Allison von Mad-Dental-Nurse (Das Erbe des Wolfes) ================================================================================ Kapitel 11: Rest in Peace ------------------------- Das Hotel Sunshine gehörte zu den neusten in England. Es war ein ehemaliges Herrenhaus, das nahe an den Klippen der Kalksteinküste erbaut worden war. Ende des achtzehnten Jahrhunderts verstarben die Besitzer des Anwesens. Erben gab es keine. So lag es verlassen dar und verfiel. Bis eines Tages das Ehepaar Farlene dieses kaufte, es grundsanierte und daraus ein Hotel machte. Natürlich war dies nicht gerade billig gewesen und das Ehepaar hoffte, dass die Ausgaben, die mit dem Kauf des Hauses verbunden waren, schnell wieder getilgt werden. Schnell sprach es sich herum, dass ein Hotel an den Klippen eröffnet worden war und die ersten Gäste reisten an. Das ganz Besondere an dem Hotel war nicht nur die herrlich rustikale Einrichtung, die man, trotz der Sanierung, beibehalten hatte, sodass man meinte, tatsächlich im achtzehnten Jahrhundert zusein, sondern auch der Ausblick von der Terasse hinter dem Haus auf das offene Meer. Gerade der Sonnenuntergang war der Grund, warum soviele, meistens Paare, egal welchen Alters, hierherkamen. Das Geschäft mit dem neuen Hotel lief gut. Doch was keiner ahnte war, dass das Hotel über eine weitere Überraschung verfügte. Eines Nachts wurde Susanne Farlene wach. Ein Geräusch hatte sie geweckt. Zuerst dachte sie, es sei der Wind, der vom Meer hinauf zu den Klippen hierher wehte und hatte sich erstmal nichts gedacht. Zu dieser Jahreszeit wehte stets ein starker Wind, der an den Fenstern rüttelte und durch leere Räume wehte. Aber dann, als sie genauer hinhörte, war sie sich nicht mehr so sicher. Es hörte sich viel mehr wie ein Schluchzen an. Ein Scluchzen, das von einem Kind stammte. Susanne war etwas verwirrt. Bei den Gästen, die heute und in den letzten Tagen angekommen waren, war kein Kind dabei gewesen. Woher kam dieses Schluchzen also? „FredErikk? FredErikk, wach auf!“, flüsterte sie und rüttelte an ihrem Mann. Dieser gab ein Murren von sich. „Was ist denn?“, fragte er und sah sie aus halbgeöffneten Augen an. „Da weint jemand. Hörst du das nicht?“ FredErikk lauschte kurz und zuckte die Schultern. „Da wird sich einer gestritten haben!“, murmelte er. „Nein, da weint ein Kind!“ „Was redest du da? Was für ein Kind?“ „Ich weiss auch nicht, aber es klingt, als würde ein Kind weinen?“, sagte Susanne und lauschte noch eine Weile. Irgendwann aber hielt sie es nicht mehr aus. Sie wollte wissen, was das für ein Kind war und von wem. Also schlug sie die Bettdecke zurück und kletterte aus dem Bett und zog sich ihren Morgenmantel an. „Wo gehst du denn hin?“, fragte ihr Mann schläfrig. „Ich schaue mal nach!“, sagte sie nur, nahm sich eine Kerze, zündete sie an und verließ das Schlafzimmer. Im Flur war es dunkel. Nur der Schein der Kerze gab genug Licht, damit sie sah, wohin sie treten konnte. Es war schon spät und die Gäste schliefen bereits. Zu hören war eigentlich nichts. Nur der Wind und das Schluchzen, welches lauter wurde, während sie zur großen Treppe ging, die in das Foyer führte. Vorsichtig ging sie weiter, bis sie an den Treppenansatz kam und die Treppe hinunter leuchtete. Nichts Ungewöhnliches. Kein Kind. Aber das Schluchzen war hier deutlich zuhören. Plötzlich verstummte es. Susanne stutzte. Leuchtete nochmal kurz. Lauschte. Als sie sicher war, dass sie nichts sah oder hören würde, drehte sie sich um. Wollte zurück zu ihrem Mann ins Bett, als sie plötzlich wie angewurzelt stehen blieb. Für einen kurzen Moment, blieb ihr Herz stehen. Vor ihr stand ein kleiner Junge. Gekleidet in altmodischen Kleidern, mit einem ebenso altaussehenden Teddy in den Armen. Dass er allerdings wie aus dem Nichts aufgetaucht war, war nicht der einzige Grund, warum sie sich erschrocken hatte. Sondern dass sie fast durch ihn hindurch schauen konnte. Ein schwaches Leuchten umgab ihn, wie eine Aura. Susanne blieb weiterhin wie erstarrt stehen, blickte auf den kleinen Jungen, der traurig zu Boden schaute. Seine Schultern zuckten und Tränen flossen ihm über die Wangen. Begann zu schluchzen. Es war das gleiche Schluchzen, was sie gehört hatte. Er hatte also geweint. Aber das war doch nicht möglich. Der Junge war fast durchsichtig, wie ein… wie ein Geist! Susanne wollte nicht glauben, was sie da sah und was ihr Verstand sagen wollte. Geister gab es doch nicht. Aber was sie da vor sich sah, ließ sie in diesem Glauben wanken. Sie wusste nicht, ob das wirklich war oder das sie das alles nicht doch nur träumte. Immernoch blickte sie den kleinen Jungen an, der weinte. Zu nichts in der Lage als ihn anzusehen und sein Schluchzen zuhören. Fast schon wollte sie aber fragen, wer er sei und warum er hier war, da löste sich der Junge auf. Wurde zu einem Nebelschwaden, der Susanne streifte und sie frösteln ließ. Susanne drehte sich herum, sah dem Nebelhauch nach, der zu dem Fenster ihr gegenüber schwebte und durch das Glas entwich. Und verschwand. Minutenlang stand Susanne dar, sah ihm nach. Noch immer konnte sie nicht glauben, was sie eben gesehen hatte. Sie musste geschlagene zehn Minuten dagestanden haben. Dann drehte sie sich um und eilte ins Schlafzimmer. Warf die Tür zu und lehnte sich dagegen. Ihr Herz schlug mit einem Male so schnell, dass sie fürchtete, es würde gleich stehen bleiben. Ihr Mann, der dadurch wach wurde, richtete sich auf. „Was ist denn jetzt los?“ „Da…da war ein…ein...ein…!“, stammelte sie und deutete zur Tür. Der Schock saß nun noch tiefer und machte es ihr schwer, es auszusprechen. „Ja, was denn?“, drängte ihr Mann. „Einen…einen Geist. Ich habe einen Geist gesehen!“ Der Anruf kam vor einigen Tagen. Ein Geist in einem Hotel, nahe den Klippen. Hört sich eigentlich nach einer Romanvorlage an. Aber war auch mal was anderes. Keine mordenden Monster. Sondern richtig schön klassich. Ich freute mich irgendwie darüber und konnte es kaum erwarten dahinzufahren. Wir fuhren Nachmittags hin und während dieser Fahrt kam ich ins Grübeln. Das war das erste Mal, dass ich keine Vision hatte. Irgendwie schon seltsam. Ich schaute hinaus aus dem Fenster, sah wie die Häuser immer weniger wurden, bis sie verschwanden und endlose Landstriche sie ersetzten. „Wo genau liegt den das Hotel?“, fragte Fay und drehte furstiert die Strassenkarte, die sie gerade studierte. „An den Klippen!“, erklärte Lex nur. Fay rollte die Augen. „Das weiss ich selber. Wo genau an den Klippen ist es?“, giftete Fay zurück. „Fay, es ist ein Hotel an den Klippen. Wieviele Hotels, denkst wird es hier geben?“, fragte er. Touche. „Hast du denn Zimmer gebucht?“, fragte sie dann. „Ja, habe ich!“ „Wieviele?“ „Zwei!“ „Wieso nur zwei?“ „Weil ich dachte es wäre gut, wenn zwei von uns in einem Zimmer schlafen!“, sagte Lex und warf mir dabei einen Blick zu. Ich hatte sie eine gewisse Ahnung und zeigte ihm den Finger. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich Allison mit dir allein lasse!“, schnaubte sie. „Ich und sie beziehen ein Zimmer, du gehst schön allein ins Bett!“ Ich musste grinsen. „Das du mir sowas zutraust!“, sagte Lex schmollend und schaltete einen Gang runter. „Ich traue dir vieles zu!“, sagte sie und schaute wieder auf die Strassenkarte. Drehte und wendete sie einige Minuten, knüllte sie dann mit einem Schnauben zusammen und stopfte sie ins Handschuhfach. „Scheiss Strassenkarten!“, fluchte sie. „Wir sind sowieso bald da!“, vertröstete er sie. Wir fuhren noch gut eine Stunde, ehe wir das Hotel erreichten. Es dämmerte bereits und das Haus lag dunkel vor uns. Was ich auf den ersten Blick sah war, dass eines dieser Häuser war, die man in alten Filmen sah. Eine Mischung aus Block-und Steinhütte. Zwei Stöckig und mehr wie ein kleines Schloss aussah, als ein Haus. Dennoch hatte es einen gewissen Charme. In einigen Fenstern brannte Licht. Wir waren also nicht allein. Plötzlich verließ mich der Mut. Was würden wir den Besitzern und den Gästen erzählen? Würden wir verdeckt ermitteln? „Wissen die eigentlich, dass ihr vom Yard seid?“ „Ja, Sir James sagte ihnen bescheid, bevor er uns angerufen hat!“ „Woher wusste der denn eigentlich davon?“ „Der Besitzer hat erstmal beim Notruf angerufen. Als die Frau sagte, sie hätte einen Geist gesehen, wurde das gleich an Sir James weitergeleitet!“, erklärte Lex, parkte nahe der Mauer, die das Grundstück von der Strasse trennte und schaltete den Wagen aus. „Überlasst mir das Reden!“, sagte er noch, ehe er ausstieg. „Ja, klar!“, kam es von Fay und stieg auch aus. Ich auch. Draußen war es frisch. Wesentlich frischer als in der Stadt. Ein kalter Wind fegte über uns hinweg und ich fröstelte einwenig. Zog meine Jacke enger um mich. In der Ferne hörte ich das Rauschen des Meeres. Lex wuchtete die Taschen von sich und Fay aus dem Kofferaum. Meine ließ er drinnen. Ich wollte schon was sagen, doch Fay nahm sie und trug sie. „Lass gut sein. Er ist manchmal ein…!“, sagte sie, warf kurz einen Blick zu ihrem Bruder umzusehen, ob er uns hörte und sagte noch leiser: „Idiot!“ „Das habe ich gehört!“ Daraufhin mussten ich und Fay grinsen. Zusammen gingen wir zum Hotel, wo Lex schon vor der Tür wartete. Drinnen war es wesentlich wärmer als draußen und gemütlicher. Gleich als wir reinkamen, standen wir in einem großen Raum, der wohl ein Wohnzimmer gewesen war, nun aber als Hotelhalle diente. Links von uns war die Rezeption. Ein runder Thresen aus dunkeln, polierten Holz. Dahinter war ein Schrank mit Fächern, in denen Briefe und andere Dinge lagen, die für die Gäste gedacht waren. An einem Brett daneben, hingen an Haken die Schlüssel, mit den jeweiligen Zimmernummern. Eine altmodisch, aussehende Schreibtischlampe stand da und warf ihren diffusen Schein über diesen Theresen. Im Hintergrund wurde klassische Musik, Mozart glaube ich, gespielt und gab dem ganzen einen vornehmen Touch. Vornehm war auch die Hotelhalle. Wie gesagt, vorher musste sie ein Wohnzimmer gewesen sein, denn die Wände, die vorher den Vorraum davon getrennt hatte, war eingerissen und die fehlende Wand wurde durch stabile Stützbalken ersetzt, die zwar in dem gleichen dunklen Holz waren, wie die älteren Stützbalken, aber dennoch neu aussahen. Damit es die Gäste es sich gemütlich machen konnten, standen überall gutgefütterte Sessel, mit rotem Stoff bezogen, um makelos polierte Tischchen aus Mahagoniholz. An den Fenstern hingen schwere Vorhänge, die zusammengebunden waren. Dicke Teppiche waren auf dem dunklen Holzfussboden ausgelegt und dämpften die Schritte. Die Wand war weiss gestrichen und wurde, durch das schwache Licht in ein sanftes Oranges getaucht. An der Decke hing ein gusseisener Kronleuchter, mit sechs Milchglasschalen, in Form von Blumen, in die wohl früher mal mit Kerzen reingesteckt wurden, nun aber per Elektrizität erhellt wurden. Ein großer Kamin dominter die Wand, vor den Sitzgelegenheiten, in dem ein Feuer knisterte. Eine große Treppe führte in den ersten Stock. Auch davor standen neue Stützbalken. Meine Güte, haben die hier viel gemacht. Ich möchte nicht wissen wie viel das alles gekostet. „Guten Abend!“, begrüßte uns eine freundliche Männerstimme und wir drehten uns um. Ein Mann, sicherlich über fünzig, kam auf uns zu und lächelte uns freundlich an. „Guten Abend!“, erwiederte Lex. „Wir sind im Auftrag von Sir James hier!“ Schlagartig war das freundliche Lächeln verschwunden. Lex hob die Brauen. „Haben Sie uns nicht erwartet?“, fragte er. „Doch, aber nicht so früh!“, sagte er schnell. „Also wenn Ihre Frau fast einen Herzstillstand bekommt, wenn sie einen Geist sieht, sind wir schon schnell!“, meinte Lex. „Dass sie einen Geist gesehen hat, ist nicht bewiesen!“, sagte er in gedämpfter und mit scharfer Stimme. Schaute sich dann um. Die wenigen Gäste, die hier unten waren, drehten sich nicht um oder machten sonst irgendwelche Anstalten, die ihm sagten, dass er sie gehört hatte. „Ihre Frau war sich allerdings sicher, dass sie einen gesehen hat!“, sagte Lex, zum Glück auch in leiser Stimme. Aber nicht minder scharf. „Das müssen Sie mit ihr abklären!“, schnaubte er und schlug ein Buch auf. Blätterte darin. „Matthews und Adea, ja?“, fragte er und schaute über den Rand seiner Brille zu uns. „Ja, ich und meine Schwester sind Matthwes und sie hier ist Adea!“, stellte Lex uns vor, worauf der Mann nur ein Grummeln von sich gab. „Einen schönen guten Abend. Sind Sie gut angekommen?“, begrüßte uns nun eine Frau, die wohl die Frau des Mannes war. Sie hatte ein wenig Ähnlichkeit mit einer lieben Tante, die sich, glaube ich, jeder wünscht. Eine Frau mit dunklen Haaren, die schon von einigen grauen Strähnen durchzogen war, das sie zu einem lockeren Knoten zusammengebunden hatte und ein dunkles Kleid trug, mit Spitzenkragen und freundlichen Augen. Sie war mir gleich auf Anhieb sympathisch. „Ja, danke!“, sagte Fay freundlich. „Schön, haben Sie es hier!“ „Danke schön. Und mit wem habe ich das Vergnügen?“ „Das sind Mr. und Mrs. Matthews und die junge Dame ist Mrs. Adea!“, murrte der Mann und deutete auf uns. „Sie bleiben einige Tage bei uns!“ Da hoben sich die Brauen der Frau und sie strahlte nun. „Oh, wann ist es denn soweit?“, fragte sie dann freudig und keiner von uns wusste, was sie damit meinte. „Verzeihung?“, fragte ich hilflos. „Na, wann ist denn Ihre Hochzeit. Sie sind doch sicher hier, um noch ein wenig Entspannung zu bekommen, vor dem großen Ereigniss. Wir haben einen wunderbaren Service für…!“ „Ohh nein nein nein. Wir…wir heiraten nicht!“, sagte ich schnell und merkte, wie rot ich wurde. Ich und Lex, heiraten. Geht’s noch? „Werden Sie nicht?“, kam es von der überraschten Frau. „Werden wir nicht?“, fragte Lex gespielt entrüstet, der es sich nicht nehmen ließ, mich in die Pfanne zuhauen und mich noch mehr zum glühen brachte. „Halt die Klappe!“, fauchte ich. „Oh, das tut mir leid,. Die meisten Gäse hier sind junge Paare, die sich binden wollen. Da dachte ich...!“ Fay räusperte sich. „Wir sind hier, weil uns Scotland Yard geschickt hat!“ Nun wurde das Gesicht der Frau blass. „Oh. Ja. Stimmt ähm…!“, druckste sie herum und sah sich unsicher um. Ihr Blick streifte ihren Mann, der sie mit zusammengekniffenen Augen ansah. „Wollen Sie jetzt gleich mit mir darüber sprechen oder?“ „Jetzt lass die jungen Leute doch erstmal einchecken und sich ausruhen, Susanne. Morgen ist noch genug Zeit. Sicherlich sind sie müde von der langen Fahrt!“, sagte er energisch und schaute seine Frau noch einmal scharf an. Ich wollte nicht noch mehr Benzin ins Feuer geben und sagte schnell. „Wir können auch morgen darüber sprechen. Es eilt ja nicht!“, sagte ich mit einem Lächeln und winkte ab. Ich konnte deutlich spüren, wie Lex und Fay mir fragwürdige Blicke zuwarfen. Doch ich beachtete diese nicht. „Da hörst du es!“, sagte ihr Mann und wandte sich um zu dem Brett mit dem Schlüsseln. Suchte kurz und pflückte dann zwei von ihnen. „Sie haben einmal das Zimmer 12 und das Zimmer 13. Beide sind mit einer Tür verbunden!“, erklärte er. „Die Treppe hoch und dann links!“ „Zimmer 13. Die Unglückszahl!“, murmelte Fay und ich machte ein Gesicht wie ein Schauergespenst. Lex nahm beide Schlüssel an sich. Ihm entging nicht, was wir machten. Drehte sich um und sagte:„ Kommt schon, ihr Kleinkinder!