Zwischenblut von Kouichi ================================================================================ Kapitel 19: Frostige Vorweihnachtszeit (Teil 1) ----------------------------------------------- Frostige Vorweihnachtszeit (Teil 1) In den nächsten Tagen herrschte zwischen Cloud und Léon ein eisiges Schweigen. Cloud hatte sich bereits versucht bei seinem Bruder zu entschuldigen, aber Léon hatte ihm noch nicht einmal zugehört und die Tür vor seiner Nase zugeschlagen. Daraufhin war Cloud angesäuert zurück in sein Labor gegangen und hatte versucht, seine Experimente zu Ende zu bringen. Es hatte schon lange gedauert, aber jetzt nach dem gefühlten hundertsten mal, hatte es endlich geklappt und er hielt die erste Bluttablette in seinen Händen. Er legte die Tablette in eine kleine Schale, verließ das Labor und rannte in die Küche. Er riss die Küchentür auf und stürzte hinein. Zum Glück war niemand in der Küche und so ging Cloud hinüber zum Küchenschrank, nahm sich dort ein kleines Glas heraus und dazu noch einen kleinen Messbecher. Diesen füllte er bis zum Rand und stellte alles auf ein kleines Tablett. Er verließ mit dem beladenen Tablett die Küche und machte sich auf den Weg zurück in sein Labor. Auf dem Weg dorthin begegnete er Léon. Dieser warf ihm nur einen gering interessierten Blick zu und ging dann weiter. Dies löste in Cloud ein seltsames Gefühl aus. Er fühlte sich auf eine Art verletzt, weil Léon ihn nun nicht mehr beachtete, aber noch mehr zermürbte es ihn, dass Léon ihn jetzt so links liegen ließ, vor allem, nachdem sie beide in Hogwarts sich in ihren Gedanken so verbunden gefühlt hatten. Er beschloss, nochmals mit Wiki darüber zu reden und wenn das nichts half, dann mit seinem Vater. Er hatte nun den restlichen Weg zu seinem Labor hinter sich gebracht und betrat es. Er stellte das Tablett auf einen kleinen Tisch ab und nahm den Messbecher und das Glas hinüber zur ersten Bluttablette. Er füllte zuerst 50 ml in das Glas und gab die Tablette hinzu. Sobald die Tablette das Wasser berührte, löste sie sich auf und das Wasser färbte sich rot. Er rührte seinen Versuch mit einer Pinzette um und gab dann nur drei Tropfen auf seine Zunge. Während der vergangenen Versuche hatte er auch schon ein wenig Vorarbeit geleistet und getestet, wie weit seine Sinne sich verbessert hatten und er war zum Ergebnis gekommen, dass es nur wenige Tropfen einer Flüssigkeit benötigte, um zu bestimmen, ob sich die Mischung in einem guten Verhältnis befand oder ob sie zu dick oder zu dünn war. Bei seinem jetzigen Versuch kam er zum Ergebnis, dass es noch zu dick war und so gab er noch einmal 50 ml Wasser hinzu. Wieder tauchte er die Pinzette in seinen Versuch und gab sich dann drei Tropfen auf den Mund. Und wieder kam er zum Ergebnis, dass es zu dick war. Wieder gab er 50 ml Wasser hinzu, nur um noch mal zu bemerken, dass es jetzt nur noch ein wenig zu dickflüssig war. Er gab die letzten 50 ml Wasser hinzu und jetzt war das Glas bis kurz vor dem Rand voll. Er rührte seine Mischung um und gab sich mit der Pinzette drei Tropfen auf die Zunge. Sofort wusste Cloud, dass dies die richtige Mischung war. Er musste sich zwar eingestehen, dass er nicht nur die Chemie zur Hilfe genommen hatte, sondern auch seinen Zauberstab, aber das war doch egal. Mit einem kleinen Zauber hatte er bewirkt, dass nur ein Blutstropfen für die Tablette ausreichte und so ein ganzes Glas von 200 ml zu füllen. Er führte den Versuch noch einmal durch und nach einer Stunde