Zwischenblut von Kouichi ================================================================================ Kapitel 24: Ein Jahresende mit Pauken und Trompeten (Teil 1) ------------------------------------------------------------ Ein Jahresende mit Pauken und Trompeten (Teil 1) Nach den Geschehnissen im Einkaufscenter hatte Cloud Matt nicht mehr gesehen. Es war der Morgen des 31. Dezember und nachdem Cloud aufgestanden und sich angezogen hatte, schnappte er sich sein Handy und suchte ihre Nummer in seinem Adressbuch heraus. Doch noch bevor er ihre Nummer gewählt hatte, klingelte bereits sein Handy. Er sah auf das Display des Handy und musste unweigerlich schmunzeln. „Das nenn` ich Gedankenübertragung!“, dachte er sich und nahm das Gespräch an. „Cloud zu Wallenstein!“, meldete sich Cloud wie gewohnt. „Hi Cloud. Hast du Zeit? Es geht um die Sache im Einkaufszentrum!“, sagte sie und Cloud konnte die Unsicherheit aus ihrer Stimme hören. „Na klar. Ich komm sofort vorbei!“, sagte er und beendete das Gespräch. Voller Elan stürmte er aus seinem Zimmer und hätte im Gang beinahe Léon umgerannt, der auf dem Weg nach unten zum Frühstück war. Cloud rannte die Treppe immer drei Stufen auf einmal nehmend hinunter und stürzte sich dann auf seine Winterkleidung und zog sie in Windeseile an. Aus dem Esszimmer kam Agathe und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Guten Morgen! Wo willst du denn so schnell hin?“, fragte sie. Cloud hielt in seinem Bemühe inne, sich den Mantel zu zuknöpfen und drehte sich zu seiner Tante um. „Ich muss noch zu jemanden! Wartet nicht mit dem Frühstück auf mich!“, sagte er und stürzte zur Tür hinaus. „Na der ist ja gut drauf!“, sagte Léon, als er an der Tür zum Esszimmer ankam, wo noch immer Agathe stand und zur noch halb offenen Tür schaute, durch die Cloud gerade verschwunden war. „Ist doch klar, was mit ihm los ist!“, sagte Wiki, die gerade aus dem Esszimmer kam und ein Croissant in der Hand hielt. „Ach wirklich? Dann klär mich mal auf! Ich weiß nämlich nicht, was mit ihm los ist!“, sagte Léon und sah Wiki fragend an. Diese verdrehte nur die Augen. „War mal wieder klar, Léon! Deine Gefühlswelt passt ja auch auf einen Teelöffel. Jeder Blinde sieht doch, dass Cloud sich in die Kleine aus dem Einkaufscenter verguckt hat. Na hoffentlich geht das gut.“, sagte sie und verschwand wieder ins Esszimmer. Agathe und Léon folgten ihr, auch wenn Léon ein wenig eingeschnappt wegen Wikis Bemerkung war. Von alledem bekam Cloud überhaupt nichts mit, denn während seine Verwandten zuhause noch darüber gesprochen hatten, mit wem Cloud sich vielleicht treffen würde, hatte Cloud in der Zwischenzeit den Weg zur Bushaltestelle zurückgelegt und war dort in den wartenden Bus gesprungen. Er fuhr den ganzen Weg bis hinein nach Berlin. Dort am Flughafen Schönefeld angekommen, stieg er aus dem Bus aus und machte sich auf den Weg zur S-Bahnstation, um dort den Zug nach Wittenau zu nehmen. Wäre Cloud nicht so sehr darauf fixiert gewesen, so schnell wie möglich auf gewöhnlichem Wege zu Matt zu gelangen, dann hätte er bereits gemerkt, dass ihm jemand folgte. In der S-Bahn ergatterte er einen freien Sitzplatz. Er schaute aus dem Fenster und sah, wie die freie Landschaft mehr und mehr den Wohnhäusern, Fabriken, Bars und Cafès wich. Ungefähr auf der Hälfte der Strecke vibrierte sein Handy in der Jackentasche und er zog es heraus und klappte es auf. Er hatte eine SMS von Matt bekommen. „Cloud, kommst du bitte zu unserem üblichen Treffpunkt! Wir sehen uns dann! Matt“ Cloud las sich die Nachricht noch einmal durch, doch er machte sich keinerlei Gedanken darüber. Er war viel zu sehr in seinen Fantasien darüber vertieft, dass er und Matt endlich zusammen kommen würden. Wie lange hatte er sich das gewünscht und jetzt war es endlich so weit. Ihn packte jemand an der Schulter und schüttelte ihn. Er reagierte noch nicht einmal und sah verträumt zur Anzeige hoch, die ihm mitteilte, dass er bei der dritten Station aussteigen müsste. Wieder schüttelte ihm jemand an der Schulter und er strich sich mit einer Hand darüber, ganz so, als wenn ihn eine Fliege ärgern würde. Als nächstes wedelte jemand mit etwas eingeschweißten vor Clouds Nase herum. Er sah langsam von dem Gegenstand, der wie ein Ausweis aussah, hoch zu der Person, die der Ausweis anscheinend gehörte. Es war ein Mann mittleren Alters, der verärgert auf ihn herabsah und einen kleinen, grauen Gegenstand mit einer Tastatur in der Hand hielt. „Ausweis, bitte!