“ Und ihr könnt euch denken, dass ich und Fay das natürlich nicht auf uns sitzen ließen, sondern ihm die Zunge zeigten. Ihm aber, artig wie Kinder, folgten. Zimmer zwölf und dreizehn lagen auf dem zweiten Stock. Während im ersten Stock die Zimmer von eins bis zehnTür an Tür lagen waren zwischen dem fünfzehnten und siebzehnten (die geraden Zahlen waren auf der linken und die ungeraden auf der Rechten) eine kleine Treppe, die wohl zum Dachboden führte. Fay und ich hatten uns durchgesetzt und ein Zimmer zusammen bezogen, während Lex alleine schlafen musste. Und wir hatten uns das Zimmer Nummer 13 genommen. Nicht nur weil es schön groß war und geräumig, sondern auch, weil wir insgeheim hofften, hier eher auf einen Geist zutreffen, als wo anders. Kindisch ich weiss. Aber wer würde nicht gerne mal in einem Hotel, beziehungsweise in einem Zimmer schlafen, in dem man einen Geist sehen konnte. Ich packte gerade meine Sachen aus und räumte sie in den Schrank, während Fay ins Bad ging und sich eine heisse Dusche gönnte. Ich schaute mich in dem Raum um. Ganz nett hier. Mal abgesehen von einem großen Wandschrank, einem Frisiertischchen, mit einem ovalen Spiegel, den man hoch oder runter drehen konnte und einem gemütlich aussehenden Ehebett, gab es hier nichts. Mehr brauchten wir auch eigentlich nicht. Der Boden war aus Holz und knarrte, wenn wir darüber liefen. Alles war sauber und ordentlich. In einer Ecke stand ein alter Heizofen, den Fay sogleich angefeuert hatte, damit es schön warum wurde. Das Zimmer hatte zwar nur ein Fenster, aber als man hinausblickte sah man gleich das Meer und den dahinter liegenden Horizont. Ich stand eine Weile am Fenster und blickte hinaus. Es hatte etwas Magisches. Wie der Mond über dem Meer stand und seinen Schein darauf warf. Wie die Wellen diesen zum flackern brachten. Eigentlich müsste mich dieser Anblick nervös machen. Vor nicht allzulanger Zeit hatten wir es mit einer blutrünstigen Meerjungfrau zutun gehabt, die, nicht weit von hier, ihr Unwesen getrieben hatte und beinahe auch Lex erwischt hätte. Aber jetzt war sie tot. Verbrannt und ich müsste mir deswegen keine Sorgen machen. Dennoch hatte ich ein komisches Gefühl. Es war nicht die Aufregung, die ich zuanfang verspürt hatte. Sondern dass Gefühl, als würde bald etwas passieren. Ich fröstelte und schlang die Arme um mich. „Was meinst du, was uns hier erwartet?“, fragte ich Fay, als sie aus der Dusche kam und sich das nasse Haar trocknete und durchkämmte. Mit einem dicken Handtuch um sich gewickelt hatte sie sich auf den Hocker an dem Frisiertisch gesetzt. In dem Mondlicht, das in unser Zimmer fiel, leuchtete ihre Haut wie weisser Marmor. Und ihr Haar, das ohne hin schon rot war, leuchtete nun wie Feuer. Wiedermal musste ich zugeben, wie attraktiv sie war. Und wieder packte mich ein kleines bisschen der Neid. Ich will jetzt nicht eingebildet klingen, oder so. Ich war auch nicht gerade hässlich, aber neben ihr fühlte ich mich so attraktiv, wie ein nasses Stück Brot. „Du bist so hübsch, wie du bist, Kätzchen!“, hörte ich Erik in meinem Kopf lachen. Ich versuchte ihn nicht zubeachten. Wobei mich sein Kompliment ein wenig erstaunte. Dass er mich dabei wieder Kätzchen nannte, überraschte mich nicht. Ich hatte mich irgendwie daran gewöhnt. Fay zuckte die Schultern. „Keine Ahnung!“ „Keine Ahnung? Ist das das erste Mal, wo ihr es mit einem Geist zutun habt?“, fragte ich. Fay lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein. Wir hatten schon andere Geister. Aber jeder Geist ist anders. Der eine will nur spuken, der andere will in friedn ruhen und der andere…naja…macht Ärger und wir müssen ihn austreiben!“ „Tut ihr das nicht mit jedem Geist?“, fragte ich und Fay grinste breit. „Schon, aber ich sage dass nur damit du weißt, dass nicht jeder Geist ist, wie der nächste!“ „Und wieviele Geister waren friedvoll?“ „Naja, zwei von Acht!“, sagte sie. Das war nicht wirklich das, was ich hören wollte. „Keine Angst. Ich bin sicher, dass wir es nicht mit einem bösen Geist zutun haben!“, sagte sie und zog sich ihren Pyjama über. In der Nacht geschah nichts, jedoch fand ich nicht so wirklich Schlaf, da ich immer wieder daran denken musste, was Fay gesagt hatte. Ich konnte mir nicht helfen, aber ich konnte mich nicht damit beruhigen, dass es sich hierbei nur um den Geist eines Jungen handelte. Ich hatte so das Gefühl, dass es nicht so leicht werden würde, ihn hier raus zu kriegen. Ob kleiner Junge oder nicht. Ich schloss die Augen und versuchte immerhin etwas Schlaf zubekommen. Dennoch hatte ich das Gefühl, als würde mich jemand beobachten. Umso logischer war es, dass ich am nächsten Morgen dunkle Ringe unter den Augen hatte und nicht gerade fit aussah. Und meine Laune befand sich auf den Tiefpunkt. Mit ebensolcher Miene nahm ich mir ein Tablett und lud mir etwas von dem Frühstücksbuffet darauf. Ging dann zu Fay und Lex, die sich schon einen Tisch ausgesucht hatten und begonnen hatten zu essen.Wir aßen in dem ehemaligen Ballsaal. Einem rundgebauten Raum, dessen gesamte Wand aus Fenstern bestand, die das warme Sonnenlicht herein ließen. Ein strahlenblauer Himmel, wolkenlos und mit dem Blick auf die Küste. Offenbar war der meiste Teil des Hauses so ausgerichtet gewesen, dass man zum Meer schauen konnte. Eigentlich ein schöner Ausblick. Aber ich war zu müde, um diesen zubeachten. Außerdem hatte ich Hunger. Also ließ ich den Ausblick Ausblick sein und setzte mich zu meinen Freunden. „Morgen, Süße!“, grüßte Fay mich. Sie war die erste von uns gewesen, die aufgestanden war. Und auch so frisch und ausgeschlafen aussah. Sie war wohl ein Morgenmensch. Während ich ein Morgenmuffel bin. „Morgen!“, murmelte ich und ließ mich auf den Stuhl plumpsen. „Du siehst grottenschlecht aus!“, bemerkte Lex. Ich war zu müde, um ihm etwas entgegen zusetzten, also tat ich sein überflüssiges Kommentar mit einem Schulterzucken ab. „Ich habe eben schlecht geschlafen!“, murmelte ich und biss in meinen Toast. „Hast du an den Geist gedacht?“, fragte Fay, die irgendwie ahnte, was mich den Schlaf gekostet hatte. Ich nickte wieder. „Ohje, du ärmste!“ „Also wenn das jetzt so weitergeht, dass du Nachts nicht schlafen kannst, dann wirst am Ende keine große Hilfe sein!“ „Ich werde mich zusammenreissen, okay!“, schnappte ich. „Ist auch besser so. Wir müssen einen klaren Kopf bewahren!“ „Naja, wenn wir schonmal hier sind, können wir hier ein wenig entspannen, um Kraft zutanken!“, schlug Fay leichthin vor. Eigentlich ein verlockender Gedanke. Sich auf die Terasse zulegen und zu entspannen. Aber Lex machte einen Strich durch die Rechnung. „Dafür ist keine Zeit!“, sagte er schroff. „Außerdem sind wir hier, um diesen Geist hier rauszukriegen!“ „Dafür müssen wir aber rauskriegen, warum er hier ist und was er hier will!“, wandte Fay ein. „Reden wir erstmal mit der Hotelinhaberin. Immerhin hat sie den Geist gesehen!“, beschloss Lex. Und damit fingen wir an. „Mrs. Farlane, wann genau haben Sie den Geist gesehen und hat er irgendwas gesagt?“, fragte Lex. Wir hatten uns in den Salon, einen kleinen Nebenraum gesetzt, dessen Einrichtung etwas bescheidener war und nur aus einer Couch und zwei Sesseln und einem Tisch bestand. Ein großer antiker Spiegel, dessen goldener Rahmen von seinem Glanz eingebüßt hatte, hing über einem etwast kleineren Kamin hing, der nicht benutzt wurde. Mrs. Farlane saß auf der Couch und hielt in ihren Händen ein Glas mit Whisky. Ohje, der Anblick des Geistes musste sie ziemlich schockiert haben. Fay saß neben ihr, währen Lex in dem einen Sessel und ich in dem anderen Platz genommen hatte. Mit zitternen Händen führte die Frau das Glas an die Lippen und nahm einen langen Schluck. Holte dann tief Luft und schüttelte den Kopf. „Nein, nicht. Er sah mich nur an und weinte. Und wie spät es war? Ich weiss es nicht!“, sagte sie mit gedämpfte Stimme. „Ich bin irgendwann wach geworden und habe dieses Schluchzen gehört!“ „Wie sah denn der Junge aus?“, fragte ich. Farlane sah mich an, als hätte ich die dümmste Frage der Welt gestellt. „Naja, wie ein Junge eben. Kurze Haare, trug eine kurze Hose. Eine Jacke und ein Hemd. Eine gebundene Krawatte. Und er hatte einen Teddy in den Armen!“, beschrieb sie ihn. „Warum fragen Sie das?“ „Wenn wir wissen wie er aussieht, können wir vielleicht herausfinden, wer ist und wie er zu Tode kam!“, sagte Fay, überlegte kurz. Ihr Blick streifte kurz den Spiegel über dem Kamin. „Sagen Sie, wissen Sie etwas über die Vorgeschichte des Hauses?“ „Nicht viel!“, kam es leise von Mrs. Farlane, schaute in ihr Glas und schien angestrengt nachzudenken. „Nur dass es lange Zeit leerstand. Es gehörte einer Familie, die im achtzehnten Jahrhundert hier gelebt hatte!“ „Wissen Sie, wie diese Familie hiess und was aus ihr wurde?“, fragte Lex. „Nein!“, sagte wieder Mrs. Farlane und schüttelte den Kopf. „Wie gesagt: Wir wussten nicht viel darüber und der Makler, der es uns verkaufte, hat auch wenig bis gar nichts gesag!“ „Hm, ein richtiger Geschäftsmann!“, murmelte Lex. „Gibt es irgendwelche Dinge, die die Familie zurückgelassen hat?“, kam es Fay, die wesentlich ruhiger fragte. „Wir haben alles rausgeschmissen, was kaputt war oder nicht mehr zugebrauchen. Außer…!“ „Außer?“ „Außer der Dachboden!“ „Natürlich. Der Dachboden!“, kam es von mir. Nicht gerade begeistert. Der gruseligste Ort im Haus. In meinem Magen begann es zu zittern. Als wollte er mir etwas damit sagen. „Waren Sie etwa noch nie auf dem Dachboden?“, fragte Fay, die sich ein wenig wunderte. „Nein. Bisher hatten wir genug damit zutun gehabt, die meisten Räume wieder in Ordnung zubringen, als das wir noch den Dachboden entrümplen konnten!“, sagte sie. „Wir wollten es zwar, aber als wir uns dem Dachboden näherten, spürten wir so einen eiskalten Luftzug und ehrlich gesagt, hatte ich eine heidenangst!“ Als sie von dem kalten Luftzug sprach, horchten wir auf. Eisige Luftzüge waren ein deutliches Zeichen für einen geist. Ich sah zu Lex und Fay. Sie schienen meinen Gedanken zu teilen. Sagten aber nichts. „Dann werden wir uns den Dachboden mal ansehen. Gibt es dazu einen Schlüssel?“, fragte Lex. „Ja, ich werde ihn sogleich holen!“, sagte Mrs. Farlane, wollte aufstehen. Aber Fay hielt sie zurück. „Sie müssen jetzt nicht gleich den Schlüssel holen. Es reicht, wenn Sie ihn uns später geben!“, sagte sie freundlich. „Kann das wirklich warten? Ich meine, es spukt hier. Definitiv!“ Wir hatten uns auf die hintere Terasse gesetzt, von der man aus den Ausblick von den Klippen aus auf das Meer geniessen konnte. Und so herrlich dieser Anblick auch war, ich konnte es nicht. Das Gefühl, welches ich hatte, während wir Mrs. Farlane befragten, war stärker geworden. Eine innere Unruhe hatte mich erfasst. „Solange wir nicht wissen, was hier vor sich geht, müssen wir wohl erstmal warten und recherchieren!“, erklärte Fay bedauernd. „Ich werde morgen in den nächsten Ort fahren und mal fragen, was es mit dieser Familie auf sich hat. Vielleicht finde ich sogar den Makler!“, sagte Lex. „Und was machen wir?“, fragte ich, weil es mir unter den Fingernägeln brannte, etwas zutun. „Ihr bleibt hier sitzen und lasst Euch die Sonne auf den Bauch scheinen!“, erwiederte Lex und grinste. „Was glaubt dein Bruder eigentlich, wer er ist?“, schnauzte ich, während wir auf unsere Zimmer gingen. Mich regte es einfach auf, dass Lex erst meinte, dass wir hier nicht zum entspannen sind und es sich dann anders überlegt. Vorallem dieser Blick, den er mir zuwarf. Als wollte er mir sagen, dass ich es am nötigsten hatte. Was eigentlich ja auch stimmte, mich aber dennoch wütend mache. Fay zuckte die Schultern. „Er ist eben so. Der große Beschützer!“, sagte sie, als würde das reichen. Ich schnürzte die Lippen. „Entschuldigung, aber was hat das mit beschützen zutun?“ „Er denkt eben, dass er uns, weil wir die Küken sind, beschützen muss. Dass heisst auch, dass er die meiste Arbeit machen will und uns…naja, außen vor lässt!“ „Und uns behandelt, wie kleine Kinder!“, schloss ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Fay lächelt milde. „Wie gesagt, so ist er halt. Glaub mir, ich kenne ihn lange genug, um das zusagen!“ „Wenn du meinst!“, sagte ich leise und blieb plötzlich stehen. Wie aus heiterem Himmel traf mich eine eisige Kälte. Sie kroch durch meine Klamotten, durch meine Haut, mein Fleisch, durch meine Knochen. Lähmten meine Lungen und ließen mein Herz schmerzlich langsamer schlagen, sodass ich fürchtete, es würde gleich stehenbleiben. Ich wollte etwas sagen, brachte aber nur ein ersticktes Keuchen von mir. Streckte meine Hand nach Fay aus, die ein paar Schritte weitergangen war und sich nun nach mir umdrehte. Als sie sah, dass was mit mir nicht stimmte, kam sie auf mich zu und erfasste meine Hand. „Allison…Allison was ist los?“, fragte sie und sah mich mit angstvollen Augen an. Ich war nicht in der Lage etwas zusagen. Meine Zunge war taub. Eingefroren. Spürte sie denn nicht wie kalt es war? Wie als wenn sie meine Frage gehört hatte, zuckte sie zusammen. Kleine Wolken stiegen ihr aus dem Mund, als ihr warmer Atem kondensierte. Auch vor meinem Gesicht stieg weisser Dampf auf. Dabei fühlten sich meine Lungen an, als seien sie vereist und würden zerspringen, sobald ich etwas mehr Luft einatmete. Meine Haut zog sich zusammen, was nur passierte wenn es eiskalt war und ich musste blinzeln. Fays Gesicht nahm einen blassen Ton an und ihre Lippen wurden blau. Ich fürchtete schon, sie würde zusammenbrechen. Die Kälte hielt uns gefangen und schien nicht vergehen zuwollen. Doch dann war sie verschwunden, genauso schnell, wie sie gekommen war und wir rangen keuchend nach Luft. Minutenlang sagte keine von uns etwas, sondern sahen uns nur mit aufgerissenen Augen an und wir beide sahen das Entsetzen darin. „Was…was war das nur?“, brachte ich zwischen einigen Atemzügen hervor. Fay schüttelte den Kopf. Konnte nichts sagen. Stattdessen schaute sie hoch, zu der kleinen Treppe, die zum Dachboden führte. „Egal was es war, es muss vom Dachboden kommen!“, keuchte sie und in meinem Magen begann es unangenehm zu rumoren. „Ich glaube, ich hatte noch nie solch eine Angst gehabt!“, flüsterte ich und blickte in die Flammen des Kamins. Nach unserem kleinen Schock hatten ich und Fay uns in die Halle gesetzt, um uns am Feuer zuwärmen. Fay hatte uns zwei Gläser Whisky von der Hotelbar geholt, an dem ich nur selten nippte. Während Fay diesen auf Ex trank. „Ich hatte das Gefühl, dass diese Kälte mich umbringen will!“ „Das ergeht vielen, die sowas erleben. Aber selten ist es wirklich, dass man Todesangst hat!“, erwiederte Fay. „Ihr sagtet, der Kälte wäre erst dann aufgetaucht, als ihr am Dachboden vorbeigekommen seid?“, fragte Lex nach, dem wir natürlich alles haarklein erzählt hatten. „Ja. Und dann war sie auch wieder dorthin verschwunden!“, sagte Fay matt. Schwenkte das letzte bisschen an Whisky im Glas herum. „Ich habe es gespürt. Irgendwas ist da oben!“ Fays Blick huschte nachoben, zu der Decke, als könne sie hindurch sehen und schauderte. Lex sah sie einen langen schweigenden Moment an. „Das ändert die Sache natürlich. Wenn diese Kälte wirklich so lebensbedrohlich ist, dann…!“, begann Lex, sprach es aber nicht aus, da sich jeder von uns denken konnte, was er sagen wollte. „Kann ich Ihnen noch was bringen?“, fragte Mr. Farlane, der zu uns kam. „Nein, danke!“, sagte Fay und versuchte sich an einem Lächeln. Dabei entglitten ihre Züge. „Wie geht es Ihrer Frau?“ „Einigermassen gut. Sie besteht immernoch darauf, dass sie einen Geist gesehen hat!“, brummte er. „Sie glauben, dass sie sich das eingebildet hat?“, kam es von Lex trocken. Mr. Farlane hob die Schultern. „Ehrlich gesagt, fällt es mir schwer, dass hier ein Geist herumspuken soll!“ „Und wie würden Sie sich dann die Erscheinung erklären, die Ihre Frau gesehen hat?“ „Vermutlich eine Spieglung von den Fenstern oder das Mondlicht. Vielleicht auch beides. Aber auf kein Fall ein Geist. Da streikt meine Vernunft!“ „Und wenn es einer wäre?“, bohrte Lex weiter und ich sah Mr. Farlane an, dass ihm dieses Gespräch nervte. „Hören Sie, auch wenn meine Frau dabei beinahe einen Herzinfakt erlitten hat und nun alles Mögliche zusehen glaubt, Schatten oder sonst was, heisst das nicht, dass ich daran glaube. Ich glaube nur das, was ich sehe. Und wenn Sie weiterhin so darauf pochen, hier spukt es und die Gäste dadurch ausbleiben, werde Ich mich bei ihrem Vorgsetzten beschweren!“ Mit diesen Worten ging er wieder und man sah deutlich an seinem Schritt an, dass er zu seiner Einstellung stand. Ich schüttelte nur den Kopf. Wie konnte man nur so verbohrt sein? „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, ihm ist das Image des Hotels wichtiger, als das Wohl seiner Frau, oder das der Gäste!“, sagte Fay abfällig. „Tja, was soll man machen!“, erwiederte Lex. „Und was jetzt?“, fragte ich. „Ich werde wie gesagt, morgen in den nächsten Ort fahren. Ihr haltet die Augen offen!“, wies Lex uns an. Und keine von uns beiden hatte was dagegen einzuwenden. Lex fuhr am frühen Morgen los, nachdem er sich beim Hotelbesitzer nach dem nächstgelegenen Ort und dem Makler, der ihnen das Haus verkauft hatte, erkundigt hatte. Ich und Fay standen auf der Strasse, zitternt in unseren Jacken, während sich die Sonne langsam in den Himmel hochschob. Lex war eingestiegen und schnallte sich an. „Ich werde veruschen, nicht zulange wegzubleiben und melde mich, wenn es etwas Interessantes gibt!