Allison von Mad-Dental-Nurse (Das Erbe des Wolfes) ================================================================================ Kapitel 13: Da ist der Wurm drin -------------------------------- Endlich! Endlich hatten sie den perfekten Ort gefunden, wo sie ihre Saat setzen und die Stadt übernehmen konnten. Sie mussten sich nur dort einschleichen und die ersten Wirte finden. Doch zuvor mussten sie deren Vertrauten gewinnen. Ein wissendes Lächeln stahl sich von den Lippen des Anführers. Er hatte schon eine Idee und er wusste, dass es einfach werden würde. Ich stand, bewaffnet mit einem Stab, Lex gegenüber. Er hatte ebenso einen Stab in der Hand und hielt ihn zum Angriff bereit. Nachdem er erzählt hatte, dass ich mit einer Sense die Tür aufgebrochen habe, hatte Brian beschlossen, mich nun im Stockkampf zuunterrichten. Damit ich den richtigen Umgang mit einer Sense lerne. Nun ich will nicht angeben, aber ich fand, dass ich bisher sehr gut mit der Sense umgehen konnte, Aber Brian meinte, dass man das noch verbessern konnte. So stand ich hier und wartete darauf, dass er mich angriff. Und ich musste nicht lange warten. Lex rannte auf mich zu und schwang den Stab. Instinktiv hob ich meinen und wehrte seinen Angriff ab. Es gab einen hellen Klang, als unsere Stäbe aufeinander prallten. Lex übte einen mächtigen Druck aus und versuchte mich wegzudrücken. Ich stemmte mich dagegen und vollführte dann einen heftigen Schwung um seinen Stab von mir wegzustossen. Lex taumelte zurück, versuchte sein Gleichgewicht wiederzufinden. Ich sprang vor und holte nochmals mit dem Stab aus. Lex sah meinen Angriff kommen und machte sich bereit ihn abzuwehren. Dabei griff er an und trieb mich wieder zurück. Ich versuchte so gut wie es ging, die Hiebe abzuwehren und konnte mich wirklich länger als gewöhnlich auf den Beinen halten. Fast schon glaubte ich daran, dass ich ihn besiegen könnte. Doch da schlug mir Lex den Stab zwischen die Beine und brachte mich so aus dem Gleichgewicht. Ich strauchelte und fiel zu Boden. Lex stand über mir und hielt mir das Ende seines Stabes vor die Nase. „Nicht schlecht. Aber nicht gut genug!“, sagte er und half mir dann aufzustehen. Auch wenn er mich zu Boden geworfen hatte, konnte ich ein Grinsen nicht verkneifen. Zum ersten Mal habe ich ihn fast besiegt. Ansonsten hatte ich nie eine Chance gegen ihn gehabt. Aber anscheinend hatte ich hier mal Glück gehabt. „Scheint so, als hättest du endlich etwas gefunden, worin du gut bist!“, sagte Fay, als ich ihr erzählt hatte, wie ich mich im Stocktraining angestellt hatte. Wir hatten uns ins Wohnzimmer vor den Kamin gesetzt und relaxten. Ich grinste stolz. „Naja, ich habe mich zumindest nicht sofort auf die Nase gelegt!“, sagte ich bemüht bescheiden. „Tut es eigentlich noch weh?“, fragte ich dann. Ich erinnerte mich einem leichten Schauern daran, wie Fays Bluse von Blut durchtränkt war. Nur sehr langsam wurde mir klar, dass diese Verletzung ziemlich tief gewesen sein musste. Fay wusste natürlich, worauf ich hinaus wollte. „Nicht wirklich. Es zwickt noch ein wenig!“, sagte sie. „Magst du mal sehen?“ Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich es nicht sehen wollte. Aber ich war mehr als nur neugierig. Etwas sagte mir, dass so eine Verletzung nicht so einfach zu heilen sei. Kaum dass wir sie aus dem Keller und sie nach Hause gebracht hatten, brauchte Fay nur einige Stunden, um sich zu erholen. Was für meinen Geschmack etwas zu kurz war. Ich nickte daher. Fay griff unter ihren Pullover und zog ihn hoch. Von der Verletzung war nichts zusehen. Nicht mal eine Narbe. Wie war das möglich? „Nicht mal ein Kratzer!“, flüsterte ich. Fay bemerkte natürlich wie ich ihren nackten Bauch anschaute und bedeckte ihn. „Klasse, was. Wenn ich daran denke, wie oft ich schon verletzt wurde…!“, sagte sie. Ich blickte zu meinem Bein. Dort hatte ich meine erste Narbe. Meine erste Erinnerung. Ich schluckte. „Tut es bei dir noch weh?“, fragte Fay wiederum. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Gar nicht. Aber ich frage mich, ob ich noch viele weitere Narben bekommen werde!“ Aber da gab es noch etwas, was mich noch mehr wurmte. „Ich frage mich noch immer, wieso ich in dem Haus von diesem Hexenmeister in der Dunkelheit nichts sehen konnte. Eigentlich sind meine Augen sehr gut. Und dieser Schwindelanfall? Es war, als wollte mich etwas fernhalten!“, sagte ich dann und schaute in den Kamin, in dem helles Feuer loderte. „Und Erik hatte es noch schwerer, es überhaupt dort auszuhalten!“ „Hm!“, machte Fay nur und schaute selbst in die Flammen. Lange Zeit sagte sie nichts. Doch dann… „Vermutlich lag es daran, dass dieser Magier irgendwie eine Mauer um seine Häuser gelegt hat, um andere übernatürliche Wesen fernzuhalten!“ „Also so etwas, wie ein Fliegengitter!“ „Genau. Und als du und Erik beide Häuser betretet habt, habt ihr so eine Art Abwehrreaktion ausgelöst!“ „Naja, zum Glück hat es uns nicht wirklich abgewehrt. Nur üble Schwindelanfälle verursacht!“ „Ich kann mir vorstellen, dass es für Erik wesentlich schlimmer war!“ „Hm, vermutlich!“ Ich erinnerte mich daran, wie geschwächt Erik gewesen war, als wir in diesem labyrinthähnlichen Keller waren und wie viel es ihn an Kraft gekostet haben musste, zurückzu kommen. Mit einem leisen Unbehagen fragte ich mich, was passiert wäre, wenn Erik wohl noch schwcäher geworden wäre. Ob er dann… Ein sanfter Lufthauch streifte mich. „Nichts und niemand kann mich abhalten, dich zu beschützen!“ Seine Stimme war so nahe an meinem Ohr, als würde er direkt neben mir sein. Kurz drehte ich mich um. Doch wie ich es mir dachte, war Erik nicht da. Und dennoch. Seine Worte berührten etwas in mir. Schlugen eine feine Saite an, die sofort zu vibrieren anfing und mich erschauern ließ. Ich glaubte ihm das sofort. Aber da war noch etwas. Die Art, wie er das sagte, ließ mich nicht los und die absurdesten Gedanken kamen in mir hoch. Für einen kurzen Moment fragte ich mich, ob er das nicht nur sagte, weil er mein Beschützer war, sondern auch, weil er…vielleicht…nur vielleicht… Doch ich wollte nicht weiter darüber nachdenken und schüttelte den Kopf. Als ob er und ich… „Hey, was ist denn los?“, fragte Fay aufeinmal. Ich hatte nicht bemerkt, wie sie mich besorgt angesehen hatte. „Wie? Ähh, nichts nichts. Alles okay. Ich habe nur über etwas nachgedacht!“, sagte ich leise und blickte ins Feuer. „Und über was?“ „Ach! Nicht weiter wichtig!“ Er war der einzige in dem großen Gebäude. Niemand anderes war hier. Und dennoch konnte er die Schritte von unzähligen Verfolgern hinter sich hören. Sie hinter seinem Rücken spüren. Er wagte es nicht, den Kopf umzudrehen, um nachzusehen. Er musste hier weg. Schnell, weg. Sonst würden sie ihn kriegen. Doch wohin. Das Gebäude war abgeschlossen. Er hatte es schon versucht. Keine der Türen, die nach draußen führte, war offen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als weiter zurennen und dann in den nächstbesten Raum flüchten, der nicht verschlossen war. Dieses fand er sogleich. Es war die Abstellkammer. Ohne nur eine Sekunde zuvergeuden, riss er diese auf und stürmte hinein. Warf die Tür hinter sich zu und verschloss sie. Dann verzog er sich in die hinterste Ecke und holte sein Handy hervor. Hastig tippte er auf das Display. Legte das Handy an das eine Ohr, während er mit dem anderen lauschte, ob seine Verfolger vorbeirannten oder vor der Tür gehalten hatten. Das Tutten des Freizeichens und die Minuten, in denen es andauerte, kamen ihm wie Stunden vor und er betete, dass endlich jemand abnehmen würde. „Oh komm schon. Nehmt endlich ab!“ „Scottland Yard?“ Er musste sich zusammen reissen, um nicht erleichtert aufzustöhnen, dämpfte noch etwas seine Stimme. „Ja, hallo? Ich brauche Hilfe. Kommen Sie schnell. Sie sind hinter mehr her!“, stammelte er und schaute zur Tür. Noch war es ruhig. Doch wielange würde es dauern, bis sie ihn hören würden? „Wo sind Sie gerade?“, erklang die Stimme am anderen Ende. „In einer Abstellkammer!“ „Wo genau?“ „In der…argh!“, schrie er, als ein heftiger Schlag, die Tür erzittern ließ, auf den noch weitere Schläge folgten. Der Mann drängte sich gegen die Wand. Er hatte Mühe ruhig zubleiben und nicht das Handy aus den Händen fallen zulassen. Nur mit größter Anstrengung konnte er die nächsten Worte hervorbringen. Den Blick immernoch starr auf die Tür, die immer mehr erzitterte und deren Angeln bedrohlich zu quietschen anfingen. „Bitte…kommen Sie schnell!“, flehte er und wollte weitersprechen, doch da wurde die Tür aus den Angeln gerissen. „Nein…!“, schrie er entsetzt und ließ dabei das Handy fallen. Unbarmherzige Hände packten ihn am Kragen und hoben ihn hoch, als würde er nichts wiegen. Er wand sich wie ein Wurm, versuchte sich aus dem eisernen Griff zubefreien. Doch es hatte keinen Sinn. Man zerrte ihn auf dem Flur und warf ihn hart auf dem Boden. Augenblicklich wurde er umringt und schwarze Augen blickten ihn grausam und kalt an. „Haben wir dich!“, zischte einer von ihnen und langsam beugten sie sich zu ihm hinunter. Sein Schrei gellte durch die Flure des Gebäudes und zeugten von der Todesangst, die nun aus ihm herausbrach. Der Anruf kam während wir zu Mittag aßen. Es war Sir James. Mal wieder. Er bestellte uns ins sein Büro. Und wir fragten uns, wieso? Ich hatte keine Vision. Und irgendwie wurde ich dadurch neugierig. Das letzte Mal, als ich sowas erlebt hatte, war in dem alten Klippenhaus, wo die Geister einer Familie umhergingen. War es hier genauso? Ich brannte förmlich darauf, es zu erfahren. „Weswegen haben Sie uns gerufen?“, fragte Lex, der ebenso neugierig war. „Vorletzte Nacht ging ein Anruf hier rein. Der Mann klang ziemlich aufgebracht…!“, erklärte er und holte eine Art Kassettenrekorder hervor und legte eine Kassette ein. „Scottland Yard?“ „Ja, hallo? Ich brauche Hilfe. Kommen Sie schnell. Sie sind hinter mehr her!“ „Wo sind Sie gerade?“ „In einer Abstellkammer!“ „Wo genau?“ „In der…argh!“ Dann weiteres Geschrei und dann Funkstille. „Weiss man woher der Anruf kam?“, fragte Lex wieder, nachdem das Band fertig war. „Ähm, ja. Aus dem St. Claudia Internat!“ „Einem Internat?“ „Ja, offensichtlich ist ein Lehrer oder sowas angegriffen worden!“ „Ein dummer Schülerstreich?“, fragte Fay nach. „Ist nicht auszuschlißen. Dennoch möchte ich, dass Sie sich der Sache annehmen!“ „Natürlich. Wir werden uns das mal ansehen!“ „Was glaubt ihr, was wir da finden werden?“, fragte ich, während wir zurückfuhren. Irgendwie wurmte es mich, dass ich nichts gesehen hatte. Doch ich hatte das dumme Gefühl, dass dieser Fall nichts mit dem des Geisterhauses zutun hatte. Dass da etwas Übles dahinter steckte. Mein Magen rumorte und ich fühlte ein leichtes Unbehagen. Fay hob die Schultern. „Vielleicht steckt ein oder mehr Schüler dahinter und das alles war nur ein Bluff!“, sagte sie, wobei sie selbst nicht so überzeugt klang. „Oder?“, fragte ich nach, wobei ich die Antwort schon kannte. „Oder etwas geht da um, das wohl Lehrer auf seine Spieskearte hat!“, sagte Lex nun und bog ab. „Auf jeden Fall sollten wir uns da erstmal genau umschauen!“, meinte Fay. „Und wann werden wir uns das mal ansehen?“ „Wir? Gar nicht. Du bleibst daheim. Nur ich und Fay gehen!“, sagte Lex. „Was? Wieso das denn?“ „Wenn es da wirklich etwas ist, das Menschen anfällt, müssen wir jemanden einschleusen, der keinen Verdacht erweckt!“ „Und dieser Jemand soll ich sein? Wieso immer ich?“, fragte ich, weil ich wieder mal Lockvogel herhalten musste. Lex mochte es als eine Art Undercovereinsatz betrachten, aber ich wusste es besser. „Weil du noch in der Lehre bist, schon vergessen? Und die Azubis machen immer die Drecksarbeit!“, sagte er grinsend. Ich schnaubte nur. Am nächsten Tag fuhren Lex und Fay zum Internat, um mit dem Anrufer zusprechen. Mittlerweile hatten sie anhand der Nummer und des Anschluss erfahren können, wer da angerufen hatte. Und diesen wollten sie nun sprechen. Es handelte sich dabei um einen Lehrer, der während der Pause die Schüler beaufsichtigte, die durch den langen Korridor liefen und auf den Pausenhof liefen. Lex und Fay mussten sich durch das Gedränge hindurchkämpfen, ehe sie den Lehrer erreichten. „Mr. Jesset?“, fragte Lex, als sie ihn erreichten. Der Mann drehte sich um und sah die beiden fragend an. „Ja?“ „Wir würden uns gerne mit Ihnen unterhalten!“, sagte Lex und schaute sich um. „Wenn möglich, alleine. Hier ist es zulaut und zuvoll!“ „Natürlich!“, sagte der Lehrer, der ein wenig verwirrt war, aber trotzdem die beiden zu einem Raum führte und dann die Tür schloss. „Wie kann ich Ihnen helfen?“ „Sie haben vor einigen Tagen im Yard angrufen. Es klang, als hätten Sie Schwierigkeiten!“, erklärte Lex. Mr. Jesset schien erstmal nicht zuverstehen, doch dann lächelte er milde. „Ach das! Ja, ich gebe zu, ich habe etwas übertrieben. Es hat sicher als ein dummer Streich rausgestellt. Zugegeben ein recht schlechter, aber dennoch ein Streich!“, gestand er. „Machen Sie sich keine Sorgen. Die Übeltäter wurden schon zur Rechenschaft gezogen!“ „Also ist alles in Ordnung?“, bohrte Lex nach und sah den Lehrer misstraurisch an. Er konnte sich nicht helfen, aber er glaubte ihm nicht. Er suchte in dem Gesicht des Mannes nach einem Hinweis, dass er ihn anlog. Fand aber nichts. „Sie klangen recht verängstigt!“, warf Lex trotzdem ein. „Wenn Sie allein in diesem Riesengebäude sind und hinter jeder Ecke einen dunklen Schatten sind und dann noch so einen Streich gespielt bekommen, dann möchte ich Sie mal sehen!“, sagte Mr. Jesset nur. Nun ich würde diesen Strolchen in den Arsch treten, dachte Lex, sagte aber:„ Da haben Sie recht. Ich würde genauso handeln!“ Fay warf ihm kurz einen spöttischen Blick zu, weil sie ihren Bruder gut genug kannte. „Sehen Sie!“ Fay wollte nun etwas sagen, doch da klingelte es bereits und die Pause war vorbei. Schon die ersten Schüler schwärmten in den Korridor. „Es tut mir leid. Aber wie Sie gehört haben, muss ich wieder in die Klasse!