grinste zufrieden, ehe sie zu dem jungen Mann hoch sah: »Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass an dir ein Schauspieler verloren gegangen ist…?« John grinste ebenfalls.
 

Da war er, der wahre König der Lügner. Sie alle hatten geglaubt er sei am Ende, sie alle hatten geglaubt er sei geläutert, zahm, schwach. Sie alle hatten geglaubt er sei ein Verräter… Er hatte sie alle getäuscht.
 

Nur eine Sache wäre nicht gelogen gewesen, wenn sie jemals seinen Mund verlassen hätte. Er liebte Kitty, schon immer, mit Unterbrüchen. Aber mit der Wahrheit hatte er es nicht so, der König der Lügner.



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Kommentare zu dieser Fanfic (18)
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Von:  Kokoro-
2013-06-09T16:57:49+00:00 09.06.2013 18:57
*klopf klopf*
Halluu, ich bin es :D
Hab mich nach langer Zeit mal wieder länger bei mexx rumgetrieben und hab mich fix dazu entschlossen, deine FFs mal wieder zu lesen. Und man, war das eine gute Entscheidung! :)

Es mir früher gar nicht aufgefallen was für eine geniale Idee das überhaupt ist aus Kitty durch das Schlafwandeln, Pyro gegenüberm zu so einer zwiegespaltenen Person zu machen! Hut ab!
Zudem noch ist es wirklich super geschrieben. Keine einfach aufeinander folgende Handlung, sondern alles so verschachtelt und herrlich kompliziert (manchmal zwar zu kompliziert, aber naja - da muss man mal die grauen Zellen etwas anstrengen :D)! Es ist toll, dass man erst noch etwas rätzeln muss und einfach die Spannung die aufgebaut wird! Man will einfach wissen wie es weiter geht!
Was du aus den Charas gemacht hast, ist der Wahnsinn! Wie super du, nicht nur Alcatraz sondern auch den Übergriff von Striker, mit reingebracht hast. Dass alle dadruch, vollkommen berechtigt, so schwere psychische Schäden davon trugen, auch die Evolution Leutz ;)

Naja, mit Pyro und Kitty brauch ich gar nicht anzufangen, dann hör ich nicht mehr auf :D Einfach toll! Die Vergangenheit die sie zusammen haben (an die sich Kitty auch endlich mal erinnert!) und, wie ich schon mal geschrieben habe, eine tolle traurige Erotik immer. Und noch so viel mehr...aber wie gesagt, ich fang lieber nicht richtig an, sonst wird der Kommi noch länger als er schon ist :D

Zum letzten Abschnitt muss ich allerdings was sagen!
OH MAN; OH MAN!!!!
Da hegt man grade noch so einen Hoffnungsschimmer, dass sie sich endlich, in Wachem Zustand, in die Arme fallen und alles ist rosa und voller Einhörner - und das kommt das! Pyro ist ja ein RIEEESENAFFE!!! Ou Backe! Und dann sind auch noch die Geschwister hinter ihm her... Wie immer Spannung pur!
Ich wüsste so gerne wie es weiter geht! >< Aber du schreibst wohl leider nicht mehr weiter... ó.ò (Ich muss grade reden :D)
Wär toll wenn du dich dazu entschließen könntest :) Ich wär sehr dafür! Mich juckt es auch schon fast in den Fingern!

So, jetzt genug des Bla Bla -
Küsschen ♥

Von:  _Natsumi_Ann_
2012-01-28T21:33:39+00:00 28.01.2012 22:33
ich komm gar nicht mehr mit xD
warum kann sich kitty nicht erinnern?
und warum sagt john ihr nicht einfach alles ? O.o

man man man...
ich hoffe du sagst mir was wenn ich iwas überlesen habe
sont bin ich gespannt wie es weiter geht =)
Von:  eva-04
2011-11-30T20:17:09+00:00 30.11.2011 21:17
tolles kappi^^
er zählt echt zu meinen lieblingscharakteren^^
ich wette sie hält sich nicht fern von ihm^^
bin shr gespannt wie es weiter gehen wird^^