“, sagte er. „Werden wir auch machen. Pass auf dich auf!“, bat Fay ihn und ich hörte deutlich in ihrer Stimme, dass sie sich Sorgen machte. Lex lächelte. „Was soll mir schon passieren. Auf der Rückbank wird der Geist mir schon nicht auflauern!“ „Kannst du dir da so sicher sein, Lex?“, gab Fay ihrem Bruder zubedenken und das Lächeln schwand. „Ich werde aufpassen, versprochen!“ Dann drehte er den Schlüssel und der Wagen erwachte grollend zum Leben. Noch bevor er ihn auf die Strasse lekte, rief er mit einem Grinsen zu ihr:„Pass gut auf die Kratzbürste auf!“ „Hey!“, rief ich wütend. Da war Lex auch schon weg. Der nächste Ort auf der Karte lag gut zwei Stunden entfernt und sah sehr alt aus. Hier waren die Häsuer noch aus rotem Backstein gebaut und hierundda waren Koppeln zusehen, auf denen Pferde, Kühe und Schafe grasten. Die Zeit schien hier stehegeblieben zusein. Dennoch waren die Menschen, die hier lebten modern. Gingen ihren alltäglichen Geschäften nach. Als Lex aber mit dem Wagen an ihnen vorbeifuhr, sahen sie ihm nach und Lex konnte im Rückspiegel sehen, wie sie die Köpfe zusammensteckten. Offenbar waren sie an den Anblick von Fremden nicht gewohnt. Lex musste sich ein Grinsen verkneifen und fuhr weiter. Er hielt es für das Beste, wenn er die Bibliothek des Dorfes besuchte. Vielleicht würde er in dieser Informationen finden über das Haus und seine Vergangenheit. Aber zuerst musste er die Bibliothek finden. Also hielt er an und sprach den erstbesten Menschen an, der gerade an ihm vorbei lief. „Verzeihen Sie, Mister. Können Sie mir vielleicht helfen?“, rief er und Mann, der an ihm vorbeiging blieb stehen. Sah ihn erstmal überrascht an, doch dann trat er näher. „Sicher, was möchten Sie denn?“ „Ich bin auf der Suche nach der Bibliothek hier. Können Sie mir den Weg beschreiben?“ Der Mann hob die Brauen, sah Lex an, als habe er soeben einen Witz gemacht, den er nicht verstand und sagte mit einem Kopfschütteln. „Es tut mir leid. Eine Bibliothek haben wir leider nicht. Aber ein Statdtarchiv!“ „Das ist besser als nichts. Wo finde ich das?“ Der Mann beschrieb Lex den Weg und dieser bedankte sich höflich. Das Stadtarchiv war in dem Rathaus der Stadt, welches ziemlich alt aussah. Hierundda sah man, dass was gemacht wurde. Dennoch hatte man auch hier daraufgeachtet, dass es nicht zuneu wirkte, um den Charme des Gebäudes nicht zu zerstören. Vor dem Haus war ein großer Platz, mit einigen gestutzten Büschen und Statuen berühmter Menschen. Auf diesem Platz war ein Brunnen, aus dem Wasser raussprudelte und im einem, breiten runden Auffangbecken fiel. Bänke aus Holz standen um diesen, auf denen sich die Bürger gesetzt hatten und den sonnigen Tag genossen. Lex parkte den Wagen in eine Seitenstrasse, stieg aus ging mit schnellen Schritten zu dem Haupteingang. Drinnen war es wesentlich moderner als draußen. Es roch nach Papier und Tinte. Es musste mindestens drei Stockwerke haben. Der Boden war mit kunstvllen Kacheln in schwarz und weiss gekachelt und von der Decke hingen Lampen, die ebenso alt sein mussten, wie der Rest des Hauses, aber mit Storm betrieben wurden. Angestellte eilten von links nach rechts und umgekehrt. Treppen raus oder runter. Bepackt mit schweren Ordnern. Links von ihm waren Sitzecken eingerichtet, in denen Leute Platzgenommen hatten, Zeitung lasen, oder einfach warteten, dass sie drangenommen wurden. Rechts von ihm war eine lange Theke aufgestellt, hinter der Männer sowohl als auch Frauen saßen, telefonierten oder etwas in den Computer eingaben. Mehr als einmal versuchte er einen der Angestellten, die umherliefen anzuhalten und zufragen, an wen er sich wenden konnte. Doch diese waren entweder taub oder zubeschäftigt, um ihn zu bemerken. Sowas und das hier in London, dachte er und überlegte kurz, ob er sich zu den anderen setzen und warten sollte. Verwarf den Gedanken aber wieder, da ihm eigentlich keine Zeit blieb. „Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“, fragte eine weibliche Stimme höflich und er drehte sich um. Vor ihm stand eine junge Frau, nicht älter als seine Schwester, in einem eleganten Hosenanzug und mit dunklen Haaren. Lex dankte sogleich dem Himmel. Nicht nur dass er so schnell Hilfe bekommen, sondern auch in Gestalt dieser hübschen Frau erhalten hatte. Sogleich setzte er sein charmantetes Lächeln auf. „Das hoffe ich doch. Ich hätte eine Frage zu einem alten Haus, das in der Nähe der Klippen steht!“ „Oh, davon gibt es einige. Können Sie es mir beschreiben!“ „Ja, ich denke schon!“, sagte er und beschrieb ihr das Haus, so gut wie er es konnte. „Mh!“, machte die Frau und überlegte. „So aus dem Stehgreif kann ich jetzt nicht sagen, um welches es sich handelt und was ich darüber weiss!“, sagte sie. „Aber wenn Sie mir folgen möchten, können wir einen Blick in das städtische Archiv werfen. Vielleicht finden wir was!“ „Ich folge Ihnen unauffällig und mit größtem Vergnügen!“, sagte er. Das Archiv bestand hauptsächlich aus metallenen Schränken, die links und rechts aufgestellt waren und eine Gasse bildeten. An den Schubladen waren Schilder angebracht, mit Namen und Daten. Die junge Frau ging zu einem dieser und zog ihn auf. Blätterte und als sie fand, was sie suchte, schlug sie die Schublade zu. „Ich glaube hier ist etwas!“, sagte sie und legte das dicke Buch auf den Tisch. Schlug es auf. Zeigte Lex einige Grundrisse und Fotografien von Häusern, die zwar aus dem gleichen Zeitalter kamen, aber es war nicht das Haus, über das er was erfahren wollte. Also blätterten sie weiter. Bis sie das Foto fanden, was Lex suchte. „Das ist es!“, sagte er und deutete darauf. „Das ist das Haus der Familie…warten Sie…ich kann die Schrift kaum entziffern!“, sagte die Frau und kniff die Augen zusammen. „Gr…Grff…Griffens. Der Name der Familie war Griffins!“ „Gibt es über diese Familie etwas nähreres?“ „Mh, nein leider nicht. Zumindest sehe ich hier nichts!“, sagte die Angestellte und blätterte weiter. „Wenn Sie aber möchten, können Sie hier weitersuchen. Wenn Sie fertig sind, lassen Sie es einfach liegen. Ich räume es weg!“ Dann ließ die junge Frau ihn allein. Den ganzen Nachmittag lang suchte Lex nach etwas, was ihm über die Familie der Griffins sagen konnte. Doch egal wieviele Bücher und Alben er durchblätterte, er fand einfach nichts. Es war, als wären alle Spuren der Familie wie weggewischt. Lex schaute auf die Uhr. Es war kurz vor vier. Wenn er noch rechtzeitig im Hotel ankommen und nicht Gefahr laufen wollte, einen Unfall zu bauen, dann sollte er sich jetzt auf den Weg machen. So verließ er den Raum und verabschiedete sich von der jungen Frau. Sie wünschte ihm einen schönen Tag. Dies erwiederte er und trat hinaus. Die Sonne war etwas untergegangen und warf lange Schatten über die Stadt. Lex machte sich gerade auf den Weg zu seinem Wagen. Als ihn jemand ansprach. „Tschuldigung, Sir. Aber hätten Sie etwas Kleingeld für einen armen Trinker übrig?“ Lex drehte sich um und sah einen abgerissenen Obdachlosen, mit ergrautem Haar und einem ungepflegten Bart. Seiner Kleider waren fleckig und an einigen Stellen zerrissen. Der Gestank von Schweiss und altem billigen Fussel ging von ihm aus und Lex unterdrückte den Impuls von ihm wegzuweichen. „Kleingeld? Ja, Moment. Ich glaube, ich habe etwas dabei!“, sagte Lex und kramte in seiner Jackentasche. Als er der Meinung war, genug Kleingeld für den Kerl zusammenbekommen zuhaben, reichte er es ihm. „Hier bitte!“, sagte er. „Aber nicht alles aufeinmal austrinken!“ Der Obdachlose grinste nur und zeigte eine Reihe von ungepflegten Zähnen. „Der Herr schütze Sie, Sir!“, sagte er und wandte sich um, um sich seinen nächsten Drink zuholen. Doch Lex hielt ihn noch zurück. „Warten Sie mal!“, rief er und eilte ihm nach. Blieb aber weit genug von ihm weg, dass er seinen Geruch nicht einatmen musste. „Ja?“, fragte der Mann. „Ich suche einen Makler. Können Sie mir sagen, wo ich ihn finde. Hier, dass ist die Adresse!“, sagte Lex und hielt dem Obdachlosen den Zettel mit der Anschrift hin. Dieser sah auf den Zettel, las die Adresse und sah Lex nun neugierig an. „Der ist hier schon lange nicht mehr. Hat sein ganzes Hab und Gut mitgenommen und sich davon gemacht!“, sagte er dann und Lex sah seine letzte Chance schwinden. „Mist! Der war meine letzte Hoffnung!“ „Was wollen Sie den von dem?“ Lex schüttelte den Kopf und steckte den Zettel wieder ein. „Ich hatte ein paar Fragen zu einem alten Haus, das er neulichen verkauft hatte. Es steht nahe den Klippen. Es gehört der Familie namens Griffin!“ Kaum hatte er den Namen der Familie ausgesprochen, wurden die Augen des Mannes groß. „Das Haus der Griffins?“, fragte er nach und etwas in seinem Blick ließ Lex den Verdacht kommen, dass der Obdachlose etwas wusste. „Kannten Sie die Familie etwa?“ „Nein, das war vor meiner Zeit. Ich habe nur von Ihnen gehört!“ „Und was?“ „Nicht viel!“ „Egal, wieviel es ist. Es könnte wichtig sein!“ „Nunja, eigentlich habe ich noch was vor!“ „Wenn Sie mir sagen, was Sie wissen, gebe ich Ihnen einen Drink aus!“ Da hellte sich das Gesicht des Obdachlosen auf. „Also bei so einem Angebot sage ich nicht nein!“ Lex lächelte etwas. Trinker! Lex war mit dem Obdachlosen, der sich als Henry vorstellte, in einen Pup gegangen, wo sie sich in eine Ecke gesetzt hatten und sich einen Drink bestellten. „Also. Henry. Ich bin ganz Ohr. Was wissen Sie über die Familie Griffin!“, sagte Lex, der nun nicht mehr länger Zeit vergehen lassen wollte. Henry nippte an seinem Glas Gin und leckte sich langsam über die Lippen. „Nun…die Familie Griffin kam ursprünglich aus Amerika und zog hierher, nachdem ein entfernter Verwandter gestorben war und ihm ein Haus an den Klippen vererbt hatte. Die Familie bestand aus drei Personen. Einmal aus dem Herrn des Hauses, sein Name war Jack, und seiner Frau Helen. Eine wirklich schöne Frau. Sie hatten einen kleinen Sohn, namens Thomas. Sie lebten sehr zurückgezogen und zeigten sich kaum hier in dem Ort. Jack war Bankier und verdiente sehr gutes Geld. So gutes Geld, dass er sich einige Angestellte leisten konnte, die für ihn und die Familie die nötigen Besorgungen machte. Eines Tages jedoch versschwand seine Frau spurlos. Sie können sich vorstellen, dass Jack alle Hebel in Bewegung setzte um seine Geliebte Frau zufinden. Aber sie blieb verschwunden. Naja, bis man irgendwann ihre Leiche fand. Es stellte sich heraus, dass sie von der Klippe gefallen sein musste. Als sie aufschlug, wurde sie ohnmächtig und ertrank. Jack war über den Tod seiner geliebten Frau derart am Boden zerstört, dass er begann sich zuverlieren und das Trinken anzufangen. Der arme kleine Thomas. Er musste sich das mit ansehen. Und litt sehr darunter!“, sagte Henry. Lex schürzte angewidert die Lippen. Sowas von verantwortunglos. Anstatt für das Kind dazusein, betrinkt sich der Vater und lässt es im Stich. „Was passierte dann?“ „Man erzählt sich, dass der Kleine von einem Tag auf den nächsten verschwand, so wie seine Mutter. Aber im Gegensatz zu ihr, fand man ihn nicht und Jack verlor sich immer mehr. Das letzte, was man von ihm hörte, war, dass er sich erhängte!“, sagte Henry und trank das Glas leer. „Eine schreckliche Geschichte, oder?“ „Ja, eine wirklich schreckliche Geschichte!“, murmelte Lex. Nicht nur weil ihn diese Geschichte der Familie naheging. Nicht nur weil er selber wusste, wie es ist, wenn ein geliebter Mensch aus dem Leben gerissen wurde, sondern weil er auch einen gewissen Verdacht hatte. „Danke für die Geschichte. Sie haben mir sehr geholfen!“, sagte er und verabschiedete sich von Henry. „Ihnen noch einen schönen Abend und kommen Sie gut an!“ Es war schon spät und Lex war immernoch nicht da. Ich und Fay richteten uns darauf ein, je näher der Abend heranrückte, dass bald wieder etwas passieren würde. Mit dem Besitzer und seiner Frau sprachen wir kaum, da Mr. Farlane es immer wieder verstand, seine Frau von uns fernzuhalten und auch umgekehrt. So saßen ich und Fay wiedermal in der Halle und warteten auf Lex. „Hoffentlich hat er was rausgefunden!“, murmelte ich. „Hab Vertrauen. Lex kriegt schon was raus!“, tröstete Fay mich. Wir warteten noch eine Weile. Um genau zusein, bis kurz vor elf, dann beschlossen wir hoch zu unser Zimmer zugehen. Fay gönnte sich eine warme Dusche, während ich mich aufs Bett legte und in einem Buch las. Um ruhiger zuwerden, aber das Gefühl, dass bald etwas passieren könnte, ließ mich nicht los. Zig mal versuchte ich eine Seite oder auch einen Satz zulesen, aber immer wieder glitten meine Gedanken zu dem, was wir gestern erlebt hatten. Diese Kälte! Sie ließ mich nicht los und das Gefühl, dass diese Kälte nicht von dem Jungen kommen konnte. „Nervös?“ Ich machte einen Satz. Natürlich war es Erik, der einfach aufgetaucht war und rittlings auf dem kleinen Stuhl sah und mich angrinste. Da ich nur eine kleine Nachtischlampe angelassen hatte, war es dunkel genug, dass er hier aufkreuzen konnte und ich wünschte mir, ich hätte gleich die Raumbeleuchtung angemacht. Mit einem Fluch auf den Lippen, den ich aber unterdrückte, klappte ich das Buch zu und sah ihn wütend an. „Lass das. Hör auf, dich immer an mich heranzuschleichen. Sonst kriegst du meine Sense zuspüren!“, drohte ich. Erik grinste nur und gab mir damit noch mehr gute Gründe, meine Drohung wahrzumachen. Ich riss mich jedoch zurück. Ich wollte nicht das Zimmer zerlegen und damit eine satte Rechnung erhalten. Sondern verbiss mir ein Kommentar und sagte:„ Ehrlich gesagt, nein. Es ist ja nur ein Geist!“ „Nur ein Geist?“, fragte Erik und hob die Brauen. „Ja, nur ein Geist!“, sagte ich. Ich hatte das dumme Gefühl, dass er genau wusste, was passiert war. Und das machte mich noch nervöser. Doch versuchte ruhig zu bleiben. Erik maß mich kurz mit seinen dunklen Augen einen langen und quälenden Moment, als wollte er mich durchleuchten und ich fühlte mich dabei nicht gerade wohl. Dann aber zuckte er die Schultern. „Na, ich hoffe mal, dass du dich nicht ins eigene Fleisch schneidest!“ „Werde ich nicht!“, sagte ich und da bemerkte ich, dass das Rauschen der Dusche aufeinmal verstummt war. Mist. Fay war ja unter der Dusche. Ich mochte mir nicht vorstellen, was passiert, wenn sie ihn hier sieht. „Mach dass du verschwindest. Wenn Fay dich hier sieht, wird sie ausflippen!“ „Wo ist sie denn?“ „Unter der Dusche!“, sagte ich. Noch, dachte ich und sah sogleich ein neckisches Funkeln in seinen Augen. „Wage es ja nicht!“, warnte ich ihn. „Was soll ich nicht wagen?“, fragte er provozierend. „Hier zuwarten um sie nackt zusehen!“ „Ich denke nicht, dass sie nackt sein wird. Sondern noch ein Handtuch um sich gewickelt hat!“ „Das ist so gut wie das gleiche!“, sagte ich und schaute hastig zum Bad. Ich sah am Schatten, das Fay sich gerade abtrocknete. „Los, mach dass du wegkommst!“ „Mit wem redest du denn da, Allison?“, hörte ich Fay rufen und von einer Minute zur nächsten stand sie in der Tür und Erik war verschwunden. Es war schon weit nach Mitternacht gewesen, als mich etwas Kaltes an der Wange streifte. Erst dachte ich, es sei ein Lufthauch, aber dann bemerkte ich, dass es sich wie die Berührung einer Hand anfühlte. Noch im Halbschlaf öffnete ich die Augen und schaute mich um. Niemand war im Raum. Nur Fay, die schlafend neben mir lag und sich nicht rührte. Und trotzdem ich spürte die Nähe eines anderen. Ich rieb mir die Augen, versuchte etwas zuerkennen. Aber es war nichts zusehen. Vielleicht hatte ich mir das auch nur eigebildet. Mit einem Seufzen legte ich mich wieder hin und wollte weiterschlafen. Da leuchtete etwas auf mein Gesicht und ich öffnete wieder die Augen. Was zum Teufel ist das? Ich schaute zum Fenster, aber der Mond konnte es nicht sein. Sein Licht reichte nicht soweit hinein. Also mustse s woanders herkommen. Nur von wo? Da bemerkte ich, dass unter dem Türspalt etwas Licht durchkam. Es wanderte, als würde jemand mit einer Taschenlampe über den Boden wandern. Da blieb es stehen und verschwand. Ich runzelte die Stirn. Was war das? Noch ehe ich mir selber darauf eine Antwort geben konnte, begann die Tür in der Mitte zuleuchten. Ein heller Kreis zeichnete sich ab. Dieser wurde heller und etwas schob sich hindurch. Ich kniff die Augen zusammen und fragte mich, was das sein konnte. Als das Leuchten wieder etwas schwächer wurde und ich besser sehen konnte, sah dass eine Lichtkugel vor mir schwebte. Kleine, blaue Dampfwolken umspielten diese, sodass es wie eine kleine blaue Flamme aussah. Für einen kurzen Moment war ich wie gebannt von diesem Licht. Noch nie hatte ich sowas gesehen. Es war schön und ich wollte schon die Hand nach diesem ausstrecken. Aber dann hielt ich inne und rüttelte an Fay. Sie musste das auch sehen. „Fay!