“, sagte Mr. Jesset schnell und wollte gehen. Doch so schnell wollte Lex ihn nicht davonkommen lassen. Er glaubte noch immer, dass er ihnen was verheimlichte. „Falls dennoch was sein sollte, rufen Sie uns an!“, sagte er. „Das werde ich!“, kam es vom Lehrer. Für Lexs Geschmack etwas zu hastig. Er sagte jedoch nichts, sondern nickte nur und verließ mit Fay das Klassenzimmer. „Das war nicht gerade aufschlussreich!“, seufzte Fay und ließ sich auf den Sitz fallen. „Was machen wir jetzt?“ „Solange wir keinen Beweis haben, sind uns erstmal die Hände gebunden!“, sagte Lex, der eigentlich ebenso niedergeschlagen war. „Und was wenn, es ein Fehler ist? Was wenn es wirklich Dämonen sind und sie sich vermehren, wie auch immer? Sollten wir nicht vorher schon as unternehmen?“ „Und was? Willst du Überwachsungskameras über Nacht installieren oder einige Beamte als Schüler einschleusen? Das würde uns noch mehr Zeit kosten, eher wir das bei Sir James durchbekommen hätten!“ Fay gab einen unwilligen Laut von sich und sank tiefer in den Sitz. „Ich werde, die in der Tonauswertung, beauftragen, sich das Band von dem Anruf nochmal anzuhören und auf irgendwas zuachten, dass verdächtig sein könnte!“ „Und was wenn ja?“ „Dann werden wir Allison einschleusen!“, sagte Lex und grinste breit. „Bin sicher, dass sie sich freuen würde!“ Als Lex mir davon erzählte, war ich natürlich nicht gerade davon begeistert. Doch ich ließ es, mich deswegen zu beschweren. Ich würde sowieso den Kürzeren ziehen. So blieb mir also nur zuwarten, bis sich was tat. Und ich musste nicht lange warten. Einige Tage später erhielten wir einen Anruf vom Yard. Man hatte bei der Aufnahme etwas Interessantes gefunden. So fuhren wir hin und wir wurden schon erwartet. Das Team, welches sich das Band nochmal angehört hatte, war das gleiche, was die Videobänder aus der Nervenheilanstalt, ausgewertet hatte. Und so musste ich wieder diese Blicke von den Kerlen ertragen, als wir in den kleinen Raum traten. Kaum dass ich mich sahn, warfen sie sich Blicke zu, bei denen ich ihnen zugern die Köpfe zusammengeschlagen hätte. Doch Fay brauchte ihnen nur einen finsteren Blick zuzuwarfen und schon waren sie ganz brav. Ich warf ihr ein dankbares Lächeln zu. „Sir James sagte, Ihr hättet was gefunden!“, sagte Lex nun und ging zu den Typen hin. „Ja, wir haben das Band digitalisiert und auf den Rechner gezogen. Wir haben noch dazu die verschiedenen Frequenzen im Band unterteilt und jede einzelne abgespielt. Dabei haben wir das gefunden!“, sagte einer von ihnen und spielte, die erwähnte Frequenz ab. Gebannt schauten wir auf den Bildschirm. Verfolgten, wie der Cursor die grade Linie und dann über die gezackte Linie, die den Ton darstellte, fährt. Und da hörten wir es. Ein Kratzen und Schaben. Es klang unheimlich. „Was ist das?“, fragte ich. „Keine Ahnung. Ich habe sowas noch nie gehört!“, kam es von Fay. „Hört sich an wie…Insekten!“, sagte Lex. „Wie Würmer!“ „Würmer mach doch keine Geräusche!“, warf ich ein. „Zumindest keine Würmer, die man im Garten hat!“, sagte Fay wiederum. „Ihr meint, dass sind dämonische Würmer?“ Mir kam diese Vorstellung einfach absuard vor. Aber warum nicht. Es schien jede erdenkliche Art von Dämonen zugeben. Warum nicht auch Dämonenwürmer? „Um das herauszufinden, nehmen wir ein Band mit dieser Frequenz mit nachhause und spielen es Mum und Dad vor!“, sagte Lex. „Und du darfst dich schon mal auf deine neue Rolle als Schülerin vorbereiten!“ Ich musste mir sowas von ein bissiges Kommentar verkneifen. Es schien ihm wirklich Spass zu machen, mich zuverarschen. Wir spielten Brian und Esmeralda das Band ab. Zuerst waren ihre Gesichter etwas irritiert, aber als Lex es einigemale wiederholt abspielte, wurden ihre Gesichter bitterernst. Sie schienen ebenso wie Lex und Fay zu wissen, was da zu hören war. „Das hört sich nicht gut an!“, murmelte er dann schließlich. „Was sind das für Dinger?“, fragte ich dann schließlich, weil ich solangsam vor Neugierde platzte. „Parasiten!“, kam es dann. Doch nicht von Brian, sondern von Erik. Wir zuckten allesamt zusammen. Doch es war nicht nur Eriks plötzliches Auftauchen, sondern auch, das was er gesagt hatte. Parasiten! Schaudernt dachte ich daran, wie ich zum ersten Mal einem Parasiten gegenüberstand. Dieser hatte Marie befallen und sie zu einem mordlustigen Ding gemacht. Ließ sie ihre eigenen Eltern töten. Dabei war ich sein eigentliches Ziel gewesen. Erik konnte ihn mir vom Hals schaffen und ihn sogar aus Marie rauszerren. Doch Marie war zu schwach gewesen, als dass sie noch durchkommen konnte und starb. Mir wurde kurz übel bei der Vorstellung, dass ich wieder so einem Ding, vermutlich einem noch widerlicheren Parasiten, gegenüber stehen würde. Einem Wurmparasiten. Mir lief es kalt den Rücken runter. „Und wie erkannt man, wer mit so einem Ding befallen ist? Oder wie man die unschädlich macht?“, fragte dann Fay. „Es gibt zig Arten von dämonischen Parasiten. Es würde ewig dauern, bis wir den richtigen haben!“ „Darum schleußen wir ja Allison ein!“, wandte Lex ein. „Schau dich genau um. Wenn du etwas siehst, was dir komisch vorkommt, sag uns so schnell wie möglich bescheid!“ Das brauchte er mir nun wirklich nicht zusagen. Ich war ja nicht seit gestern bei ihnen. In der Lehre. Ich wusste, dass wenn was Seltsames vor sich geht, ich es ihnen sagen soll. Allerdings wusste ich nicht, worauf ich achten sollte. „Und worauf, bitte? Ich glaube kaum, dass einer mit einem Schild auf der Stirn rumläuft, auf dem steht: „Seht mich an, ich bin von einem Parasiten befallen!“ Fay musste glucksen. „Nein, das leider nicht. Aber die Wirte werden bestimmte Auffälligkeiten zeigen. Dunkle Augenringe, Reizbarkeit und so weiter!“, sagte Lex etwas angesäuert. Ich wollte darauf schon etwas erwiedern, ließ es aber sein. Stattdessen fragte ich:„ Und wann geht es los?“ „Wir werden dich anmelnden und die Formalitäten regeln müssen!“, sagte nun Esmeralda. „Das kann einige Tage dauern!“ „Während dieser Zeit sollten wir weiter trainieren. Damit du in Form bist!“, sagte Brian. Müde von dem Training fiel ich ins Bett. Brian und Lex hatten mich diesesmal noch härter rangenommen, als sie es schon sowieso taten und mir schmerzte jeder Teil meines Körpers. Mit einem gequälten Stöhnen drehte ich mich um und schaute hoch zur Decke. Eigentlich sollte ich unter die Dusche. Ich wollte nicht mit verschwitzten Sachen ins Bett. Aber ich war auch zu müde, um überhaupt noch einen Muskel zubewegen. Doch der säuerliche Geruch von Schweiss war stärker, als meine Trägheit und so schleppte ich mich aus dem Bett und ins Bad. Mit einem angewiderten Laut streifte ich meine durchgeschwitzten Klamotten ab und kletterte unter die Dusche. Frisch gedaucht, fühlte ich mich einigermassen besser, leider auch viel müder, als zuvor. Das warme Wasser hatte mich noch mehr müder gemacht. Aber immerhin würde ich gut schlafen. So wäre ich fit genug, für meine nächste Mission. Wie Esmeralda es angekündigt hatte, dauerte es einige Tage, ehe ich am Internat angemeldet wurde und noch weitere Tage, bis ich meine ganzen Schulutensilien, plus Schuluniform erhielt. Diese bestand aus einer weissen Bluse, einer schwarzen Krawatte, einem dunkelblauen Blazer, einem Blauschwarzkarierten Rock, der knapp über den Knien endete, weissen Kniestrümpfen und schwarzen Ballerinas. Als ich am meinem Einschulungstag alles angezogen hatte, betrachtete ich mich im Spiegel und verzog das Gesicht. Ich hätte mir auch gleich, ohne die Unform, auf die Stirn schreiben können: „Spießer!“ Ich hatte schon damals die Schuluniform in Italien gehasst. Ich hatte immer das Gefühl gehabt, dass mich einengen würde. Mehr als einmal hatte ich versucht, meine Mutter zuerweichen, dass sie mir erlaubte, „normal“, in die Schule zugehen. Vergebens. Und nun würde ich wieder eine tragen müssen. Würg! Ich betrachtete mich im Spiegel und richtete meine Haare. Kurz dachte ich darüber nach, mich zuschminken. Ließ aber sein. Das war nur ein Auftrag. Mehr nicht und ich war nicht eines dieser Mädchen, die sich haufenweise Make Up ins Geischt schmierten, um die ersten Krähenfüsse zu verbergen. Jedoch wollte ich einen ordentlichen Eindruck machen und raufte mir meine schwarzen kurzen Haare, die einfach nicht das machen sollten, was ich wollte. Immer wieder fielen mir die Strähnen ins Gesicht. Ich gab es schließlich auf und wollte schon meine Tasche nehmen. Da stand Fay in der Tür. „Bist du fertig?“, fragte sie. „Ja, es kann losgehen!“, sagte ich und wollte schon an ihr vorbeigehen. Doch da hielt mich Fay zurück. „Da fehlt noch etwas!“, sagte sie, als ich sie fragend ansah und ging zu einer Schublade. Zog sie auf und holte einen Haareif, mit schwarzem Satin bezogen, hervor. Ohne etwas zusagen, schob sie mir diesen über die Stirn. Nun fielen mir nur wenige Strähnen ins Gesicht. Fay trat einen Schritt zurück und betrachtete mich eingehend. „So. Jetzt siehst du wie eine echte Internatschülerin aus!“, sagte sie begeistert. Sah mich nocheinmal prüfend an. „Schuluniformen stehen dir!“, sagte sie dann mit einem Lächeln. Ich verzog das Gesicht. „Naja, sind nicht so mein Fall!“, sagte ich und zog an meiner Krawatte. Fay schenkte mir ein verständnissvolles Lächeln. Sie schien zu verstehen, dass es für mich eine Quahl war. „Du darfst eben nicht auffallen!“, meinte Fay. Nun nicht aufzufallen erwies sich leichter gesagt, als getan. Denn kaum, dass ich aus dem Wagen stieg und aufs Schulgebäude zuging, warfen mir die umherstehenden Schüler des Internats neugierige Blicke zu. Ich versuchte so gut wie es ging, diese nicht zubeachten und ging weiter. Ich kam auch an einer Gruppe Mädchen vorbei, die wohl etwas älter waren als ich und die mir ebenso Blicke zuwarfen. Allerdings waren das missgünstigte und verächtliche Blicke. „Seht mal die Neue!“, flüsterte eine von ihnen. „Ich mag sie nicht!“ „Sie ist viel zu hübsch!“ Ich hatte mich daran schon in Italien daran gewöhnt, dass man in der Schule über mich redete. Daher machte es mir nichts aus. Und genau das schien dieser Gruppe von Zicken nicht zupassen. Kaum dass ich an ihnen vorbeigegangen war, tuschelten sie umso mehr und spien förmlich Gift dabei. Ich konnte nicht anderster als dabei verschlagen zu grinsen. Die Schule an sich erinnerte mich an ein altes Schloss, vermutlich war es das auch. Jedoch machte dies einen einschüchternen Eindruck auf mich. Die dunklen Mauern. Die zahlreichen Fenster, die auf mich hinunterstarrten, als wäre ich fette Beute. Das weitläufige Gelände, das zum größten Teil aus saftigem Gras bestand und die Bäume, die dunkle Schatten auf dieses warfen. Eine Treppe, die links und rechts auslief, führte zu einer weitgeöffneten Pforte, an der ein Mann im Anzug stand und wohl ein Lehrer sein musste. Immer wieder schaute er zu den Schülern. Als er mich sah, war sein Blick erstmal verwirrt, dann aber sah ich etwas, was mich erschauern ließ. Doch ich merkte mir nichts an und ging auf ihn zu. „Sind Sie ein Lehrer?“, fragte ich leicht dämlich. Auf dem Weg hierher hatten Lex und Fay mir angeraten, mich dumm zustellen. Ich durfte nicht den Eindruck erwecken, anders zusein. Als ob das so einfach wäre und ich hasste es, mich zuverstellen. Aber wenn es bei meiner „Mission“, half, dann würde ich das machen. Der Mann sah mich abschätzig von oben bis unten an, dann nickte er. „Ja. Kann ich dir helfen?“, fragte er naserümpfend. „Ich habe heute meinen ersten Schultag. Meine Paten haben mich angemeldet!“, erklärte ich und hielt ihm einen Brief hin, auf dem meine Anmeldung stand und die nötigen Papiere. Der Mann überflog kurz den Brief und sah mich dann wieder an. „Dein Name ist Ashley Chatte?“, fragte er dann. Diesen Namen hatte sich Fay ausgedacht. Irgendwie stehen mir Namen die mit A anfangen. Und ich scheine auch in ihren Augen, wie eine Katze zu sein. „Ja!“, sagte ich nur und wartete darauf, dass er wieder was er sagte. „Dann komm mit. Ich bringe dich zum Direktor!“ Er führte mich in eine große Halle, in der eine große Treppe aus schwarzen Ebenholz in den ersten Stock führte. Die Wände waren mit ebenso dunklem Holz verkleidet und auf Hochglanz poliert. In der einen Ecke zu meiner linken war eine Sitzgruppe, bestehend aus zwei Sofas und einem Sessel aus schwarzbraunen Leder. Das ganze wurder ergänzt durch einen Tisch mit einer schwarzen Marmorplatte. An den Wänden hingen Gemälde, die ziemlich teuer aussahen. Schick. Wirklich schick hier. Auf der anderen Seite das gleiche. Die Treppe wurde von zwei weiblichen Holzfiguren flankiert. Ich betrachtete sie genauer. Sie erinnerten mich an griechische Jungfrauen, wie sie so in einem erstarrten Tanz dastanden. Mit ihren Kleidchen und ihren hochgesteckten Haaren. Ich musste eine Weile dagestanden haben und mir das alles angesehen haben, denn der Lehrer räusperte sich ungehalten und ich schaute zu ihm. Mit einer knappen Handbewegung, wies er zur Treppe, die er solgleich hinaufging. Ich folgte ihm. Die Treppe endete in einem breiten Korridor, der nach links und rechts abzweigte. Der Lehrer ging nach rechts. Der Boden war mit einem weichen roten Läufer ausgelegt, der unsere Schritte dämpfte. Auch hier waren an den Wänden Gemälde aufgehängt. Zusätzlich noch Leuchter. Das musste wirklich ein Schloss gewesen. Das Büro des Direktors befand sich am Ende des Flures. Der Lehrer klopfte an und nach wenigen Minuten öffnete er die Tür und machte Platz, sodass ich eintreten konnte. Das Gespräch mit dem Direktor war recht kurz. Ich reichte ihm den Brief, er las ihn, stellte noch einige Fragen, dann war es das auch. Er rief nach seiner Sekretärin, die mich auf mein Zimmer bringen sollte. Diese kam auch und geleitete mich wieder den Flur entlang. Dabei erzählte sie mir die Geschichte des Internats. Ich hörte nur halbwegs zu. Dann waren wir auch schon vor der Tür meines Zimmers. Bevor ich aber in dieses ging, reichte mir die Sekretärin eine Akte. „Dein Stundenplan und eine Liste mit den Büchern, die du für den Unterricht brauchst!