hatte er seine zweite Bluttablette auf seiner Handfläche liegen. Er verstaute die Tablette sicher in einer Tasche seines Laborkittels und nahm das Tablett zur Hand und stellte dort das Glas mit dem Blut drauf. Gemeinsam mit seinem gelungenen Experiment verließ er sein kleines Labor und ging wieder zurück in die Küche. Als er durch die Tür trat, erblickte er Léon und Wiki, die sich gerade unterhielten. Cloud blieb wie erstarrt stehen. Als Léon seinen Bruder sah, sah er wie aus Protest in eine andere Richtung. „Nun mach schon!“, drängte Wiki Léon und schubste ihn in Clouds Richtung. „Ich will nicht! Er hat damit angefangen!“, protestierte Léon und wollte wieder zurück an seinen Platz gehen, doch Wiki drängte ihn immer weiter in Clouds Richtung. Cloud löste sich aus seiner Starre und trat einen Schritt auf seinen Bruder und Gefährten zu. „Léon, hör mir zu! Ich wollte dich in der Sporthalle nicht anschreien, aber als du mich da gefragt hattest, da ist bei mir einfach eine Sicherung geplatzt und es ist rausgesprudelt. Ich weiß, ich habe einen Fehler gemacht und es tut mir leid!“, sagte Cloud und in seinen Worten konnte man hören, dass er einfach nur aus seinem Herzen sprach. Wiki schubste Léon weiter in Clouds Richtung, doch diesmal wehrte sich Léon nicht gegen seine Tante. Nach einer gefühlten Ewigkeit holte Léon hörbar Luft und sagte dann: „Ist schon gut. Ich kann dich irgendwie verstehen. Was hast du da?“ Die beiden Brüder traten auf einander zu, reichten sich die Hand und schlugen ein. Danach zeigte Cloud Léon, was ihm gelungen war. Léon nahm einen Schluck von dem Getränk und nickte dann beeindruckt. „Männer, sie sind doch alle gleich!“, sagte Wiki resignierend „Ach sind wir das?“, fragte eine männliche Stimme und alle drehten sich zur Tür um. Im Türrahmen stand der Dämon Nurarihyon und lehnte lässig am Rahmen. Er drückte sich vom Rahmen ab und ging an Cloud und Léon vorbei hinüber zu Wiki. Als der Dämon an Cloud vorbei ging, kam ihm ein Geruch in die Nase, der ihm schon an Wiki aufgefallen war und plötzlich begriff er. „Du! Dieser Geruch! Sie!“, brachte Cloud zusammenhanglos heraus und zeigte zuerst auf Nurarihyon, dann auf Wiki. Léon, Nurarihyon und Wiki sahen ihn an, als wenn Cloud nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte, aber Cloud holte tief Luft und setzte dann seine erste Äußerung in ein richtiges Licht. „Den Geruch, der von dir ausgeht, habe ich schon mal an Wiki wahrgenommen. Wie kommt dein Geruch an Wikis Körper?“, fragte Cloud und er schien sich mit seiner Frage auf einen Schalter für eine tickende Zeitbombe gestellt zu haben. Die Gesichtszüge des Dämons entgleisten, doch nur eine Sekunde später entspannte er sich wieder. „Ich weiß nicht, was du meinst. Du musst dir das eingebildet haben.“ Sagte der Dämon, doch er wurde von Léons Räuspern unterbrochen. „Das glaube ich nicht, dass Cloud sich geirrt hat. Mir ist genau die selbe Sache auch schon aufgefallen. Ein Geruch kann an einem anderen Wesen nur hängen bleiben, wenn sich der Geruch durch eine Flüssigkeit auf das andere Wesen überträgt. Wenn also ein Wesen schwitzt und der Schweiß dann auf ein anderes Wesen fällt, überträgt sich so der Geruch des einen Wesens auf das andere. Wenn sich Nurarihyon ganz besonders in Wikis Nähe aufgehalten hat und er noch dazu geschwitzt hat, dann ist es schon möglich, dass sein Schweiß und somit auch sein Geruch auf Wiki gefallen ist.