“, flüsterte ich, meinen Blick auf das Licht gerichtet. „Fay. Fay wach auf!“ „Was ist denn?“, murmelte sie schläfrig und zog sich die Decke über den Kopf. Ich zog sie ihr wieder weg und Fay knurrte. „Was?“ Ich achtete nicht darauf, sondern stiess sie diesesmal heftiger an und zeigte zu dem Licht. „Sieh doch!“, forderte ich sie auf. „Was ist das?“ Fay richtete sich auf, schaute zu der Lichtkugel und schlagartig war sie wach. „Was zum…!“, keuchte sie. Sie musste ebenso überrascht sein wie ich, denn sie sagte erstmal nichts, sondern blickte zur Lichtkugel, die weiterhein unbeirrt vor uns herschwebte. Ich hatted as dumme Gefühl, dass Fay selber nicht wusste, was es genau war. „Und?“, drängte ich sie trotzdem. Fay, die eben noch den Mund geöffnet hatte, schloss ihn wieder und schluckte schwer. „Ich glaube, das ist ein Geist!“, murmelte sie benommen. So wie sie das sagte, klang es so, als würde sie zum ersten Mal einen Geist sehen. Dabei hatte sie doch gesagt, dass das nicht das erste Mal sei. „Du glaubst?“, fragte ich. Fay hob hilflos die Schultern. „Hast du schonmal ein Geist gesehen oder nicht?“ „Schon, aber nicht so einen!“, flüsterte sie. Okay, das habe ich nicht erwartet. Aber Zeit blieb nicht, um darüber nachzudenken. Der Geist hüpfte von einer Stelle zu anderen und die Nebelfetzen um ihm herum begannen wild zu tanzen. Ich wusste nicht wie, aber ich hatte das Gefühl, dass der Geist ungeduldig wurde und wollte, dass wir ihm folgten. Ich teilte Fay meinen Verdacht mit und kurz sah sie mich an, als würde sie meinen Worten nicht trauen. Als aber dann der Geist durch die Tür verschwand und dann wieder in unser Zimmer kam und noch mehr aufundabflog, war sie davon überzeugt. Schnell zogen wir uns an und folgten dem Geist. „Ich dachte, die sehen anders aus!“, murmelte ich, während wir durch das dunkle Haus liefen und dann durch die Haustür gingen. Der Geist schwebte vor uns hin und führte uns dann zum hinteren Teil des Hauses. Dort wo es keine Mauer gab. Ich fragte mich, was der Geist vorhatte. „Geister können verschiedene Gestalten annehmen. Das hier ist eine davon!“, sagte sie obwohl sie eben noch selber erstaunt war. Doch ich verbiss mir jegliches Kommentar. Wir folgten dem Geist weiter, bis er kurz vor dem Klippen innehielt und auf der Stelle schwebte. „Und was machen wir jetzt?“ „Wir warten was passiert!“ Die Lichtkugel, oder besser gesagt, der Geist schwebte einige Minuten noch an der gleichen Stelle. Tanzte aufundab. Dann blieb sie stehen und das Leuchten wurde heller. Blendete uns und dann war es wieder erloschen. Doch statt der Kugel stand nun eine geisterhafte Frauengestalt vor uns, die sich von uns abgewandt hatte und langsam auf die Klippe zuging. Ihr Nachthemd, das bis zum Boden reichte, flatterte im Wind. Ihre Haar tanzte umher und machte es schwer, ihr Gesicht zusehen. Ohne langsamer zuwerden, ging sie weiter. Ich wollte schon auf sie zurennen, sie davon abhalten weiterzugehen. Aber Fay hielt mich an der Hand fest. Was hätte ich auch tun können? Sie war ein Geist. Dennoch war es schlimm zusehen, wie dieser Geist, der mal eine Frau war, auf die Klippen zuging und dabei nichts zumerken schien. Als wäre sie in einem Trance zustand. Kurz bevor sie den Rand der Klippe erreichte, blieb sie aber stehen und drehte den Kopf, sodass wir ihr Gesicht nun sehen konnten. Schön war sie, aber in ihren Augen lag etwas Trauriges, Flehendes. Sie öffnete den Mund, aber kein einziger Ton kam ihr über die Lippen. Dann warf sie sich nachvorne und fiel die Klippen hinunter. Ich und Fay konnten es kaum erwarten, Lex von unserer Begegung mit dem Geist zuerzählen. Er schien uns ebenso was sagen zu wollen. Um in Ruhe darüber zureden, verzogen wir uns in einen hinteren Winkel der Hotelhalle und tauschten unsere Erlebnisse aus. Lex erzählte uns, was er über da Haus und der Familie herausgefunden hatte, welche mal hier gelebt hatte. Als er sagte, dass die Frau die Klippe hinuntergestürzt und ertrunken war, warf ich einen Blick zu Fay. Sie dachte wohl dasgleiche wie ich. Sagte aber nichts und ließ Lex aussprechen. Dann erzählten wir ihm, was wir gesehen hatten. „Solangsam wird das Bild klar. Aber ich frage mich warum, wir den Vater noch nicht gesehen haben. Wenn er sich hier erhängt haben soll, ist auch er an diesen Ort gebunden!“, murmelte er. „Warum aber ist der Geist des Jungen hier. Er ist verschwunden, also an einem anderen Ort vermutlich zutode gekommen. Da frage ich mich warum er nicht woanders spukt!“, setzte ich ein. „Vielleicht ist er nicht außerhalb des Hauses zutode gekommen!“, sagte Fay. „Du meinst, er starb hier?“, fragte ich. Nennt mich ruhig in dieser Hinsicht begriffstutzig, aber ich schauderte bei dem Gedanken, dass der Junge hier starb, obwohl er als vermisst gegolten hatte. „Ja, aber wie und warum. Vor allem, wo seine Leiche ist, ist die Frage!“ „Vielleicht sollten wir uns mal den Friedhof ansehen. Sicherlich hatte die Familie soetwas, wie ein Familiengrab!“, sagte Lex. „Muss das sein?“, fragte ich und wieder lief mir ein Schauer über den Rücken. Friedhöfe waren das letzte, wohin ich wollte. „Wenn wir diesen Fall lösen wollen, dann ja!“ „Okay, aber wir bleiben zusammen!“, bestand ich darauf. „Hat du etwa Angst vor Friedhöfen?“ „Nein, aber ich kriege immer solche Magenschmerzen!“ Von dem Gefühl, dass mich unsichtbare Augen beobachteten und ich die Nähe von den Toten spüren konnte, wollte ich nicht reden. „Also gut. Erst der Friedhof und dann der Dachboden!“, murmelte ich. Der Friedhof schien der wichtigste Ort zusein, an dem wir mit der Suche anfangen sollten. Diese rlag gut eine Stunde von dem Hotel weg und wirkte, in seiner Abgeschiedenheit und durch den wildwuchernden Efeu verwildert und vergessen. Einige Grabsteine waren so sehr mit Moos bedeckt, dass die Inschriften kaum noch zusehen waren. Andere wiederum waren durch den Zahnder Zeit und Witterung so beschädigt, dass sich schon tiefe Risse durch den Stein frassen. Statuten von Engeln standen verteilt an den Gräbern, die mal wohlhabenden Menschen gehörten, nun aber Zeugniss davon waren, dass selbst der Tod und die Vergänglichkeit stärker waren. Eigentlich eine Schande. Der Friedhof musste mal wunderschön gewesen sein, war nun aber ein Schatten seiner selbst und ich fragte mich, wie man so nachlässig sein konnte. Ein alter Mann, hager und mit einer Gartenreche in den Händen, das Laub zusammenkratzte. Als er uns sah, hielt er kurz inne, sah uns mit zusammengekniffenen Augen an. „Guten Tag!“, grüßte Lex ihn höflich und ging auf ihn zu. „Kann ich Ihnen helfen?“, erwiederte er und stützte sich auf seine Reche. „Ja, wir suchen das Grab der Familie Griffin!“ Der Mann hob die Brauen und schob sich seine Kappe etwas zurück. Legte die Stirn in tiefe Falten und schien sich selber nicht zuerinnern, wo das gesuchte Grab befand. Schaut um sich und kratzte sich am Kopf. Doch dann schien er sich daran zu erinnern und deutete in eine wage Richtung. „Da. Dort finden Sie es!“, wies er uns an. „Wären Sie freundlich und zeigen es uns?“, bat nun Fay und lächelte ihn so herzlich an, dass er schon ein Eisblock sein musste, um da nicht weich zuwerden. „Ja, sicher. Folgen Sie mir!“, sagte er und winkte uns hinterher. Wir folgten ihm. Über den Kiesweg, zwischen verwitterte Gräber und mit Unkrautüberwuchertem Gras. „Wie kommt es, dass dieser Friedhof zu verwildert aussieht?“ Eigentlich war die Frage für mich selbst gedacht, doch ich hatte sie zulaut ausgeprochen, dass auch der Gärtner dies hörte und schnaubte. Sofort bereute ich meine lose Zunge und zog den Kopf zwischen die Schultern. „Hier kommen nur noch sehr wenige her, um die Gräber zupflegen. Die, die mal mit den Toten verwandt waren und die Gräber besucht und gepflegt hatte, sind selbst schon unter der Erde. Der Friedhof ist alt. Älter als ich. Und leider will hier keiner arbeiten!“, sagte er. „Da wären wir!“ Wir waren im hintersten Teil des alten Friedhofs. Hier war es noch verwilderter und ich hatte Mühe, um mich über einen abgefallen Ast oder ein Gestrüpp zustolpern. Der Mann trat zur Seite, ließ uns den Blick auf zwei Grabsteine werfen, die etwas weiter weg von einander standen. Ich fragte mich warum. Doch dann sah ich warum. Zwischen den beiden Gräbern war ein drittes. Aber es hatte keinen Grabstein. „Warum fehlt da ein Grabstein?“, sprach ich den Gärtner an. „Das sollte eigentlich ein Familiengrab werden. Aber da man den kleinen Thomas nicht gefunden hat, konnte man auch seine Leiche nicht begraben!“ „Woher wollen Sie wissen, dass er tot ist?“, fragte Lex. „Na, man hörte so einiges. Und da der Junge verschwunden und nie wieder gesehen wurde. Vorallem nicht lebend, geht man davon aus, dass er tot ist!“, erklärte der Gärtner. Das ergab natürlich durchaus Sinn. „Was wissen Sie über den Tod von Mr. Griffin?“ „Nicht viel!“, gab er zu. „Nur dass der arme Teufel sich erhängt hat!“ „Und wo?“ „Irgendwo im Haus!“, erklärte er und damit war unsere Unterhaltung auch schon zuende. „Wenn das so weitergeht, werden wir noch Wochen in dem Hotel verbringen!“, seufzte ich und sank tiefer in den Sitz. „Das ist wahr. Das Haus ist groß und er könnte sich überall umgebracht haben!“, sagte Fay. „Ich habe so eine Vermutung, wo wir suchen müssen!“, meinte Lex. Und ich hatte sofort einen Gedanken. „Der Dachboden!“ „Richtig. Ich nehme stark an, dass Mr. Griffin sich damals auf dem Dachboden erhängt hat!“ Kaum dass wir im Hotel waren, bat Lex Mrs. Farlane den Schlüssel zum Dachboden auszuhändigen. Ihr Mann sah uns mit gerunzelter Stirn an. „Wofür brauchen Sie den?“, fragte er un lehnte sich über die Theke. „Wir wollen uns was ansehen!“, erklärte er. Noch ehe Mr. Farlane frage konnte, was genau wir uns ansehen wollten, hatte Lex sich schon den Schlüssel geschnappt und war zur großen Treppe gegangen. Wir folgten ihm. „Hey, warten Sie mal!“, rief Mr. Farlane. „Was glauben Sie, wer Sie sind?“ „Wir sind die, die Ihnen den Arsch retten!“, murmelte Lex. Stapft forsch die Treppen hoch. Bog dann ab und ging zu der schmalen Treppe, die zum Dachboden führte. Schon als wir die Stufen hochschritten, hatte ich ein Ziehen im Magen. Wie als wenn ich in einer Achterbahn saß und den höchsten Punkt hinauffuhr. Ehe es in die Tiefe ging. Ich warf einen Blick zu Fay, der es nicht anders ging. Deutlich war in ihrem Gesicht zusehen, dass sie sich ebenso unwohl fühlte und sich etwas davor fürchtete, was uns hinter der Tür erwartete. Lex steckte den Schlüsseln in das Loch und schloss die Tür auf. Kalte, muffige Luft schlug uns entgegen und das Ziehen in meinem Magen verstärkte sich. Wir betraten den Dachboden. Er war groß und vollgestopft mit unzähligen Sachen. Alten Möbeln, Ölgemälden, ein altes Schaukelpferd und was man noch so alles auf den Dachboden abstellen konnte. Dicker Staub lag auf dem Boden und in allen möglichen Winkel hingen dicke Spinnennetzte. Ich schüttelte mich vor Ekel. „Wonach suchen wir eigentlich?“, fragte ich. „Nach etwas, was uns zeigt, dass er hier oben gestorben war!“, erklärte Lex. Aha. Sehr informativ. Ich wollte schon fragen, wonach genau und wie wir das erkennen konnten, doch Lex war schon in die nächste Ecke gegangen und wühlte sich durch das herumstehende Gerümpel. Natoll! Ich blickte mich um. Wo sollte ich anfangen zusuchen? Es könnte überall etwas zufinden sein. Ratlos entschied ich mich also für irgendeine Ecke und hob die Laken. Nichts. Nur alte Möbel, die schon sehr sehr lange hier oben stehen mussten. Igitt! Ist das Schimmel? Ich ließ das Laken wieder fallen und wandte mich schnell ab. Ging zu einer Reihe abgedeckter Bilder und hob das Laken hoch. Es waren alte verwitterte Ölschinken, die man eigentlich in Museen findet. Bilder, mit alten englischen Landschaften. Von elegant aussehenden Menschen, die allerdings ein Gesicht machten, als hätten sie was Falsches gegessen. Ein Bild aber fiel mir besonders auf. Es war wohl ein Familienporträt. Es zeigte einen Mann, eine Frau, mit ihrem Sohn. Ein hübscher kleiner Junge, mit einem Teddy im Arm. Sofort wusste ich, dass es sich hierbei um die Griffins. Ich erkannte die Frau sofort wieder. Es war die Frau, dessen Geist wir gesehen hatten. Das seltsame war, dass sie auch auf diesem Bild einen traurigen Ausdruck in den Augen hatte. Während ihr Mann einen etwas ernsten, strengen Blick hatte. Alles an ihm wirkte irgendwie ernst. Vorallem aber schien er ein Mann gewesen zusein, der die Fäden in der Hand hielt. Und keine Widerworte duldete. Ich fragte mich, was da schief gegangen ist. „Und was gefunden?“, fragte Fay mich. Ich sagte nichts, sondern zeigte auf das Bild. „Oh!“ „Ja, das dachte ich mir auch!“, sagte ich und holte das Bild gänzlich hervor. „Wenn ich es mir so ansehe, glaube ich fast, dass die Arme es nicht leicht hatte mit ihrem Mann!“, murmelte sie. „War auch mein Gedanke!“, kam es von mir. „Meinst du das hat was zubedeuten?“ „Da bin ich mir sicher!“ „Was macht ihr denn da?“, hörten wir Lex von der anderen Seite der Dachkammer hören und wie er auf uns zuging. „Ach nichts. Wir haben nur das Familienporträt der Griffins gefunden!“ „Lasst mal sehen!“, sagte Lex und beugte sich ünber uns hinweg. Seine Reaktion war die gleiche, wie von uns. Auch er hatte das Gefühl, dass der Ehemann nicht gerade ein netter Mensch war. Zumindest nicht zu seiner Familie. „Hm, jetzt wissen wir zwar, wie er aussah, aber nicht wo er genau hier gestorben war!“, murmelte Lex, als wir das Bild wieder zudeckten und uns umdrehten. Fay ließ den Blick umherschweifen. „Es könnte überall hier gewesen sein!“ „Aber müssten es dann hier nicht eiskalt sein. So wie beim letzten Mal!“, sagte ich und musste mich überwinden mich daran zuerinnern, wie kalt es war, als wir nur an der Treppe zum Dachboden standen. In der ganzen Zeit, wo wir hier oben waren, war nicht mal ein flüchtiger kalter Hauch an uns vorbeigestrichen. Geschweige denn sonst etwas anderes, was uns einen Hinweis gab. Bis jetzt habe ich mir nichts dabei gedacht. Dachte, der Geist oder was auch immer, würde sich erst zeigen, wenn wir es nicht erwarteten. Aber wir mussten gut eine oder vielleicht auch zwei Stunden hier oben sein und nichts war passiert. „Da ist was dran. Auch ich habe nichts gemerkt. Dabei war ich mir sicher, dass diese Kälte von hier kam!“, meinte Fay. „Und wenn wir uns doch geirrt haben?“, fragte ich etwas verlegen. Auch wenn etwas in mir sagte, dass wir hier richtig waren, hatte ich dennoch meine Zweifel. Wobei das Ziehen in meinem Magen deutlich dagegen war. „Suchen wir weiter. Irgendwas muss hier ja geben!“, sagte Lex und wollte weitersuchen, als er plötzlich wie angewurzelt stehen blieb und sich nicht rührte. Wenn man von dem Zittern absah, dass ihn plötzlich packte. Fay und ich warfen uns alarmiernde Blicke zu. „Lex!