“, sagte sie dann und ging. Noch ehe ich sie fragen konnte, woher ich die Bücher bekommen würde und so stand ich da und sah ihr nur nach. Ich hatte eigentlich gehofft, dass sie mir zeigen oder gar sagen würde, wohin ich musste. Aber Fehlanzeige. Offensichtlich dachte sie, dass sie ihre Arbeit erledigt hatte und sich nun um wichtigere Dinge kümmern konnte. Ich wollte ihr schon was hinterherrufen. Ließ es aber. Es würde nichts bringen, sich darüber aufzuregen. Ich klemmte die Akte unter meinen Arm und öffnete die Tür. Dahinter kam ein Zimmer zum Vorschein, das mir glatt die Sprache verschlug. Das Zimmer, was ich bei Esmeralda und Brian hatte, war schon schön. Aber das hier war einfach eine Wucht. Ich hatte das Gefühl in einem Edelhotel zu sein. Der Boden war, wie überall im Haus, mit dunklem Holz ausgelegt. Passend dazu auch das Bettgestell, ein großer Kleiderschrank und ein Sekretär, der wohl aus einem vergangenen oder mehreren Jahrhunderten stammte. Einige Metallhaken, die kunstvoll geformt waren, dienten als Garderobe. Rechts von mir hinter dem massigen Schrak versteckt war eine Tür. Sicherlich führte die irgendwohin. Minutenlang schaute ich mich um. Alles war vom Feinsten. Dennoch ließ es mich nicht vergessen, dass hier etwas vor sich ging. Dass es meine Aufgabe war, dies heraus zu finden und Fay und Lex so früh wie möglich bescheid zugeben. Der Plan bestand darin, diese Dinger aus ihren Wirten herauszuholen. Salz war das einzige Mittel. Wie wir es anstellen würden, würden sie sich noch überlegen. Erstmal musste ich rausbekommen, wer und wie viele von diesen Dingern infiziert waren. Ich setzte mich auf das Bett, öffnete die Akte und holte einige Papiere hervor. Einer davon war der Stundenplan. Ich schaute ihn mir an. Mathe. Geschichte. Philosphie. Chemie. Physik. Eigentlich nichts Besonderes. Dann schaute ich mir die Liste der Bücher an, die ich für den Unterricht benötigen würde. Und fragte mich woher ich diese bekommen würde. Sicherlich gab es hier eine Bibliothek, aus der ich mir diese Bücher ausleihen könnte. Ich blätterte weiter und sah eine weitere Liste, wo drauf stand, in großen Buchstaben: „Hausregeln“ Ich musste etwas schmunzeln. Las sie jedoch. Es waren die üblichen Punkte, die verboten waren. Kein Alkohol. Keine Drogen. Kein Rauchen. Keine Besuche vom anderen Geschlecht. Stets pünktlich sein. Ordentliches Erscheinen. Ab zehn Uhr nicht mehr das Zimmer verlassen und auf den Fluren umherschleichen. Naja, es wunderte mich nicht, dass es hier solche Regeln gab. Immerhin war dies eine hochnominierte Schule. Und der Direktor würde den Teufel tun und die Schüler hier und tun lassen, was sie wollten. Mich störte es nicht, die Regeln zu befolgen. Ich rauchte und trank nicht und die einzige Droge, die ich nehme, ist Schokolade, wenn ich sie wirklich nötig hatte. Männerbesuche würde ich auch nicht haben wollen. Obwohl… Wenn Erik hier auftauchte und mit mir reden will, musste ich aufpassen, dass mich keiner hörte. Wie Fay schon sagte: Ich durfte nicht auffallen. Ich ließ mich auf das Bett fallen und schaute nur vor mich hin. Fragte mich, was ich als nächstes machen sollte. Sollte ich mich jetzt schon auf die Suche nach diesen Wurmmonstern machen? Oder warten, bis sich Lex und Fay meldeten? „Ich würde an deiner Stelle erst mal deine Sachen in den Schrank packen!“, hörte ich unvermittelt eine Stimme lachen. Erik! Hastig schaute ich mich um. Doch er war nirgends zusehen. Wie war das möglich? „Erik?“, flüsterte ich verwirrt. Um mich zu vergewissern, dass ich nichts verpasst hatte, schaute ich aus dem Fenster. Strahlender Sonnenschein! Wie also um alles in der Welt konnte er… „Es gibt viele Möglichkeiten Kontakt mit dir zu halten!“, antwortete er. Darauf sagte ich nichts, wobei ich ihm gerne gesagt hätte, was ich davon hielt. Nämlich nichts. Es war mir klar gewesen, dass Erik viele Fähigkeiten hatte. Aber dass ich ihn nun hörte, ohne ihn zu sehen, war wesentlich unangenehmer, als wenn er plötzlich wie aus dem Nichts auftauchte und dafür sorgte, dass mein Puls auf hundertachtzig war. Es hatte etwas beklemmendes, so als würde ich nicht richtig im Kopf sein. Wobei… Wenn ich so überlegte, war ich sowieso nicht richtig im Kopf, wenn ich ständig diese schlimmen Dinge sehe. Da sollte mich das nun wirklich nicht aus der Bahn werfen. Aber wenn ich ihn schon in meinem Kopf hören konnte, ohne dass ich etwas sagte, musste es heißen, dass er meine Gedanken lesen konnte. Vielleicht beobachtete er mich auch gerade und ich bemerkte es nicht. Unruhig rutschte ich auf meine Bett herum. Was wenn er auch…, begann ich mich zu fragen und merkte, wie rot ich wurde. „Allison, du solltest schon etwas Vertrauen zu mir haben. Ich bin zwar dein Wächter und habe immer ein Auge auf dich. Aber ich werde sicherlich nicht zu sehen, wenn du nackt unter der Dusche stehst!“, tadelte er mich und ich wurde noch röter. Genau das hatte ich nämlich befürchtet. Ich entschuldigte mich kleinlaut bei ihm und stand, mit immer noch hochrotem Kopf auf. Mechanisch begann ich meine Sachen in den Schrank zu räumen Redete dabei mit Erik, ohne dass ein Wort meine Lippen verließ. Es war komisch. „Und was als nächstes?“ „Na, was wohl. Integriere dich ein. Du bist Undercover als Schülerin. Sammle Informationen!“ „Wieso muss eigentlich ich das immer machen?“ „Du bist Auszubildende. Und die müssen alles machen!“, lachte Erik und ich verzog das Gesicht. „Und wann bin ich eine Ausgelernte?“ „Wenn du ohne Hilfe einen Dämon töten kannst!“ Ohne Hilfe? Einen Dämonen töten? Wie soll ich das denn hinbekommen. „Dann kann ich mich ja gleich als die ewige Azubi bezeichnen!“, murmelte ich. „Verzeihung? Mit wem sprichst du denn?“ Ich machte einen riesen Satz und drehte mich erschrocken herum. In der Tür stand ein Mädchen, dass die Schuluniform trug und mich etwas perplex anschaute. Upps! Ich war so in dem Gespräch vertieft gewesen, dass ich nicht bemerkt hatte, wie jemand in das Zier trat. Verlegen versuchte ich ein freundliches Lächeln. „Ähm, mit mir selbst!“, sagte ich und schloss den Schrank. „Bon Jour, ich bin Ashley. Ashley Chatte!“ „Freut mich. Ich bin Gwen!“ Sie sah mich für einen kurzen Moment an. „Du bist die Neue?“ „War das so offensichtlich?“, fragte ich und trat nun etwas unwohl von einem Fuß auf den anderen. Gwen lächelte nun. „Nun ja alle reden hier von einem Mädchen mit kurzen schwarzen Haaren!“ „Bin ich die einzige hier? Das fällt mir schwer, dass zu glauben!“, gestand ich. Gwen lächelte wieder. „Nein, das nicht. Aber ich war bisher immer allein hier!“ „Oh, verstehe!“ „Soll ich dir alles zeigen?“, fragte sie dann. Ich zögerte nicht und nickte. „Ja bitte!“ Gwen erwies sich als eine ziemlich gute Führerin. Sie zeigte mir jeden Raum und gab dazu eine Erklärung ab. Noch dazu führte sie mich in die Bibliothek, die, wie alles andere auch, wirklich riesig war und verschaffte mir die Bücher, die ich für den Unterricht brauchte. Das Gebäude war größer als ich gedacht hatte und mir taten so langsam die Füße weh. Es dauerte gut zwei drei Stunden, ehe wir mit der Besichtigung fertig waren und ich mich erschöpft auf mein Bett fallen lassen konnte. „Meine Güte, dieser Kasten ist ja das reinste Labyrinth!“, stöhnte ich und ließ mich nachhinten fallen. Gwen setzte sich rittlinks auf meinem Schreitischstuhl und kicherte. „Ich fühlte mich auch überfordert. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran!“ Ich brachte nur ein erschöpftes Lächeln zustande und richtete mich wieder auf. „Und du bist meine Mitbewohnerin?“, fragte ich dann, da wir uns bisher noch nicht wirklich kennengelernt geschweige denn vorgestellt hatten. Gwen nickte. „Und gehst du mit mir in die gleiche Klasse?“ Wieder nickte sie und ich atmete erleichtert auf. „Gott sei Dank. Ich dachte schon, ich bin hier auf mich allein gestellt!“ „Keine Sorge, ich passe schon auf dich auf!“, versprach sie. Ich wollte mich schon bedanken und dachte schon, dass ich gut mit ihr aus kommen würde. Doch dann erinnerte ich mich daran, dass die Menschen, die sich mit mir einließen, nicht gerade lange lebten und einen schrecklichen Tod starben. Ich schauderte. „Das…das ist nett. Nochmals Danke!“ „Woher kommst du denn?“ „Aus Frankreich!“, sagte ich knapp. „Das dachte ich mir schon. Dein Akzent ist daraus deutlich zu hören!“ „Und wo genau aus Frankreich!“ „Aus Paris!“ Gwen bekam nun große Augen. „Aus Paris? Wow!“ Ich runzelte die Stirn. So besonders war das nun auch wieder nicht. Aber für Gwen war es das. „Warum wow?“, fragte ich. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie nie in Paris war. Ihre Eltern mussten sehr vermögend sein, sonst wäre sie nicht hier. Gwen hob die Schultern. „Paris ist eben eine schöne Stadt. Die Restaurants, die Modeboutiquen, der Eifelturm und die alte Kathedrale Notre Dame und vor allem die Jungs!“, erklärte sie und zwinkerte verschlagen. Ich lächelte nur schwach. Okay, warum wundert mich das nicht? „Hast du denn einen Freund?“, fragte ich dann. Gwen grinste von einem Ohr zum anderen. „Klaro. Gleich drei auf einmal. Natürlich sind sie nicht richtig mit mir zusammen. Aber ich halte sie mir war. Wer weiß, was die Zukunft bringt!“ „Ahja!“, gab ich nur von mir. „Und was ist mit dir?“ „Wie? Mit mir?“, fragte ich begriffsstutzig. „Na, hast du einen Freund?“ Ich hatte das Gefühl, als würde man mir den Boden unter den Füßen wegreißen. Wir kannten uns nicht mal einen Tag und schon fragte sie mich, ob ich einen Freund hatte? Das ging schnell und es beunruhigte mich ein wenig. Ich wusste insgeheim, was sie vorhatte. Sie wollte mit mir Freundschaft schließen. Das konnte ich nicht zulassen. Auch wenn es mich irgendwie freute. Dann wäre ich hier nicht allein, aber ich wollte nicht riskieren, dass ihr auch noch was passierte. Dennoch schuldete ich ihr eine Antwort. „Hm, nein!“ „Wirklich nicht? So ein hübsches Ding wie du, hat noch keinen Freund? Nicht mal jemanden in Aussicht?“ „Nun…!“, ich begann mich auf einmal wie ein Wurm am Haken zu winden und suchte nach einer Antwort, die mich aus dieser Situation retten könnte. „Nun sag ihr schon, was sie wissen will!“, drängte mich Erik, dem das ganz wohl auf die Nerven ging. Und ich musste verschlagen grinsen. Okay, er will dass ich das ganze beende, dann bitte. „Nun…es gibt da schon einen. Aber er ist nicht mein Freund. Zumindest nicht diese Art. Er ist auch nicht gerade zuverlässig. Taucht immer dann auf, wenn es nicht gerade passt und hält sich bedeckt. Lässt mich meistens im Dunkeln und macht nicht den Eindruck, als sei er ehrlich zu mir!“, erklärte ich kühl und hörte Erik entrüstet im meinem Kopf nach Luft schnappen. Ich grinste in mich hinein. Tja, Erik. Da musst du jetzt durch, dachte ich schadenfroh. Gwen schnitt eine Grimasse. „Bäh, das klingt ja nach einem echten Mistkerl!“, sagte sie freiheraus. Ich kicherte. Aber dann erinnerte ich mich daran, wie oft er mir schon den Hintern gerettet hatte und das schlechte Gewissen kam in mir hoch. „Naja…eigentlich ist er schon in Ordnung. Auch wenn er sich oft bedeckt hält und Geheimnisse hat!“ Die mich manchmal zweifeln lassen, dass ich ihm vertrauen kann. Doch das sagte ich nicht. Gwen runzelte die Stirn. „Sorry, aber wenn er ein Freund ist, sollte er keine Geheimnisse haben!“, sagte sie. „Aus was für Gründen auch immer!“ Das stimmte nun auch wieder. Aber ich wollte dieses Thema nicht weiter verfolgen. „Muss ich noch etwas wissen?“, fragte ich dann und lenkte das Gespräch in eine Richtung, das jede neue Schülerin führen würde, um nicht negativ aufzufallen. Gwen schien selber nachzudenken, dann schüttelte sie den Kopf. Aber dann schien ihr doch etwas eingefallen zu sein. „Du solltest dich von dem Trio Fermale Diablo fernhalten!“ Ich hatte eine leise Ahnung, wen sie damit meinte. „Wieso? Sind das die Oberzicken hier an der Schule?“ „Oberzicken wären im Gegensatz zu denen noch die reinsten Engel. Das sind richtige Miststücke. Und gerne lassen sie ihren ganzen Ärger an schwächeren aus!“, sagte sie bitter und sah mich nun mitleidig an. „Und auch an den Neuen!“ Ohje! Soviel zu Thema: Nicht auffallen! Ich rang mir ein Lächeln ab. „Ach, ich werde schon auf mich aufpassen!“ Und das würde ich. Denn egal ob es nun die Würmer oder dieses Höllentrio sein werden, die es auf mich abgesehen haben, Ihnen würde ich es nicht leicht machen. Wenig später gab es noch das Abendessen, bei dem wir uns in dem großen Speisesaal versammelten und uns an lange Tische setzten. Speisesaal? Eine komische und nicht ganz zutreffende Beschreibung für einen Raum, der die Größe eines Fußballfeldes hat. Außerdem erinnertes mehr an ein altes Schloss, mit seinen bis zum Boden reichenden Fenster und die dunklen Holzverkleidung, als an eine Schule. Aber was solls. Wenn man das Geld dazu hat… Ich setzte mich mit Gwen an einen der langen Tische und ich war erstaunt, was für einen hohen Lifestyle man hier als Schüler hatte. Feinstes Porzellangeschirr, dazu silbernes Gesteck und Kristallgläser. Bei so viel Prunk und Glanz musste ich die Nase rümpfen. Hier gab man sich wirklich Mühe, den Nachkommen der Hohen Gesellschaft einen schönen Aufenthalt zu ermöglichen. Während an den anderen Schulen man froh sein kann, dass das Essen nicht nach Pappe schmeckte. Doch ich verbiss mir eine giftige Bemerkung und legte mir die Servierte auf den Schoss. Schon bald wurde das Essen serviert und war, wie könnte es anders sein, das Beste vom Besten. So langsam fing diese Schule an mich an zu widern. Nur mit Mühe nahm ich die Gabel in der Hand und begann zu essen. Zu meinem immer größer werdenden Frust musste ich zugeben, dass gut schmeckte. So gut, dass glaubte, noch nie etwas so köstliches gegessen zu haben. Ich würde aber nicht länger darüber nachdenken, sondern einfach essen. Ließ dabei den Blick durch den großen Raum schweifen und sah mir die Schüler genau an. Wenn einige von ihnen mit diesen Wurmdingern infiziert sind, müssten sie sicher einige Merkmale haben. Welche wusste ich zwar nicht, aber irgendwas, was auffällt. Meine Blicke blieben kurz an Gwens bezeichnetes Teufelstrio hängen, die irgendwas besprachen und fies lachten. Als meine Blicke sich kurz mit denen von der Anführerin trafen, konnte ich deutlich die nicht ausgesprochenen Worte in ihrem Blick verstehen:„ Dich mache ich fertig!