“ Schlussfolgerte Léon und sah Nurarihyon und Wiki mit einem Grinsen an. Für Cloud waren die Ausführen seines Bruder soweit verständlich, doch ein Punkt bereitete ihn noch Kopfzerbrechen. „Das kann ja schon möglich sein, aber warum sollte Nurarihyon in Wikis Nähe schwitzen. Angstschweiß wird es ja wohl kaum gewesen sein. Was haben die beiden denn dann gemacht?“, fragte Cloud und sah seinen Bruder an. Léons Grinsen wurde immer breiter. „Ich glaube auch nicht, dass es Angstschweiß war. Schweiß entsteht, wenn der Körper einer Aktivität nachgeht, die er als anstrengend empfindet. Ich glaube, dass diese Aktivitäten in Wikis Zimmer stattgefunden haben und wenn ich noch so kühn sein darf, dann behaupte ich auch, dass sie in ihrem Bett stattgefunden haben.“, sagte Léon und antwortete somit auf die Frage seines Bruders. Cloud sah von Léon zu Wiki und Nurarihyon herüber, die jetzt aussahen, wie auf frischer Tat ertappt. „Aber was sollen die beiden denn im Bett gemacht haben? Hat Nurarihyon Wiki immer hochgehoben, um seine Arme zu trainieren oder warum soll er geschwitzt haben?“, fragte Cloud und alle in der Küche sahen ihn wie ein Alien an. „Ich denke nicht, dass er Wiki hochgehoben hat, um seinen Bizeps zu trainieren, sondern sie haben sich da vergnüglichen Aktivitäten gewidmet. Ich werde dir später erklären, was ich damit meine, Cloud!“, sagte eine Stimme und alle drehten sich wieder zur Tür um und alle wurden noch eine Spur blasser, als sie sahen, wer im Türrahmen stand. Im Türrahmen stand Béatrice und sah in die jetzt schweigsame Runde. Über Clouds Kopf schwebte immer noch ein unsichtbares Fragezeichen und er sah seine Mutter einfach nur fragend an. Cloud öffnete den Mund, um weitere Fragen zu stellen, doch noch bevor er einen Ton hervorgebracht hatte, fuhr ihm Wiki über den Mund. „Schwesterherz, hör mir zu. Ich habe zu Nurarihyon eine stärkere Bindung als zu allen anderen, mit denen ich etwas hatte. Bitte versteh das doch. Ich möchte mich nicht immer nur verstecken und darauf achten, dass ich keinen Zauberern in die Hände falle. Ich möchte einfach nur leben!“, sagte Wiki und Béatrice seufzte. „Victoire, ich weiß, was du durchmachst und ich kann dir versichern, dass wir anderen aus dem Orden alle das Gleiche durchmachen. Du möchtest deine Freiheit, genau wie wir anderen auch und du hast dich dazu entschieden, das bisschen Freiheit, was du jetzt hast, in deinem Beruf und halt auch in deinen kleinen Techtel-Mechtel-Geschichten auszuleben. Ich akzeptiere das vollkommen, wie ich es dir schon vor 100 Jahren gesagt habe. Ich habe mich dazu entschlossen, zusammen mit Thomas den Orden zu führen und unsere Kinder aufzuziehen. Jetzt ist noch die Schwierigkeit hinzu gekommen, dass eins unserer Kinder direkt in die Schule unserer größten Feinde geht. Genau deshalb sind einige aus dem Orden dafür, dass wir Cloud aus der Schule nehmen und ihn in unseren Fächern unterrichten und wie du ja selbst weißt, sind diese weniger mit Magie verbunden.“ Sagte Béatrice. Cloud machte sich, nachdem seine Mutter zu Ende gesprochen hatte, rückwärts auf den Weg aus der Küche, doch dort wo der Türrahmen war, stieß er gegen jemanden. Er sah nach oben und blickte direkt in das Gesicht seines Vaters. „Da kann ich mich Béatrice nur anschließen. Wir sind halt in einer schwierigen Lage, aber da nützt es nichts, den Kopf in den Sand zu stecken und sich zu verkriechen, sondern wir müssen aus der Situation das Beste machen. Cloud geht nun mal nach Hogwarts, dass müssen wir akzeptieren, denn es war der letzte Wille seiner leiblichen Eltern und