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Parasomnia Kitten

Schlaf Schön Kleines Kätzchen
von

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Ein Versprechen

5. KAPITEL - Ein Versprechen
 

Wieso hast du Magneto verraten…?
 

John musste bei dem Gedanken an Kitty, wie sie ihm diese Frage immer und immer wieder stellte und ihn dabei aus ihren grossen braunen Augen ansah, leicht schmunzeln. Auch wenn es überhaupt nicht zum schmunzeln war. Nicht einmal annähernd.

Der junge Mann schob die Tür einen Spalt weit auf und spähte auf den Flur. Seine Augen hatten sich längst an die Dunkelheit gewöhnt. Noch immer war niemand zu sehen. Die gleiche Situation wie zuvor, als er den Raum betreten hatte. Er warf einen Blick zurück.
 

Xavier war tot und es war ihm egal.
 

Den X-Men jedoch nicht. Sie hatten das alte Büro ihres Mentors noch immer im selben Zustand belassen. Johns Blick streifte den Rollstuhl, der die Mitte des geräumigen und wohl schönsten Raum des Instituts bildete. Man hatte Ausblick auf das gesamte vordere Gelände des Instituts. Eiligst verliess er den Raum. Er fand ihn unheimlich. Es glich ja fast schon einem Schrein.
 

Magneto war tot und es war seinetwegen.
 

Aber auch das schien ihm egal zu sein. John betrachtete das kleine Notizbuch, welches er in der einen Hand hielt. Es war sorgsam in braunem Leder gebunden und schien geradezu unauffällig. Er blätterte kurz durch die Seiten. Auf seinen Lippen bildete sich dabei ein zufriedenes Grinsen.
 

Er lebte und das war gut so.
 

John öffnete die Tür zu seinem Zimmer und erstarrte. Seine Haltung zeigte, dass er sich ertappt fühlte. Das Notizbuch zitterte. Es fiel zu Boden. Er zitterte.
 

Der Mond schien geheimnisvoll durch die halb zugezogenen Vorhänge des kleinen Zimmers. Der Schein fiel auf die Silouette einer jungen Frau in eine dünnes Nachthemd gekleidet. Jenes mit den niedlichen Mäschchen, die er so gerne aufzog. Sie sass auf dem Bettrand und starrte auf die Wand gegenüber. Schon eine ganze Weile. Schweigend.

Kitty drehte den Kopf zu ihm, als sie ihn hörte. Sie sah ihn an. Der Blick weinerlich, aber sie versuchte stark zu wirken. Und entschlossen. John gab dem Notizbuch unauffällig einen Tritt, sodass es unter sein Bett rutschte. Sie hatte es gesehen.

- Natürlich.

Aber es war ihr egal. So egal, dass sie seine Handlung gänzlich ignorierte und ihm stattdessen weiterhin ins Gesicht. Sie schlief nicht, das sah er. Was sie sagen würde, konnte er ahnen. Wie sie fühlte, wusste er. Er kannte diesen Blick. Er hatte ihn ein einziges Mal gesehen.
 

John war kein besonders schwerer Fall gewesen, was alle Ärzte der psychiatrischen Klinik äusserst überrascht hatte. Eigentlich war man davon ausgegangen, dass man ihn niemals wieder auf freien Fuss setzten würde. Als er Magnetos rechte Hand gewesen war, hatte man ihn als absolut geistestgestörten Mörder wahrgenommen, der auf Befehl Menschen zu Asche verarbeitet hatte. Aber er hatte sich gänzlich ohne die Anwendung von illegalen Methoden sehr kooperativ gezeigt. Er hatte seinen ehemaligen Mentor eiskalt ans Messer geliefert. Wegen der Informationen, die er geliefert hatte, hatte man Magneto nach monatelangem Tappen in der Dunkelheit erwischt, nachdem diesem die Flucht von Alcatraz gelungen war. Er war in Argentinien umgekommen. So hiess es. Bei einer heftigen Verfolgungsjagd war sein Wagen über die Klippen gestürzt und auf den Felsen zerschellt. Manche Verschwörungstheorien unter seinen Anhängen besagen, dass man ihn absichtlich in den Tod getrieben habe, andere sind der Meinung, dass er noch leben würde.

Und John war damit von einem Tag auf den anderen zum meistgehassten Mutanten geworden – was die Anhänger Magnetos betraf. Für die ganze restliche Welt war er ein feiger Verräter.

Noch am selben Tag wurden die ‚Acolytes‘ gegründet. Eine Gruppe von Mutanten, welche Magnetos Sohn Pietro um sich scharte, um das Werk seines Vaters fortzuführen. Jedoch wenden die Acolytes mehr Terror und Guerilla Aktionen an, Pietro hält nichts von den gross angelegten Plänen, die sein Vater früher gemacht hatte.

- Steter Tropfen höhlt den Stein..

Pietro war bei den X-Men aufgewachsen. Lange Zeit hatte er nichts von seiner Verwandtschaft zu einem der mächtigsten Mutanten der Welt gewusst, bis er in Magnetos Gefangenschaft geriet. Xavier hatte es stets vor ihm zu verheimlichen versucht und Erik jegliche Möglichkeit mit seinem Jungen zu sprechen verwehrt. Für die X-Men kam Pietros Abwendung deswegen auch äusserst überraschend. Niemand hatte mit so etwas gerechnet. Ausser Xavier, der es gewusst hatte.

Auch Professor Xavier war nicht der Saubermann gewesen, zu dem seine Schützlinge ihn gerne machten.

Ähnlich wie bei John, nur dass dieser nun beide Seiten verraten hatte. Und noch dazu wehrlos war.

Storm hatte John nicht ohne Grund wieder im Institut aufgenommen. Sie wusste, dass er hier am sichersten war und er wusste es auch.

Und er und Pietro waren mal so gute Freunde gewesen…
 

»Du wirst irgendwann noch bereuen, dass du mir das Leben gerettet hast, Kitten«
 

Sie sah ihn mit genau dem gleichen Blick an, wie jetzt. Den Blick, den er nicht ausstehen konnte. Der Blick, der einem automatisch traurig stimmte. Eine dicke Scheibe aus Plexiglas trennte sie. Sie sahen sich kurz an. Kitty hatte dunkle Ringe unter den Augen. Sie schlief noch immer zu wenig. John konnte sich nur ganz entfernt an das lachende Gesicht des Mädchens ohne dies Augenringe erinnern.