“ Ich ignorierte diesen demonstrativ und aß weiter. Dabei ließ ich den Blick weiterwandern und sah einige Stühle weiter einen jungen Schüler sitzen, der statt zu essen, in einem Buch las. Er hatte kurz geschnittenes braunes Haar. Ein markantes Gesicht und für einen Jungen ungewöhnlich schmale Hände. Er hatte dafür helle Augen, die sehr hervorstachen. Ich musste zugeben, dass ich ihn irgendwie interessant fand und ertappte mich dabei, wie ich ihn unverblümt anstarrte. Gwen stieß mir mit ihren Ellenbogen in die Rippen und ich schreckte hoch, sodass mir die Gabel hinunter fiel. „Was denn?“, fragte ich etwas schroff. „Starr ihn nicht so an. Oder willst du gleich an deinem ersten Schultag zerfleischt werden?“, fragte sie mich flüsternd. Ich wollte schon fragen, was sie damit meinte, als sie dann in die Richtung der Bestien schaute und ich ihrem Blick folgte. Wo ich schon vorher dachte, dass der Blick der Anführerin schon giftig war, war er nun tödlich. Ich ahnte schon warum sie mich so anschaute. „Ist er etwa reserviert?“, fragte ich etwas scherzhaft und Gwens Gesicht verdüsterte sich. „Das kann man wohl sagen. Jenna hat mehr als nur ein Auge auf ihn geworfen!“ „Wie? Hat sie auch ihren Schlüpfer ihm an den Kopf geworfen?“, fragte ich und konnte ein Lachen nicht verkneifen. „Das ist nicht komisch!“, zischte sie. „Wenn du dich mit Jenna anlegst, kannst du gleich einen Aufenthalt in der Reha buchen!“ „Ist sie so schlimm?“ Ich konnte mir nicht vorstellen, dass an so einer Schule es nicht auffallen würde, wenn eine Schülerin, einer anderen körperlichen Schaden zufügt. Es sei denn sie fügte ihr seelisch Schaden zu. Gwen sagte darauf nichts, aber ihr Blick sprach Bände. Okay, offensichtlich hatte diese Jenna ziemlich viel Dreck am Stecken. „Okay, ich werde auf mich aufpassen!“, versprach ich und wir aßen fertig. Nach dem Abendessen gingen wir zu meinem Zimmer, wobei Gwen eine Tür weiter ging. Sie war also meine Zimmernachbarin. Sieh mal einer an. „Also dann gute Nacht und bis morgen!“, sagte sie. „Gute Nacht!“, sagte ich und wir beiden gingen in unsere jeweiligen Zimmer. Ich lag noch lange wach und schaute hoch zur Zimmerdecke. Ich versuchte mir eine Art Schachtplan zu recht zu legen. Musste aber dann erkennen, dass ich nicht gerade eine helle Leuchte in diesem Falle war. Ich wusste ja nicht einmal, wo ich suchen sollte. „Die beste Methode um etwas heraus zu finden, ist das Beobachten!“, hörte ich Eriks Stimme. „Aber wir haben doch keine Zeit!“ „Sich aber auf Biegen und Brechen in etwas zu verrennen, bringt aber auch nichts. Schlaf jetzt. Du musst Morgen fit sein!“, sagte er, noch ehe ich etwas darauf erwidern konnte. Morgen! Morgen würde mein neuer Auftrag beginnen und ich fragte mich, was mich erwarten würde. Ein helles Glockenläuten weckte mich. Murrend drehte mich um und vergrub das Gesicht in den Kissen. Zu meiner Frustration hatte ich kaum geschlafen. Meine Gedanken hatten sich immer um diese Wurmwesen gedreht und ich hab mir ausgemalt, wie sie aussahen. Nun rächte sich dies, indem ich nicht richtig wach wurde und am liebsten noch einige Stunden länger geschlafen hätte. Doch kaum das ich wieder die Augen aufmachte, hörte ich ein lautes Klopfen an meiner Tür und Gwens melodische Stimme. „Ashley? Ashley, wach auf!“, rief sie und kaum dass ich eine Antwort von mir geben konnte, öffnete sie die Tür und kam rein. Sie schnalzte mit der Zunge, kam auf mich zu und riss mir mit einem kräftigen Ruck die Bettdecke weg. Ich stieß ein unwilliges Knurren aus. „Lass mich schlafen!“ „Nichts da. Los, zieh dich an. Sonst kommst du noch an deinem ersten Schultag zu spät!“ „Jaja!“, maulte ich und kletterte aus dem Bett. „Wo ist das Bad?“ „Die Tür da!“, wies sie mich an und ich schlurfte hinein. Dahinter lag ein kleines Badezimmer mit Wanne, Waschbecken und Toilette und einigen Handtüchern. Ich holte meine Zahnbürste, Zahnpasta und einen Becher, den ich mit Wasser fühlte und fing an mich frisch zu machen. Als ich fertig war, nahm ich mir meine Schultasche, ein Geschenk von Fay, und ging mit Gwen zum Unterricht. Die Flure waren überfüllt mit Schülern, die in kleinen Gruppen dastanden und sich unterhielten. Andere schoben sich grob an uns vorbei. Es war schwer durch zu kommen, aber irgendwann schafften wir es. Gwen hatte zum Glück den gleichen Stundenplan wie ich, sodass wir oder besser gesagt ich, nicht alleine durch die zahlreichen Gänge irren mussten. Im Klassenzimmer herrschte ein heilloses Durcheinander. Schüler alberten herum oder redeten mit einigen Schülerinnen. Das Klassenzimmer an sich war riesig und glich mit seinen dunklen Tischen, den ebenso dunklen Holzverkleideten an den Wänden und vielen Porträt irgendwelcher grimmig dreinblickenden Personen, an ein Büro. Nur die große Schiefertafel und das Lehrerpult erinnerten mich daran, dass das hier ein Klassenzimmer war. Als wir näher kamen, bemerkten uns einige Schüler und fingen an zu tuscheln. Gwen überhörte dies geflissentlich, nahm meine Hand und führte mich zu einigen der Tische. Wir setzten uns und ich machte mich daran, meine Sachen aus zu packen. Dabei bemerkte ich, dass mich die anderen immer noch betrachteten, als sei ich eine Weihnachtsgans. Ich setzte eine gleichgültige Miene auf. „Was haben wir denn in der ersten Stunde?“, fragte ich. „Geschichte!“ Ich stöhnte innerlich. Ich konnte Geschichte noch nie leiden. Aber um des Auftrags willen… „Nicht gerade mein Lieblingsfach!“, gestand ich jedoch. Gwen lächelte verständnisvoll. „Die meisten Stunden sind hier ganz schön langweilig!“ „Ich fürchte, dass manche Lehrer hier in der Zeit stehengeblieben sind. So wie auch Mrs. Hattches!“ Kaum das sie diesen Namen ausgesprochen hatte, kam eine kleine rundliche Dame herein, die ihre Haare streng nachhinten gebunden hatte und ein ziemlich altmodisches Kleid trug. Aus zusammen gekniffenen Augen schaute sie in die Klasse, die sofort ruhig wurde und den Anschein erweckte, als würden die Schüler darauf warten, mit dem Unterricht zu beginnen. Der Unterricht zog sich gähnend langsam in die Länge. Nur wenige der Schüler schienen sich wirklich für den staubigen Unterrichtsstoff zu interessieren. Einige tauschten Nachrichten aus, andere wiederum spielten hinter aufgestellten Büchern mit ihrem Handy. Ich musste etwas lächeln. Und das nennte sich eine Eliteschule? Nach dem Geschichtsunterricht ging es dann erstmal in die Pause. Auf dem großen Gelände, das mich an einen Park erinnerte, tummelten sich die meisten der Schüler. Die Jungs spielten entweder Fußball oder rangen miteinander. Die Mädchen hatten Gruppen gebildet und unterhielten sich. Andere, nur wenige aber, haben sich unter den umherstehenden Bäumen und auf die Bänke gesetzt und lasen in einem Buch oder genossen die Sonnenstrahlen. Eigentlich ein ganz normales…harmonisches Bild. Aber in mir regte sich etwas, was mich vor dieser Illusion warnen wollte. War das vielleicht Erik, der mir so sagte, mich nicht täuschen zu lassen? Gwen nahm mich an der Hand und zog mich zu einer der Bänke, die im Halbschatten lag. Wir setzten uns. Während Gwen an einem Brot herumkaute und in ihrem Collegeblock schrieb, schaute ich weiterhin zu den Schülern, die die kurze Freizeit genossen. Wieder fragte ich mich, worauf ich achten musste oder wie ich diese Wurmdinger erkennen konnte. Sicherlich würden die nicht mit einem Schildchen auf der Brust durch die Gegend laufen, auf dem in großen Buchstaben stand: „ Ich bin ein Wurmding! Knall mich ab!“ Und vor allem blieb die Frage, wo sie sich verstecken würden. Wenn sie Pläne schmieden wollten, müssten sie unter sich sein. Mein Blick glitt zu den Bäumen, die sich zu einer grünen Mauer aufgetürmt hatten. Wäre es möglich, dass sie sich da versteckten? „Ashley? Hey, Ashley?“, sagte Gwen und rüttelte mich an der Schulter. Ich schreckte hoch. „J-Ja?“, kam es einige Minuten zu spät von mir und ich sah sie fragend an. Gwen runzelte die Stirn. Weitere Minuten später, wurde mir bewusst, dass sie auf eine Antwort wartete. Nicht auf die Frage, die sie eben gerade gestellt hatte, sondern die davor, von der ich nichts mitbekommen habe. Ich hatte nicht mitbekommen, dass sie mit mir gesprochen hatte. Ich schüttelte den Kopf und lächelte verlegen. „Tut mir leid. Ich habe nicht zugehört. Was hast du gefragt?“ „Ich wollte wissen, was dich hierher verschlagen hat?“ „Ach…ähh…!“, kam es von mir und ich versuchte mich an mein erfundenes Leben zu erinnern. „Ich…ich bin…ich bin zu meinen Pateneltern gezogen. Nach dem Tod meiner…Eltern hatte ich niemanden!“, erklärte ich. Es fiel mir schwer, diese Worte auszusprechen. Es mag zwar die Wahrheit sein, auch wenn sie ein wenig verdreht war. Aber es war dennoch irgendwie falsch. Brian und Esmeralda hatten mich in schon irgendwie aufgenommen. Aber sie als meine Zieheltern zu sehen…? Und zu erzählen, dass auch mein Papa gestorben ist…kam mir unendlich falsch vor. Das hatte ich Brian auch gesagt. Doch er sagte, dass gerade solche tragischen Umstände eine perfekte Tarnung wären. So wie auch jetzt. Gwens Gesicht nahm einen mitleidigen Ausdruck an und sie strich über meine Hände. „Das tut mir leid!“, sagte sie. Ich riss mich zusammen und versuchte ruhig zu bleiben, wobei alles in mir danach schrie, zu sagen, dass das nur eine Lüge sei. Aber ich biss mir auf die Zunge. Nur nicht die Tarnung auffliegen lassen, ermahnte ich mich. „Schon gut…ich… ich habe mich damit abgefunden!“, sagte ich und wandte mich wieder den Bäumen zu. „Sag mal…wie groß ist denn das Gelände eigentlich?“ Gwen schien erstmal nicht zu verstehen, was ich meinte. Anscheinend war sie verwirrt von meinem plötzlichen Themawechsel. Dann schaute sie ebenso zu den Bäumen und dachte kurz nach. „Hm…keine Ahnung. Zumindest ist es riesig!“, gab sie dann von sich. „Und was ist da hinter den Bäumen?“ „Ich glaube, einige alte Häuser. Baracken oder sowas!“ „Aha!“ Interessant. Wäre es möglich, dass sich diese Dinger da versteckten? Es gab nur einen Weg es heraufzufinden. Ich muss mich rausschleichen und nachsehen gehen. Am besten bei Nacht, wenn alles schlief. „Wieso fragst du mich das?“, fragte sie dann und sah mich dementsprechend an. Ich zuckte mit den Schultern. „Nur so!“ Daraufhin sah sie mich mit zusammengekniffenen Augen an. „Sag mal, du hast doch nicht etwa vor, dich da mit einem Jungen zu treffen?“, fragte sie und für einige Minuten sah ich an sie, als sei sie vom anderen Stern. Dann wurde mir bewusst, was sie eigentlich meinte. Ich schüttelte hastig den Kopf. „Nein nein nein…ich…ich interessiere mich nur für alte Schlösser und die Umgebungen!“, sagte ich daher schnell. Das schien sie mir abzukaufen, denn sie klopfte mir auf die Schulter. „Da bin ich aber froh. Es gibt schon genug Mädchen hier, die sich auf ein Stelldichein mit einem Jungen im Wald zu treffen, um… was weiß ich für Dinge zu machen!“ Ich hob gespielt erstaunt die Brauen. „Ach ja!“ Welche das wohl sein könnten? Irgendwann ging der Unterricht zu Ende und wir verzogen uns auf unsere Zimmer. Die Lehrer hatten uns mit Hausaufgaben förmlich zu gedeckt, sodass es Stunden und womöglich bis in die Nacht dauern würde, bis ich endlich fertig war. Konzentriert saß ich über den Aufgaben. Eigentlich war es Quatsch sich damit zu beschäftigen, da ich eigentlich nur Undercover hier war. Aber wenn ich eine Schülerin spielen soll, musste ich mich damit herumschlagen. Zu meiner eigenen Schande war ich nie eine Klassenbeste. Ich hatte die Hauptschule gerade so geschafft, damit ich überhaupt eine Chance auf einen Job hatte. Und schon da war Mathe für mich so einfach gewesen, wie das Lösen eines Rätselwürfels. Ich will nicht behaupten, dass ich dumm bin. Es gab auch Fächer in denen ich richtig gut war. Latein, Kunst und Geschichte. Aber was die restlichen anging, war ich nicht gerade fit. Und jetzt musste ich mich mit gerade mit diesen Fächern hier abplagen. Die Gleichungen in dem Buch, über dem ich saß, ähnelten alten ägyptischen Hieroglyphen und begannen, je mehr ich mich darauf konzentrierte, zu verschwimmen. Mit einem frustrierten Seufzen rieb ich mir die Augen und schaute nach draußen. Es dämmerte bereits und ich hatte nicht mal die Hälfte geschafft. Die Geschichts- und Französischaufgaben waren einfacher gewesen, daher hatte ich das locker geschafft. Nun aber saß ich bei Mathe fest und wurde immer müder. Außerdem ließ mich das von Gwen Erfahrene nicht los. Hinter den Bäumen war womöglich das Versteck dieser Wurmmonster und ich hockte hier über diesen beschissenen Matheaufgaben. Ich war schon kurz davor gewesen, das Buch und mein Heft einfach in den Mülleimer zustopfen und mich ins Bett zu legen. Entschied mich aber dagegen. Aber weiterkommen würde ich auch nicht, da meine Gedanken ständig nur um diese alten Häuser hinter den Bäumen kreisten. Ohne es zu wollen ging mein Blick immer wieder zum Fenster, hinter dem es immer dunkler wurde und die Bäume nun wie drohende Ungeheuer ausschauten, die mich wiederum beobachteten. Oder waren es diese Monster. Vielleicht hatten sie schon gemerkt, dass man ihnen auf die Schliche gekommen ist und nun selber beobachteten. Ein Schauer rann mir bei diesem Gedanken über den Rücken. Dabei sollte ich es gewohnt sein, nach allem was ich bisher erlebt habe. Aber offensichtlich kann man sich daran nicht gewöhnen. Ich zumindest nicht. Bei Fay und Lex sah das wohl anders aus. Ich versuchte nicht länger daran zu denken. Und versuchte mich ein letztes Mal auf die letzten Hausaufgaben zu konzentrieren. Aber dann gab ich es auf. Ich klappte das Buch zu und machte mich Bettfertig. Vielleicht ließ mich Gwen bei sich abschreiben, dachte ich noch, ehe ich einschlief. Das Klingen des Weckers nahm ich nur schwach wahr. Ich rollte mich auf die andere Seite und zog die Bettdecke über den Kopf. Da wurde sie mir weg gezogen und setzte mich dem hellen Sonnenlicht aus. Ich knurrte und suchte mit geschlossenen Augen nach der Decke. „Steh endlich auf. Sonst kommst du noch zu spät zum Unterricht!