nur er selbst hat das Recht zu sagen, dass er nicht mehr dort hin möchte. Zu dir persönlich möchte ich dir nur sagen, dass du einfach gesagt das Recht hast, dein Leben so zu gestalten, wie du es möchtest. Es sind nun mal schwierige Zeiten, aber wie schon gesagt müssen wir das Beste daraus machen, was wir haben. Cloud, nach Weihnachten möchte ich, dass wir, dass heißt du, Léon und ich, uns zusammen setzen und dann werde ich dich vollkommen aufklären und dann wirst du verstehen, was Léon gemeint hat. Ich möchte, dass ihr euch jetzt fertig macht, denn Agathe wird heute ankommen!“, sagte Thomas und beendete somit ihr Gespräch. Cloud merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Er sah von Léon hinüber zu Wiki und beiden schien das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben zu sein. „Wer ist denn diese Agathe?“, fragte Cloud, doch er wurde von Léon nur aus der Küche gezogen. Gemeinsam gingen sie hoch in den ersten Stock und blieben diesmal nicht vor Clouds Zimmer stehen, sondern sie gingen ein paar Türen weiter. Léon hielt an einer Tür, die nur wenige Meter von Clouds Zimmer entfernt war. Léon schloss die Tür auf und trat in den Raum. Cloud folgte ihm und befand sich zum ersten Mal in dem Zimmer seines Bruders. Überall an den Wänden fanden sich Poster einer ziemlich bekannten Sängerin und dazu noch mehrere Poster von Léons Lieblingsfußballmannschaft. Abgesehen davon war die Aufteilung mit dem Schlafzimmer, dem Bad und dem kleinen Wohnzimmer nicht anders als bei Cloud. Beide Brüder setzten sich auf die Couch und Léon fing ohne viele Umschweife an. „Seit wann hast du es bemerkt?“, fragte Léon und sah Cloud an. Cloud seufzte. „Mir sind schon mehrere Kleinigkeiten aufgefallen. Mal hat Nurarihyon sie angelächelt, dann ihr ein anderes mal zugezwinkert und dann kam noch hinzu, dass ich einen männlichen Geruch an Wiki wahrgenommen hatte. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie ich diesen Geruch einordnen sollte, denn er kam mir seltsamerweise bekannt vor und dann hab ich vorhin genau diesen Geruch an Nurarihyon gerochen und eins und eins zusammengezählt. Was meinst du, werden die Beiden wirklich ein Paar werden?“, erklärte Cloud, wobei zuletzt noch eine Frage mitschwang. Léon stand von der Couch auf und ging durch das Zimmer. „Ich weiß es nicht. Ich weiß von Wiki, dass sie, so lange ich lebe, noch keine feste Beziehung eingegangen ist. Zudem kennen wir Nurarihyon noch nicht so gut, um ihn in einer solchen Situation einschätzen zu können. Lass uns die Situation noch ein wenig länger beobachten und sollte es aus dem Ruder laufen, nehmen wir ihn zu Wikis Schutz an die kurze Leine, denn schließlich ist er dir durch seinen Schwur unterstellt.“ Sagte Léon und Cloud nickte zustimmend. Cloud stand ebenfalls von der Couch auf und trat seinem Bruder gegenüber. „Da wir das jetzt geklärt haben, kannst du mir sagen, wer diese Agathe ist?“, fragte Cloud und er bemerkte sofort, dass er einen ziemlich unangenehmen Punkt bei seinem Bruder getroffen hatte, denn dieser erschauderte. „Sie ist die Schwester unseres Vaters und damit auch unsere Tante. Ich gebe dir drei gute Tipps, wie du dich zu verhalten hast, wenn du in ihrer Nähe bist. Tipp Nummer eins ist folgender: Verschließe deinen Geist eisern, denn sonst wird sie in ihn eindringen, um dich zu erforschen. Tipp Nummer zwei ist: Verhalte dich in ihrer Gegenwart so, als wenn du in der Nähe einer Königen stehen würdest, denn sie achtet sehr stark auf Disziplin und der dritte und letzte Tipp ist, dass du vor ihr geheim hältst, dass wir zum Teil Zauberer sind, denn sie kann Hexen und Zauberer nicht ausstehen. Wenn du diese drei Tipps befolgst, dann solltest du ihren Besuch über Weihnachten überleben!