Kitty rang mit sich, bis sie schliesslich den auf der Seite befestigten Hörer ergriff und ihn gegen ihren Kopf hielt. Sie schwieg und sah ihn erwartungsvoll an. Er musste seinen auch nehmen. John hatte die Arme vor der Brust verschränkt und lehnte sich zurück. Von den Sitzen neben ihm waren andere Häftlinge zu hören, welche sich mit ihren liebsten unterhielten.

Sie war keine seiner liebsten. Er hatte keine ‚Liebsten‘.

Noch immer hielt Kitty den Hörer an ihr Ohr, auch wenn inzwischen bereits geraume Zeit vergangen war. John fand es in diesem Raum wesentlich angenehmer, als in seiner Einzelzelle. Freigang hatte er sowieso keinen. Das hier war praktisch besser als Kino, vor allem, wenn sich nebenan über Probleme mit der Morgenlatte und dem Vermissen der Freundin unterhalten wurde. Er musste sich regelrecht beherrschen, damit der gleichgültige Ausdruck nicht zu einem amüsierten Grinsen wurde.

Kitty hielt durch. Seltsames Mädchen. Dämliches Mädchen.

Seine Gerichtsverhandlung war beendet. Schuldig. In allen Punkten. Mildernde Umstände wegen vollständigem Geständnis und Kooperation. Psychiatrische Anstalt auf unbestimmte Zeit. Bei vollständiger Genesung frühzeitige Entlassung möglich.

Er hatte Glück gehabt. Aber eigentlich hatte es mit Glück nichts zu tun.

Morgen würde er in die Anstalt verlegt werden. Damit er psychisch Gesund wurde. Heute war der Termin für seine ‚Körperliche Heilung‘. Deswegen war Storm im Haus und Kitty begleitete die neue Schulleiterin wohl, welche sich jetzt gerade in einem anderen Raum mit unzähligen Beamten herumschlug – unter anderem darüber, ob man das ganze auf Band aufzeichnen dürfe, damit man es heute Abend gross in den News ausstrahlen konnte. Hank an ihrer Seite. Kitty konnte man dort nicht wirklich gebrauchen. Kitty hatte einfach zu viel Zeit. Anders war es nicht zu erklären, dass sie den Hörer noch immer an derselben Stelle hielt.

Nein, mit Glück hatte es wirklich nichts zu tun.

John sah ein, dass sie nicht aufgeben würde und hob schliesslich doch den Hörer ab. Während er sich eine Kippe ansteckte meinte er barsch:

»Wenn Drake dich schickt, dann kannst du dich verpissen!« Es war absolut ernst gemeint und er vermutete, dass sie nur hier war, um ihm ‚Schöne Grüsse‘ – soll heissen: Haha, du sitzt im Knast – vom Iceman auszurichten. Sähe Bobby jedenfalls ähnlich, sich nicht selbst hierher zu trauen.

- Obwohl.. bei seiner Anhörung hatte Iceman im Publikum gesessen, mal ganz abgesehen, dass er Zeuge war.

»Bobby hat damit nichts zu tun…!« Gab Kitty genervt und leicht stockend zurück. Dann redete sie nicht mehr weiter sondern senkte den Blick. Johns Augen verengen sich. Er verfügte für sein junges Alter über einiges an Menschenkenntnis.

- Was ihm keiner zugetraut hätte.

»Drake weiss gar nicht, dass du hier bist!« Stellte John erstaunt fest. Kitty zuckte leicht zusammen, das ‚Ja‘ konnte sie sich danach getrost sparen. John grinste zufrieden. Wenn Bobby wüsste, dass sie hier war, würde er sich wohl verraten fühlen. Aber ziemlich. Und das gab dem Feuerteufel einiges an Genugtuung.

»Das ist jetzt nicht wichtig.« Meinte Kitty zögernd.

»Nein, aber witzig!« Kam es direkt darauf von John. Er lehnte sich lässig zurück und steckte seine Glieder. Vom vielen Herumsitzen wurde man ganz steif. Feixend fügte er an: »Was hast du denn so ‚wichtiges‘ mit mir zu besprechen, von dem Drake nichts mitkriegen soll? Wenn du mir deine unendliche Liebe gestehen willst, bevor ich für immer in die Geschlossene Anstalt gehe, dann kann ich das natürlich verstehen. Du darfst zum Beischlaf einmal pro Woche vorbeikommen.« Er lachte dreckig auf.

- Gott, Sex würde im fehlen…. Er tat sich selbst Leid.

Kitty schnaubte empört und schüttelte angewidert den Kopf. Wenn John wüsste, dass sie inzwischen etwas mit besagtem Iceman am Laufen hatte, würde er wohl auch anders denken. Es war geradezu verlockend, ihn darauf aufmerksam zu machen. Kitty hatte bereits den Mund geöffnet, besann sich dann jedoch eines besseren und schloss ihn wieder. Eine kurze Pause entstand, ehe sie meinte:

»John du bist widerlich!«

»Gerne doch.« Er zuckte mit den Schultern.

»Wieso hast du Magneto verraten?!« Diese Frage kam so direkt und gleichzeitig so unerwartet, dass Johns Augen sich vor Schock weiteten und er sie einfach nur anstarrte. Er wollte wütend werden, aber er konnte es nicht. Der Feuerteufel schluckte. Nun war er es, der den Kopf senkte. Seine Fassade bröckelte. Aber sie durfte nicht bröckeln. Nur ganz kurz, dann hob er den Kopf wieder, der Blick eiskalt.

»Lies die Zeitungen, dann weisst dus!« Meinte er knapp und mit einem Zähneknirschen. Er hatte Magneto verraten, um selbst besser davonzukommen – das dachte jeder, also musste es doch so sein. Das stand überall und das hörte man überall.

- Was für eine Frage sollte das denn bitteschön sein?!

Kitty schüttelte entschieden den Kopf. Ein mattes Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Noch ein Kopfschütteln.

»Nein, nein das kann nicht der Grund sein, und das weisst du genau!« Stellte sie entschieden fest. John war überrascht von der Sicherheit in ihrer Stimme. Er war überrascht, dass sich dieses Mädchen über so etwas Gedanken machte. Eigentlich sollte sie sich freuen.

- Jubilee...

»Mal ganz abgesehen davon, dass es dich einen feuchten Dreck angeht ist es aber so. Find dich damit ab und hör auf, mir auf die Nerven zu gehen. Das tun hier schon viel zu viele Leute.« Er überlegte, den Hörer aufzulegen. Aber er tat es nicht.