“, sagte eine Stimme streng und ich glaubte Erik zu hören. Ich öffnete etwas die Augen und meinte ihn im Halbschatten zu sehen. Dann verblasste er, je weiter das Licht in den Raum drang. Das Klingeln des Weckers wurde nun zu einem Schrillen. Ich schaltete ihn ab und kletterte aus dem Bett. Wusch mich, putzte mir die Zähne und bürstete mir die Haare. Ich überlegte kurz, ob ich mir noch etwas Make up aufs Gesicht auftragen sollte. Entschied mich aber dagegen. Es würde zu lange dauern und ich war so wieso schon spät dran. Schnell packte ich mein Schulzeug zusammen, stopfte alles in die Tasche und ging auf den Flur. Gwen wartete schon auf mich. „Du meine Güte. Bist du aus dem Bett gefallen?“, fragte sie, als sie mich in meinem etwas zerknautschten Look sah. „Nein…ich habe nur etwas verschlafen!“, sagte ich und wie als wollte ich meine Worte unterstreichen, gähnte ich. Gwen sah mich von oben bis unten an. „Das sehe ich!“, bemerkte sie und zupfte an mir herum. „Was machst du da?“ „Dafür sorgen, dass du wie eine Schülerin einer elitären Schule und nicht wie eine Herumtreiberin!“, sagte sie und stopfte eine Seite meiner Bluse unter den Rocksaum. Dann wandte sich an meine Haare. Durchkämmte mit ihren Fingern mein Haar. Schien nochmal zu überlegen was noch fehlte. Kramte dann in ihrer Tasche nach etwas und holte einen Lipgloss raus. „Mund auf!“, sagte sie und ich gehorchte. War einerseits perplex, dass sie sich solch eine Mühe machte, war aber auch ein wenig dankbar, dass sie es tat. Sorgfältig trug sie mir den Gloss auf die Lippen. Richtete nochmal mit den Fingern mein Haarpony. „Okay, fertig!“, sagte sie und nickte. War wohl zufrieden mit sich. Dann nahm sie meine Hand und zog mich hinter sich her. „Jetzt aber schnell!“ Im Klassenzimmer angekommen, setzten wir uns auf unsere Platze und holten alles für den Unterricht raus. „Gwen, hast du die Matheaufgaben gemacht?“, fragte ich, als ich mich daran erinnerte, dass ich die Aufgaben nur zum Teile fertig hatte. „Ja, wieso?“ „Kann ich sie bei dir abschreiben?“, bat ich und setzte einen flehenden Blick auf. Gwen schien erstmal nicht so ganz wohl bei diesem Gedanken zu sein. Dann aber nickte sie und schob mir ihr Heft zu. „Mach aber schnell!“, flüsterte sie. Dankbar machte ich mich daran die Aufgaben ab zu schreiben. Doch als ich mein Heft aufschlug, stutzte ich. Die Aufgaben, die ich nicht gemacht hatte, waren gemacht. Aber wie war das möglich. Ich hatte sie doch…Oder hatte ich sie im Schlaf gemacht? Ach, Quatsch. Sowas gab es doch nicht. Schlaf-Matheaufgaben-machen…lächerlich. Naja, was soll´s. Hauptsache sie waren gemacht. Wie am vorherigen Tag schien der Unterricht nicht enden zu wollen. Als es dann in den Sportunterricht ging, hoffte ich, dass ein wenig Bewegung mich wieder munter macht und den Kopf wieder freimacht. Auch im Schlaf musste ich immer wieder daran denke, dass diese Wurmdinger sich in der Nähe versteckten. Es war ein Wunder, dass ich überhaupt schlafen konnte. Gwen und ich zogen uns für den Sportunterricht um. Leider hatten wir nicht unsere eigenen Sachen, sondern die, die uns die Schule gab. Weiße Shirts und blaue Shorts. Dazu weiße Strümpfe und flache Turnschuhe. Ein wenig skeptisch schaute ich an mich hinunter. Und das bei so einer angesehenen Schule, dachte ich. „An die Sportklamotten muss man sich erstmal gewöhnen!“, sagte Gwen, die wohl meinen Blick bemerkt hatte. „Ich dachte auch erstmal, dass das ganz schön schizophren sei!“ Schizophren? Das ist ja noch untertrieben. Naja zumindest machte ich darin eine gute Figur. Auch Gwen sah mich ein wenig erstaunt an. „Wow…du hast aber lange Beine!“, staunte sie. „Da kann man ja…ach du Scheiße, was hast du da an der Wade? Das sieht ja übel aus!“ Ich erstarrte sofort, da ich wusste, dass sie meine Narbe an der Wade meinte. Ein nettes kleines Andenken von Samantha. Die hatte ich vollkommen vergessen und gehofft, dass die Strümpfe diese überdecken würden. Aber Pustekuchen! Und da Gwen diese nun sah und wissen wollte, woher ich die hatte, musste ich mir was einfallen lassen. „Ach, die…ähm die…die habe ich von einem Hund bekommen!“, sagte ich schnell. Gwen hob die Brauen und ich sah ihr an, dass sie mir das nicht abkaufte. „Ein Hund? So wie das aussieht, muss es eher eine Großkatze gewesen sein!“, sagte sie. „Sowas wie ein Tiger oder ein Panther!“ Ich rang mir ein Lachen ab. „Jetzt machst du Witze. Wie sollen ein Tiger oder ein Panther mich angreifen?“ Gwen hob die Schultern. „Mein ja nur!“ „Es war wirklich ein Hund!“, versicherte ich ihr. „Dann muss das ein echter fieser Hund gewesen sein. Ein Rotweiler vielleicht?“ „Ist das denn so wichtig? Passiert ist passiert!“, sagte ich, weil es mir langsam zu blöd wurde, darüber zu reden. Außerdem wollte ich nicht gerne daran erinnert werden. „Okay okay. Ich frag nicht weiter!“, sagte Gwen. „Los, gehen wir zum Sport. Sonst brummt uns der Sportlehrer noch Extrarunden auf, weil wir zu spät kommen!“ Sie nahm meine Hand und zog mich hinter sich her. Der Sportunterricht fand im Freien statt. Der Sportplatz erinnerte mich an den, den man bei der Olympiade zu sehen bekam. Eine große Fläche, die von einer vierspurigen Laufbahn umrahmt war und mitten drin eine grüne Rasenfläche, auf denen sich schon die Schüler warm machten. Wir waren die letzten. Sehr zum Ärger des Sportlehrers. Ein hochgewachsener, stämmiger Typ, dessen Arme so aufgepumpt waren, als würde er jeden Morgen Kleinwagen stemmen und einen Oberkörper, der so breit war, dass sein Shirt schon zu zerreißen gespannt war. Ich schätze ihn auf Mitte vierzig ein. „Ah, kommen die beiden Grazien auch endlich!“, sagte er mit dröhnender Stimme und schaute auf sein Klemmbrett. „Miss Philias und Miss…Chatte!“ Mein Name klang mir immer noch in den Ohren so fremd. Einige der Mädchen kicherten. Ich erkannte sie als die Gruppe, die mich am meinem Einschulungstag so feindselig angeschaut hatte. Einige von ihnen machten mauzende Geräusche. Jenna grinste nur hämisch. Ich wandte mich demonstrativ gleichgültig ab. Dem Sportlehrer entging wohl der Spott, denn er wandte sich wieder an uns zu. „Nun, da Sie sich verspätet haben, werden Sie als erste fünf Runden laufen und anschließend zehn Liegestütze machen!“, erklärte er. Gwen stöhnte auf. Ich schenkte ihr ein tröstendes Lächeln. Zum meinen Erstaunen machte es mir keine Probleme die fünf Strafrunden zu laufen. Ich fand es sogar als äußerst entspannend. Während Gwen Probleme hatte mit mir Schritt zu halten. Sie lag wenige Meter hinter mir abgeschlagen. Als sie fertig waren, gönnte der Sportlehrer uns einige Minuten um wieder zu Luft zu kommen. Ich war komischerweise nicht aus der Puste. Klar, ich schnaubte schon etwas, aber im Gegensatz zu Gwen atmete ich ruhig. Sie hingegen hechelte förmlich. „Alles okay bei dir?“, fragte ich. Gwen winkte ab. Nickte. „Ja, ich bin nur etwas aus der Puste!“ So wie sie allerdings aussah, hätte man meinen können, dass sie gleich aus den Schuhen kippte. „Ich brauche nur einige Minuten!“ Als es ihr wohl wieder besser ging, machten wir dann die Liegestütze. Und ich war zum ersten Mal froh, dass ich vorher von Lex und Brian so hart trainiert wurde. Denn so hatte ich genug Kraft dafür. Es fiel um einiges leichter, als ich gedacht hatte. Auch die anderen mussten erwartet haben, dass ich Schwierigkeiten habe. Dass ich diese aber nun mit Leichtigkeit schaffte, schien sie zu erstaunen. Besonders die Jungs, die auch am Sportunterricht mitmachten. Ich konnte ihre Blicke förmlich auf mir spüren. Oder vielmehr auf meinem Hintern, denn dieser schien ein äußerst reizvoller Anblick zu sein. „Seht Euch mal den Hintern von der Kleinen an. Damit kann sie ja Walnüsse knacken!“ „Da würde ich gerne mal reinkneifen!“ Innerlich schüttelte ich den Kopf über ihre pubertären Sprüche. Konzentrierte mich ganz und gar auf meine Liegestütze und merkte nicht, wie schnell ich dabei war. Das schien den Jungs nur umso mehr zu gefallen. „Ob sie in der Kiste genauso sportlich ist?“ „Anstatt nur dumm da zu stehen und zu zuschauen, sollten Sie sich weiter Ihren Übungen zu wenden, Mr, Stead!“, hörte ich nun den Lehrer und musste grinsen. Genug gespannt, dachte ich. Als ich endlich fertig war, ging es an den richtigen Sportunterricht. Dieser bestand aus Springen, Sprinten und Dehnen. Der Unterricht ging vorbei und ich und Gwen gingen in die Umkleide und schälten uns aus den nassgeschwitzten Sportklamotten. Ich holte mein Duschzeug raus und wickelte mich in ein großes Handtuch. „Willst du hier duschen?“, fragte Gwen und wirkte nun etwas unsicher. Sie schaute dabei etwas eingeschüchtert zur großen Gemeinschaftsdusche und dann hinter mich. Ich drehte den Kopf etwas herum und sah den Grund für ihre Sorge. Jenna stand hinter mir und sah mich lauernd an. Etwas sagte mir, dass sie etwas ausheckte. Aber ich wollte ihr nicht die Freude und einen Rückzieher machen. „Es ist nicht Zeit genug, um in unserem Bad zu duschen. Gleich geht es wieder in den Unterricht und ich habe keine Lust zu spät zu kommen, nur weil hier die Aasgeier auf mich warten!“, sagte ich und sprach die letzten Sätze lauter als nötig aus. Gwen schien darüber noch nervöser zu werden, während Jenna irgendwas vor sich hin murmelte. Ich ignorierte sie. „Gehe ruhig schon vor. Ich komme dann nach!“ Nur schwer nickte sie und ging. Nach ihr verließen auch Jenna und ihr Rudel die Umkleide, was mich etwas stutzen ließ. Dennoch wollte ich auf Nummer sicher gehen und schloss meine Anziehsachen in meinem Schrank ein. Man konnte ja nie wissen. Dann ging ich duschen. Dabei beeilte ich mich und schrubbte mehr als eigentlich gut war. Ich versuchte nicht an Jenna zu denken und an die hinterhältigen Attacken, die sie mir wohl antun wollte. Stattdessen sagte ich mir, dass ich hier einen Job zu erledigen hatte und dass mich sowas wie dieser Zickenkrieg, der unter Schülerinnen nun mal Gang und Gebe war, nicht kümmern sollte. Als ich dann fertig war, drehte ich das Wasser ab und wollte mich trocknen und wieder anziehen. Doch kaum dass ich in die Umkleidekabine trat, blieb ich stehen und schaute wie vom Blitz getroffen auf meinen Schrank, den ich zuvor noch abgeschlossen hatte. Abgeschlossen war er nun nicht mehr. Die Tür stand sperrangelweit auf und ich hatte sogleich ein dummes Gefühl. Ich ging zum Schrank und schaute hinein. Meine Ahnung bestätigte sich. Der Schrank war leer! Und ich wusste auch, wer ihn aufgemacht und meine Sachen rausgenommen hatte. Wütend schlug ich die Tür zu. Na warte. Dieser Jenna werde ich die Augen auskratzen. Es muss wirklich ein erstklassiger Anblick gewesen, den ich bot, während ich tropfnass und nur mit einem Handtuch bekleidet den Schulflur entlang stapfte. In Richtung meines Zimmers. Natürlich zerrissen sich die anderen wieder das Maul und gaben sich nicht die Mühe, es vor mir heimlich zu tun. Wütend und etwas beschämt ging ich weiter und erreichte mein Zimmer. Laut knallte ich die Tür zu. Atmete erstmal tief durch und setzte mich aufs Bett. Was jetzt? Eine zweite Uniform hatte ich nicht und ich hatte keine Lust wegen so einem blöden Streich Ärger zu bekommen. Nur was mache ich jetzt? Ich schaute zum meinem Schrank. Hier in meinem Handtuch zu sitzen und sich zu ärgern würde mir nichts bringen. Also entschied ich mich erstmal meine anderen Klamotten an zu ziehen und jemand auf zu spüren, der mir helfen konnte, eine neue Uniform zu bekommen. Mit Kapuzenpulli, Jeans und Turnschuhen bekleidet, ging ich wieder auf den Schulflur und zog erneut die Aufmerksamkeit der gesamten Schule auf mich. Auch dieses Mal blendete sich sie komplett aus. Suchte nach einem Lehrer, der mir hoffentlich helfen konnte. Ich fand auch gleich einen, der mich mit etwas verwirrten Blicken anschaute. Ich zwang mir ein verlegenes Lächeln ab. „Verzeihung, können Sie mir helfen. Ich…man hat mir meine Uniform gestohlen. Wo kann ich eine neue bekommen?“ „Eine neue Uniform?“, wiederholte er etwas perplex. „Nein, tut mir leid. Diese Uniformen sind Eigentum der Schule und wir haben keinen Ersatz, wenn eine verloren geht. Wenn du eine neue brauchst, musst du dafür bezahlen!“, sagte er und ich hätte am liebsten lautaufgestöhnt. Auch das noch! Wie sollte ich das bezahlen können. Diese Uniformen mussten ein Vermögen kosten. Und mir wurde übel als ich daran denken musste, Brain um das Geld bitten zu müssen. Sicherlich würde er toben. Aber es würde kein Weg dran vorbeiführen. „Ich selbst kann kein Geld für die Uniform aufbringen. Ich bin zurzeit bei meinen Pateneltern!“ „Dann werde ich sie anschreiben!“, sagte der Lehrer. „Bis du die Uniform hast, kann es allerdings etwas dauern!“ Ich nickte, weil mir ja nichts anderes übrig blieb. Natürlich sorgte meine eigenkreierte Schuluniform dafür, dass ich im Unterricht von allen Seiten angestarrt wurde. Und wieder für einiges Getuschel. Während Gwen mich etwas mitleidig anschaute. Sie hatte mich gewarnt und ich wollte nicht hören. Ich hatte mir das also allein eingebrockt. Dennoch ärgerte ich mich. Sicher steckte diese Jenna dahinter. Wie sie allerdings den Schrak aufbekommen hatte, fragte ich mich doch. Vermutlich hat sie einen Dietrich dazu genommen. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Ich war heilfroh als auch dieser Schultag endlich zu Ende ging. Noch länger den spöttischen Blicken der Schüler ausgesetzt zu sein, hätte ich nicht ausgehalten. Mit einem Seufzen schloss ich die Tür und lehnte mich dagegen. Schloss die Augen und wünschte mir, das was heute passiert ist, schnell wieder zu vergessen. „Na, einen harten Tag gehabt?“, fragte plötzlich Erik, der es sich auf meinem Bett bequem gemacht hatte. Ich hatte nicht bemerkt, dass es draußen bereits dämmerte. „Kann man so sagen!“, sagte ich und stieß mich von der Tür ab. Ich ließ mich neben ihn auf das Bett fallen und streckte mich. Dabei war es mir egal, dass Erik meinen nackten Bauch sehen konnte, oder wie mich einen Moment lang schweigend anschaute. „Wo hast du deine Uniform gelassen?“ „Die wurde mir geklaut!“ „An deinem zweiten Schultag schon?“, fragte er und ich hörte deutlich ein Lachen in seiner Stimme. „Wow, du hast dich wohl ziemlich beliebt gemacht!