“, sagte Léon und suchte sich jetzt seine Kleidung heraus, die er zum Besuch der Tante anziehen musste. Cloud nickte und verließ das Zimmer seines Bruders. Er ging zu seinem Zimmer und betrat es. Genauso wie Léon holte er sich die Kleidung heraus, die er als Léons Gefährte und Bruder tragen musste, wenn es zu offiziellen Anlässen ging und der Besuch einer strengen Tante gehörte mit Sicherheit zu einem dieser offiziellen Anlässe. Er legte sich die Sachen erst mal auf sein Bett und ging ins Badezimmer, um noch schnell zu duschen. Nachdem er damit fertig war, trocknete er sich ab und wickelte sich das Handtuch um seine Hüfte. Er verließ das Badezimmer und ging hinüber zur Couch, auf der noch immer die Sachen lagen. Er ließ das Handtuch von seiner Hüfte gleiten und zog sich dann seine Kleidung an. Er besah sich sein Aussehen im Spiegelbild an und war fast zufrieden damit. Cloud beschloss, seine Haarfarbe noch ein wenig zu ändern, so dass sie nicht allzu auffällig war, denn in den letzten Tagen hatte er sich noch ein wenig rot in die Haare gefärbt. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Farbe, die seine Haare nun haben sollten und einen Moment später öffnete er sie wieder. Nun waren seine Haare kurz und von der Farbe her schwarz, genauso wie es Cloud wollte. „Jetzt muss ich mich aber sputen!“, dachte sich Cloud, als er auf die Uhr sah, die an der Wand über dem Fernseher hing. Er verließ sein Zimmer so schnell er konnte und rannte zurück in den Eingangsbereich der Villa. Dort waren bereits Léon, Thomas, Béatrice, Wiki und Nurarihyon anwesend. Cloud stellte sich neben seinen Bruder, weil es sich als sein Gefährt so gehörte. „Wo warst du? Wir dachten schon, du würdest nicht mehr rechtzeitig kommen!“, flüsterte Léon Cloud aus dem Mundwinkel zu. Warum Léon überhaupt flüsterte, war Cloud ein Rätsel, aber ihm blieb nicht mehr die Zeit, um zu antworten, denn in genau diesem Moment klopfte es an der Eingangstür. Ein Dienstmädchen öffnete die Tür und eine ältere Frau trat über die Schwelle der Villa. Bis jetzt dachte Cloud, alle Vampire wären nicht älter als sein Vater, aber hier sah er zum ersten Mal eine, vom äußeren Erscheinungsbild, alte Vampirin. Sie trat ins Haus und ein Butler folgte ihr. Der Butler selbst war ein Mensch, aber auch er schien schon ungeheuer alt zu sein. Der Butler nahm seiner Herrin zuerst den Mantel und die mit Perlen besetzte Handtasche ab. Danach ging Tante Agathe zuerst hinüber zu Thomas und begrüßte ihn. Thomas umarmte sie und küsste sie auf die Wange. Danach begrüßten sich Béatrice und Agathe, indem sie voreinander einen Knicks machten. Nachdem sich die beiden Frauen begrüßt hatten, trat sie einen Schritt weiter und stand nun Léon gegenüber. Sie reichte ihm ihre Hand, an der am Zeige- und am Ringfinger jeweils ein Ring mit einem Edelstein steckte. Léon kniete sich vor ihr nieder, genauso, wie es früher ein Ritter vor seiner Königin gemacht hatte, und küsste leicht ihr Handgelenk. „Mir wurde kundgetan, dass du im vergangenen Sommer eine Auseinandersetzung mit einem Troll hattest. Du warst nicht dazu in der Lage, den Troll niederzustrecken. Ein Mensch hat dich errettet und so hast du dem Menschen kundgetan, dass du ihm unsere Gabe zutun könntest. Du hast so dem Gesetz entsprochen und diesen törichten Mensch zu einem der Unseren gemacht.