»Magneto ist deinetwegen tot, das kann dir nicht egal sein!« Ereiferte Kitty sich und drückte dabei eine Hand gegen das Plexiglas. Er betrachtete sie. Die zarte Haut, die kleinen Finger. So zerbrechlich, so schwach. John drückte seine Kippe auf ihrer Handfläche aus. Natürlich spürte sie nichts davon wegen dem Glas, aber seine Geste war eindeutig.

- Wie konnte er nur...

»Ist es aber.« Gab er trocken zurück. »Genauso wie mir egal ist, was du denkst und was der Rest der Welt denkt. Mein Leben halte ich für wichtiger, als seins.«

»Magneto war für dich wie Xavier für mich! Es kann dir nicht egal sein!« John schluckte. Langsam wurde es schwierig mit der Körperbeherrschung. Seine Gesichtszüge zuckten. Das hatte jedoch nur zur Folge, dass sein Ausdruck nur noch desinteressierter wurde.

»Woher willst du das wissen?! Ich bin nicht wie du und heule Leuten hinterher. Es ist vorbei und jetzt hör auf, mich zu nerven!« Er legte noch immer nicht auf.

»Wenn es dir egal wäre, dann würdest du schon längst nicht mehr mit mir reden…« Stellte Kitty fest. John hatte ihre Menschenkenntnis wirklich unterschätzt.

»Ah, da liegt das Problem. Bitteschön.« Er knallte den Hörer auf die Gabel. Sie hielt ihren noch immer gegen ihr Ohr. John funkelte sie wütend an und erhob sich. Er wollte gehen, aber sie hielt den Hörer noch immer. Er drehte sich um. Schliesslich liess er sich wieder auf seinen Stuhl sinken und hob ab.

»Wieso interessiert dich das?« Eine kurze Pause, ehe er leiser meinte: »Ich bin ein feiger Verräter, der die Seiten wechselt, wenn es ihm gerade passt. So einfach ist das.« Wieso fragte sie ihn so etwas. Wieso durchschaute sie ihn. Das durfte nicht sein. Auf keinen Fall.

Kitty zuckte mit den Schultern, ehe sie meinte:

»Na schön, wenn du das sagst. Ist eigentlich sowieso auch nicht der Grund, weshalb ich hier bin.«

- Ach, das war also erst der Small Talk gewesen?! Die hatte vielleicht Nerven…!

Sie atmete tief durch. Man sah, dass sie nervös war. Kitty war nicht sicher, ob man ihn in der psychiatrischen Anstalt überhaupt besuchen durfte, deswegen hatte sie Storm heute einfach begleiten müssen. Sie musste ihn einfach fragen. »Ich habe seit einiger Zeit immer den gleichen Albtraum. Ich kann mich aber wenn ich aufwache nicht mehr daran erinnern – aber ich weiss, es muss immer derselbe sein..« Sie wurde immer stockender mit ihren Worten. Unsicher sah sie ihn an. »Aber manchmal denke ich beim Aufwachen an dich… Ich.. ich kann mir einfach keinen Reim darauf machen..« Weiter sprach sie nicht. Im Nachhinein gesehen fiel ihr auf, wie unglaublich dämlich sie gerade klingen musste. Sie biss sich auf die Lippen. Den Blick hatte sie inzwischen beschämt gesenkt. Erst als John unnatürlich lange schwieg hob sie den Kopf. Sein Blick wirkte seltsam irritiert. Es schien gar so, als würde er sich ernsthaft Gedanken darüber machen. Doch schliesslich meinte er in arrogantem Tonfall:

»Ich glaube, die sollten dich statt meiner in diese Irrenanstalt einweisen lassen!« Kitty funkelte ihn wütend an. Sie fuhr mit ihrer Hand durch das Plexiglas und gab ihm einen Klaps gegen den Kopf. Er versuchte ihre Hand festzuhalten, aber sie phaste Sich sogleich wieder durch das Glas. John fluchte.

Beide schwiegen sie. Aber trotzdem legte keiner von ihnen den Hörer auf.

»Ich kann dir nicht sagen, wieso ich Magneto verraten habe… Aber eine Sache kann ich dir versprechen.« Der Feuerteufel beugte sich zu ihr vor – was keinen Unterschied machte, denn das Glas war ja noch immer zwischen ihnen. »Irgendwann wirst du es bereuen mir das Leben gerettet zu haben.« Er klang irgendwie bitter, wenn nicht gar traurig. Kitty konnte sich nicht erklären wieso. Aber John wusste, was für ein Mensch er war und er wusste, was sie für ein Mensch war. Und er wusste auch, dass sie ihn nur aus den besten Absichten heraus gerettet hatte. Weil sie keinen Menschen einfach sterben lassen konnte. Sie war ein herzensguter Mensch. Aber er wusste auch ganz genau, wie er war…

Kitty sah ihn entgeistert an. Es machte sie gerade sprachlos. Das war praktisch ein Versprechen, dass er sich nicht ändern würde. Auch wenn er das bei der Verhandlung fast unter Tränen geschworen hatte. Auch wenn er gesagt hatte, dass er alles bereute und es ihm Leid tat, so war das nur ein Versprechen dafür, dass er gelogen hatte. Dass er immer derselbe sein würde, egal wie er sich gab. Dass er ein verdammt guter Schauspieler war…
 

Genau aus diesem Grund hatte Kitty John seit seiner Ankunft am Institut misstraut.

- Wobei nun war sie immer mehr dazu versucht, ihm zu trauen…

Der König der Lügner…
 

»Erstmal musst du hier rauskommen!« Keuchte Kitty atemlos. »Und das wird niemals passieren!«

»Wollen wir wetten…?« Gab John mit einem siegessicheren Grinsen zurück. Kitty schüttelte ununterbrochen den Kopf. »Aber bitte, wenn du dann ruhig schlafen kannst… Vielleicht komme ich wirklich nicht mehr hier raus.« Er zuckte mit den Schultern. Was für eine äusserst miese Anspielung auf ihre Albträume, die sie zuvor erwähnt hatte. John fügte mit diabolischem Grinsen an: »Wahrscheinlich aber schon…!« Kitty schwieg. Er war unglaublich. Wie konnte ein Mensch so egoistisch sein und so kalt.

Sie würde nicht ruhig schlafen können. Aber nicht seinetwegen.