“, rief sie dann und machte einen Satz zu ihrem Bruder. Wollte ihn an den Schultern packen, ihn schüttelt. Doch kaum, dass sie in seiner Nähe war, zuckte sie zusammen. Ein entsetztes Keuchen kam über ihre Lippen und ihre Augen weiteten sich. Ihr Gesicht wurde blass. Ich wusste sofort, was das zubedeuten hatte. Die Kälte war wieder da! Und auch wenn ich meinen Freunden helfen wollte, versuchte ich ihnen nicht zunahe zu kommen, um nicht auch von dieser Kälte angegriffen zuwerden. Vorsichtig ging ich um sie herum. Versuchte zusehen, woher diese Kälte kam. Doch nichts in ihrer Nähe schien diese Kälte zuverursachen. Weder in der einen Ecke, noch in der anderen Sieh nach oben, flüsterte eine Stimme, die nicht von Erik war. Folgte dieser trotzdem und schaute hoch. Zuerst sah ich nichts. Nur Dunkelheit. Aber dann sah ich eine Bewegung. Weit über Fay und Lex, dort wo die Dächer zueiner liefen. Über dem Balken, die das Dach abstützten und quer verliefen, glaubte ich einen Schatten zusehen. Er wabberte umher, schien aber Ort und Stelle zu bleiben. Und auch wenn er gesichtlos und kaum zuerkennen war, wusste ich, dass es der Geist des verstorbenen Mr. Griffin war. Mir lief es kalt den Rücken runter, als ich zu ihm hochblickte. Etwas an seinen Bewegungen war bedrohlich. Als würde er etwas vorhaben. Und das würde nichts gutes sein. Mein Blick huschte wieder zu Fay und Lex, die immernoch wie erstarrt dastanden und sich nicht rühren konnten. Ihre Gesichter waren noch blasser als vorher schon und ihre Atemzüge waren nicht mehr als ein Röcheln. Mein Gott, durchfuhr es mich. Sie ersticken! Wenn ich nichts unternahm, werden sie sterben. Mir blieb keine Zeit. Ich musse das Armband aktevieren. Also konzentierte ich mich darauf. Rief nach einer Waffe, die ich gegen den Schatten einsetzten konnte. Das Armband wurde warm und ich spürte, wie ich aus dem Armreif etwas formte. Ein scharfes Klirren war zuhören und ich hielt in meinem Händen die Sense. Drohend hielt ich sie dem Schatten entgegen. „Los, verschwinde und lass meine Freunde in Ruhe!“, rief ich dem Schatten zu. Dieser zog sich zusammen, ballte sich zusammen wie eine Kugel. Ich konnte deutlich spüren wie er mich ansah. Mich am liebsten direkt angreifen wollte. Doch er ließ es sein und verschwand. Mit seinem Verschwinden wurden auch Fay und Lex aus seinem Bann befreit und sie sanken, nach Luft ringend zu Boden. Ich ließ die Sense verschwinden und eilte zu ihnen. „Ist alles in Ordnung?“, fragte ich. Fay zitterte noch eine Weile. In ihr Gesicht kehrte wieder etwas Farbe zurück und sie nickte. „Scheisse, was war das?“, fragte Lex zwischen einigen Atemzügen. „Das war Jack Griffin!“, sagte ich. „Er hat Euch…er wollte Euch umbringen!“ „Fast hätte er das auch geschafft. Ich dachte, ich ersticke!“, keuchte Fay. „Es hat sich angefühlt, als würde er mich würgen!“, sagte Lex. Räusperte sich. Hielt sich seinen Hals. Tastete ihn ab. „So ging es mir genauso!“, flüsterte Fay und befühlte auch den ihren. Ihre Finger zuckten aber zurück. „Mein Hals!“, flüsterte sie leise. „Lex, lass mich deinen Hals sehen!“, sagte sie aufgebracht und zog die Hände von dem Hals ihres Bruders. Ich verstand zuerst nicht. Doch dann sah ich die dunkle Linie, die sich quer über ihren Hals zog. Wie von einer Schlinge. Lex hob etwas den Kopf, zeigte ihr den Hals und auch auf ihm war ein roter Strich zu sehen. Fay stiess scharf die Luft aus. „Oh, Gott!“, flüsterte sie. Lex schien gemerkt zuhaben, das etwas an seinem Hals nicht stimmte. Er sah es ja selbst an Fay. Sein Gesicht verhärtete sich, sodass er aussah, wie Brian, wenn ihm etwas nicht gefiel. Vorsichtig berührte er den Hals von Fay, sie zuckte zusammen. „Jetzt wissen wir, wie er zutode kam!“, flüsterte er und schaute nachoben. Seine Augen gingen zu dem Balken über ihnen, blieben daran haften. Suchten etwas. Und fanden es. Er richtete sich auf, streckte sich zu dem Balken hoch und langte hinauf. Ließ seine Finger über das Holz wandern. Hielt dann inne. „Ich glaube, ich habe hier etwas!“, sagte er. „Holt mal etwas her, wo ich draufstellen kann!“ Ich holte eine Kiste, die stabil genug aussah und schon sie zu Lex. „Hier, versuch es mal damit!“ Lex stellte die Kiste unter den Balken und stieg darauf. Wischte den Staub von dem Balken und untersuchte ihn weiter. „Hey, ich glaube, ich habe hier etwas!“, sagte er und stieg von der Kiste herunter. „Was denn?“, fragte Fay. Anstatt etwas zusagen, zeigte Lex nur auf die Kiste. „Seht es Euch an!“, wies er sie an. Fay stieg auf die Kiste, schaute nach und ihre Augenbrauen hoben sich. „Das ist ja ein Ding!“, flüsterte sie. „Allison kuck dir das an!“ Neugierig, was da sein könnte, kletterte ich auf die Kiste. Leider war ich nicht so groß wie Fay oder Lex, also musste ich mich auf die Zehenspitzen stellen, um etwas zusehen. In dem dunklen Holz sah ich eine tiefe Abschürfung, an der Fasern zurückgeblieben waren. Fasern von einem Seil. Ich streckte die Finger danach aus, strich darüber und als ich sie berührte, blitzte vor meinen geistigen Augen ein Bild auf. Ein Mann, ich erkannte ihn, Jack Griffin. Mit einem Seil in der Hand, was er zu einer Schlinge geknotet hatte, stieg er auf einen kleinen Hocker und wickelte die Schlinge um diesen. Dann schob er seinen Kopf durch die Schlinge und sprang vom Hocker. Noch ehe ich mehr sehen konnte, wurde ich wieder ins Hierundjetzt zurückgerissen, wofür ich sehr dankbar war. Doch der Schrecken saß mir tief in den Knochen und ließ mich kurz in die Knie gehen. Ich hielt mich an dem Balken fest un stieg dann vorsichtig hinunter. Mir war schwindelig und ich brauchte einen Moment, bis ich wieder sicher auf den Füssen war. Fay war sofort zur Stelle und legte mir die Hände um die Schultern. „Geht es?“, fragte sie, wobei das wirklich untertrieben war. Ich nickte trotzdem. „Was hast du gesehen?“ Fay setzte mich auf die Kiste, blieb dicht neben mir und strich mir behutsam über den Rücken. Mühevoll holte ich Atem und sagte, was ich gesehen hatte, obwohl sich mir der Magen umdrehte. „Ich hab gesehen, wie er sich erhängt hat!“, würgte ich hervor. „Fehlt uns nur noch der Junge!“, sagte Lex. Wir saßen wieder in der Halle und wieder hatten wir uns was Prozentiges bringen lassen. Wobei ich einen doppelten hatte. Mit verkrampften Händen umfasste ich das Glas und nahm einen langen Schluck. „Wie bitte? Sag mal hast du sie noch alle?“, kam es von Fay aufgebracht und schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. „Wir wären beinahe draufgegangen, als wir den Geist von Jack Griffin gefunden haben. Oder besser gesagt, als er uns fand!“ „Ich gebe zu, es war knapp. Und wäre Allison nicht eingetreten, wären wir tot!“, sagte er, worauf er mir einen anerkennenden Blick zuwarf. Wow, er konnte auch mal ein Lob verteilen. Wer hätte das gedacht. „Nichts desto trotz müssen wir nun auch erfahren, wie der Junge gestorben ist!“, sagte er dann und schaute in die Flammen. „Warum?“, fragte ich. „Damit wir ihnen endlich den Frieden geben können!“, sagte er. „Solange ihre Seelen voneinander getrennt sind, werden sie weiterhin hier herumspuken!“ „Woher willst du das wissen?“, fragte ich. „Nenne es eine Ahnung!“, sagte er nur. Es ist schon spät. Wir sollten Schlafen gehen!“ „Ich bezweifle, dass ich heute Abend ein Auge zubekommen werde!“, murmelte ich. „Kannst dich ja an mich ehran kuscheln, wenn du Angst hast!“, sagte Fay mit einem verschmitzen Grinsen. Ich verschluckte mich dabei sosehr, dass meine Augen brannten. „W-Wie bitte!“, keuchte ich und versuchte wieder normal zu atmen. Fay lachte nur. „War ein Witz!“ „Sehr komisch!“ Ich wälzte mich viele male im Bett hinundher. Wie man es sich denken konnte, fand ich keinen Schlaf. Fay hingegen schlief wie ein Stein. Wie machte sie das bloss? Mit einem frustierten Seufzen nahm ich mein Kissen und klopfte es zurecht. Ließ mich darin fallen und verschränkte die Arme. Wenn ich nicht bald einschlief, würde ich morgen früh so fit wie eine nasse Socke sein. „Soll ich dir ein Schlaflied singen?“, fragte Erik, der neben mir aufgetaucht war und ich konnte deutlich an seiner Stimme hören, dass er grinste. Ich konnte nicht anders, als mein Kissen zuschnappen und es ihm um die Ohren zuhauen. „Schnauze!“ „Auatsch! Was soll denn das?“ „Ich habe dir gesagt, dass ich dir was um die Ohren hauen werde, wenn du mich wieder erschreckst!“, sagte ich. „Schon gut, schon gut. Ich werde dich nicht mehr erschrecken!“, sagte er. Ich schnaubte und nahm wieder das Kissen. Klammerte mich daran. „Selbst wenn du mir ein Schlaflied singst, werde ich kein Auge zumachen können!“, murmelte ich. Es lief mir kalt den Rücken runter, als ich mir wieder das Bild des erhängten Mr. Griffin ins Gedächtniss rief. Nein, ich würde nicht mehr schlafen können. Zumindest nicht solange ich hier war. „Wieso? Was ist passiert?“, fragte er. Erik schien gemerkt zuhaben, dass mich etwas verstört hatte. Ich drückte das Kissen enger an mich und grub mein Kinn darin. Verschränkte stärker die Arme um mich, damit er nicht sah, wie sehr ich zitterte. „Ich…ich habe den Tod eines anderen gesehen. Ich hab gesehen, wie er sich erhängt hatte!“, flüsterte ich. „Das ist doch nichts Neues!“, sagte er Erik völlig unsensibel, wofür ich ihm wieder das Kissen um die Ohren gehauen hätte. Doch ich ließ es, ich zitterte zusehr, als das ich ihn getroffen hätte. „Achja, und was wenn ich dir sage, dass der Mann schon längst tot ist?“, fragte ich, womit Erik erstmal der Atem stockte. „Du hast gesehen, wie ein Toter sich umbrachte?“, bohrte er nach. „Ja, verdammt!“, sagte ich gereizt, wobei ich aufpassen musste, dass ich nicht Fay weckte. „Das ist seltsam!“, murmelte er und schien erstmal selber darüber nachzudenken. Seltsam? Das nennt der seltsam? Entschuldigung, aber seit meiner Kindheit sehe ich seltsame Dinge. Dinge, die mir Angst machen und immernoch und mich nun in diesen Strudel aus Monstern, Dämonen und anderen dunklen Biestern hingezog. Was sollte nun daran seltsam sein? „Inwiefern?“, fragte ich, weil ich wirklich neugierig darauf war. „Nun, eigentlich siehst du Dinge, die Lebenden geschehen. Dass du aber nun die Vergangenheit eines Toten gesehen hast, zeigt, dass du mehr Fähigkeiten hast, als gedacht!“ „Soll mich das jetzt beruhigen?“ „Naja, wenn es das tut dann, ja!“ „Nein, ehrlich gesagt nicht!“, sagte ich trocken. „Was war das überhaupt?“ „Wie du schon sagstest, eine Vision aus der Vergangenheit des Toten. Man kann es schwer erklären!“, sprach er nachdenklich. „Auf jeden Fall kannst du mit dieser Gabe, die Erinnerung des Geistes sehen. Was durchaus hilfreich ist!“ „Ja, aber ich weiss nicht, ob ich darüber froh sein sollte!“, murmelte ich. „Zumindest weisst du jetzt, wie er starb und hast somit etwas Wichtiges erfahren!“ „Und was?“ „Einem Mensch, der Selbstmord begeht, ist zum einen der Zutritt in den Garten verwehrt und zweitens muss es einen triftigen Grund gegeben haben, dass er eine so schwere Sünde begeht und seinen Frieden verwehrt!“ „Fragt sich nur was für ein Grund?“ „Genau das müsst ihr rausfinden!“ Ich wollte fragen wie, als wir plötzlich einen Schrei hörten. Er kam vom anderen Ende des Flures, auf dem auch unsere Zimmer lagen. Fay war sofort wach und sprang aus dem Bett. Ich folgte ihr, wenn auch ein wenig ungelenk. Lex kam uns entgegen. „Was war das?“, fragte Fay. Ob sie damit den Schrei meinte oder ob dieser von einer lebenden Frau oder von einer toten kam, war fraglich. Was aber deutlich war, war, dass der Schrei das halbe Hotel geweckt hatte, plus die Hotelinhaber. Diese stürmten ebenso auf den Flur. „Was soll denn das Geschrei hier!“, brummte Mr. Farlane. Da kam ein Mann rausgstürmt. Er war in heller Aufregung und wedelte wild mit den Händen. „Helfen Sie mir. Meine Freundin…!“, schrie er. „Was ist mit Ihrer Freundin?“, fragte Mr. Farlane. „Sie…sie steht unter Schock!“ „Was ist passiert, Judy?“, fragte Fay, die der verstörten Frau ein Glas Gin gab. Mit zitternen Händen hob sie das Glas an die Lippen und nahm einen tiefen Schluck. „Ich…ich habe geschlafen. Als mich plötzlich ein kalter Lufthauch streifte. Ich machte die Augen auf und wollte aufstehen. Ich dachte, das Fenster sei noch offen. Aber als ich aufstehen wollte, sah ich plötzlich diese Gestalt vor mir und sie streckte ihre Finger nach mir aus. Als sie mich berührte wurde mir eiskalt und ich dachte, ich müsste sterben!“ „War es eine männliche oder weibliche Gestalt?“ Die Frage war mir einfach aus dem Mund gerutscht. Alle Anwesenden sahen mich an. Teilweise, so als habe ich den Verstand verloren und andere weil ich mich zurückhalten sollte. Letzteres traf auf Lex und Fay zu. Schnell zog ich mich zurück und presste die Lippen aufeinander. „Was macht das für ein Unterschied?“, fragte die Frau und ihr Blick huschte von mi zu Fay und Lex und wieder zu mir. „Wer sind Sie überhaupt?“ Erst jetzte schien sie richtig zu merken, dass wir uns nicht wie typische Gäste benahmen. Statt nach einem Arzt zurufen, hatten wir uns in dem Zimmer versammelt, dass das Paar bezogen hatte. Mrs. Farlane war gleich zur Rezeption gegangen und hatte nach einem Arzt verlangt. Während ihr Mann mit uns im Zimmer stand und ziemlich angesäuert aussah. Ich konnte mir gut vorstellen, was er dachte. „Erst meine Frau und jetzt auch noch ein Gast. Das wird noch unser Ruin sein!“ „Wir…wir sind Hobby-Geisterjäger!“, log Lex schnell, was eigentlich der Wahrheit entsprach. „Hobby-Geisterjäger?“, echote der Freund der Frau und sah uns nun allesamt an, als seien wir gaga. „Wollen Sie uns verarschen?“ Lex slächelte gütig, versuchte ruhig zubleiben. „Nein, wir wollen Ihnen nur helfen!“, sagte er und wandte sich wieder an Judy. „Konnten Sie etwas hören oder erkennen. Hat dieses Ding etwas gesagt?“, fragte er. Judy runzelte die Stirn, schien nicht zuverstehen, was er damit meinte. Schüttelte aber dann den Kopf. „Nein, ich…ich hatte nur diese Kälte und diese Angst gespürt!“, flüsterte sie. Wischte sich den Schweiss von der Stirn. „Was erhoffen Sie sich von dieser Fragerei?“, fragte der Mann und umklammerte die Schultern der zitternen Frau. Lex hob beschwichtgend die Hände. „Es sind nur Fragen. Ich bin nunmal neugierig!“ „Dann sparen Sie sich ihre Neugier und lassen Sie uns in Ruhe!“, blaffte der Mann ihn an und wandte sich an Mr. Farlane. „Morgen wollen wir auschecken!“ Mr. Farlane nickte. Was blieb ihm auch anderes überig? Danach legten wir uns alle wieder ins Bett, wobei ich und Fay und womöglich auch Lex kein Auge zutaten. Am nächsten Tag reiste das Paar wie angekündigt ab. Es machte keine Szene, wofür Mr. Farlane wohl sehr dankbar war. Den anderen Gästen erzählte er, dass die arme Frau einen Alptraum hatte, der sie so zum schreien brachte. Mit ihm allerdings über den Vorfall zureden, war sinnlos. Trotz all dem wollte er nichts davon hören, dass es in seinem Hotel spukt. Unsere einzige Hoffnung war daher seine Frau. Unter einem Vorwand baten wir sie in den kleinen Salon. Lex hatte was weiss ich erzählt, um sie von ihrem Mann wegzulocken, der uns sowieso mit Argusaugen beobachtete. „Mrs. Farlane. Die Lage wird ernst. Jetzt hat dieser Geist sich schon einem Gast gezeigt. Es hätte schlimmer ausgehen können, als nur mit dem Erschrecken. Sie müssen Ihren Mann dazu überreden, dass Sie und die Gäste, auf der Stelle gehen müssen. Bevor noch was Schlimmeres passiert!“, sprach Lex eindringlich ihr zu. Mrs. Farlanes Gesicht sah müde und abgespannt aus. Sie musste eine ebenso schlaflose Nacht gehabt haben, wie wir alle. „Ich weiss, und glauben Sie mir: Ich würde keine weitere Nacht hierbleiben. Aber ich und mein Mann haben soviel reingesteckt, als das wir es aufgeben können!“, sagte sie erschöpft und wischte sich über die Stirn. „Das verstehe ich. Aber wir haben die Wahrheit erfahren. Über den Besitzer des Hauses. Er hat sich erhängt. Nachdem seine Frau und sein Sohn verschwunden, gestorben sind. Solange wir nicht wissen, wie wir seinen Geist beruhigen können, ihn bannen können, müssen Sie hier raus!“, sagte Lex und ich war verwundert, wie sanft er zu ihr sprach. Mrs. Farlane sah ihn einen langen Moment schweigend an, dann aber nickte sie. Ich atmete erleichtert auf. Sie kam zur Vernunft. Doch dann sagte sie etwas, was mich alle Hoffnung aufgeben ließ. „Das weiss ich. Deswegen habe ich jemanden angrufen, der es kann!“ Vor dem Hotel hielt ein Taxi. Und wenige Minuten später, läutete es an der Tür. Mrs. Farlane machte auf. Wir waren in der Hotelhalle, um uns den neuen Gast anzusehen. Eine kleine rundliche Frau trat ein. Trug ein altmodisches schwarzes Kleid, mit weissem Blumenmuster und Spitzenkragen. Das ergraute Haar zu einem strengen Dutt zusammen geknotet, sodass es aussah, als würde die gesamte Kopfhaut nachinten straffgezogen und auf ihrer Nase saß eine dicke Hornbrille, mit einer von kleinen Perlen bestückten, Brillenkette. Ihre Lippen waren mit grellrotem Lippenstift verschmiert, mit dem sie sich wohl ihre Jungend zurückholen wollte, was aber gründlich misslang. Kaum dass sie an die Rezeption trat, nahm sie die Brille ab und sah sich mit zusammen gekniffenen Augen. Sie erinnerte mich irgendwie an die kleine Dame aus dem Film „Poltergeist“, die das Haus reinigen wollte und es nicht geschafft hatte. War sie etwa auch so etwas, wie eine Geisteraustreiberin? Mr. Farlane ging zu ihr und begrüsste sie. Er dachte wohl, sie sei ein Gast. Als aber seine Frau kam und diese begrüßte und sich bedankte, dass sie so schnell gekommen war, schien er den Braten zuriechen. Sagte aber nichts. Wir schnappten ihren Namen auf. Mrs. Jeckins! „Was führt Sie hierher?