“ Ich rollte nur mit den Augen. „Hast du was schon in Erfahrung gebracht?“, fragte ich und richtete mich auf. Eri sah mich etwas verwundert an. „Das ist doch dein Job!“ „Ja, aber du kannst dich doch mal umhören…!“, sagte ich genervt. „Mir dabei helfen!“ „Das habe ich doch schon!“ „In wie fern?“, kam es nun von mir verwirrt und Erik sah mich mit gehobenen Brauen an. „Wer glaubst du hat deine Hausaufgaben gemacht!“ Einige Minuten schwieg ich, aber dann fühlte ich so etwas wie Dankbarkeit und auch ein schlechtes Gewissen. Zu Eriks Aufgabe gehörte es sicher nicht, meine Hausaufgaben zu machen. Dennoch hat er sie gemacht. „Danke!“, sagte ich müde und wischte mir über das Gesicht. Eriks Gesicht wurde weich und er stand auf. „Schon gut. Schlaf jetzt!“, sagte er. Wollte gehen, blieb dann aber stehen und sah mich mit einem verschmitzten Lächeln an. „Es sei denn du hast wieder Hausaufgaben auf!“ Ich schüttelte den Kopf und lächelte auch. „Nein, zum Glück nicht!“ „Na, dann. Gute Nacht!“, sagte er und verschwand. Ich schlief erstaunlich schnell und fest ein. Ein Geräusch jedoch ließ mich hochfahren. Zuerst fragte ich mich, was das war, als es sich aber wiederholte und ich es allmählich erkannte, stellte ich fest, dass ich da Schritte hörte. Wer schlich noch so spät auf dem Gang herum? Die Lehrer? Möglich wäre es, da sie sicher so etwas wie Nachtwache hatten und potenzielle Ausreißer wieder in ihre Zimmer schicken würden. Okay. Gut zu wissen. So wusste ich nun, dass ich auf dem herkömmlichen Wege nicht rauskomme. Die Schritte kamen näher und ich sah einen Lichtschein unter der Tür. Einige Minuten blieb der Lehrer wohl vor meiner Tür stehen, dann ging er weiter. Ich konnte es mir selbst nicht erklären, aber ich hatte die Luft angehalten und war angespannt gewesen. So als wartete ich darauf angegriffen zu werden. Das wunderte mich. Zumindest für einen kurzen Moment. Es war doch eigentlich nichts ungewöhnliches, wenn ein Lehrer den Gang abschritt um zu schauen, das alle Schüler im Bett lagen. Aber dann sagte ich mir, dass es auch eine zweite Erklärung gab, die nicht so beruhigend ist. Was wenn dieser Lehrer kein Lehrer war? Sondern eines von diesen Wurmdingern? Mir wurde übel und ich wollte auch nicht weiter darüber nachdenken, aber mein Kopf schien da nicht mit machen zu wollen. Sondern ging weiter in diese Richtung. Was wenn sie bereits wissen, wer ich wirklich bin? Diese Dinger waren nicht blöd. Ganz bestimmt nicht. Sie würden sicher eins und eins zusammen zählen und wissen, warum ich hier war. Mit diesem Wissen war es vorbei mit dem Schlafen. Zumindest für die nächsten zwei Stunden. In einem Teil des kleinen Waldes, der hinter der Schule lag, schritt eine Schülerin den verschlungenen Pfad entlang. Sie hatte sich verbotener Weise aus ihrem Zimmer geschlichen und wusste, dass sie Ärger bekommen würde, sollte man sie erwischen. Aber die Einladung, die sie bekommen hatte, war zu verlockend gewesen, als dass sie wiederstehen konnte. Sie brauchte einige Minuten, da sie sich durch die Dunkelheit tastete. Eine Taschenlampe wollte sie nicht mitnehmen, da sie fürchtete, man könnte sie erwischen. Als sie dann den Treffpunkt erreichte, atmete sie erleichtert auf. Dann wartete sie. Und wartete. Immer wieder schaute sie auf das leuchtende Display ihrer Digitaluhr und musste feststellen, dass bereits zehn Minuten nach der vereinbarten Zeit vergangen waren. Sie runzelte die Stirn. Hatte sie sich mit der Zeit geirrt? Oder hatte er sich verspätet? Sie beschloss noch ein wenig zu warten. Es war die erste Einladung zu einem geheimen Date gewesen und dieses wollte sie nicht versäumen. Da nahm sie das Warten freiwillig in Kauf. Und während sie wartete, stellte sie sich vor, was sie wohl bei ihrem Date machen würden. Ein Grinsen huschte dabei über ihre Lippen und merkte, wie es in ihm Bauch nur so vor Schmetterlingen kribbelte. Irgendwann kam auch er endlich. Trotz dass sie sich ausgemalt hatte, was sie bei ihrem Date machen würden und sie es kaum erwarten konnte, wurde ihr auch ein wenig mulmig zumute. Aber sie sagte sich, dass das nur die Aufregung sei und dass sie nicht zu befürchten hatte. Doch dieser Vorsatz schwand schnell, als sie sah, dass er nicht alleine war. Hinter ihm lösten sich zwei weitere Gestalten aus dem Schatten, die ihm folgten und sie dann umzingelten. Der eine links, der andere Recht von ihr. Sie spürte, dass hier was nicht stimmte. Schaute von einem zum anderen. Schluckte und versuchte ihre Nervosität nicht in ihrer Stimme hören zu lassen. „Hey…du hast nichts davon gesagt, dass du deine Freunde mitbringst!“, sagte sie und zwang sich ein schiefes Grinsen ab. Doch ihr Date antwortete nicht darauf. Sondern schaute seinen Begleitern und schien ihnen ein unsichtbares Zeichen zu geben. Sofort packten sie sie an ihren Armen und hielten sie fest. Ohne zu wissen wie ihr geschah, stieß sie einen erschrockenen Schrei aus und versuchte sich sogleich aus dem Griff zu befreien. Doch keiner von ihnen schien sich durch ihr Bemühen stören zu lassen. Wo sie vorher noch unsicher und verwirrt war, erfasste sie die Angst. Schreckliche Ahnungen stiegen in ihr hoch und sie wehrte sich noch mehr. Aber auch dies schien nichts zu nützen. „Lasst...lasst mich auf der Stelle los. Das ist nicht mehr komisch!“, wimmerte sie. Spürte wie sich ihr Hals vor Angst zu schnürte und sie den Tränen nahe war. Wieso machten sie das? Was hatte sie getan? Der erste von ihnen schritt nun auf sie zu. Fasste grob mit der rechten Hand ihr Kinn, während er mit der Linken ihren Kopf ergriff und nach hinten drückte. Zugleich übte er Druck auf ihr Kinn aus und zwang so ihren Mund auf. Die Augen des Mädchens weiteten sich entsetzt. Wollte er sie mit Drogen vollpumpen? Verzweifelt wehrte sie sich dagegen und schaffte es kurz ihren Kopf aus seinem Griff zu befreien. Das jedoch brachte nicht viel, da er ihr einen Schlag versetzte, der sie beinahe ohnmächtig werden ließ. Noch während es sich in ihrem Kopf drehte, fasste er wieder ihr Kinn und öffnete erneut ihren Mund. Der Ohnmacht nahe und mit einem flehenden Stöhnen, sah sie dann, wie er seinen Mund öffnete und sich etwas langes, schleimiges rausglitt. Erst dachte sie, es wäre seine Zunge, aber dann sah sie wie sich das Etwas selbstständig zu winden begann, wie eine Schlange und immer länger wurde. Mit wachsender Panik und nicht in der Lage sich dagegen wehren zu können, was die Panik noch größer werden ließ, sah sie, wie sich das schlängelte Ding ihrem Mund näherte und wie eine zuschlagende Schlange in ihren Mund stieß. Trotz dass ich eingeschlafen war, was schon ein Wunder war, fühlte ich mich wie gerädert. Keine Ahnung wie lange ich geschlafen hatte. Aber viel konnte es nicht gewesen sein. Und auch wenn alles in mir danach schrie, mich wieder schlafen zu legen, zwang ich mich aus dem Bett. Müde tappte ich ins Bad, putzte mir die Zähne und wusch mich. Betrachtete mich im Spiegel und wäre nachhinten weggekippt. Die kurze Nacht hatte mir überhaupt nicht gutgetan. Dunkle Ringe und gerötete Augen zeugten davon, dass ich die Nacht kaum ein Auge zu getan hatte. Ich seufzte bitter. Da würde nicht mal Make up helfen. Mit einem sehnsüchtigen Blick sah ich auf mein Bett, das mich förmlich zu locken schien, mich wieder hineinzulegen. Aber ich ignorierte dies. Sicherlich würde Gwen wieder in mein Zimmer kommen und mich wieder aus den Federn jagen. Darauf konnte ich verzichten. So zeigte ich meinem Bett die kalte Schulter und drehte den Wasserhahn für das kalte Wasser bis zum Anschlag auf. Hielt meine Hände darunter und klatschte es mir mehrere Male ins Gesicht. Solange bis sich mein Gesicht taub anfühlte und vor Kälte zu kribbeln begann. Das kalte Wasser hatte den von mir gewünschten Effekt. Nach und nach wurde ich wieder wacher im Kopf und meine Augen fühlten sich auch nicht mehr so geschwollen an. Als ich in den Spiegel schaute, stellte ich erleichtert fest, dass sie auch nicht mehr so gerötet waren. Nur die dunklen Ringe blieben noch. Dagegen würde sicher etwas Make Up helfen. Dabei trug ich auch etwas Puder auf meinem Gesicht auf. Um das Gesamtbild zu komplettieren. Würde ja bescheuert aussehen, wenn nur meine Augen geschminkt sind, während der Rest meines Gesichts bleich wie eine Wand war. Als ich fertig war, schaute mich ein frischeres und besseres Ich an. Zufrieden nickte ich. Nun waren meine Klamotten dran. Ich schaute zu den Sachen, die ich gestern getragen hatte und verzog das Gesicht. Heute wollte ich mich etwas besser anziehen als gestern. So stopfte ich den Kapuzenpulli und die Jeans in den Beutel für die Schmutzwäsche und holte frische, bessere Klamotten raus. Eine weiße Bluse und darüber eine schwarze Weste an. Dazu eine blaue Jeans und meine schwarzen Stiefeletten. Wenn ich schon ohne meine Uniform am Unterricht teilnehmen muss und somit der Blickfang für jeden wäre, so wollte ich doch dieses Mal etwas stillvoller aussehen. Und ihnen wirklich was zum glotzen geben. Wobei ich auch zugeben muss, dass ich es so dieser Jenna heimzahlen wollte. Ich wollte ihr zeigen, dass ihr mieser kleiner Trick bei mir nicht den gewünschten Effekt hatte und ich mich, wie sie es wohl wollte, schämte. Das gestrige hatte mir schon gereicht. Nein. Heute wollte ich ihr eins reinwürgen, ohne mich dabei auf ihr Niveau zu begeben. Um dem ganzen noch die Krone auf zu setzen, trug ich nun doch etwas Make up auf. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Zwar waren meine Augen noch etwas gerötet, aber nicht mehr so stark, dass man denken würde, ich hätte die Nacht durchgemacht. Zufrieden mit meinem Look trat ich nun auf den Flur und machte mich auf den Weg zum Unterricht. Wie erwartet schauten mich jeder der Schüler, ob männlein oder weiblein, an. Ich konnte deutlich in ihren Blicken sehen, dass sie nicht erwartet hatten, dass ich aus meiner misslichen Lagen, das Beste machen würde. Mit einem stolzen Grinsen ging ich zur ersten Stunde. Als Gwen mich sah, konnte sie ein beeindruckendes Pfeifen nicht unterdrücken. „Wow, Ashley!“, sagte sie und sah mich von oben bis unten mit großen Augen an. Ich konnte nicht anders als mich zu drehten. „Na, was sagst du?“ Gwen blieb wohl erstmal die Spucke weg. Ich hatte immer geahnt, dass ich eine besondere Wirkung auf andere Menschen hatte. Hatte mir aber nie was darauf gemacht. Nun aber genoss ich es. Vor allem aber, weil ich dieser Jenna so eins ausweichen konnte. „Hammer! Einfach nur Hammer!“ Ich grinste. Doch mein kleiner Triumph währte nicht ewig. Gwens Begeisterung verschwand schlagartig. Ich ahnte schon woran das lag. Oder an wem. „Jenna!“, formte ich wortlos mit den Lippen und Gwen nickte. Ich drehte den Kopf nur halb herum. Und tatsächlich stand Jenna mit ihren Mädels in der Tür und sah mich an, als würde sie mir gleich an die Gurgel gehen wollen. Das hätte sie vermutlich auch, wenn nicht gleich der Lehrer in die Klasse gekommen wäre. Die ersten Stunden vergingen schnell und die Pause kam. Noch immer konnte ich den tödlichen Blick von Jenna in meinem Rücken spüren. Meine Fresse war das eine Zicke! Ich ließ mich davon nicht beeindrucken. „Eines muss man dir lassen: Du hast echt Nerven wie Drahtseile!“, sagte Gwen. Es klang nicht so, als wollte sie sich einschleimen. Sondern vielmehr als ob sie an meinen Verstand zweifeln würde. Da ich war ich etwas gekränkt. „Ich weiß nicht, warum ich mich davon so unterkriegen soll. Das ist doch Kindergartenniveau!“, sagte ich. Gwen hob die Schultern. „Hier kann sie es machen. Nur weil Ihr Daddy ein hohes Tier ist!“ Was anderes hatte ich nicht erwartet. „Da sieht man es wieder. Wer Geld hat, braucht keine Manieren!“, murmelte ich. Gwen nickte. „Amen!“ „Uhhhh, das ist ja ekelhaft!“, sagte sie im nächsten Moment und ich verstand natürlich nicht, was sie meinte. Mein Blick musste ihr wohl gesagt haben, dass ich es nicht begriff. Dezent zeigte sie über meine Schulter und ich drehte mich um. Im ersten Moment teilte ich ihre Meinung. Einige Tische weiter saß eine Schülerin und aß…nein sie stopfte sich das Essen regelrecht hinein. Bei diesem Anblick wurde mir schlecht. „Was ist denn mit ihr los?“, fragte ich dann und wandte mich ab. „Keine Ahnung!“, sagte sie. „Caro hat sonst eigentlich immer auf ihre Linie geachtet. Normal ist das nicht!“ Etwas sagte mir, dass da was Wahres dran war. Kein Mensch stopfte sich dermaßen das Essen rein. Nicht mal bei All You Can Eat. Könnte es sein, dass sie mit einem dieser Wurmmonster befallen ist? Voller Ungeduld wartete ich darauf, dass es dunkel wurde. Ich hatte tausend Fragen an Erik. Als es endlich dunkel war, tauchte er schon auf. „Wie kann man erkennen, dass ein Mensch von einem dieser Dinger infiziert ist?“ Erik war erstmal perplex, doch dann legte sich seine Stirn in tiefe Falten. „Meistens erkennt man es wenn sich derjenige, der mit ihnen infiziert ist, merkwürdig verhält. Seltsame Eigenschaften zeigt zum Beispiel!“ „So wie sich Essen reinschaufeln, als würde man verhungern?“, fragte ich prompt. „Wieso? Hast du jemanden gesehen, der sich so verhält?“ Erik war sofort alarmiert. Ich nickte. Sofort nahm sein Gesicht einen düsteren Ausdruck an. Ich ahnte, was er dachte. Es war auch meine Befürchtung. „Du denkst, dass sie sich nun die Schüler vornehmen!“ „Ja!“, sagte er. „Und das gefällt mir nicht!“ „Mir auch nicht!“, gestand ich. Dass es einfach sein würde, hatte ich nie gedacht. Aber die Aussicht, mich bald einer ganzen Horde von Wurmbefallenen Schülern gegenüber zu sehen, ließ mir eisige Schauer über den Rücken laufen. „Was wenn wir zu spät sind?“, fragte ich dann, weil ich das Gefühl nicht loswurde, dass das ein Kampf gegen Windmühlen war. Außerdem passte es nicht, dass sie sich eine Schule vornahmen. „Wieso denkst du das?“ Ich biss mir erstmal auf die Unterlippe, weil ich wirklich nicht den Teufel an die Wand malen wollte. Aber es ließ mich einfach nicht los. „Mal angenommen diese Wurmmonster greifen an, ohne dass wir es bemerken. Was dann?