»Du hast es geschafft. Ich glaube dir, dass dir Magnetos Tod egal ist.« Meinte Kitty mit erstickter Stimme. »Er ist nicht einmal mir egal!« Ihre Stimme war hoch und zitterig. Es war ihr wirklich nicht egal, obwohl sie keine sonderlich positiven Gefühle gegenüber Magneto gehabt hatte. Und doch hätte es nicht sein brauchen. »Xavier hätte das nicht gewollt…« Sie war sich sicher. »Wie kannst du nur so grausam sein..« Ihre Augen waren glasig.

»Meine Mutter hat mich nie geliebt…! Mein Vater auch nicht.« John formulierte es äusserst sarkastisch, sodass sie es sicher kapierte. »Tut mir Leid, Kitten, dass ich mein Leben für weitaus wichtiger halte, als das des alten Tattergreises.« Die letzten Worte musste der Feuerteufel regelrecht hervorwürgen. Aber er war wahrlich ein guter Schauspieler. Sie sah ihm nichts davon an. Alles was sie sah, war das überlegene Grinsen.

»Du wirst ab heute ein Mensch sein. Ohne Fähigkeiten. Und das war der einzige Sinn, den du in deinem Leben hattest!« Jetzt waren Kittys Worte hart und kühl. John blinzelte. Sie besass die unglaubliche Frechheit, das Thema anzusprechen und gegen ihn zu verwenden. Wollte sie ihn etwa zwingen, zu bereuen…?

Erneut entstand eine unangenehme Stille zwischen ihnen. Kitty starrte ihn an. Zitterte dabei. Er sah sie an. Eigentlich wollte er wütend blicken, hasserfüllt. Aber es gelang ihm nicht mehr. Sein Blick war beherrscht von Ausdruckslosigkeit.

»Darf ich dich um einen Gefallen bitten…?« Meinte John, nachdem er einige Zeit geschwiegen hatte und Kitty schon wieder den Kopf gesenkt hatte. Diesmal, weil sie sich schuldig fühlte, so harsche Worte verwendet zu haben.

»Vielleicht.« Meinte sie leise immer noch zitternd.

»Es ist der letzte Wunsch eines Verdammten…?« Fügte John an.

Kitty nickte, schwieg aber.

»Küsst du mich noch ein einziges Mal?« Sie zuckte zusammen, als sie diese Worte hörte. Traute ihren Ohren nicht und sah ihn dann verwundert an. Sie zögerte und musterte ihn. »Bitte..« Fügte John leise hinzu. Nicht nur Magneto und seine Kräfte waren ein Sinn in Johns Leben gewesen. Das musste Kitty ja nicht unbedingt wissen – ahnen hätte sie es schon länger können. »Um der guten alten Zeiten willen.« Und weil es ihn damals schon in Höchststimmung versetzt hatte. Und weil es das sein würde, was ihn die Tortur, seine Kräfte zu verlieren überleben lassen würde.

Es war ihm ganz und gar nichts egal. Nichts von alledem. Er log nur gerne und er musste es.

Sie war ein herzensguter Mensch.

Kitty lehnte sich langsam vor, bis ihr Gesicht durch das Plexiglas kippte. Die Wärter waren sowieso nicht sonderlich aufmerksam. John berührte sanft ihre Wange. Strich über die zarte Haut. Sie küsste ihn vorsichtig. Auch dieses Mal wusste sie nicht, wieso sie es tat. Sie schob es auf Mitleid. Aber im Grunde genommen wollte sie ihn küssen, weil sie damit rechnete, ihn niemals wieder zu sehen. Und dass sie nach ihren Albträumen jeweils oft an ihn denken musste war doch ziemlich seltsam. Eine Gänsehaut bildete sich über ihrem Rücken, als John den Kuss weiterführen wollte. Kitty riss sich entschieden von ihm los und zog sich keuchend auf die andere Seite des Plexiglases zurück.

John lächelte sie an. Sie lächelte kein bisschen.

»Kommst du mich irgendwann einmal besuchen..?« Fragte John leise.

Kitty schüttelte den Kopf und meinte dann knapp und tonlos: »Nein.«

Es war besser so. Für sie, für ihn, für beide. Und für alle anderen. Trotzdem musste sie aus irgend einem Grund lächeln.

»Kitty, kommst du?!« Das war Storms Stimme. Die zierliche Mutantin fühlte sich regelrecht ertappt, sodass sie den Hörer fallen liess. Kitty erhob sich hastig und wollte gehen. Sie warf nur noch einen Blick zurück. John hatte den Hörer immer noch nicht aufgelegt. Kitty blieb stehen, zögerte, und hob ihn schliesslich wieder an ihr Ohr.

»Lass dich bloss nicht von anderen verändern. Wehe dir, wenn du nicht mehr so lächelst, wenn wir uns das nächste Mal sehen.« Ihr Lächeln wurde breiter, aber auch trauriger. John lächelte ebenfalls. Sie liess den Hörer langsam sinken, antwortete dann aber trotzdem:

»Wir werden uns aber nicht mehr wiedersehen.«John sah zwar nur, wie die Lippen der Braunhaarigen sich bewegten, aber er konnte sich denken, was sie gerade gesagt hatte. Er zuckte mit den Schultern. Eigentlich war es ihm doch auch egal…

- Oder?
 

Am darauffolgenden Tag war Kitty erstmals nach Monaten, in denen sie sich in ihrem Zimmer verkrochen hatte, wieder zur Schule gegangen. Nach dem Angriff auf das Institut an den sie sich nicht mehr erinnern konnte hatte sie niemanden an sich ran gelassen. Anfangs nur Lance, in dessen Armen sie nach dem Angriff sicher aufgewacht war. Später Bobby, dann immer mehr. Aber sie war noch immer nicht dasselbe Mädchen gewesen, wie zuvor.

Es war, als hätte ihr dieses eine Treffen, die Worte des Feuerteufels, ja vielleicht sogar dieser eine Kuss – sie hätte es abgestritten – mehr Leben eingehaucht, als die gesamte Beziehung zu Lance.
 

Sie hatte nicht mehr so gelächelt, wie damals.

- Auch wenn sie sich wirklich bemüht hatte… Seltsam.

Und damals hatte sie schon nicht mehr so gelächelt, wie zu dem Zeitpunkt, als John sie kennen gelernt und sich sofort in ihre Art verliebt hatte.

- Mona Lisas Lächeln

Jetzt lächelte sie auch nicht. John war sich nicht sicher, ob sie sogar geweint hatte.

- Wie lange sie wohl schon hier sass?