“, fragte er und schaute kurz zu seiner Frau, die den Kopf zwischen die Schultern zog. „Ihre Frau hat mich gestern angerufen und gebeten, mich ein wenig hier umzusehen. Sie haben Probleme mit einem Geist?“, sagte sie und schaute sich um. Ging dabei in die Halle und blieb dann stehen. Hob dann die Hand und ließ durch die Luft wandern. Schloss die Augen. „Nun, wir…wir hatten einige technische Probleme!“, versuchte er sich rauszureden und warf wieder seiner Frau, diesesmal einen wütenden, Blick zu. „Technische Probleme?“, fragte Mrs. Jeckins und schien nicht so recht überzeugt zusein. Sie hatte Ahnung, das musste man ihr lassen. Zum Glück, zumindest zu Mr. Farlanes Glück, waren nicht viele Gäste in der Halle. Nur ich, Fay und Lex. Doch das reichte auch schon, um verlegen zuwerden und auch wütend. Mrs. Jeckins ließ die Hand weiter wandern, hielt dann aber inne. Ihre Stirn legte sich in tiefe Falten und sie sagte mit unguter Stimme:„ Ich spüre hier eine negative Aura!“ Ihre Hand bewegte sich noch einmal um sicher zusein, dass sie sich nicht irrte und hielt dann da inne, wo sie zuanfang die Hand gehalten hatte. Ich musste ein Lachen unterdrücken. Die negative Aura, die sie verspürte befand sich da, wo Lex saß. Um es genauer zusagen: Lex war wohl die negative Aura! Lex sagte darauf nichts, sondern warf der alten Dame nur einen giftigen Blick zu. Ich meinte so etwas wie „Ich zeige der gleich mal eine negative Aura!“, von Lex murmeln zu hören und grinste umso mehr. „Das ist einer unserer Gäste!“, sagte schnell Mr. Farlane und wandte sich an Lex. „Ich bitte vielmals um entschuldigung!“ Dann drehte er sich zu seiner Frau. „Was hast du dir dabei gedacht?“, blaffte er sie an und ballte die Fäuste. „Ich wusste nicht weiter. Wielange soll das denn noch gehen. Nicht mal sie haben was getan, obwohl sie vom Scotland Yard kommen!“ Da warf Mrs. Jeckins uns einen Blick zu, der sagte, dass selbst wir hier nichts machen konnten und ich war versucht, ihr zu sagen, dass sie auch nicht viel errechen würde. Ließ es aber sein. Soll die doch ihr Glück versuchen. Vielleicht sollte ich so fies sein und Erik bieten, sie ein wenig zuschocken. Die Verlockung war sehr groß und ich glaubte, ein böses Kichern in meinem Kopf zuhören. „Mrs. Farlane, es ist leider nicht leicht und es geht nicht von heute auf morgen. Aber wir haben schon viel herausgefunden!“, begann Lex nun, der aufstand und einen ebenso abschätzenden Blick auf die alte Dame warf. „Anscheinend nicht genug. Denn sonst wäre ich nicht angerufen worden!“, behauptete sie dann und ich spürte plötzlich wie die Luft sich elektrisch auflud. Oh-Oh! „Ich werde noch heute Abend eine Séance abhalten !“, beschloss sie. Wir alle schnappten nach Luft. Mr. Farlane, weil er nicht gerade begeistert war. Mrs. Farlane, weil sie davon nicht gehört hatte. Ich, weil ich nicht wusste, was das sein sollte. Und Lex und Fay, weil sie wohl ahnten, was das bringen würde. Nichts! „Eine was?“, platze es aus Mr. Farlane und er wurde rot im Gesicht. „Eine Séance! Eine Geistersitzung. Durch sie erfahren wir, wie wir dem Geist helfen können!“ Stille. Das war das einzige, was zu hören war. Wir alle sahen sie nur an. Doch Mr. Farlane war der erste, der etwas sagte. „Eine Geisterbeschwörung? Haben Sie noch alle? Wissen Sie wieviele Gäste wir verlieren werden?“, blaffte Mr. Farlane. Mrs. Jeckins schien sich dessen nicht bewusst zusein, denn sie zuckte nur mit ihren Schultern und stellte ihren Koffer ab. „Wenn Sie den Geist loswerden wollen, bleibt ihnen wohl keine andere Wahl!“, sagte sie und kurz schien es in Mr. Farlanes Gesicht zuarbeiten. Er fragte sich wohl, ob er sie nicht gleich wieder rausschmeissen würde oder noch besser, die Polizei rufen sollte. Doch dann schloss er die Augen und seine Stirn legte sich in tiefe Sorgenfalten. Er seufzte. Brachte nur schwer die Worte über die Lippen. „Also gut. Heute Abend. Aber warten Sie bitte, bis alle Gäste zu Bett gegangen sind!“ „Wir werden bleiben!“, sagte Lex inbrünstig und kurz sah Mrs. Jeckins ihn an. Deutlich sagte ihr Blick, dass sie das nicht wollte. Doch Lex´s Blick verfinserte und ich glaubte ein böses und warnendes Knurren zuhören. Ein Ruck ging durch die alte Frau und sie nickte dann schließlich. „Meinetwegen!“ „Damit wir uns richtig verstehen: Niemand verliert auch nur ein Wort darüber!“, sagte Mr. Farlane und warf uns dabei warnende Blicke zu. Wir sagten nichts. Wir hatten uns auf unsere Zimmer zurückgezogen. Um genau zusein, hatten wir uns alle in Fay und mein Zimmer versammelt um das, was eben passiert ist zubesprechen. „Was hälst du davon?“, fragte Fay, die es sich auf dem Bett bequem gemacht hatte. Lex stand an der Verbindungstür gelehnt da und machte ein bitteramüsiertes Gesicht. „Ganz ehrlich? Ich hatte alle Mühe, nicht laut loszulachen, als ich diese alte Schreckschraube gesehen habe!“ „Denkst du, sie ist eine Betrügerin?“, fragte ich nun. Lex zuckte die Schultern. „Ob Betrügerin oder nicht. Sie macht das ganze nur noch schlimmer. Geiste rmögen es nicht, wenn man sie provoziert!“ „Wie soll sie die Geister provozieren? Sie sagte doch, sie wollte sie vertreiben?“ „Ja, aber Geister lassen sich nicht so einfach vertreiben. Besonders nicht Geister, die ruhelos sind. Das müsstest du eigentlich vom letzten Mal wissen!“, sagte er und ich schluckte. Natürlich. Geister waren an den Orten gebunden, an denen sie zutode kamen. Genauso wie Samantha, die durch einen schlimmen Brand ums Leben kam und als ruheloses Gespenst durch die Irrenanstalt wanderte und Menschen umbrachte. Aber etwas daran unterschied sich von diesem und dem letzten Fall. „Aber dieser Jack hat sich doch umgebracht, während Sammy einen Unfall hatte. Wo ist da bitte schön die Gemeinsamkeit?“ „Geister sind zwar in manchen Dingenverschieden. Aber eines haben sie gemeinsam: Sie bleiben dort, wo sie zuletzt waren. Gelebt haben und gestorben sind. Und gehen nicht, ehe sie das, was sie an das Deseits bindet, erledigt haben oder von dem befreit werden. Daran kann keiner was ändern!“, erklärte Lex. Warf dann einen grimmigen Blick zu der Tür, die zum Flur führte und sagte mit knurrender Stimme:„ Nicht mal so ein „Medium“, wie diese Alte. Falls sie das überhaupt ist!“ „Ich kann ja Erik bitten, sie ein wenig zuerschrecken. Ich bin sicher, er hätte dabei einen mordsspass!“, witzelte ich. Es sollte wirklich nur ein Witz sein, doch als ich Lexs breites Grinsen sah, wusste ich, dass er das ernst nahm. „Hey, das war ein Joke!“ „Ich weiss, aber es wäre wirklich ein mordsspass!“ „Lex, lass den Unsinn!“, tadelte Fay ihren Bruder. „Selbst Erik wäre sich dafür zuschade!“ Mit jeder Stunde, die verstrich und sich der Abend näherte, merkte ich, wie nervös ich wurde. Ich ertappte mich dabei, wie ich immer öfter auf die Uhr und aus dem Fenster schaute. Mir auf die Lippen biss und daran nagte. Schnell versuchte ich mich irgendwie abzulenken. Fragte Fay, ob sie was zulesen dabei hätte. Kurz suchte sie in ihrer Tasche und holte ein Buch hervor. Es war ein Roman von Steven King. Es! Natoll, ein Horrorschinken. Passt ja. Aber ich sagte nichts, sondern schlug die erste Seite auf und begann zulesen. Doch ich konnte mich nicht darauf konzentrieren. Irgendwann gab ich es auf und legte das Buch beseite. Fay ahnte, dass ich nervös war. „Du bist aufgeregt, stimmts?“ Ich nickte nur. „Deine erste Séance?“, fragte sie wieder. „Ja!“, sagte ich. „Was passiert da eigentlich?“ „Man setzt sich an einen Tisch, greift sich bei den Händen ruft den Geist. Dabei müssen sich alle konzentieren und den Kreis nicht unterbrechen. Sonst geht das voll nach hinten los!“ „Hast du das schonmal gemacht?“ „Nein!“ „Und woher weißt du das alles?“ „Ich habe das in einigen Filmen gesehen und mich immer kaputtgelacht, wenn die Schauspieler den Kreis, wegen irgendwelchen dummen Gründen unterbrochen haben und dann Panik bekommen haben!“ „Und wird es genauso schiefgehen, wie in den Filmen?“ „Nein, weil das erst gar nicht funktionieren wird. Denn Geister lassen sich nicht anrufen, wie ein Mensch ans Telefon!“ „Und was meinst du wird dann passieren?“ „Nichts! Denn wenn der Geist nichts von sich hören lässt, wird sie gehen und uns in Ruhe unsere Arbeit machen lassen!“ „Bist du sicher?“, fragte ich nach, wobei Fay diejenige war, die die meiste Erfahrung hatte. Aber ich konnte nicht das Gefühl unterdrücken, dass bei der Séance etwas geschehen würde. Nur mit Mühe konnte ich dieses tief in mir verbergen und versuchen ruhig zu bleiben. Der Zeitpunkt, an dem die Séance stattfinden sollte, kam endlich. Nach langem warten. Alle Gäste waren zu Bett gegangen und schliefen tief und fest. Nur ich, Lex, Fay, die Farlanes und Mrs. Jeckins waren noch wach und hatten uns in der Hotelhalle um den runden Tisch versammelt. Das große Licht war ausgeschaltet und nur Kerzen erhellten den großen Raum. „Séance im großen Stil!“, hatte mir Fay zugeraunt und ich musste ein Lächeln unterdrücken. Wir setzten uns um den Tisch herum. Vor Mrs. Jeckins lag ein kleines Porträt von Jack Griffin, da Mr. Farlane zuvor vom Dachboden geholt hatte und ein violettes Kissen, in dem eine Kugel eingebettet war. Ohje! Das erinnerte mich irgendwie an eine Wahrsagerin. Und wenn ich mir Mrs. Jeckins so ansah, glich sie wirklich mehr einer Wahrsagerin vom Rummelplatz, als einem ernstzunehmenden Medium, wie Lex gesagt hatte. Ich tauschte einen Blick mit Fay, die diskret mit dem Finger gegen ihre Schläfe tippte und die Augen verdrehte. Ich musste ein Glucksen unterdrücken. Lex schien aber nicht zum Lachen zumute zusein. Er schaute mit finsterer Miene zu der alten Frau, die sich in den Mittelpunkt gestellt hatte. Etwas in seinem Blick sagte mir, dass er ebenso etwas ahnte, wie ich. Doch bevor ich Lex darauf leise ansprechen konnte, sagte Mrs. Jeckins schon:„ Ich möchte, dass Sie sich alle die Hände reichen und sich auf den Geist des vertorbenen konzentieren, Jack Griffin. Ich werde ihn rufen und was immer auch passiert: Sie dürfen die Hände nicht voneinander lösen!“ Es war genauso wie Fay es gesagt hatte. Sie warf mir einen wissenden Blick zu, tat aber was die Frau sagte und wir reichten uns alle die Hände. Mrs. Jeckins löschte alle Kerzen auf dem Tisch bis auf eine und schloss die Augen. Dann sagte sie mit hoher und beschwörender Stimme:„ Wir wollen denGeist von Jack Griiffin sprechen, der einst unfreiwillig diese Welt verlassen musste und nun hier ruhelos umhergeht. Jack, hörst du uns?“ Ich musste den Drang unterdrücken, mit halbgeschlossenen Lippen ein schauerliches Ja auszusprechen. Sowas albernes, dachte ich. Dennoch konzentierte ich mich. Versuchte mir das Gesicht des Toten vor meinen geistigen Augen heraufzubeschwören. Langsam schälte es sich aus dem Nebel meiner Gedanken, bis ich es genau vor mir sah. Ich glaubte das altbekannte, unangenehme Ziehen in meinem Magen zu spüren. Schauderte. Spürte, wie sich meine Nackenhaare aufrichteten. Der Drang, Fays und Lexs Hände loszulassen und den Kreis zuunterbrechen war aufeinmal da. Ich hörte deutlich diese Stimme wieder in meinem Kopf sagen, dass ich es sollte. Doch selbst wenn ich es wollte. Ich konnte es nicht. Etwas hielt mich fest, ließ mich nicht los. Es war unheimlich. Ich spürte Angst, in mir hochkommen. Todesangst. Und als ich die Kälte spürte, wurde die Angst zur schieren Panik. Nein, nicht schon wieder! Ich blickte rasch zu Fay, sah wie versteinert ihr Gesicht war. Ihre Augen geweitet, der Mund zu einem stummen Schrei geöffnet. Oh nein. Sie auch! Ich schaute zu Lex. In seinem Gesicht war dergleiche Schrecken zusehen. Schweissperlen lagen auf seiner Stirn. Seib Atem beschleunigte sich, seine Hände, die vorher meine leicht umschlossen, umklammerten sie nun. Drückten mir das Blut ab. Ich wollte schon schreien. Aus Angst und Schmerz. Doch meine Stimme versagte. Meine Kehle war trocken, die Zunge geschwollen. Ich blickte zu Mr. Jeckins, die den Kopf in den Nacken gelegt hatte und den Mund offenhielt. Ihre Augen waren immernoch geschlossen. Mit belegter Stimme, flüsterte sie. „Bist du hier? Jack Griffin? Gib uns ein Zeichen!“ Stille. Nichts als Stille! Dann aber begann die Kerze vor Mrs. Jeckins unruhig zu flackern und der Kornleuchter begann gefährlich hinundher zuschwanken. Es klirrte und quietschte und ich hatte Angst, dass er runterfallen würde. Doch er blieb hängen, schaukelte noch ein paarmal, dann hörte er auf. Ein Klopfen ertönte, dreimal, und ließ uns alle zusammenzucken. Riss uns aus unserer Starre und wir atmeten allesamt aus. Die Farlanes waren immer noch kalkweiss. Nur langsame beruhigten sie sich. Nun sank der Kopf von Mrs. Jeckins nachvorne und sie öfnete die Augen. Sie waren glasig, weiaufgerissen. Gleichen denen, einer unter Schock stehenden. „Er ist hier!“, flüsterte sie und blickte dann auf die Kristallkugel. Ein dunstiger Nebel war in dieser erschienen und waberte darin. Zog lange Schlieren, in denen ich glaubte Fratzen zusehen. Ich schauderte. Der Nebel trat bdann aus der Kugel wogte auf, wie eine Welle und breitete sich auf der Tischplatte aus. Türmte sich dann auf und nahm die Form eines Menschen an. Wir blickten alle zu dieser auf und als der Umriss und die Konturen etwas schärfer wurden, erkannten wir, wer da vor uns war. Jack Griffin. Schon auf dem Bild machte er einen einschüchternen Eindruck. Doch als Nebelgestalt, als leibhaftiger und gut zusehender Geist, war er noch furchteinlössender. Sein Gesicht zeugte von Härte und Strenge. Mir lief es eisig den Rücken runter und ich fragte mich, warum und wie man einen solchen Menschen lieben konnte. Ich musste dabei an seine arme Frau denken. Wie sie uns hilfesuchend angschaut hatte und sich dann die Klippen runtergestürzt hatte. Oder an den kleinen Jungen, der spurlos verschwand. Seinen kleinen Sohn. Thomas! Ich starrte ihn an und konnte ein Zittern nicht verhindern. Der Geist sah mich ebenso an. Schien die anderen um mich herum nicht zubemerken oder zubeachten. Sondern sah nur mich an. Seine Blicke bohrten sich durch meine Augen, in meinen Kopf hinein. Es war zuvergleichen, wie als wenn man glühendheisse Nägel durch die Augen schlagen würde. Ich wollte den Blick senken, ihn nicht mehr ansehen, aber ich konnte es nicht. Er hielt mich gebannt mit seinen Blicken, wie eine Schlange ein Kaninchen. Und wie eine Schlange, schnellte er plötzlich vor und packte mich an den Schultern. Da fand ich endlich meine Stimme wieder und schrie, als sich seine Finger wie Dolche in meinen Körper bohrten und mich von innen zu Eis werden ließen. Wie als wenn mir jemand einen Schlag ins Gesicht versetzt hätte, wurde aufienmal alles um mich herum schwarz und ich glaubte, meinen Körper zuverlassen. Ich wurde fortgerissen, weit weg von von meinen Freunden. Aus der Hotelhalle ins Nichts. Und dennoch sah ich sie um mich herum. Doch etwas überlagerte das Bild. Ein anderes Bild. Das Bild der Hotelhalle, die mal das Wohnzimmer gewesen sein musste, bevor das Ehepaar das Haus gekauft hatte. Ich erkannte den Kamin wieder, in dem Feuer loderte. Der Leuchter, auf dem statt Lampen nun Kerzen gesteckt waren und brannten. Die Möbel, wesentlich älter, als die, die jetzt da waren. All das sah ich, deutlicher, als das, was ich vorher gesehen hatte. Nur schemenhaft sah ich Fay, die sich zu mir herüber gebeugt hatte und an mir rüttelte. Schwach, beinahe weit entfernt hörte ich ihre Stimme rufen. Doch ich achtete nicht darauf, sondern sah zur Treppe und sah, wie ein Mann diese runter stürmte. Gefolgt von einer Frau, die auf ihn einredete. Ihr Gesicht waren sorgenvoll, aber auch enttäuscht. Ich erkannte sie. Es war Helen Griffin und der Mann Jack Griffin. Ich war in der Vergangenheit! Als sie ihn einholte und seinen Arm ergriff, wirbelte er zu ihr herum und schrie in etwas ins Gesicht. Daraufhin wich sie zurück und war den Tränen nahe. Sie schüttelte panisch den Kopf. Machte dann einen Schritt auf ihn zu und fasste ihn am den Reliefen seines Jackets. Sagte etwas, woraufhin sie noch aufgelöster wurde. Doch ihrem Mann schien das nicht zu kümmern, denn er riss sich los und stürmte davon. Genau auf mich zu. Ich wollte schon ausweichen, doch so schnell konnte ich nicht reagieren. Als er durch mich hindurch ging, stürzten wahre Wellen von Empfindungen auf mich ein. Wut. Enttäuschung. Und noch viele andere, die ich nicht aufzählen kann, da dies so schnell ging und ich, kaum dass er durch mich hindurch gegangen war, wieder ins hier und jetzt zurückgerissen wurde. Das erste, was ich bemerkte war, dass ich wohl mit dem Stuhl nachhinten gekippt sein musste und nun auf dem Boden lag. Dann, wie sich meine Freunde über mich beugten und auf mich einredeten. „Allison? Allison, kannst du mich hören?