“, fragte ich. „Nun diese Viecher scheinen nicht gerade diskret vorzugehen. Der Anruf des panischen Lehrers ist ein eindeutiger Beweis. Sie scheinen sich sehr sicher zu fühlen!“ „Aber wieso das ganze? Wieso eine Schule? Warum suchen sie sich nicht einen Ort aus, der nicht so öffentlich ist? Eine Firma oder einen Club. Oder was auch immer. Auf jeden Fall bei dem es nicht auffällt, wenn einige Leute verrücktspielen!“, sprudelte es aus mir heraus. „Warum eine Bank oder ein Club, wenn sie hier den idealen Stützpunkt haben?“, erwiderte Erik kühl. Ich sah ihn ungläubig an. Doch dann begriff ich und mir wurde kalt. „Moment. Du willst mir doch nicht sagen, dass…!“ Eriks Gesicht wurde noch düsterer. „Jeder Schüler hat Eltern in hochgestellten Positionen. Angefangen vom Polizeiminister bis hin zu denen, die an der Macht sitzen!“ „Ein Glück das die Prinzen Englands nicht hier zur Schule gehen!“, sagte ich trocken. „Das muss auch nicht der Fall sein!“, erwiderte Erik. „Es reicht schon, wenn sich einer dieser Würmer im Verteidigungsminister einen Wirt sucht!“ Was dann passieren würde, sollte das der Fall sein, bedarf keiner allzu großen Vorstellungskraft. Und es war erschreckend. „Das ist ja eine Invasion!“ „So würde ich das nicht sehen!“, sagte Erik. „Und wie dann?“ „Als wie die Ruhe vor dem Sturm!“ Ich verzog das Gesicht. „Das macht es nicht besser!“, schnappte ich und schaute dabei aus dem Fenster. Wieder kehrten meine Gedanken zu dem Wald und den dahinter liegenden Hütten zurück. Erik schien meine Gedanken gelesen zu haben, denn er schaute ebenso aus dem Fenster, hinter dem es immer dunkler wurde. Beinahe schwarz. Ein dumpfes flaues Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus und ich meinte, dass mir kalt wurde. Eigentlich sollte ich mich jetzt auf den Weg machen. Zu den Hütten gehen und… „Das ist keine gute Idee!“, sagte Erik und riss mich aus meinen Überlegungen. „Wieso nicht? Je eher desto besser!“ Erik schüttelte den Kopf. „Wenn du jetzt hingehst, werden sie gewarnt sein und werden sich ein neues Versteck suchen!“ Okay, das klingt logisch. Aber dennoch gefiel es mir nicht. Was wenn sie mein Zögern nutzen und sich weiter vermehrten? Was mich zu meiner nächsten Frage brachte. „Wie vermehren sich diese Dinger überhaupt?“ Erik sah mich für einen kurzen Moment mit gehobenen Brauen an. Dann grinste er amüsiert. „Hatte man Euch in der Schule nicht aufgeklärt, was es mit den Bienchen und den Blümchen auf sich hat?“, fragte er dann. Ich verzog das Gesicht. Das war wirklich nicht der richtige Moment für Witze. Aber dann fragte ich mich, ob das nicht doch ernst gemeint war. Mir wurde schlecht bei dem Gedanken. Erik sah das wohl, schüttelte den Kopf. „Das war nur ein Scherz!“, sagte er. Dann nahm sein Gesicht wieder diesen ernsten Ausdruck an. „Wie bei den meisten Insekten beziehungsweise bei Insekten, die in Kolonien leben, gibt es eine Königin, die die Eier legt. Diese werden dann in die Wirte gepflanzt!“ „Und wie?“ Erik zuckte mit den Schultern. „Durch direkten Körperkontakt. Das ist das einfachste und effektivste. Oder durch das Unterjubeln durchs Essen!“ Bei beiden Varianten durchfuhr es mich kalt. Sowohl das eine als auch das andere waren hier möglich. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Schüler hier enthaltsam waren und nur hier lernen wollten. Und beim Essen? Wenn diese Dinger auch das Küchenpersonal unterwandert haben, dürften sie es leicht haben, die Wurmeier hinein zu schmuggeln. Oh Gott! Auch ich hatte von dem Essen gegessen. Was wenn ich auch eines dieser Dinger in mir trage? Bei diesem Gedanken wurde mir schlecht. „Erik…was wenn…?“ „Keine Sorge. Wenn du damit infiziert wärst, würde ich das sehen!“ Ich runzelte die Stirn. „Und wie das?“ „Ich habe dafür einen Sinn!“, erklärte er nur. „Geh jetzt schlafen. Morgen musst du wieder früh raus!“ Mir blieb beinahe die Luft weg. Erik tat so als sei ich ein kleines Kind und er der Vater. „Dir ist schon klar, dass sich das bescheuert anhört!“, murrte ich. Erik grinste schwach. „Bevor du wieder verpennst…!“ Auch wieder wahr. Ich war schon viel zu oft aufgefallen und wollte mir weitere Fehltritte ersparen. So befolgte ich seinen Rat. Erik war dabei so taktvoll, dass er sich ins Nichts auflöste, damit ich mich umziehen konnte und legte mich dann ins Bett. Ein letztes Mal glitt mein Blick zum Fenster… Der nächste Morgen brach schnell an und auch wenn ich dieses Mal früh ins Bett gegangen war, war ich dennoch müde. Aber immerhin fielen mir nicht wie gestern beinahe die Augen zu. Erneut trug ich meinen Look. Und erneut zog ich mir damit sämtliche Blicke zu. Jenna sah mich natürlich so an als wollte sie mich hier und jetzt massakrieren. Ich tat so als würde ich sie erst mal nicht bemerken, doch dann warf ich ihr einen Blick zu, der deutlich sagte:„ Schluck das, du Biest!“ Gwen bekam das mit und raunte mir zu:„ Bist du lebensmüde?“ Ich grinste. „Vielleicht!“ Gwen schüttelte den Kopf. „Du bist echt verrückt!“ Sie konnte wohl nicht fassen, dass ich dermaßen leichtsinnig bin. Und auch wenn ich zurück denke, frage ich mich, ob ich da nicht etwas über die Stränge geschlagen war. Aber in diesem Moment war mir das egal. Soll sie ruhig schäumen vor Wut. Wir traten in das Klassenzimmer und der Unterricht begann. Es ist unnötig zu erwähnen wie sehr sich der Unterricht zog und wie erleichtert ich war, als wir endlich gehen konnten. Dennoch hatten wir Aufgaben bekommen und so standen ich und Gwen in der Bibliothek und suchten nach den Büchern, die wir zum Lernen nehmen sollten. Gwen ächzte als sie mit vier Bücher auf dem Arm hinter mir her schlurfte. „Bücher! Ich hasse Bücher!“, jammerte sie. „Und lernen…Lernen Lernen lernen!“ Ich musste etwas grinsen. Zugegeben der Unterricht war hier ziemlich trocken und langweilig. Aber Gwen übertrieb schon ein wenig. Ich musste immerhin die gleichen Bücher tragen und ich tat das nur zur Tarnung. Eigentlich könnte ich es sein lassen. Aber dann würde ich auffliegen. Oder von der Schule fliegen. Dabei war die zweite Möglichkeit das kleinere Übel. „Ach, Komm. Bücher können auch interessant sein!“, sagte ich daher um sie ein wenig auf zu bauen und wie die typische Streberin zu klingen. Gwen gab ein verächtliches „Pfft!“, von sich. „Was für Bücher sollten interessant sein?“ „Das hier zum Beispiel!“, sagte ich und zog eines aus dem Regal für Geschichte heraus. Ich hielt es ihr hier hin. Gwen schaute drauf und rümpfte die Nase. „Das finstere Mittelalter!“, las sie laut und sah mich an als hätte ich den Verstand verloren. „Echt jetzt?“ Ich hob die Schultern. „Was denn? Ist doch interessant!“ Gwen schien davon nicht überzeugt zu sein. Im Gegenteil: Sie verzog angewidert das Gesicht, Offenbar hatte sie dieses Thema schon durch. Und ich musste zugeben, dass es nicht das beste Beispiel war. Schnell schob ich das Buch wieder ins Regal und wir gingen zu den langen Tischen. Dort saßen schon einige Schüler und waren in ihre Bücher vertieft. Gwen und ich setzten uns auch an einem und schlugen das erste Buch auf. Man hatte uns einige Fragen diktiert, die wir mit Hilfe der Bücher beantworten sollten und Themen, zu denen wir einen Vortrag halten sollten. Überflüssig zusagen, dass wirklich langweilige Themen waren. Gwen seufzte, als sie ihren Vortrag fertig hatte. Ich klappte auch mein Heft zu. Lehnte mich dann zurück und machte kurz die Augen zu. Dann wandte ich mich den Bücheregalen zu. Sicher gab es noch andere wesentlich spannendere Bücher. Irgendwie lockte es mich zu den Büchern zu gehen, mir eines aus zu suchen und darin die Zeit tot zu schlagen. Was ich auch tat. Suchend schritt ich die Reihen hab und ließ den Blick über die Bücherrücken wandern. Hexenverfolgung im Mittelalter. Hm, das klang schon etwas interessant. Ich zog das Buch heraus und ging damit zu Gwen zurück. Als sie sah, dass ich mir ein anderes Buch gegriffen habe und es dann aufschlug, sah sie mich mit gehobenen Brauen an. „Ist das dein Ernst?“, fragte sie mich dann. Ich hob die Schultern. „Was denn? Ist doch auch Geschichte!“ Gwen verzog das Gesicht. „Frauen, die auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden, nur weil man sie nicht leiden konnte, nennst du Geschichte. Ich nenne das krank!“ Okay, da war was Wahres dran. In dieser Zeit hätte ich nicht gern gelebt. Besonders weil ich erstmal durch meine beiden unterschiedlichen Augenfarben schon auf dem Scheiterhaufen gelandet wäre. Da hätte ich auch nicht mit meiner „Gabe“, gepunktet. Dennoch übte das schon eine gewisse Faszination auf mich aus. Bei Gwen aber auf Abscheu. „Naja…aber zum Glück gibt es sowas ja nicht mehr!“, sagte ich mit einem schwachen Lächeln. „Sei dir da mal nicht so sicher. Zwar werden heutzutage keine Frauen mehr auf den Scheiterhaufen verbrannt, aber auch auf eine andere Weise zu Staub gemacht!“, kam es verschwörerisch von ihr und ihr Blick ging dabei zu Jenna, die auf der anderen Seite der Bibliothek mit ihren Mädels stand und sich unterhielt. Ich wusste sofort was sie meinte. „Ich passe schon auf!“, versprach ich. Gwen schaute ein wenig unsicher zu Jenna, dann zu mir und dann ging ihr Blick ganz woanders hin. Ihre Augen wurden groß und sie zupfte mich am Arm. „Ich glaub es nicht!“, sagte sie dann leise. „Was denn?“, fragte ich. „Joshua Ginger schaut gerade zu dir rüber!“ „Und?“ „Das ist der Kerl, denn du so angeschaut hast!“ „Ach, der, den sich Jenna reserviert hatte?“ „Eben der!“, sagte sie ehrfürchtig. „Er sieht direkt zu dir rüber!“ Ich konnte nicht anders als mich um zu drehen und zu ihm rüber zu sehen. Der Blick, den er mir zuwarf, war mehr als glühend. Ich merkte, wie ich rot wurde. Gwen schnappte nach Luft. Da kam Joshua auf uns zu und Gwen hielt nun den Atem an. Ich musste beinahe darüber lächeln. „Hey!“, sagte er lässig. Ich erwiderte seinen Gruß. „Ähm…ich gehe lieber mal!“, sagte sie hastig und stand auf. Ich sah sie ein wenig verwirrt an. Gwen sagte nichts, sondern machte nur mit einem Kopfnicken in Jennas Richtung klar, dass sie nicht mit Joshua zusammen gesehen werden wollte. Ich wollte ihr schon sagen, dass das albern sei, doch bevor ich dazu, kam rauschte sie auch schon davon. Joshua sah ihr amüsiert nach. „Ganz schön nervös, deine Freundin!“, sagte er. Ich hob die Schultern. „Darf ich mich setzen?“, fragte er dann und deutete auf den nun freien Platz. Ich nickte. Joshua ließ sich neben mir auf den Stuhl fallen und schaute zu meinen Aufgaben. „Hast du die schon fertig?“, fragte er. „Ja, war ein ziemliches Stück Arbeit!“, sagte ich. Dann deutete er auf das Buch über die Hexenverfolgung. „Interessiert dich das?“ Ich nickte wieder. „Die einen lesen Modelzeitschriften. Ich lese historisches!“ Joshua lächelte. Es war eines von diesem perfekten Lächeln, das die Mädchen reihenweise zum Schmelzen brachten. Auch ich spürte etwas. Aber es war nur ein schwaches Flackern in meinem Bauch, das jedoch wieder nachließ. „Ziemlich grausame Historie!“, bemerkte er trocken. Ich hob die Schultern. „Es kann nicht grausamer sein, als das, was ich bisher erlebt habe!“, wollte ich schon sagen, verbiss es mir aber. „Zumindest zeigt es, wie krank die Menschheit sein kann!“, kam es stattdessen von mir. „Wow!“, sagte Joshua. „Was?“ „Nichts! Nur…ich hätte nicht gedacht, dass du solche Gedanken hast!“, bemerkte Joshua und sah mich an, als wäre mir ein drittes Auge gewachsen. „Ich sehe es eben realistisch!“ „Gibt es auch etwas Gutes, was du siehst?“, fragte er dann. Da musste ich etwas länger nachdenken. Gab es wirklich etwas Gutes, was mir passiert ist? Im Moment fielen mir nur hundert oder tausend schlechte Sachen ein. Meine Gabe, Dinge- schreckliche Dinge- zu sehen, bevor sie passierten. Der Tod meiner Mutter. Die ganzen Menschen, die gestorben sind. Nur in der letzten Zeit und mir wurde übel als ich mir vorstellte, wie viele Menschen noch sterben würden. Ich schüttelte den Kopf. Ich sah aus dem Augenwinkel, wie mich Joshua mit einem nachdenklichen Blick anschaute. Mein Hals wurde eng. Wie musste ich in seinen Augen aussehen. Ein deprimiertes, alles schwarzsehendes Mädchen, das kein Licht in dieser Welt sieht. Aber was wusste er schon. Sicher hatte er noch seine Mutter und musste sich nicht mit diesem Horror rumschlagen. Dabei fragte ich mich, wieso gerade ich diesen Job machen sollte. Es gab sicher andere, die besser für diesen Job gemacht sind. „Du steckst zu tief drin, als das du da rauskommst!“ Gerne hätte ich behauptet, dass es Erik gewesen wäre, der mir diese Worte zu flüsterte. Aber es waren meine eigenen. Vielmehr die Worte meines Gewissens. Und hätte das Gewissen einen Hals, so hätte ich diesen ihm umgedreht. Ich musste dabei so ein finsteres Gesicht gemacht haben, dass Joshua etwas zurück rutschte und mich verunsichert anschaute. „Alles…alles in Ordnung?“, fragte er. Ich atmete durch. Versuchte die aufkommende Frustration zu unterdrücken und zwang mich, ruhig zu werden. „Ja…es geht…Ich…ich will nur kurz Luft schnappen gehen!“, sagte ich, packte meine Sachen zusammen und verließ schnellen Schrittes die Bibliothek. Ohne dass ich es gemerkt hatte, war es bereits später Nachmittag und die Sonne ging langsam unter. Ich suchte nach einem Platz, wo ich ungestört sein konnte. Diesen fand ich auch. Eine kleine Bank, die etwas abseits von dem ganzen Trubel, der noch zu so später Stunde herrschte. Mit einem Seufzen ließ ich mich darauf nieder und versank wieder in den Grübeleien, die immer deprimierender wurden. Und während ich diesen nachhing, beobachtete ich, wie die anderen Schüler über das Schulgelände schlenderten. Mit einander redeten, lachten und sich ihres Lebens freuten. Keiner schaute in meine Richtung oder schien mich wirklich wahr zu nehmen. Es war so als existierte ich nicht. Ein beklemmender Gedanke und mir wurde kalt. Wie ich hier so saß, konnte man deutlich sehen, dass ich nicht wirklich dazu gehörte. Nicht zu diesem Leben. Aber welches Leben gehörte dann zu mir? War es wirklich meine Bestimmung gegen diese Monster zu kämpfen. Bis zu meinem Ende? Ich spürte wie ich in ein tiefes Loch fiel. Immer tiefer und tiefer. Wie gern würde ich dieses Leben gegen ein anderes, ein normales Leben tauschen. Dass ganze Grauen vergessen. Wie in einem Film sah ich diese letzten Ereignisse. Meine Feuertaufe, die Meerjungfrau, mein Treffen mit Felicitas alias Samantha und die Familie, deren Geister ruhelos umher gingen. Dass alles schien so weit weg zu liegen, dass man denken könnte, dass sei alles in einem anderen Leben passiert. Und dennoch war es mein Leben. Meine Finger glitten hinunter zu meiner Wade und ertasteten die drei Furchen, die ich Felicitas/ Samantha zu verdanken hatte. Mein Hals wurde eng als ich darüber strich. Diese Narbe gehörte ebenso zur Vergangenheit. Meiner Vergangenheit. Genauso wie diese zu meinem Leben gehörte. Und ich fragte mich wie viele Narben ich noch bekommen würde. Ob ich überhaupt lange genug leben würde. „Solange ich hier bin, wirst du nicht sterben!