John nervös. Kitty ruhig. Er nervös, weil er hoffte, dass sie keine Fragen bezüglich dessen stellte, was ihm aus der Hand gefallen war. Würde sie aber auch nicht. Seine Nervosität war unnötig. Es war ihr egal. Er rührte sich nicht, wartete auf etwas von ihr. Es kam nichts. Schlussendlich flüsterte er leise:

»Du schläfst nicht, und doch bist du wieder da…?« Es überraschte ihn wirklich – mal ganz abgesehen von dem anfänglichen Schock, bei etwas ertappt worden zu sein. Ihr Gesicht blieb reglos. Langsam hauchte sie:

»Bobby hat Lance alles erzählt..« Ein Stocken. »Alles erzählt über Samstag.« Mehr sagte sie nicht. Ihre Augen wirkten weinerlich. Mal ganz abgesehen davon, dass sie gerötet und angeschwollen waren. Sie musste lange geweint haben. Es hätte ihm egal sein sollen, aber es tat ihm Leid.

»Schönen besten Freund hast du da… Aber genauso kenne ich Bobby.« John wollte eigentlich nicht mies sein, aber es war automatisch. Ausserdem er kannte es tatsächlich von Bobby. Es war früher ganz genauso gewesen. Kitty fuhr sich unwirsch über ihre Augen. Nein, das hatte er nicht gewollt. Er hatte nicht verletzend sein wollen, und doch war er es. Wenn sie schlief dann konnte er es doch auch. Also, ‚Nicht verletzend sein‘. Wieso wurde er jetzt automatisch so, wie er immer war. John fügte an:

»Und ich wiederhole mich: Und doch bist du wieder da?!« Wieso… »Kannst wohl einfach nicht genug von mir kriegen..« Er biss sich auf die Lippen. Er durfte nicht nett sein. Er war nicht nett. Niemals. Zumindest nicht, wenn sie sich danach daran erinnern konnte.

»Aber Bobby hat ja recht.. in allem. Ich meine.. ich bin hier.. Ich weiss nicht.. Ich weiss es doch nicht, wieso ich wieder hier bin.. Ich weiss nicht, wieso ich das tue.. ich weiss nicht..« Sie redete wirr, brach ab. Ihre Stimme versagte gerade und wich einem Wimmern. Er blieb unbewegt. Sie sah wieder zu ihm hoch und fügte leise und von Schluchzern unterbrochen an: »Zu wem sollte ich sonst gehen…? Ich kann nicht mit den Leuten reden, denen ich am meisten vertraue, mit wem sonst…« Johns Augen weiteten sich. Sie redete mit ihm, obwohl sie nicht schlief. Sie erwähnte es im Zusammenhang mit den Leuten, denen sie am meisten vertraute.

- Vertraute sie ihm also auch bewusst und nicht nur, wenn sie schlief.. wenn auch nur ein kleines bisschen?

»Mit meinem Freund kann ich nicht darüber reden…« Sie strich sich einige Tränen aus den Augen. »Mit meinem besten Freund will ich nicht mehr darüber reden…« Sie sah John an. »Und Jubes redet nicht mehr mit mir… Wegen..« Kitty redete nicht weiter.

»Ich weiss.. « John betrachtete das Häufchen Elend vor sich. »Die Abtreibung…« Meinte er leise. Kitty presste ihre Lippen aufeinander und nickte dann in Resignation.

»Ach.. das habe ich dir auch erzählt. Gut zu wissen.« Sie strich sich ihre Haare hinter die Ohren.

»Du hast sie begleitet. Hast gesehen wie das fröhliche Mädchen in den Raum ging und wie sie so herauskam, wie sie jetzt ist. Ein Schatten ihrer selbst..« Führte John Kittys Satz für sie weiter. Sie liess ihn nicht ausreden, denn im nächsten Moment war die zierliche Mutantin aufgesprungen und stand vor ihm. Sie begann ihn zu schlagen, während sie brüllte:

»Das ist alles nur deine Schuld!!! Du hast Magneto verraten. Deinetwegen ist Magneto tot.. Deinetwegen ist Pietro gegangen!!! Alles nur deinetwegen!! Sie wollte es ihm erzählen! Sie wollte es behalten!! Aber er ist gegangen…!! Sie hatte keine Gelegenheit dazu…« Sie schlug ihn, so heftig, wie sie es nur konnte. Es machte ihm nichts aus. Sie weinte. Ihre Stimme überschlug sich. John packte sie und hielt sie fest, aber sie hörte nicht auf.
 

Das war Kitty. Das war wirklich Kitty. Das war bewusst Kitty und nicht unbewusst. Sie hatte immer wissen wollen, wieso er Magneto verraten hatte. Er hatte stets geglaubt, sie wolle ihn damit ärgern. Sie hatte es stets so formuliert, als würde sie es einfach wissen wollen, weil es sie neugierig machte. Sie hatte sich niemals anmerken lassen, dass es noch einen tiefgreifenderen Grund hatte.

- Sie liess sich im allgemeinen nichts anmerken.

Und sie hatte es nichteinmal während sie schlief durchblicken lassen.

Kitty hatte wissen wollen, wieso er Magneto verraten hatte, weil es der ausschlaggebende Grund dafür gewesen war, dass Pietro die X-Men verlassen hatte um das Erbe seines Vaters anzutreten. Der Grund für Jubilees Abtreibung. Der Grund, dass ihre beste Freundin innerlich gestorben war.

- Wie konnte sie bloss so selbstlos sein, wo sie doch selbst am meisten durchgemacht hatte…

Er war blind gewesen und hatte geglaubt alles über sie zu wissen…
 

»Du..du bist Schuld. Deinetwegen habe ich Streit mit Bobby.. Deinetwegen.. Lance…Er.. ich..!!« Sie schlug ihn noch immer. Sie lenkte von Jubilee ab. Das war Absicht. Er merkte es. Johns Umarmung wurde enger. Aber er vergass ihre Zerbrechlichkeit keinen Moment lang.

»Du hast Recht.. es ist meine Schuld.« Hauchte John ihr leise ins Ohr und ja, er meinte es wirklich so, wie er es sagte. Sie vergrub ihr Gesicht in seiner Brust. Sie war viel zu müde um ihn zu schlagen. Viel zu müde. Sie hatte schon viel zu viel mit Lance diskutieren müssen. Sich rechtfertigen. Lügen. »Und es tut mir Leid.«

Kurze Zeit standen sie so.

John machte sie wieder zu einer Lügnerin.