“, rief Fay besorgt. Als ich wohl nichts sagte, dachte sie das schlimmste. „Rufen Sie einen Arzt!“ Noch ehe Mrs. Farlane oder ihr Mann reagieren konnten, hob ich die Hand. „Nein, es..es geht wieder!“, brachte ich schwach heraus und richtete mich auf. Schwankte dabei etwas. Lex legte schnell den Arm um mich. Sah mich mit besorgter Miene an. Dann sah er zu Mrs. Jeckins und sein Blick wurde mörderisch. „Sie können von Glück sagen, dass ihr nichts passiert ist, Sonst würde ich Sie eigenhändig…!“, drohte er, doch Fay schnitt ihm das Wort ab. „Lex!“ Mrs. Jeckins schien mehr überrascht als erschrocken zu sein. Vermutlich hatte sie damit nicht gerechnet und ich wünschte nun wirklich, dass Erik ihr eine satte Lektion verpassen würde. „Ich…ich hätte nicht gedacht, dass…!“, stammelte sie nur. Lex schnaubte. „Haben Sie jemals gedacht!“, murrte er und lud mich, ohne dass ich überhaupt etwas sagen oder dagegen tun konnte, auf seine Arme und trug mich davon. „Geht es? Wirklich?“, fragte Fay mich, als wir oben angekommen waren. Lex hatte mich bis zu unserem Zimmer und ins Bett getragen. Erst als ich ihm sagte, dass es mir auch wirklich gut ging, ließ er mich los. Blieb aber dennoch. „Ja, ich...ich stehe nur immernoch etwas unter Schock!“, gestand ich. „Was ist denn passiert? Du hast geschrien und aufeinmal warst du wie weggetreten?“, fragte Fay. Ich brachte alle Kraft, die ich aufbringen konnte, auf, um zu erzählen, was ich gesehen hatte. Erlebte es erneut und schauderte. Ich zog die Decke eng um mich. „Sie haben gestritten? Weißt du um was?“ „Nein, ich habe sie nur gesehen. Konnte sie aber nicht hören!“, sagte ich. „Das macht es nicht gerade leicht!“, murmelte Lex. „Was jetzt?“, fragte Fay. Lex schien selber ratlos und blickte dann aus dem Fenster. Es verging eine lange Zeit, ehe er etwas sagte. „Meinst du, Erik kann diesen Geist aufspüren und etwas aus ihm herausholen?“, fragte er dann und Fay und ich sahen ihn an wie ein Auto. „Ist das dein Ernst?“, fragte Fay ungläubig. Ich sah ihn nur an und hätte fast gelacht, wenn ich nicht so unter Schock gestanden hätte. „Ja! Fällt dir was anderes ein?“, fragte er und hob die Schultern. Fay sagte daraufhin erstmal nichts. Schien wirklich keine bessere Idee zuhaben. Das reichte Lex und er wandte sich wieder zu mir. „Also? Meinst du, das ginge?“ Ich hob ratlos die Schultern. „Ja oder nein?“, kam es wieder von Lex, der langsam ungeduldig wurde. „Frag mich doch einfach!“, kam es plötzlich von Erik, der wiedermal wie aus heiterem Himmel hinter Lex auftauchte. Lex machte einen Satz nachvorne. Erik hatte mir versprochen, dass er mich nicht erschreckt, ihm aber nicht. Und als ich Erik ansah, glaubte ich ein gemeines Grinsen auf Eriks Gesicht zusehen. „Wo…wo kommst denn hier?“, fragte Fay, zwar auch erschrocken, aber nicht so wie ihr Bruder. „Ich war zufällig in der Nähe?“, riet Erik mit einem schiefen Grinsen. „Zu deiner Frage: Nein, leider nicht. Denn sobald ich meine Gedanken auf den Geist richte, würde er mich von sich wegstossen und damit nur noch alles schlimmer werden!“ Wir seufzten niedergeschlagen. Diese Option blieb und auch nicht. Also was jetzt? „Legt Euch erstmal schlafen. Morgen sehen wir weiter!“, sagte Lex und ging in sein Zimmer. Erik blieb noch kurz, dann sah er mich kurz an. „Meinst du, du kannst ein Auge zumachen?“, fragte er mich. Ich nickte. „Versuchen kann ich es ja!“ „Na dann. Gute Nacht!“, sagte er und verschwand. Fay sah ihm nach und schüttelte den Kopf. „Sag mal. Ist das normal, dass er einfach so auftaucht und dann wieder verschwindet?“, fragte sie und ich wollte schon sagen, dass das nicht alles sei. Ich erwähne nur die erste Nacht hier im Hotel, als Fay unter der Dusche stand und Erik einfach so auftauchte. Doch ich verbiss es mir. Ich zuckte daher mit den Schultern. „Ja, aber man gewöhnt sich dran!“, sagte ich. Wobei das haushoch erlogen war. Keiner der Gäste schien von der gestrigen Geistersitzung etwas bemerkt zuhaben. Dabei war es nicht gerade leise zugegangen, aber anscheinend hatte sich der ganze Spuk nur in der Hotelhalle zugetragen, sodass Mr. Farlane keinen Grund zur Sorge hatte. Naja, sagen wir: Fast keinen! „Das war das erste und letzte Mal, dass ich solch einem Unsinn zugestimmt habe!“, tobte er am nächsten Tag. Er, seine Frau, Mrs. Jeckings, die geblieben war, sehr zum Leidwesen Mr. Farlanes, Lex, Fay und ich hatten uns im Salon zusammengesetzt, um über das Ergebniss der Séance zusprechen. Mrs. Jeckins, die wohl immernoch nicht glauben konnte, dass ihre Arbeit gestern wirklich Früchte getragen hatte, saß da und schaute stumm vor sich hin. Daher ergriff Lex das Wort. „Sie haben doch gestern selber gesehen, was passiert ist!“, warf er ein. Nach allem was gestern vor sich gegangen war, müsste selbst Mr. Farlane erkennen, dass es hier Geister gab. So verbohrt konnte doch kein Mensch sein? „Wie erklären Sie es sich denn sonst?“ „Eine Einbildung. Nichts weiter. Weil jeder hier darauf behart, dass es hier spukt, hat sich mein Unterbewusstsein damit auch anstecken lassen und mir Sachen vorgegaukelt, die es nicht gibt!“ „Ach, und dass unsere Freundin beinahe einen Herzinfakt hatte, sagt nichts!“, giftete Fay nun und stemmte die Hände in die Hüften. Mr. Farlane wich einen Schritt zurück, als Fay ihm einen glühenden Blick zuwarf. Wow, Fay konnte richtig sauer werden. Mr. Farlane brauchte eine Weile, ehe er weitersprach. „Das…das beweist gar nichts. Absolut gar nichts!“, sagte er stotternt. Fay wollte gerade was zur Antwort ansetzen, als wir einen ohrenbetäubenden Krach und Geschrei hörten. Wir stürmten aus dem Salon, hätten uns beinahe selber umgestossen und eilten in die Halle. Dort hatten sich einige Gäste versammelt, die ziemlich erschrocken aussahen und durcheinander sprachen. Allesamt schauten sie auf den Tisch, vor den Kamin, der nun nur noch ein Trümmerhaufen aus Holz war. Der Leuchter musste sich aus seiner Halterung gelöst haben und war auf den Tisch gekracht. Man könnte meinen, die Kette war zuschwach gewesen, um das schwere Teil zu halten. Aber ich, Lex und Fay wussten es besser. „Ist alles in Ordnung?“, fragte Mr. Farlane aufgebracht. Doch keiner der Gäste konnte etwas sagen. Alle Blicke waren auf den Leuchter gerichtet. „Was ist passiert?“, fragte Lex, der ebenso auf den Leuchter blickte, und dabei mehr zusehen schien, als die anderen. „Wir…wir haben hier gesessen, als…Er…er ist einfach runtergekracht!“, erklärte ein Mann bestürzt und versuchte seine Frau zuberuhigen. „Einfach so?“, hakte Lex nach, der es nicht so ganz glauben wollte. Dann wieder zur Kette schaute, die den Leuchter gehalten hatte und nun hinundher schwang. Seine Augen verengten sich. Ich ahnte, dass Lex etwas da oben sah, also schaute ich auch hinauf und glaubte, etwas wie einen Schatten an der Stelle vorbeihuschen zusehen, an der die Kette angebracht war. Jack Griffin! Dieser Mistkerl hatte den Leuchter runterkrachen lassen. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ein Mensch unter diesem gestanden hätte. Solangsam wurde es gefährlich und ich hoffte inständig, dass Farlane endlich zur Vernunft kam und uns glauben würde. Lex nahm den Mann beiseite, als hätte er meine Gedanken gelesen und schob ihn in den Salon zurück. „Sehen Sie es endlich ein, Farlane? Alle hier schweben in großer Gefahr. Wenn Sie nicht endlich uns unsere Hilfe annehmen und tun, was wir sagen, wird es noch viel schlimmer werden!“, drängte er auf ihn ein. Mrs. Falarne war aschfahl und sie legte die Hand auf den Arm ihres Mannes. Sah ihn mit flehenden Blicken an. Ihr standen die Sorge und die Angst deutlich ins Gesicht geschrieben. Mir tat sie leid. Was musste die Frau noch für Ängste ausstehen, damit ihr Mann endlich seine Sturheit vergass und auf uns hörte. „Was soll ich Ihrer Meinung nach tun?“, fragte er scharf. Der Schock schien verflogen zusein. „Soll ich den Gästen sagen, dass es hier spukt und wir alle in Gefahr sind!“ „Zum Beispiel!“, erwiederte Lex ruhig. „Machen Sie sich nicht lächerlich. Ich habe mein ganzes Geld in diesen Kasten gesteckt und lasse mir das nicht kaputt machen, nur weil Sie darauf bestehen, dass hier ein Geist umgeht!“ „Ihr Geld sollte Ihre kleinste Sorge sein. Denn der Geist wird sich nicht damit abfinden, dass Sie hier sind. Er wird alles tun, um Sie hierraus zubekommen. Das ist sein Haus!“ „Sie sind doch hier, um diesen Geist rauszuschmeisse? Warum tun Sie es dann nicht?“ „Das können wir nur, wenn niemand außer uns hier ist. Verstehen Sie denn nicht? Solange das Haus mit Menschen bewohnt ist, gibt es immer ein Risiko, dass einer verletzt werden kann!“ „Schatz, bitte. Hör endlich auf diese Leute. Du hast doch selbst gesehen, was alles passieren kann!“, flehte seine Frau. Grub ihre Finger in seinen Arm. Mr. Farlane sah sie mit einem tortzigem Blick an, dann seufzte er. „Also gut. Ich werde sehen, was ich machen kann. Aber wenn Sie dabei keinen Erfolg haben, wars das!“, sagte er. Drehte sich um und ging. Nun wandte sich Lex an Mrs. Jeckins, die mit uns in den Salon zurückgegangen war. „Und Sie packen Ihre sieben Sachen und verschwinden von hier!“, wies er sie an. Mrs. Jeckins schnappte hörbar nach Luft und ich fürchtete, ihr Spitzenkragen würde dabei reissen. „Was soll ich? Was glauben Sie wer Sie sind?“, fragte sie entrüstet. „Ich bleibe!“ „Nein, das werden Sie nicht. Sie haben uns schon genugn Probleme bereitet!“ „Aber ich habe Erfahrung!“ „Die haben wir auch!“ „Ich kann helfen!“, sagte sie. „Sie haben uns genug geholfen!“, sagte Lex hingegen entschieden. Mrs. Jeckins öffnete den Mund, um noch etwas zusagen, doch Lex beugte sich zu ihr nachvorne und sagte mit knurrender Stimme: „Zwingen Sie micht nicht, Sie mit Gewalt rauszuschmeissen!“ Mrs. Jeckins Augen weiteten sich. Keine Ahnung, aber ich hatte das Gefühl, dass er sie wirklich an dem Kragen packen und über die Schwelle schelifen würde, wenn sie ihn dazuzwang. „Tun Sie, was er sagt!“, flüsterte ich. „Er meint es ernst!“ Mrs. Jeckins sah mich kurz an, dann wieder Lex. Straffte die Schultern und richtete in ihrer ganzen Größe auf. „Wie Sie meinen!“, sagte sie nur und stolzierte davon. Ich ging durch den Flur. Oder besser gesagt: Ich schwebte. Es war wie, als der Geist von Jack Griffin durch mich hindurch ging und mich aus meinem Körper riss. Es fühlte sich nicht gerade angenehm an, als körperloser Geist oder was auch immer ich war, durch den Flur zuschweben. Es fühlte sich kalt und leer an. Als wäre ich tot. Ich versuchte nicht weiterdaran zudenken. Schwebte weiter. Ich dachte zuerst, ich würde zum Dachboden gehen, aber dann sah ich, dass ich zur Treppe schwebte und dort stehen blieb. Unten am Fuss der Treppe sah ich Jack Griffin, mit einem kleinen Jungen im Schlepptau. Das musste sein Sohn sein! Er klammerte sich weinend an dem Bein seines Vaters fest und rief etwas. Wieder konnte ich nicht verstehen, was es war. Aber als ich das Gesicht des Jungen sah, wusste ich, dass er seinen Vater bat, ihn nicht allein zu lassen. Ich kannte selbst diesen Blick. Von früher, als… Ich versuchte nicht weiter daran zu denken und verfolgte, was sich da abspielte. Jack Griffin schien nicht auf das Flehen seines Sohnes zuhören. Er ging einfach weiter. Sein Gesicht eine grimmige Maske. Thomas klammerte sich umso fester an ihm. Schien noch ängstlicher und verwzweifelter zuwerden. Ich musste mich wirklich beherrschen. Am liebsten wäre ich auf Jack losgegangen und hätte ihn für seine Kaltherzigkeit eine reingedonnert. Doch ich hatte weder Hände noch Beine. War nichts weiter, als eine körperlose Gestalt. Und so war ich dazu verdammt zuzusehen. Es brach mir das Herz, wie der Kleine seinen Vater anflehte und verstand nicht, warum Jack Griffin das nicht berührte. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass der Kleine wegen dem Tod seiner Mutter so außer sich war. Ich konnte die Trauer förmlich spüren. Als wäre sie meine eigene. Thomas sprang nun die letzten Sufen hoch, stellte sich seinem Vater in den Weg und ballte die Fäuste. Er schrie etwas und neben der Verzweiflung war auch die kindliche Wut zusehen. Ich versuchte die Worte nach zusprechen, um zuverstehen, was er da sagte. Seltsamerweise schaffte ich es auch. „Du hast Mama niemals liebgehabt!“ Das schlug ein wie eine Bombe. Jack Griffin, vorhin mit einem steinernen Gesichtsaussdruck, wurde nun kreidebleich und seine Augen weiteten sich vor Unglauben. Minuten lang passierte nichts. Vater und Sohn sahen sich an, als wären sie beide vom Blitz getroffen. Doch dann wurde das Gesicht von Jack Griffin wutverzerrt. Packte dann den Kleinen und schleuderte ihn, in einem Anflug wilder Wut, die Treppe hinunter. Ich schrie entsetzt auf. Thomas schrie auch auf, als er stürzte. Er überschlug sich paarmale, und als er unten ankam, rührte er sich nicht. Ich stürmte zu ihm und blickte auf ihn hinunter. Ich hatte gehofft, er wäre nur ohnmächtig, aber als ich in seine offenen leeren Augen schaute, wusste ich, dass es zuspät war. Thomas war tot! Nun eilte auch sein Vater zu ihm, rüttelte an ihm. Schrie sein Namen. Doch sein Sohn antwortete nicht. Er begriff erst vielzuspät, was er getan hatte und schlug die Hände vor den Mund. Schüttelte wie verrückt den Kopf und fuhr sich durchs Haar. Da verblasste die Vision und ich schlug die Augen auf. Lex hatte mich in eine Art Hypnose versetzt. Nachdem ich ihm erzählt habe, was ich auf dem Dachboden gesehen habe und was bei der Séance geschehen war, hatte er den Versuch geäußert es diesesmal bewusst heraufzubeschwören. Ich hatte erstmal so meine Bedenken. Willigte aber dennoch ein. Uns blieb schließlich nicht viel Zeit. Mr. Farlane hatte uns die Pistole auf die Brust gesetzt. Wir mussten uns also beeilen. Mit zittriger Stimme erzählte ich, was ich gesehen hatte. Fays und Lexs Gesicht zeigten deutlich, dass sie entsetzt waren. „Grundgütiger Gott!“, flüsterte Fay, die sich die Hand auf den Mund gepresst hatte. „Zugegeben, das hätte ich nicht erwartet!“, murmelte Lex. „Konntest du noch mehr sehen? Wo er die Leiche hingebracht hat?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, aber das was ich gesehen habe, reichte mir schon!“ „Und was jetzt?“, fragte Fay, die sich langsam vom Schock erholte. „Naja, also auf dem Friedhof kann der Kleine ja nicht sein. Das Grab ist leer. Soviel wissen wir schon mal!“, sagte Lex und stirch sich durch das Haar. „Wäre also möglich, dass er seinen Sohn hier irgendwo verscharrt hat!“ „Du meinst die Leiche verwest hier irgendwo im Haus?“, fragte ich und mir wurde übel. Respekt vor den Toten hinoderher. Aber es graute mir über eine Leiche zuschlafen. „Im Haus wäre wohl zu auffällig. Die Farlane haben ja alles grundsarniert. Heisst also neue Rohre und so weiter. Da wäre es ihnen aufgefallen, wenn hier eine Kinderleiche vergraben wäre. Nein. Er muss sie irgendwo auf dem Grundstück vergraben haben. Man muss bedenken, dass er so schnell wie möglich die Leiche los werden musste. Für größere Sachen blieb keine Zeit!“ „Hätte er sie dann nicht einfach über die Klippen werfen können?“ „Nein, die Leiche wäre ja irgendwann wieder aufgetaucht!“ „Das hört sich wie ein schlechter Krimi an!“, murmelte ich. „Tja, leider ist das kein Krimi!“, sagte Lex. „Wir müssen uns die Gegend nochmal anschauen!“ „Jetzt gleich?“, fragte ich und hoffte, dass sie es auf morgen verschieben würden. Denn ich bezweifelte, dass ich das noch ertragen konnte. „Nein. Das machen wir morgen. Du musst dich ausruhen!“, sagte Lex und ich atmete innerlich erleichtert auf. „Soll ich dir noch etwas Hundertprozentiges holen?