“, sagte er verärgert. Jetzt wusste Cloud, wer ihn in seinen Träumereien gestört hatte. Er holte sein Portmonee heraus und zeigte dem Kontrolleur die Monatskarte, die sich darin befand. Dieser besah sich seinen Ausweis ganz genau an, ganz so, als wenn es eine Fälschung wäre, gab ihn dann aber schlussendlich Cloud ohne Kommentar zurück. Cloud steckte Ausweis und Portmonee zurück in die Innentasche seines schwarzen Mantels und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Anzeige zu. Durch die Aktion mit dem Kontrolleur hatte er bereits zwei Bahnhöfe hinter sich gebracht und nun fuhr der Zug im Bahnhof Wittenau ein. Als der Zug im Bahnhof angekommen war, stieg Cloud aus und machte sich sofort auf den Weg zur verlassenen Fabrik. Damit niemand wusste, wo sie sich manchmal trafen, nannten Cloud und seine Freunde die Fabrik immer nur den üblichen Treffpunkt. So schnell es in menschlicher Geschwindigkeit ging, ohne zu rennen, ging Cloud zur Fabrik und schob, als er am Fabrikzaun angekommen war, diesen einfach beiseite und schlüpfte durch die dort entstandene Lücke. Er betrat eilig die Fabrik und ging in die Mitte der Halle, wo ein kaputtes Laufband auf sein endgültiges Ende wartete. Hier und da konnte er ein paar Gnome erkennen, die es sich in den Lücken zwischen dem ganzen Schrott gemütlich gemacht hatten. Allerdings reichte nur allein Clouds Anwesenheit, um die kleinen Biester auf Abstand zu halten. Cloud konnte Schritte hören und dieser bekannte Geruch, der zu Matt gehörte, riechen. Da Clouds Gehör aber besser war als das eines Menschen, hatte er sie bereits von weitem gehört und das dauerte noch fünf Minuten, bis sie durch den schmalen Eingang in die Fabrik schlüpfte. „Hi Matt. Du wolltest mit mir reden?!“, sagte Cloud und ging auf sie zu und umarmte sie. Sie erwiderte seine Umarmung nicht, doch auf ihren Zügen bildete sich ein schwaches Lächeln. „Ähm ja. Also, wie soll ich es sagen?! Diese Sache im Einkaufscenter. Der Kuss...!“, sagte sie stockend und brach dann ab. Cloud war mit einem Schlag bewusst, was sie meinte. Er hatte schon länger Gefühle für Matt gehabt, doch als er sich für sie gegen diesen Jungen gestellt hatte, da war er sich seiner Gefühle klar gewesen. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf und trat verlegen von einem Bein auf das andere. „Also, naja, wie soll ich es sagen?! Ich hab gemerkt, dass ich schon länger Gefühle für dich habe. Die gehen weit über Freundschaft hinaus. Als der Junge dich da in dem Einkaufscenter angemacht hat, da war ich sauer und...ja, ich weiß nicht...vielleicht auch etwas eifersüchtig!“, schloss Cloud ab und sah verlegen zur Seite und besah sich ein kaputtes Stück Holz an. Matt sah ihn verwundert an. „Dann bist du also...!“, sagte sie, ließ den Satz aber unausgesprochen. Cloud nickte leicht und gab ihr noch mit seinen Worten die Bestätigung. „Ja, ich habe mich in dich verliebt!“ Ein drückendes Schweigen breitete sich zwischen beiden aus. „Cloud, hör mal...!“, fing sie an, doch ihre Stimme brach. Cloud sah ihr direkt in ihre braunen Augen. „Ja, was ist?“, fragte er. Matt schluckte und ballte ihre Hände zu Fäuste. „Cloud, du bist einer meiner besten Freunde und deine Freundschaft bedeutet mir sehr viel. Ich habe mich sehr für dich gefreut, als du endlich eine Familie bekommen hast. Aber, so leid es mir tut, meine Gefühle für dich sind rein freundschaftlich. Du bist für mich wie ein großer Bruder. Ich kann für dich deshalb nichts weiter als Freundschaft empfinden, außerdem gibt es ja jemand anderen!