Kitty stiess ihn von sich. Sie brachte etwas Distanz zwischen sich und den ehemaligen Feuerteufel. Solche Worte aus seinem Mund. Sie musste sich verhört haben. Kitty lächelte leicht. Aber kein glückliches Lächeln. Nicht das Lächeln, dass er liebte.

»Du weisst, dass das nicht wahr ist. Du lügst schon wieder…« John sah sie an. Irgendwie konnte man bei ihr auch nur alles falsch machen. »Ich wünschte es wär so.. aber du weisst genau, dass ich selbst Schuld bin.« Sie redete schon lange nicht mehr von Pietro oder Jubilee. Sondern von Samstag, von dem Streit mit Bobby, mit Lance…

Kitty liess sich zurück auf das Bett sinken und schluchzte erneut. Dann sah sie zu John hoch und meinte tonlos: »Wieso.. wieso verdammt schlafe ich mit dir. Wieso tue ich all diese Dinge. Erklär mir das. Bitte..!« Sie klang so verzweifelt. »Ich meine.. so geil kann der Sex mit dir nun auch wieder nicht sein.«

- Oh… ihm wären tausend Dinge eingefallen, die man darauf hätte erwidern können. Verlockend. Er wusste nicht, was ihn daran hinderte es auszusprechen. Was dafür sorgte, dass Ruhe herrschte. Vielleicht die Tatsache, dass er wusste, dass sie es momentan nicht mehr vertragen hätte. Stattdessen liess er sich neben ihr nieder.

Schon wieder unangenehme Stille. Einzig durch ihr Atmen unterbrochen, welches aufgrund des Weinens lauter war als normal.

»Du hattest genau das gleiche an wie jetzt..« Süsse Mäschchen. John begann. Kitty stockte und drehte den Kopf halb zu ihm. John fuhr sich durchs Haar. Ihr fiel auf, dass er das öfters tat, wenn er verlegen war. »In der Nacht damals, als ich wieder im Institut war.« Kittys Augen wurden gross. Er legte gerade seine Karten auf den Tisch. Karten, in die er sich bis anhin praktisch nicht hatte blicken lassen – ausser wenn er sie hatte ärgern wollen. Ihre Mundwinkel wurden automatisch zu einem Lächeln verzogen.

Vielleicht war er endlich einmal ehrlich…

»Du standest plötzlich einfach so vor mir und hast dich bedankt.« Erzählte John weiter. Kitty runzelte die Stirn.

»Wofür…?« Sie stockte und ihre Augen verengten sich. »Und ich dachte, du würdest einmal ehrlich sein!« Die Enttäuschung war ihr anzusehen.

»Was denn?!« Fuhr John sie an. »Dafür, dass ich dir das Leben gerettet habe! Das ist nun mal die verfickte Wahrheit, die du wolltest!!! Was zur Hölle erwartest du denn noch von mir?!« Kitty verstummte. Sie musste wieder schmunzeln. Sie glaubte ihm zwar nicht, aber sie musste trotzdem schmunzeln.

Er legte weitere Karten auf den Tisch.

»Von da an kamst du eigentlich jede Nacht zu mir. Lange Zeit haben wir nur geredet. Über unwichtige Dinge, aber auch über wichtige. Das ganze mit dem Sex.. das ist einfach.. irgendwann passiert. Ich weiss doch auch nicht…« Er zuckte etwas hilflos mit den Schultern. Schon wieder fuhr er sich durchs Haar. Er war wirklich verlegen…

Jetzt war sein Haar vollkommen zerzaust. Einige Strähnen hingen ihm gar ins Gesicht. Kitty streckte langsam ihre Hand aus.

Das war sie, die Wahrheit. Das sagten zumindest seine Augen. Kitty wollte ihm glauben, aber sie konnte nicht. Lance war ihr Licht in der Dunkelheit gewesen und sie wollte, dass es noch immer so war. Trotzdem lächelte sie. Wie früher.

Kitty strich ihm sanft eine der Strähnen aus dem Gesicht. In der Bewegung hielt sie inne und musterte sein Gesicht. Es wirkte jung, es sagte nichts darüber aus, was er alles bereits hinter sich hatte. Nur ein wenig hatten sich von seinem Grinsen kleine Fältchen gebildet. Die sah man aber nur, wenn man wirklich genau hinsah.

»Willst du damit sagen, dass Lance mich Jahrelang angelogen hat, John?« Ihrer Stimme war anzuhören, dass sie ihm nicht glaubte, dass diese Frage keineswegs ernst gemeint war. Sie war so sanft und weich. John konnte es gar nicht überhören. Deswegen ging er auch gar nicht darauf ein. Denn das wollte er nicht hören.

Er hatte so viele Karten offen gelegt. Zu viele.

John strich über ihre Wange, ihren Hals entlang, über ihr Dekolleté zu der grössten Masche, welche den Beginn des dünnen Nachthemds, das in einem sanften rosa gehalten war, markierte. Sie befand sich oberhalb von Kittys bescheidenen, aber doch süssen Rundungen. Er strich über den glänzenden Stoff.

»Ich liebe es, diese Masche zu öffnen.« Das war alles, was er darauf zu erwidern hatte. Der ehemalige Feuerteufel sah ihr nicht in die Augen. Eigentlich sah er nirgens hin. Sie würde nicht verstehen, wie er das meinte. Obwohl sie ihn sonst so gut verstand. Aber das war Kitty, nicht schlafend.

Sie würde verstehen, dass er es liebte, mit ihr zu schlafen. Aber es war seine Art zu sagen, dass er sie liebte. Das würde sie nicht verstehen. Das hatte er ihr auch nicht gesagt, während sie schlief.

»Liebt er es auch…?« John hob langsam den Kopf. Dabei zog er gleichzeitig langsam an der Masche.

Sie schwieg. Das war normal. Aber sie tat gar nichts. Und das sagte alles.

- Scheisse nur, dass er bereits wusste, was sie ihm gleich sagen würde. Scheisse nur, dass er von Anfang an gewusst hatte, wieso sie hier war. Scheisse nur, dass er nichts dagegen tun konnte. Und scheisse, dass es ihm nicht egal war!

John hatte die Masche ganz aufgezogen. Sie hatte das dünne Nachthemd zusammengehalten. Nun fiel es zu beiden Seiten schlaff an ihrem schlanken – fast schon kränklich dünnen.. – Körper herunter. Die Anfänge ihrer Brüste waren zu erkennen – wobei diese noch halb bedeckt waren – ihr Bauchnabel. Das zum Nachhemd passende Höschen. Auch mit Mäschchen. Sie tat noch immer nichts dagegen.