“ Sagte sie und sah hinab auf Léon, der noch immer vor ihr kniete. Clouds erster Gedanke zu dieser Frau war, dass mit ihr wohl nicht gut Kirschen essen wäre und dieser Gedanke bestätigte sich auch sofort, als sie sich ihm zuwandte. „Und nun zu dir, junger Knabe. Warum sollte ich mich an Kirschen gütlich tun? Na ja, wie dem auch sei. Du bist also der junge Bursche, der Léon zu Hilfe geeilt ist. Verrate mir deinen Namen! Für dich mag das Ganze hier wie ein Traum erscheinen. Ganz so, als wenn du, der du dir das längste aller Leben ersehnt hattest, es endlich erhalten hattest. Nun sprich und verrate mir, was deine Eltern dazu sagen!“, sagte sie in einem barschen und sehr strengen Tonfall. Cloud schluckte und sah ihr ins Gesicht. Zuerst fiel ihm auf, dass ihre Nase einer von der Sorte Zinken war, auf den ein Geier stolz gewesen wäre. Sie hatte hochstehende Wangenknochen und ein energisches Kinn. An ihren Augen war der beste Beweis dafür zu finden, dass sie bereits sehr alt sein musste, denn sobald Cloud ihr in ihre seltsamerweise olivgrünen Augen sah, konnte er sofort sehen, dass sie auch eine gewisse Härte aufzeigten. An ihrem gesamten Gesicht zeigten sich viele, kleine Fältchen und sie sah aus wie eine reife Frau Mitte fünfzig. Sie hatte ihre schwarzen Haare zu einem Dutt hochgesteckt und an ihren Ohren hatte sie kleine, unauffällige Perlenohrringe gesteckt. So hatte er sich noch nie eine Vampirin vorgestellt. Klar war Cloud auch von den vielen Vorurteilen ausgegangen, dass Vampire entweder so aussahen wie Dracula, oder dass sie ungefähr so aussahen, wie es die Vampire taten, die in Kinofilmen umherflitzen und dabei reihenweise die Herzen der weiblichen Zuschauer brachen. Aber hier stand jetzt eine auch vom Aussehen alte Vampirin vor ihm. Sofort verbeugte er sich vor ihr. Nicht nur, weil es Léon getan hatte, sondern weil die Vampirin ihre ganz eigene Art hatte, Cloud Respekt abzuverlangen. Sie reichte ihm ihre Hand und Cloud tat es seinem Bruder nach. Er ergriff ihre Hand und küsste sie leicht. Er räusperte sich und antwortete: „Mein Name ist Cloud, wehrte Dame. Für mich ist dies in der Tat eine vollkommen neue Welt, denn bevor ich hier her kam, lebte ich in einem Waisenhaus. Meine Eltern wurden getötet, als ich noch ein Baby war. Ich weiß nicht, was sie davon halten würden, aber ich bin der festen Überzeugung, dass sie sehr glücklich darüber wären, dass mich eine so wunderbare Familie adoptiert hat.“ Sagte Cloud und sah ihr dabei fest in ihre olivgrünen Augen. Agathe zog eine Augenbraue hoch. Sie beugte sich ein wenig zu Cloud herunter, legte ihre Hand um sein Kinn und zog ihn spielend leicht hoch, so dass er jetzt wieder aufrecht stand. „Dann sei willkommen in unserer Familie. Ich hoffe, dass du dich hier wohlfühlen wirst. Wenn ich mehr Zeit habe, werde ich dich in der noblen Kunst der Musik unterweisen!“, sagte sie und trat dann weiter zu Wiki. Sobald sich die beiden Frauen in die Augen sahen, schien im gesamten Eingangsbereich ein elektrisches Knistern zu hören zu sein. Wiki machte vor Agathe keinen Knicks, so wie es Béatrice getan hatte. Ihre Miene hatte sich versteinert und sie nickte Agathe nur knapp zu. Agathe erwiderte das Nicken mit einem leichten Ruck ihres Kopfes und ging dann weiter. Als sie Nurarihyon erblickte, verlor sie für einen Augenblick ihren strengen Gesichtsausdruck, doch schon einen Moment später fasste sie sich und sagte dann zu dem Dämon: „Wie ich sehe, hast du dich aus dem Bann befreien können. Wie war dir das möglich? Der Bann wurde von gleich vier Hexen und Zauberern ausgerufen. Nur eine mächtige Hexe oder ein mächtiger Zauberer hätte dich von deiner peinvollen Gefangenschaft erlösen können. Sag, wem bist du unterstellt, Dämon, und wie lautet dein Name? Er ist mir unglücklicherweise entfallen!