“, sagte sie, wobei sie zum Schluss ihres Satzes immer leiser geworden war. Cloud kam sich vor, als wenn sein Inneres zu Eis geworden war. Kurz zuvor hatte er sich noch im Zug vorgestellt, wie es wäre, mit Matt zusammen zu sein und jetzt erfuhr er, dass sie ihn nicht liebte, weil sie in jemand anderen verliebt war. Alles in ihm zog sich schmerzhaft zusammen und er fragte sich nur zwei Sachen: „Wer und warum?“ Die Fragen, die jetzt in seinem Inneren herumgeisterten, stellte er direkt an Matt. „Wer ist es? In wen hast du dich verliebt und warum ausgerechnet er und nicht ich?“, fragte er und in seiner Stimme konnte man den Schmerz heraushören. Matt zuckte zusammen, als wenn man sie mit einer Peitsche geschlagen hätte. Ihre Stimme zitterte, als sie Cloud antwortete. „Du kennst ihn. Es ist Siegfried. Ich gehe mit ihm schon seit der Oberschule in eine Klasse und wir haben uns dann ineinander verliebt. Cloud, du warst doch nie da. Du warst immer in England. Siegfried war für mich da, wenn es mir schlecht ging, hat mich getröstet, mit mir gelacht. Er war immer da.“ Cloud wurde immer kälter im Körper und das hatte mit Sicherheit nichts mit den kalten Temperaturen draußen zu tun. „Aber, aber. Ich musste doch nach England. Hier gibt es keine Schule dafür. Meine leiblichen Eltern wollten es. Ich kann doch nichts dafür!“, kam es schwach von Cloud. Seine Stimme war schwach und die Verzweiflung hing in jeder Silbe seiner Worte. Matts Blick ruhte nicht direkt auf Clouds Gesicht, sondern eher auf seinem Bauch. „Es tut mir Leid. Ich möchte, dass wir weiter Freunde bleiben, aber ich liebe nun mal Siegfried. Bitte versteh das doch!“, sagte sie und nun rannten Tränen ihr schönes Gesicht herunter. Clouds Blick war stumpf geworden. Dieses Treffen hatte er sich ganz anders ausgemalt. Nun lagen seine Träume und Hoffnung in Scherben und er war nur noch ein hohles Gefäß. „Es tut mir Leid!“, flüsterte Matt nur noch, ging an Cloud vorbei und verließ die Fabrikhalle. Cloud stand nun völlig neben sich. Er hatte zwar mitbekommen, dass Matt gegangen war, aber sein Körper war wie gelähmt. Bittere Tränen rannen nun sein Gesicht herunter und noch ehe sie sein Gesicht ganz verlassen hatten, verwandelten sie sich in glitzernde Eiskristalle. Er sank auf die Knie und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. In seiner Trauer bemerkte er noch nicht einmal, wie jemand die Fabrik betrat und auf ihn zukam. Zwei warme und starke Hände legten sich an seine Schultern und halfen ihm wieder auf die Beine. „Komm, wir gehen nach Hause!“, sagte der Mann, der ihm auf die Beine geholfen hatte und hob Cloud jetzt auf seinen Rücken. Als Cloud gut auf dem Rücken des Mannes verfrachtet worden war, setzte dieser an und rannte mit übermenschlicher Geschwindigkeit zum Anwesen der Familie zu Wallenstein zurück. Als er das Haus betrat, kamen sofort Wiki, Agathe, Léon, Béatrice und Thomas aus dem Wohnzimmer angerannt. Der Mann, der sich als Nurarihyon herausstellte, ließ Cloud langsam herunter und dieser wurde sofort von seinen Verwandten aufgefangen und seiner nassen Wintersachen entledigt. Léon legte sich einen Arm seines Bruders über die Schulter und so ging er, wobei er Cloud eher hinter sich herzog, nach oben ins erste Stockwerk, wo ihre beiden Zimmer lagen. Er öffnete mit seiner Aura die Tür und bugsierte Cloud in sein Zimmer. Gemeinsam schafften sie es irgendwie, gemeinsam ins Schlafzimmer zu gelangen. Léon schaffte es dann noch, Cloud auf das Bett zu hieven und ihn bis auf die Boxershorts auszuziehen. Er zog die Decke über seinen Bruder und bemerkte schon, wie dieser langsam und gleichmäßig atmete. Offenbar war er eingeschlafen. Léon entging es jedoch nicht, dass sein Bruder sich im Schlaf immer wieder zusammen krampfte und leise wimmerte. Léon setzte sich auf den Bettrand und wischte seinem Bruder eine Strähne aus dem Gesicht. „Schlaf ruhig. Auch dieser Schmerz geht irgendwann vorbei. Wir sehen uns dann später!“, sagte Léon leise und stand vom Bett auf. Er schaltete das Licht aus und verließ dann das Zimmer seines Bruders und Gefährten. Ende des 24. Kapitels Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)