John lehnte sich langsam vor. Es hatte noch mehr Mäschen. Zwei über ihrer Schulter, welche die dünnen Träger bildeten. Er fuhr zu der einen Masche. Sie drehte den Kopf in dieselbe Richtung, aber tat noch immer nichts. Er küsste sanft ihren Hals. Ein Zittern ging durch ihren Körper. Er war nicht sicher, ob sie ihn vielleicht nicht doch verstand. Vielleicht würde sie ihm doch nicht das sagen, womit er rechnete. Wovon er wusste. Die Hoffnung darauf wirkte geradezu beflügelnd, liess ihn sie noch einmal auf den Hals küssen. Kitty sog hörbar die Luft ein.

»Du schreibst wieder?« Meinte sie dann plötzlich. Kitty lenkte ab. Wie immer. John lehnte sich gegen ihren Hals

»Hm..?« John spielte an den Bändchen der Masche herum.

»Das Notizbuch…« Er erstarrte und rappelte sich auf. Wieder fuhr der ehemalige Feuerteufel sich durch die Haare. Dieses Mal nicht verlegen sondern nervös. Kitty musste schmunzeln. »Muss dir nicht peinlich sein.« Fügte sie an. Innerlich atmete er auf. Sie dachte, dass er das Büchlein so schnell hatte verschwinden lassen, weil er sich dafür schämte. John musste auflachen.

Er hatte einige Karten aufgedeckt.

Liebe gutgläubige herzensgute Kitty.

Aber er war John Allerdyce. Natürlich spielte er mit gezinkten Karten.

Johns Hände fuhren an ihre Taille und er zog sie näher zu sich, halb auf sich. Sie tat noch immer nichts dagegen. Stattdessen fand ihr Blick seinen. Sie liess nicht zu, dass er ihn abwandte. Dann meinte sie leise:

»Lance hat mich nicht angelogen…!« Kitty machte sich also doch allen ernstes Gedanken darüber. Das erstaunte ihn. John hielt inne. Es klang wie eine Frage, obwohl es ganz klar eine Feststellung sein sollte.

»Und doch bist du hier…!« Stellte John fest. Ihre Augen weiteten sich und sie zuckte merklich zusammen. Kitty schien zu bemerken, was sie gerade tat. Er wusste, dass es vorbei war, er wusste, dass sie ihn nicht verstanden hatte. Er liess seine Hände sinken. Kitty erhob sich. Sie tapste etwas von ihm weg. Schon wieder waren ihre Augen feucht geworden.

»Ja.. jetzt fange ich sogar an, hier zu sein, wenn ich nicht einmal schlafe..« Das war mehr zu sich selbst. Dann meinte Kitty entschlossen: »Ich.. ich werde zu Lance ziehen… Es ist besser so.«

John hatte es gewusst. Deswegen war sie hier. Nur deswegen. Er hatte es gewusst, weil sie es ihm bereits gesagt hatte. Und doch versetzte es ihm einen tiefen Stoss ins Herz. Ihm, John Allerdyce, dem es eigentlich egal sein sollte.

Kitty wollte wie immer eiligst aus dem Zimmer stürzen. Sie drehte sich bereits um und setzte sich in Bewegung. Es war ihr dabei egal, dass das Nachthemd zur Seite rutschte und ihre nackte Haut entblöste. Kannte er ja alles. Sie wollte nur weg.

»Du lässt sich von ihm verändern...« Ein Satz in den Raum. Sie wusste, es stimmte. Sie erinnerte sich an seine Worte von damals. Jetzt wollte sie erst Recht einfach nur weg.

Doch dieses Mal liess John sie nicht einfach gehen. Mit einem Satz war er auf den Beinen und hatte sie am Arm gepackt. Er riss sie herum. Aber nur so heftig, weil er nicht wollte, dass sie sich gleich wieder phaste. Er hielt ihre beiden Handgelenke und presste sie gegen seine Brust. Sein Herz hämmerte wie wild. Sie müsste es spüren können. Aber es war ihm momentan egal.

»Du weisst, dass dich das nicht glücklich machen wird…!« Meinte der ehemalige Feuerteufel eindringlich. Sie versuchte sich loszureissen. Er hielt sie fest. Wenn sie wirklich weg gewollt hätte, dann hätte sie sich gephast. Das wussten sie beide.

»Woher willst du wissen, was mich glücklich macht..?!« Hauchte Kitty. Die zierliche Brünette hatte keine Kraft mehr um zu brüllen, und eigentlich wollte sie auch gar nicht brüllen. Eigentlich wollte sie ihn küssen, eigentlich wollte sie ihm glauben. Aber Lance hatte ihr das Leben gerettet, sie konnte nicht ohne ihn. Sie konnte ihn nicht verlieren, sie konnte ihn nicht loslassen. Dann war sie ganz alleine. Sie konnte John nicht glauben, denn ihm konnte sie nicht vertrauen.

- Und Kitty war so müde… Kein Wunder, dass sie in den letzten Tagen ab und an ungewollt eingenickt war…

Lance hatte ihr keine Wahl gelassen, das wusste John. Das hatte sie ihm erzählt. Er hatte sie vor die Wahl gestellt. Entweder sie zog zu ihm nach New York City in seine kleine Wohnung, oder aber es war aus. Kitty hatte John ihre Entscheidung als sie schlief nicht mitgeteilt, aber er hatte es sich denken können. Er kannte sie. Er wusste, dass sie ihm nicht glaubte und er wusste, dass es eigentlich besser so war.

»Du hast es mir gesagt.« Meinte John und liess sie los.

Es war besser so. Sie hatte Recht. Ihm konnte man auch nicht glauben. Das stimmte.

Kitty sah ihn entgeistert an. Sie schien vergessen zu haben, dass sie eben noch hatte den Raum verlassen wollen. Auch, dass sie halbnackt vor ihm stand, obwohl sie die ganze Zeit beteuerte, einen anderen zu lieben.

»Du sagtest, um glücklich zu sein bräuchtest du eigentlich nur eines. Mich.« Kittys Gesichtszüge zuckten. John wollte nicht, dass sie weinte. Aber er wollte auch nicht, dass sie ging. »Dass du, obwohl der Angriff auf das Institut schrecklich gewesen ist trotzdem froh bist, weil du dadurch mich gesehen hast. Wirklich gesehen hast, wer ich bin.« Kitty schluckte und senkte den Blick. Sie wollte ihn nicht ansehen. »Dass du dir deswegen eigentlich nicht wünschen würdest, dass es nie passiert ist, aber dass du dir wünschtes, wir könnten in einer anderen Welt einfach glücklich zusammen sein, ohne irgendwelche Probleme mit Menschen und anderen Mutanten.«

Aber es war besser so.