“ Einen Augenblick lang sah es so aus, als wenn Nurarihyon ihr gleich den Hals umdrehen würde. „Mein Name ist Nurarihyon und ich habe Cloud einen Eid geschworen, weil er es war, der mich befreit hat, auch wenn es nur ein Versehen war. Du bist groß geworden, Agathe! Ich habe dich zum letzten mal als kleines Kind gesehen.“ Sagte Nurarihyon und lächelte sie hochmütig an, ganz so, als wollte er ihr zeigen, dass sie von ihm keinerlei Sonderbehandlung bekam. Ein Glück war niemand vom Dienstpersonal anwesend, denn sonst hätten Thomas und Béatrice in den nächsten Tagen eine Menge zu tun gehabt, aber auch so war es beinahe eine Bombe, die in der Villa hochging, auch wenn die Zündung etwas länger dauerte. Cloud schlug sich die Hand vor sein Gesicht und wagte es nicht aufzusehen. Alle Mitglieder der Familie zu Wallenstein sahen den Dämon schockiert an. Agathe sah den Dämon zuerst irritiert an, doch dann hellte sich ihr Blick auf und sie drehte sich langsam zu Cloud um. Sie trat einige Schritte auf Cloud zu und zeigte mit bebendem Finger auf Cloud. „Du hast ihn befreit? Du hast ihn befreit! Dann bist du...! Bist du...!“, sagte sie und schnappte dabei hörbar nach Luft. In ihrer Hysterie vergaß sie vollkommen so geschwollen und altmodisch zu reden. Sie stürzte sich auf Cloud und die Fingernägel an ihrer linken Hand wuchsen in dem Bruchteil einer Sekunde, sodass ihre Hand nun mehr einer Klaue ähnelte. Noch bevor sie Cloud in ihre übermenschlichen Geschwindigkeit erreicht hatte, hatten sich mehrere Dinge gleichzeitig ereignet. Als erstes war Cloud mit einem gewaltigen Satz nach hinten auf die oberste Stufe der Treppe gesprungen. Im selben Moment hatte sich Nurarihyon schützend vor die Stelle gestellt, wo Cloud noch gestanden hatte und ein paar Stufen vor der Stelle, wo Cloud gelandet war, hatte sich eine solide Wand aus Eis gebildet. „Agathe, bitte beruhige dich! Cloud mag zwar zur Hälfte ein Zauberer sein, aber er zeigt keinerlei Anzeichen des Hochmutes dieser Rasse. Cloud ist in einem Waisenhaus groß geworden und er wollte einfach nur eine Familie haben, deshalb ist er Léons Gefährte geworden. Cloud hat sich in der Schule von denen entfernt, die der Meinung sind, dass Zauberer und Hexen über alle anderen magischen Wesen regieren sollten. Er ist hier immer willkommen und ich möchte dich bitten, dass zu akzeptieren.“ Sagte Thomas, der nun an der Seite seiner Schwester stand. Agathes Gesicht war rot angelaufen vor Zorn und sie sagte mit bebender Stimme: „Ich werde dich im Auge behalten! Und du lässt sofort meinen Arm los!“ Sie schüttelte den Arm, mit dem sie Cloud angegriffen hatte und versuchte so Léon loszuwerden, denn dieser hatte sich beim Angriff um die Hand seiner Tante geklammert und hielt diese noch immer eisern fest. Léon sah zu seinem Vater herüber und auf sein Nicken ließ er erst den Arm seiner Tante los. Béatrice ging zu Léon herüber und legte ihren Arm um seine Schulter. Sie ging mit Léon die Treppe hinauf bis zu der Stelle, an der die Barriere aus Eis immer noch vorhanden war. Nurarihyon folgte den beiden und auch er blieb dann vor der soliden Wand aus Eis stehen. „Cloud, Liebling, würdest du bitte diese Wand verschwinden lassen!