*wink*
Von:  eva-04
2011-11-29T18:46:44+00:00 29.11.2011 19:46
Ích bin sowas von begeistert^^
mein absoluter liebslingssatz ist ein deutig" oh.. du bist wach"
*rofl*
wow jetzt weiß ich wieder warum ich ihn so mag^^
das war aber sowas von klar das er ihr schlafwandeln mehr oder weniger ausnutzt^^
freu mich schon riesig auf das weiterlesen^^

*wink*
Von:  eva-04
2011-11-29T18:32:06+00:00 29.11.2011 19:32
^^ guter anfang
also ich glaube ich habe da eine erklärung für das verschwitzte aufwachen von kitty^^
bin gespannt wie es weiter geht^^

*wink*
Von:  Kokoro-
2011-11-28T18:57:03+00:00 28.11.2011 19:57
Du. Machst. Mich. Fertig!
Ich bin... ich... ich schreie innerlich! Und ich will John knuddeln! Der arme arme arme arme Junge! Wieso versteht ihn keiner - auch Kitty, das hätte ich schon von ihr erwartet ò.ó Nee sie zickt rum und zieht zu Lance! Ne Ne Ne! Ich hoffe doch sie macht es wieder gut! Obwohl sie es ja auch schwer hat... Hach so viel Drama.
Und das Ende - mal wieder Spannung pur! Dass es alles Absicht war und oooooooooorgh! Schreib mir ja weiter es ist einfach zu spannend >-<
Oh und Jubes nicht zu vergessen. Sie tut mir auch so ungemein leid T.T

Alles in einem, wie immer ein wunderbares Kapi! Tolle Stimmung - diese traurige Erotik ist toll. Man will weinen und hoffen und öff. Ich möchte einfach, dass sie endlich zusammen kommen aber steht den Mutanten wohl das Mensch - sein im Wege... ^.-

Ich hoffe du machst bald weiter. Wundervolles FF!
KYRO forever! ;)
:-*
Von:  _Natsumi_Ann_
2011-11-27T16:40:46+00:00 27.11.2011 17:40
Wenn du mir jetzt schön einen bläst und dich dann brav von mir vögeln lässt, dann sage ich es dir vielleicht.


ich liebe es wenn john so dreckig und einfach wie als wäre er unter jungs redet xD hahah zu geil, auch wenn sie jetzt weinen muss ._.

bin mal gespannt^^
Von:  _Natsumi_Ann_
2011-11-27T16:10:27+00:00 27.11.2011 17:10
o.O ich bin echt mal gespannt was da noch abgeht mit den beiden... weil klingt ja ziemlich unfreiwillig iwie xD und wenn john das ausnutzt ist er ja ein arsch aber okay so ist er xD

ich lese mal weiter ^^
Von:  Bernsteinseele
2011-11-18T21:22:01+00:00 18.11.2011 22:22
♥♥♥ Ich liebe diese FF! ♥♥♥
Von:  Kokoro-
2011-11-18T20:28:09+00:00 18.11.2011 21:28
Awww... Ich grade wirklich mit den Tränen kämpfen - kein Witz! Aber ich gehe mal der Reihe nach vor.
Also ich muss sagen ich liebe es wie du Bobby darstellst xD Also einfach dieser Arsch! Und wie du es erklärst ist perfekt - dieses ganze scheinheilige Getue und dass er John so dargestellt hat und echt toll einfach! Ich hab mir schon, als ich ihn das erste Mal gesehen hab, das gleiche gedacht! GÜ! :D
Die Beinahe-Sexszene war ganz schön... huff. Erregend! Ich hab richtig Herzklopfen bekommen, weil es so heiß her ging! SUPER! Alles dank, deinem Schreibtalent - weil ich finde, dass diese kurzen Sätze gut zur Stimmung passen!
Aber umso trauriger war das Ende... wie gesagt, den Tränen nahe. John tut mir so leid, ich will ihn einfach nur knuddeln und es macht alles so spannend! Obwohl wenn er vulgär wird, auch wenn etwas dahinter steckt, will ich ihn schlagen!Mit dem ficken, blasen und vögeln - NA NA! Also "Hut ab" an Kitty, dass sie ihm so eine verpasst hat!

So oder so, war es wie immer ein Hammerkapi! Ich hoffe du findest bald wieder Zeit zu schreiben, das wäre herrlichst, weil du es aber auch zuuu spannend machst!

Hab dich lieb ♥
(Na, ist das mal n Kommi oder was?;) )


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