Er hatte gesagt, dass sie gesagt hatte, dass sie ihn liebte. Sie wusste nicht, was sie glauben sollte. Sie wusste nicht was sie fühlte. John wusste, dass es nicht gut war, was er tat. Für ihn, für sie. Für beide. Aber er konnte nicht anders.

»Und… liebst du mich?« Ihre Stimme war klar und deutlich.

- Erstaunlich!

Eine einfache und direkte Frage. Jetzt sah sie ihn an, aber er sie nicht mehr. Kitty nickte leicht. Das war die bittere Gewissheit. Sie band die Schleife wieder zu einem Mäschchen.

Kitty hatte ihn verstanden.

Aber weil er jetzt schwieg, weil er jetzt nichts sagte, glaubte sie, dass er lediglich den Sex mit ihr liebte.

»Siehst du. Es kann nur besser werden und wenn ich nicht immer Nachts mit dir schlafe wird es das!« Harte Worte. John sah sie noch immer nicht an. Er tat, als wäre es ihm egal. Das hätte er von Anfang an tun sollen.

Kitty drehte sich um und ging zur Tür. Diesmal hielt er sie nicht zurück, was sie verletzte, diesmal meinte er lediglich:

»Du wirst nicht glücklich sein…« Sie blieb stehen und antwortete, ohne sich umzudrehen:

»Das bin ich auch jetzt nicht, obwohl du da bist.. oder?« John war oftmals mies, Kitty nicht. Aber wenn sie einmal mies war, dann dafür richtig. Erstaunlich, wie sie in diesem Momenten so vernichtende Worte finden konnte. Es schnürte ihm den Hals zu, nahm ihm die Luft aus den Segeln, nahm ihm jegliche Hoffnung, liess ihn sich selbst nicht mehr glauben…

Er blieb unberührt. Sie ging.

John stand kurze Zeit ohne Regung. Er kannte sie. Aber eigentlich nur, wenn sie schlief. Bis anhin hatte er geglaubt, sie ganz zu kennen. Aber es gab scheinbar noch weitaus interessantere Seiten an ihr, die er noch kaum kannte.

Plötzlich kam Bewegung in seinen Körper und er kramte das kleine Notizbuch unter dem Bett hervor. Er blätterte mit einem wahnsinnigen Blick darin. Xaviers Handschrift war sauber, weshalb das lesen kein Problem war. Es standen lauter Zahlen und Codes darin. Unter anderem Xaviers Konto. Alles wichtige eben.

Auf einer Seite stoppte John. Es war das Foto einer jungen Frau eingeklebt. Sie hatte rotbraunes zerzaustes Haar und sah mit einem wahnsinnigen Blick in die Kamera.

Pietro hatte lange Zeit nicht gewusst, dass Magneto sein Vater war. Xavier hatte es stets vor ihm geheim gehalten. Aber dass er auch noch eine Zwillingsschwester hatte, davon hatte nicht einmal Magneto gewusst. Bis Xavier es ihm kurz vor seinem Tode gebeichtet hatte. Selbst ein Mann, der sein ganzes Leben lang mit etlichen Lügen gelebt hatte, konnte diese schrecklichen Geheimnisse nicht mit ins Grab nehmen.

Wanda Maximoff.

Eine überaus mächtige Mutantin, die die Fähigkeit besass, die Realität zu verändern. Xavier hatte sie weggesperrt, weil sie ihm zu gefährlich geworden war. Jean hatte er psychisch weggesperrt. Wanda physisch. Er war nicht de Saubermann gewesen, für den ihn seine Schützlinge gehalten hatten.

John versah die Seite mit einem Eselsohr und verstaute das Notizbuch dann sicher zwischen Matratze und Laken.

»Es ist besser so…« Kitty hatte Recht.

Xavier hatte Wanda weggesperrt. In eine psychiatrische Anstalt für besonders schwere Fälle – Mutanten. Wo man die besonders schweren Fälle ganz gerne unter starke Medikamente setzte, um sie ruhig zu stellen.

Das Notizbuch enthielt sämtliche Informationen über Scarlet Witch. Auch die Codes, die man benötigte, um ihre Entlassung zu bewirken. Xavier hatte sich gut abgesichert. Zu gut, dieser Mistkerl. Er hatte gewusst, was ihm zustossen würde, wenn sie jemals auf freien Fuss kam. Deshalb die Sicherheitscodes.

John hatte zwei Jahre seines Lebens in einer psychiatrischen Anstalt für besonders schwere Fälle verbracht….



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  _Natsumi_Ann_
2012-01-28T21:33:39+00:00 28.01.2012 22:33
ich komm gar nicht mehr mit xD
warum kann sich kitty nicht erinnern?
und warum sagt john ihr nicht einfach alles ? O.o

man man man...
ich hoffe du sagst mir was wenn ich iwas überlesen habe
sont bin ich gespannt wie es weiter geht =)
Von:  Kokoro-
2011-11-28T18:57:03+00:00 28.11.2011 19:57
Du. Machst. Mich. Fertig!
Ich bin... ich... ich schreie innerlich! Und ich will John knuddeln! Der arme arme arme arme Junge! Wieso versteht ihn keiner - auch Kitty, das hätte ich schon von ihr erwartet ò.ó Nee sie zickt rum und zieht zu Lance! Ne Ne Ne! Ich hoffe doch sie macht es wieder gut! Obwohl sie es ja auch schwer hat... Hach so viel Drama.
Und das Ende - mal wieder Spannung pur! Dass es alles Absicht war und oooooooooorgh! Schreib mir ja weiter es ist einfach zu spannend >-<
Oh und Jubes nicht zu vergessen. Sie tut mir auch so ungemein leid T.T

Alles in einem, wie immer ein wunderbares Kapi! Tolle Stimmung - diese traurige Erotik ist toll. Man will weinen und hoffen und öff. Ich möchte einfach, dass sie endlich zusammen kommen aber steht den Mutanten wohl das Mensch - sein im Wege... ^.-

Ich hoffe du machst bald weiter. Wundervolles FF!
KYRO forever! ;)
:-*


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