“, sagte Béatrice und lächelte ihrem Sohn zu. Cloud selbst wusste noch nicht einmal, wie er das tun sollte, dann aber fuhr er mit der Hand die Eiswand entlang und sofort löste sich die Wand unter Dämpfen auf. „Aber wie...?“, brachte Léon nur hervor. Cloud schüttelte nur mit dem Kopf, womit er sagen wollte, dass er es auch nicht wusste. „Wir Dämonen haben Cloud geschworen, ihm zu folgen, wo er auch immer hingehen mag. Ihm steht eine Armee von 100 Dämonen zur Verfügung. Er besitzt Kräfte, die er sich noch nicht eingestehen will. Erst die Zeit wird zeigen, wie er diese Kräfte einsetzen wird.“ Sagte der Dämon sehr leise, damit es niemand anderes mitbekam. Béatrice sah den Dämon mit einem seltsamen Blick an, ganz so, als wüsste sie bereits von welchen Kräften er redete. Sie wandte sich an ihre Söhne und sagte dann: „Ich möchte, dass ihr beiden euch umzieht und dann nach draußen geht. Bleibt zusammen und ich möchte, dass Nurarihyon in Clouds Schatten bleibt und so auf euch beide aufpasst!“ Sie sah bittend zum Dämon herüber, der ihrer Bitte mit einem kurzen Kopfnicken zustimmte. Sie gingen jeweils in ihre Zimmer und Cloud zog sich seine traditionelle Kleidung vom Körper und suchte sich neue Freizeitkleidung heraus. „Weißt du, dass du jeden aus deiner Familie und mich eingeschlossen ziemlich stolz machst? Deine Entwicklung in der letzten Zeit ist wirklich beachtlich, genauso die von Léon!“, sagte Nurarihyon und sah sich Clouds nun schlanken Körper an. Cloud wurde rot wegen diesem Kompliment. „Danke. Aber nicht jeder scheint mich zu akzeptieren. Der Hass gegen die Zauberer ist noch immer riesig und es wird ein großes Stück Arbeit werden, dies zu ändern.“ Sagte Cloud und zog sich ein T- Shirt über den Kopf. Nurarihyon nickte und zog sich dann in Clouds Schatten zurück. Cloud zog sich noch eine enge Jeans an und nahm seinen Zauberstab und die Halterung, die er sich gebastelt hatte und band sie um seinen Arm und befestigte den Zauberstab dann in der Halterung, sodass er nur mit einer kleinen Bewegung des Arms den Zauberstab in seine Hand schnellen lassen konnte. Er verließ sein Zimmer und musste nicht besonders lange auf Léon warten. Gemeinsam gingen sie zur Treppe, die hinunter in den Eingangsbereich führte und sie hielten Ausschau, ob Agathe irgendwo zu sehen war. Es war niemand aus der Familie zu sehen. Im Eingangsbereich befanden sich jetzt nur drei Dienstmädchen, die sich über etwas unterhielten. Cloud konnte hören, was die drei Dienstmädchen sprachen, doch es waren nur unwichtige Dinge und so flitzen die beiden Brüder die Treppe hinunter und zogen dort ihre Mäntel und Schuhe an. Nachdem sie angezogen waren, öffnete Léon die Haustür, doch Cloud hielt ihn zurück. „Wir sollten unseren Eltern Bescheid sagen, dass wir jetzt weg sind.“ Sagte Cloud. Léon zuckte mit den Schultern und rief dann eines der drei Dienstmädchen zu ihnen. „Sag bitte unseren Eltern, dass wir außer Haus sind und erst nach Einbruch der Dunkelheit zurückkommen. Sie soll nicht mit dem Essen auf uns warten, wir holen uns etwas unterwegs.“ Sagte Léon zu dem Dienstmädchen, das, wie Cloud einfiel, Cindy hieß. Das Dienstmädchen machte vor den beiden Brüdern einen Knicks und verschwand dann in Richtung Küche. So öffnete Léon erneut die Tür und die beiden Brüder traten hinaus auf den mit Schnee überdeckten Weg. Ende des 19. Kapitels Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)