“, fragte Fay. Ich schüttelte den Kopf. In der kurzen Zeit hatte ich mehr Alki getrunken, als gut ist. Nicht, dass ich noch irgendwann an Leberzerose sterbe. „Nee, ich glaube diesesmal werde ich auch ohne Schnaps ruhig schlafen können!“ „Nadann, bis Morgen Euch beiden!“ Ein Geräusch weckte mich. Es war ein Rumpeln, als wäre jemand gegen etwas gelaufen. Ich öffnete die Augen einen Spalt und wollte nachsehen, ob es Fay war. Doch sie lag neben mir im Bett und schlief. Woher war also dieses Rumpeln gekommen. Vermutlich war es auch Erik, der sich wiedermal einen Spass daraus machte, mich zu erschrecken. Trotz Warnung. Ich schaute mich um, erwartete ihn in irgendeiner dunklen Ecke. Doch da war nichts. Habe ich mich vielleicht getäuscht? Gerade wollte ich mich wieder hinlegen und weiterschlafen, als ich plötzlich einem kleinen Jungen ins Gesicht schaute. Einem Geisterjungen! Schnell richtete ich mich wieder auf und blickte zu dem Junge, den ich zweifellos als Thomas erkannte. Der Kleine sah mich mit einem traurigen Blick an und wurde zu einem Nebelhauch. Schwebte dann zur Tür und entwich darunter. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, Fay zuwecken. Doch ich spürte, wie dieser Geist mich darauf drängte, ihm zu folgen. Also kletterte ich aus dem Bett und lief leise zur Tür. Draußen auf dem Flur war es still und dunkel. Doch ich hatte keine Probleme, etwas zusehen. Meine Augen gewöhnten sich ungewöhnlich schnell daran und ich konnte alles erkennen, als wäre der Flur hellerleuchtet. Ich lief die Treppe hinunter, folgte dem Geist, der als Nebelschwaden durch das Haus schwebte und dann durch die Haustür verschwand. Ohne zu zögern öffnete ich die Tür und trat hinaus. Draußen war es kalt und ich fröstelte etwas in meinem Schlafanzug. Folgte aber dem Geist, der nun nach links schwebte und etwas weiter weg von dem Haus ging. Es mussten ungefähr fünf oder sechs Meter gewesen sein, als der Nebel an einer Stelle stehenblieb und ich ihn einholte. Nun verwandelte sich der Nebel wieder in den Geist, der auf dem Boden kniete, auf eine Stelle schaute und kurz vergessen zuhaben schien, dass er mich nachdraußen gelockt hatte. Dann aber drehte er sich langsam um und deutete vor sich auf die Stelle. Sein Mund öffnete und schloss sich. Er sagte mir etwas. Was, konnte ich, leider wiedermal, nicht hören. Aber ich wusste, dass es wichtig war. Dann verschwand der Geist und ich blieb noch eine Weile vor der Stelle stehen und blickte auf sie nieder. Mir lief es kalt den Rücken hinunter. Nicht nur wegen der Kälte. Sondern weil ich das Grab des Jungen gefunden hatte. „Du hast das Grab gefunden?“, kam es von Lex und Fay aus einem Mund und sie sahen mich mit großen Augen an. Ich hatte ihnen natürlich erzählt, was und wer mich gestern besucht hatte. „Ja, ich wollte es erstmal nicht glauben. Aber ich…ich wusste einfach, dass er da liegt!“ „Dann hat der Vater seinen toten Jungen da verschachert und sich darauf das Leben genommen?“, fragte Fay entsetzt und auch abgewidert. „Das würde einiges erklären!“ „Man darf nicht darüber nachdenken. Schrecklich sowas!“, murmelte Fay. „Zumindest wissen wir endlich, wo wir den Jungen finden. Kannst du uns die Stelle zeigen?“, fragte Lex. Ich nickte. Und ob ich sie wiederfinden würde. Noch am Mittag machten wir uns, mit Schaufeln bewaffnet, zu der Stelle auf, an der der Junge begraben war. Mr. Farlane wollte natürlich wissen, was wir mit den Schaufeln vorhatten. „Wir gehen ein wenig den Garten umgraben!“, hatte Lex nur gesagt. „Was wollen Sie? Haben Sie den Verstand verloren?“, rief er und wollte uns aufhalten, doch Lex war schon aus der Haustür draußen und wir folgten ihm. „Mal angenommen, wir finden den Jungen. Was dann?“, fragte ich. „ Wir bringen ihn zum Friedhof, legen ihn in das Familiengrab und hoffen, dass der ganze Spuk ein Ende hat!“ „Wird das auch wirklich funktionieren?“ „In den meisten Fällen funktioniert das!“ Lex rammte die Schaufel in den Boden und grub ein großes Stück Erde aus. Fay machte es ihm nach. Ich stand nur dabei und sah zu. Und kam mir dabei ziemlich überflüssig vor. „Kann ich Euch etwas helfen?“, fragte ich. „Ja, du kannst mal Mrs. Farlane fragen, ob sie uns was zutrinken gibt!“, ächzte Lex. „Klar. Was wollt ihr denn?“ „Für mich ein Wasser!“, sagte Fay. „Und du Lex?“ „Bier!“ Ich schürzte die Lippen. Wieso wunderte mich das nicht. Als ich mit den Getränken wiederkam, hatten Fay und Lex schon ein beachtlich tiefes Loch gegraben. Sie standen mittlerweile bis zum Hals darin und gruben immernoch weiter. „Und?“, fragte ich und blieb etwas vom Rand entfernt stehen. „Naja, der gute Griffin hat ein ganz schön tiefes Loch gebudelt!“, sagte Lex und streckte den Arm aus. Ich drückte ihm das Bier in die Hand. Das setzte er sogleich an die Lippen und trank ausgiebig daraus. „Ahh, tut das gut!“, sagte er und gab es mir wieder. „Soll ich mal weitermachen?“, fragte ich, weil ich mehr tun wollte, als hier rumstehen und die Getränke halten. „Ja, wenn es dir nichts ausmacht!“, sagte Fay, kletterte aus der Grube und ich stieg dafür hinein. Nahm die Schaufel und grub. Wir mussten geschlagene zwei Stunden gegraben haben. Mir lief der Schweiss in Bächen hinunter und ich merkte, wie meine Arme langsam den Dienst versagten. Der Mittag verging und als ich auf die Uhr schaute, sah ich, dass wir schon kurz vor sechs hatten. Und wir hatten immernoch nichts gefunden. Ich gab solangsam die Hoffnung auf. Vielleicht hatte ich mich ja geirrt und der Kleine war nur wenige Meter von dem Loch entfernt, begraben, in dem wir gerade buddelten. Doch da stiess Lexs Schaufel gegen etwas. „Hey, ich glaube, ich habe ihn gefunden!“, sagte er, legte dann die Schaufel weg und schob die restlichen Erdbrocken. Zum Vorschein kam ein verdreckter Sack, in dem etwas Großes, Festes war. Mir wurde übel. Lex schien es bemerkt zuhaben. „Kletter raus, ich kümmere mich darum!“, sagte er, wandte sich dann an Fay. „Fay, ruf den Pfarrer an und sag ihm, er soll in zwei Stunden auf dem Friedhof sein!“ „Alles klar!“ „Den Pfarrer? Warum brauchen wir einen Pfarrer?“ „Weil wir den beiden endlich die ersehnte Ruhe geben wollen. Und das können wir nur mithilfe eines Pfarrers!“, erklärte er. Wir musste den Pfarrer mitten aus seinen süßen, frommen Träumen gerissen haben. Denn als wir am Friedhof ankamen, stand ein gähnender Mann, gekleidet in schwarzem Pfarreranzug am Tor und sah uns schlaftrunken an. „Schön, dass Sie kommen konnten!“, begrüßte Lex ihn. Der Pfarrer winkte nur ab. „Ihr Anruf hat mich neugierig gemacht. Es kommt nicht oft vor, dass man mich zu so später Stunde anruft, damit ich über einem verstorbenen einen Segen ausspreche!“, sagte er und gähnte nochmals. „Um wen geht es denn?“ „Um einen kleinen Jungen. Sagt Ihnen der Familienname Griffin etwas?“, fragte Lex. Die Augen des Pfarrers weiteten sich und seine Müdigkeit war wie weggewischt. „Natürlich! Wem nicht!“ „Wir haben heute Nachmittag die Leiche des Jungen gefunden. Wir vemuten, dass sein Geist, solange er nicht im Grab seiner Familie liegt und mit ihr vereint ist, umherirrt. Zumal kommt noch hinzu, dass der Geist des Vaters ruhelos umhergeht und Menschen angreift. Und der Geist der Frau…naja…reden wir nicht lange um den heissen Brei herum. Wir haben Sie hierher gerufen, damit Sie den dreien den Segen geben und damit ihren Frieden!“ „Wie bitte?“, platzte es aus dem Pfarrer und sah uns drei an, als seien wir selber Geister. „Sie wollen, dass ich einem Selbstmörder den Segen gebe?“, fragte er dann entsetzt und ich hatte das dumpfe Gefühl, dass er sich weigern würde. „Ist das ein Problem?“, fragte Lex, mit gehobener Braue. „Und ob. Ich kann einem Sünder nicht den Seelenfrieden geben!“, sagte der Pfarrer aufgelöst. Ich seufzte innerlich. Geistliche und ihre Prinzipien. „Diesem Sünder müssen Sie aber den Frieden geben. Sonst wird er weitermachen und es werden noch Menschen zuschaden kommen. Ich nehme an, Sie wollen nicht für Tod eines Unschuldigen verantwortlich sein!“, sagte Lex und in seiner Stimme klang der Drohende Unterton mit, den ich von Brian kannte. Dem Pfarrer schien der Mut zuschwinden und vorallem seine Entschlossenheit. Er schluckte und machte einen Schritt zurück. „Also…also gut. Wo ist der Junge?“, fragte er dann und Lex deutete auf den Kofferraum. Den Friedhofswärter mussten wir mehr als einmal anklingeln, damit er endlich abnahm und mit verschlafener und missgelaunter Stimme fragte, was los sei. Lex bestellte ihn umgehend zum Friedhof. Ohne wenn und aber. Umso mürrischer war der Mann, als er kam und das leere Grab des Jungen aushob. „Sollten wir den Jungen nicht in einen Sarg legen, statt in diesem dreckigen Sack?“, fragte ich leise, weil das ganze doch ein wenig pietätlos war. „Wenn du noch den Tischler rufen und ihm das ganze erklären willst, bitte!“, raunte Lex zurück und ich vergass mein Bedenken. Als das Loch ausgehoben war, hob Lex den Sack, mit der Kinderleiche darin, auf und ließ es mit dem Friedhoswärter und mit Lederiemen, vorsichtig in die Grube hinab. Dann schütteten sie das Loch zu und klopften die Erde platt. „Also, jetzt sind Sie am Zug, Pfarrer!“, sagte Lex und stützte sich lässig auf der Schaufel ab. Der Pfarrer sah Lex nocheinmal mit einem unsicheren und ängstlichen Blick an, dann begann er mit seiner Ansprache. Ich schaute auf die Erde und versuchte das Schaudern und übelerregende Ziehen im Magen nicht zubeachten. Es klang wehleidig, aber ich hatte das Gefühl wieder bei der Beerdigung meiner Mama und von Marie, meiner Freundin zusein. Diegleichen Reden, das Grab. Die Umherstehenden. Wobei wir nur zu fünft waren. Aber dieses Gefühl ließ mich einfach nicht los. Umso glücklicher war ich, als der Pfarrer endlich fertig war und seine Rede mit einem „Amen“, und dem Kreuzzeichen beendete und wir endlich gehen konnten. Doch als ich mich umdrehen wollte, hielt Fay mich zurück. „Warte noch!“, sagte sie und ich wollte schon fragen, warum. Als ich da plötzlich den Nebel sah, der aus dem Grab aufstieg und sich hoch in die Luft emporschlängelte. Er formte sich zuetwas breitem, massigen und ich fürchtete schon, der wütende Geist von Jack Griffin würde aus seinem Grab kommen und uns angreifen. Ich griff automatisch nach dem Armreif, wollte meine Sense rufen, als sich dann aus dem Nebel die Umrisse von drei Menschen schälten und immer klarer zuerkennen waren. Es war die Familie Griffin. Jack, seine Frau Helen und ihr kleiner Sohn Thomas. Alle drei glücklich lächelnt und in inniger Umarmung. Thomas fiel seinen Eltern um den Hals. Helen umarmte ihren Sohn. Jack strich ihm über den Rücken, hatte Tränen in den Augen, die wie Regetropfen über seine Wangen liefen. Er küsste seine Frau zärtlich auf den Mund. Murmelte etwas, was Helen lächeln ließ und ihn enger an sich drückte. Dann wandten sie ihre Blicke auf uns. Thomas strahlte über das ganze Gesicht, winkte uns zu. Helen nickte. Und Jack? Jack sagte etwas und diesesmal verstand ich, was er sagte:„ Danke!“ Dann lösten sich die Geister auf. Wurden zu einer Nebelsäule, die weiter hoch in den Himmel stieg und dann in dem nächtlichen Himmel entschwand. Ich musste lächeln. ach all den Jahren waren sie endlich wieder vereint, Glücklich und im ewigen Frieden. Beinahe wurde ich neidisch auf sie, doch ich sagte mir, dass ich mich stattdessen freuen sollte. Was ich auch tat. „Machts gut und ruht in Frieden!“, flüsterte ich. Jemand legte mir die Hand auf die Schulter. Zuerst dachte ich, es sei Fay, die ebenso ergriffen war, wie ich. Aber als ich den Blick zur Seite wendete, sah ich Erik, der mich anlächelte. Als wir zurück in London waren, wollten Brian und Esmeralda wissen, was wir erlebt hatten und warum es gespukt hatte. „Nun, wir haben herausgefunden, dass das alles eine richtige Familientragödie war. Die Frau, Helen, litt am Schlafwandeln. Ich habe mich mal umgehört. Bevor sie nach London kam war es wohl nicht so schlimm. Erst als sie das Haus erbten und einzogen und der Mann begann tage-und Nächtelang zuarbeiten und damit kaum Zeit für seine Familie zuhaben, wurde es schlimmer. So schlimm, bis sie…über die Klippen ging. Der kleine Sohn von ihnen vermisst natürlich seine Mutter und wollte nicht allein sein. Der Vater hingegen hatte seine eigene Art, mit der Trauer umzugehen. Er arbeitete noch mehr, sodass der Sohn noch mehr ins Hintertreffen kam. Als er seinem Vater anflehte, endlich für ihn dazusein, musste der Vater wohl einen Kurzschluss gehabt haben und hatte seinen Sohn unabsichtlich die Treppe gestossen. Aus Schuldgefühlen, die ihn innerlich zerfrasen, sah er keinen anderen Ausweg, als sich einen Strick zunehmen und zuerhängen. Als Folge darauf wanderte sein und der Geist seines Sohnes im Haus umher. Während der seiner Frau draußen umherging. Da sie und er zusammen, aber ohne ihren Sohn beerdigt waren, waren auch ihre Geister voneinander getrennt und damit ruhelos!“, erklärte Lex. „Verstehe. Und erst als ihr auch den Jungen in das Familiengrab gelegt hat und der Pfarrer den Segen aussprach, konnten sie endlich ihren Frieden finden!“, murmelte Brian. Lex nickte. „So ist es!“ „Eine traurige Geschichte!“, sagte Esmeralda mit einem schmerzlichen Ausdruck in den Augen. Brian sah sie an, legte dann seine Hand auf ihre und drückte sie. „Aber jetzt sind sie wiedervereint!“, sagte er. „Nur das zählt!“ Esmeralda lächelte. „Ja!“ „Und jetzt zu dir, Allison!“, sagte Brian und wandte sich an mich. Ich drückte mich tiefer in den Sessel. Ohje, was würde jetzt kommen. „Es wird Zeit, dass du dein Training wieder aufnimmst. Du hast es schon vielzulange vernachlässigt!“ „Äh, Brian. Nur zur Erinnerung, ich habe nicht mehr trainieren können, weil es in letzter Zeit ziemlich drunterunddrüber ging!“, sagte ich, weil ich mich im Recht sah, zu verteidigen. Brian winkte ab. „Das spielt keine Rolle. Du musst wieder trainieren, sonst wirst du aus der Übgung kommen und das wäre schlecht. Wir fangen gleich morgen an!“, sagte er, stand auf und ging. Ich sah ihm nur mit offenem Mund nach. Hallo? Hatte ich was verpasst? Hatte er mir überhauot zugehört? Ich wollte noch etwas hinterherrufen, doch Fay drückte meine Schulter und als ich sie ansah, schüttelte sie den Kopf. Ich ließ mich in den Sessel sinken. Na, grossartig! Vom Regen in die Traufe! Dabei hatte ich gehofft immerhin ein paar Tage freizubekommen. Ich musste noch lange an den Fall denken. Ich fragte mich immer wieder, warum ich keine Vision davon hatte, obwohl der Geist von Jack Griffin zur Gewalt gegriffen hatte. Normalerweise hatte ich immer welche, wenn Unheil drohte. Warum da aber nicht? „Wurmt dich etwas?“, fragte er Erik. Ich nickte und schüttelte sogleich den Kopf. „Nicht wirklich. Ich verstehe nur nicht, warum ich keine Vision hatte, wie eigentlich immer!“, murmelte ich. „Das kann daran liegen, dass nie wirklich Gefahr von den Geistern der Familie drohte!“ „Aber Jack Griffin hat doch erst Lex und Fay und dann einen der Gäste umbringen können!“, erwiederte ich. Für mich ergab das alles keinen Sinn. „Im Grunde genommen hast du eigentlich recht. Aber er war nicht durchunddurch schlecht. Wut und Verzweiflung bringen Menschen dazu, Dinge zutun, die sie normalerweise niemals tun würden. Und so ist das bei Geistern. Hinzu kommt noch, dass Mr. Farlane nicht daran glauben wollte. Das macht Poltergeister umso wütender!“ „Dann war Jack Griffin nur so aggressiv, weil er beachtet werden wollte?“, fragte ich. Erik nickte. „Mh, erinnert mich an ein kleines Kind, dass sein Spielzeug haben will!“ Erik lachte. „So kann man es auch sehen!“, sagte er und wurde dann wieder ernst. „Mach dir darüber nicht weiter Gedanken. Deine Vision beschränken sich halt nur auf Bedrohungen, die…naja dämonischen Ursprungs sind!“ „Wie diesen Penanggalan und die Meerjungfrau?“ „Genau!“ „Und was war mit Samantha?“ „Nun auch das kann man als eine dämonische Bedrohung sehen. Du wirst lernen müssen, dass schwarz nicht gleich schwarz und weiss gleich weiss ist!“, sagte er altklug. „Und das man manche Dinge nicht ändern oder umwenden kann!“ Das half mir nicht gerade wirklich viel. Für mich hatte es bisher immer nur Gut und Böse gegeben. Sowas wird einem schon im Kindesalter eingetrichtert. Nun aber schien das alles über den Haufen geworfen zu sein und ich musste es neu lernen. Ich seufzte schwer. Als ob ich nicht schon genug Probleme hätte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)