“, hörte ich Eriks Stimme. Eine Welle von Bitterkeit rollte über mich hinweg und ich presste die Lippen aufeinander. Es lag nicht daran, dass er die Wahrheit sagte und ich das auch glaubte. Sondern vielmehr dass er auch verletzt oder gar getötet werden konnte. Ich musste mich daran erinnern wie der Penanggalen ihn mit seiner dolchartigen Zunge verletzt hatte. „Du kannst nicht immer da sein!“ Daraufhin schwieg er. Wenig überzeugte sagte er dann:„ Ich kann es zumindest versuchen!“ Fast schon wollte ihn auslachen. Doch Erik kam mir zuvor. „Außerdem solltest du deswegen zu Brain und seiner Familie. Sie werden wir zeigen, wie du dich auch ohne meine Hilfe wehren kannst!“ „Bis jetzt habe ich keine sonderlich großen Erfolge verzeichnen können. Ständig musste ich irgendwelche verdeckte Ermittlungen machen. Und wurde hin und wieder durch die Luft geschleudert, angekratzt oder von einem Geist zum Eiszapfen verwandelt!“ „Denkst du, bei deiner Mutter war es anders?“, fragte er leicht lachend. „Woher kennst du meine Mutter? Woher kennst du Brian und seine Familie?“ Diese Frage schoss mir durch den Kopf und kam mir ohne Widerstand über die Lippen. Auch wenn ich wusste, dass ich bei Erik damit auf Granit biss, was mich wiederum noch frustrierter machte. Ich wollte es endlich wissen. „Du kannst mich nicht ewig im Dunkeln tappen lassen!“ Wieder schwieg Erik und dieses Mal blieb es auch dabei. Meine Frustration wuchs und ich schlug mit der Faust auf das Holz der Bank, weil mir kein anderer Ausweg einfiel, wie ich dieser Luft machen konnte. Schreien und mich auf den Boden werfen, fiel ohne jeden Zweifel aus. Verdammt. „Alles in Ordnung?“ Gwen! Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie zu mir gekommen war und ich schämte mich sogleich, dass sie mich so sah. Erneut machte ich gute Miene zum bösen Spiel, weil ich keine Lust, mir irgendwelche Lügen aus zu denken, die ihr klarmachen sollten, dass ich keine Probleme hatte. „Ja, alles bestens!“, sagte ich etwas gereizt und wischte mir über das Gesicht. Dabei musste ich feststellen, dass ich geweint hatte. Darum also Gwens Sorge. Ich wollte beinahe darüber lachen, aber mein Hals fühlte sich kratzig und rau an. „Sicher?“ Ich nickte nur. Gwen sah mich eine Weile an und deutlich sah ich ihr an, dass sie skeptisch war. Dass sie sich wirklich um mich sorgte. In ihren Augen musste ich einen ziemlichen labilen Eindruck machen. Klasse! Ich zwang mich zu einem Lächeln. Gwen war schon in Ordnung. Und wenn die Umstände anders stehen würden, hätte ich sie gerne als Freundin gehabt. Aber leider… Ich musste mich an Marie erinnern. Marie, die lebenslustige, fröhliche Marie. Marie, die starb weil sie mich kannte. Weil sie mit mir befreundet war. Und Lucy. Auch sie starb. Eine grässliche Tatsache keimte in mir auf: Jeder, der sich mit mir einließ, starb. Das Beste wäre, dass ich Gwen nicht mehr an mich ran ließ. Sie ignorierte. Wenn es sogar sein musste, würde ich sie weg ekeln müssen. Auch wenn mir das wirklich zu wider war. Ich redete mir ein, dass es der einzige richtige Weg sei. Und ich wollte diesem nachgeben. Aber dennoch war da etwas. Etwas verräterisches, was mich darum anflehte immerhin etwas Normalität erleben zu dürfen. So etwas normales, wie mit Gwen befreundet zu sein. Auch nur für eine kurze Zeit. Und dieser Wunsch nach etwas Normalität- und sei sie noch so klein- war stärker. Ich sagte mir, dass ich einfach nur wachsamer und besser auf sie aufpassen musste, damit ihr nichts passierte. Schwor mir regelrecht, dass ich dieses Mal nicht versagen würde. „Lass uns wieder reingehen. Es wird langsam ziemlich kalt hier draußen!“, sagte ich mit aufgelegt munterer Stimme. Gwen, sichtlich verwirrt über meinen plötzlichen Stimmungswechsel, stand nur da, dann nickte sie und ein zaghaftes Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Sie legte mir freundschaftlich den Arm um die Schultern. Gemeinsam gingen wir wieder ins Schulgebäude. Es war kaum noch einer auf dem Flur. Die wenigen Schüler, an denen wir vorbei liefen konnte man an einer Hand abzählen. Richtig unheimlich war es. Unsere Schritte waren die einzigen Geräusche. Mal abgesehen von dem Gemurmel, das aus einigen Zimmern drang und das Ticken der großen Standuhr. Mir lief es kalt den Rücken runter. Eigentlich sollte mich das kalt lassen, da ich wesentlich gruseliges erlebt hatte. Aber die Tatsache, dass hier irgendwelche Wurmmonster rumkrochen, war wirklich nicht gerade angenehm. Ich stellte mir vor, wie sie uns-mich-aus unzähligen, verborgenen Ritzen und Nischen beobachteten und nur darauf warteten zu zuschlagen. Mir lief es dabei kalt den Rücken hinunter. Gwen bemerkte es natürlich. „Echt gruselig oder?“, sagte sie im gedämpften Ton. Also wenn sie das für unheimlich hielt, wie soll ich das nennen, was mir bisher passiert ist? „Du hast ja keine Ahnung!“, sagte ich und merkte erst jetzt, dass ich es laut ausgesprochen hatte. Gwen sah mich mit einem verwirrten Blick an. „Ich meine, ich hatte schon einige unheimliche Orte gesehen!“ Und das war nicht mal gelogen. „Echt?“, fragte Gwen und bekam nun Augen so groß wie Untertassen. „Erzähl!“ Ich blieb auf der Stelle stehen und war wie erstarrt. Was sollte ich darauf antworten? „Ich…naja. Das ist nicht so leicht!“, stammelte ich und wünschte, dass ich meine große Klappe gehalten hätte. Nun wurden Gwens Augen schmal. „So schwer kann es nicht sein!“, sagte sie. „Erzähl doch einfach!“ „Nicht hier!“, sagte ich flüchtig. „Dann zu dir oder zu mir?“ Ich konnte nicht anders als zu grinsen. Das klang sowas von zweideutig. Heiterte mich aber auch auf. Dachte kurz nach. Gwen würde mich sowieso nicht so leicht davon kommen lassen. Also gab ich mich geschlagen und sagte: „ Zu dir!“ Daraufhin grinste Gwen breit. Nahm meine Hand und wir gingen weiter. Gwen hatte, sobald wir in ihrem Zimmer waren, eine Kerze angezündet. Und das im einundzwanzigsten Jahrhundert. „Ist viel stimmungsvoller!“, hatte sie mit einem Augenzwinkern erklärt und kramte eine Tüte Kartoffelchips und zwei Dosen Cola hervor. Reichte mir eine. „Die sind leider warm. Sowas dürfen wir eigentlich nicht hier haben!“ „Das macht nichts!“, sagte ich und war über so viel Dreistigkeit belustigt. Immerhin etwas normales an dieser Eliteschule. Mal abgesehen von der fiesen Mobbingattacke, mir die Klamotten zu klauen. „Also…dann erzähl mal!“, verlangte Gwen, setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und öffnete die Dose Cola. Ich tat es ihr nach und fragte mich zugleich, was ich ihr erzählen sollte. Lügen fällt aus, da ich eine miserable Lügnerin bin. Also nahm ich die Geschichte, die weniger blutriefender war. Die Geschichte von dem Gasthaus, in dem die ruhelosen Geister einer Familie umher spukten, schien mir geeignet zu sein. Dabei wandelte ich einige Kleinigkeiten ab. Wie zum Beispiel, dass ich aktiv an der Wiedervereinigung mitgewirkt hatte. Oder das ein Geist mich beinahe mit seiner eisigen Präsenz umgebracht hätte. Mal abgesehen von den Visionen, in denen ich sah, wie der Vater sich einen Strick nahm. Oder das ich jetzt zu einer Art Geisterjäger gehörte. Am Ende ließ ich es so aussehen, als ei ich rein zufällig in diese Gaststätte gestolpert und hätte so einiges gruseliges erlebt. Und war froh, dass Gwen die gewünschte Reaktion zeigte. „Wow…hattest du keine Angst?“ „Doch und wie!“, sagte ich, was wieder nicht gelogen war. „Ich glaube, ich wäre vor Angst gestorben!“ Gwen steckte sich den ersten Chip in den Mund. Während ich erzählt hatte, hatte sie kein einziges Mal was getrunken oder was gegessen. „Ich wäre es!“ Wieder die reine Wahrheit. Gwen schüttelte den Kopf. „Ich dachte immer, dass das alles nur Einbildung ist. Dass es keine Geister gibt!“ „Davor dachte ich das auch!“ Betretendes Schweigen setzte ein. „Es ist schon spät. Ich gehe dann mal ins Bett!“, sagte ich dann, stand auf und streckte mich. Gwen wirkte etwas enttäuscht. Vermutlich hatte sie gehofft, dass ich ihr noch eine erzähle. Ich lächelte entschuldigend. „Gute Nacht!“, sagte ich versöhnlich. Und Gwen lächelte. „Gute Nacht!“ Als ich in meinem Zimmer war, seufzte ich. Aus einem unerklärlichen Grund fühlte ich mich total ausgelaugt. Umso froher war ich, dass ich mich ins Bett fallen lassen konnte. Mit einem seligen Lächeln zog ich mich um und schlug die Decke auf. Schlüpfte hinein und schaltete das Licht aus. „Das war nicht gerade klug von dir!“ Ich schreckte hoch und stieß zugleich einen Fluch aus. Verdammt. Mein Ärger wurde zur kühler Resignation als seine Worte für mich einen Sinn ergaben. Was meinst du?“ „Das du ihr was erzählt hast!“ „Ich habe nicht alles erzählt!“ „Aber immerhin genug, um dich in Schwierigkeiten zu bringen!“ „Denkst du, sie wird…plaudern?“, fragte ich und kurz kam mir wirklich der Gedanke, dass sie plaudern könnte. Aber dann drängte ich diesen weg. Selbst wenn Gwen etwas sagte, würde sie mich damit nicht verraten. Ich habe ihr ja nur einen Teil der Wahrheit erzählt. „Das ist doch paraniod!“ „Du solltest vorsichtiger sein! Und niemanden allzu sehr vertrauen!“ Ich wollte schon laut loslachen als ich diese Worte hörte. Konnte mich aber noch zurückhalten. „Vertrauen? Aber dir sollte ich vertrauen!“ Es machte mich wieder wütend, dass ausgerechnet er von Vertrauen sprach. Eriks Miene wurde bitter, dass konnte ich selbst in der Dunkelheit sehen. „Das ist nicht das gleiche!“ „Ach nein? Von allen hier hast du die meisten Geheimnisse vor mir!“ Ich ballte die Hände zu Fäusten. Er hatte nicht das Recht über Vertrauen zu sprechen. Eriks ganze Erscheinung spannte sich an. Er wirkte so, als würde er… Sich gleich auf mich stürzen! Ich machte sogleich einen Schritt zurück. Versuchte ihm dabei nicht zu zeigen, dass ich mich nicht vor ihm fürchtete. Er wird mir nichts tun, redete ich mir ein. Dabei verschränkte ich die Arme vor der Brust. Um das Zittern zu verbergen. „Nenn mir einen guten Grund, warum ich dir vertrauen soll?“ Da schoss Erik auf mich zu. Baute sich vor mich auf und überragte mich wie ein Fels. In seinen Augen blitzte es gefährlich. Und ich wurde starr vor Angst. Im diesem Moment begann ich mich nun noch mehr zu fürchten. Fragte mich:„ Wer war er? Was war er? Minutenlang blickte er auf mich. Seine Augen fest auf mich gerichtet. Sah den Zorn in seinen Augen auflodern. Mein Herz raste und ich bereute nun meine Worte. „Das du noch atmest und ein Teil meiner Kraft zur Hilfe hast, sollte dir Beweis genug sein!“ Das war wahr. Ohne seine Hilfe wäre ich schon längst, tot. Ohne ihn wäre ich schon längst. Dennoch hätte ich mehr von ihm erfahren. Ich öffnete den Mund. Wollte meinem Wunsch noch einmal äußern. Da wurde Eriks Gesicht weicher. Er beugte sich zu mir hinunter. Unsere Stirnen berührten sich. Seine Hand legte sich auf meine Wange. Diese Berührung hatte etwas ungemein intimes. Brachten mein Herz zum stolpern. Und seine Worte zum stillstehen. „Irgendwann werde ich dir alles erzählen. Aber nicht jetzt!“ Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern und legte sich wie ein Schleier auf meine Furcht. Hüllte sie ein und ließ sie zu etwas anderes werden. Etwas schwerem und kaum zu ignorieren. Nach einem Gähnen, ahnte ich, was es war. Müdigkeit. Keine Ahnung ob das von Erik ausging, oder ob es meine eigene war. Zumindest konnte ich meine Augen nicht mehr offen halten und merkte, wie ich nach unten sackte. Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass ich wie eine Puppe in seinen Armen hing, schlief ich ein. Einen Herzschlag später, wurde er sich bewusst, dass er ihr ein Verspechen-eine Hoffnung-gegeben hatte, das er nicht halten konnte. Nie könnte er ihr die Wahrheit sagen. Auch wenn es bedeutete, dass er niemals ihr Vertrauen ganz gewinnen könnte. Zwar konnte er versuchen, ihr zu zeigen, dass sie sich auf ihn verlassen konnte. Es blieb aber immer ein Schatten des Zweifelns. Doch das war ein geringer Preis, den er bereit war zu zahlen. Nur würde er es auch wirklich wollen? Erik blickte auf Allison nieder, die eng an ihm geschmiegt noch in seinen Armen lag und ein Kloß bildete sich in seinem Hals. Wieder fühlte er sich an Erin erinnert. Ihre Mutter! Sah wieder die Ähnlichkeit. Und er spürte, wie sich sein Herz verkrampfte. Erin hatte ihm zwar auch nicht ganz vertraut. Aber es hatte dennoch so etwas wie einen gewissen Zusammenhalt zwischen ihnen gegeben. Wieso sonst hatte sie ihn gebeten, auf Allison auf zu passen? Weil sie wusste, dass er sie beschützen würde. Koste was es wolle. Also musste sie ihm doch vertraut haben. Und das obwohl sie sich am Anfang gegenseitig umbringen wollten. Eriks Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln. In seiner damaligen Arroganz hatte er gedacht, dass er sie ohne weiteres überwältigen zu können und ihrer habhaft zu werden. In ihren toten Körper zu schlüpfen um… Erik graute es, als er sich daran zurück erinnerte und es schien ihm so als sei dieses Leben schon lange her. Jetzt nachdem er mit Erin den Handel eingegangen war und durch sie lernte was es hieß zu leben und leben zu lassen. Brian war der lebende Beweis. Dass sie die Kraft hatte, egal was passierte, sich nicht dem dunklen Selbst aus zu liefern und lange genug dagegen an zu kämpfen. Weiter auf etwas zu hoffen. Ihr starke Wille, ihre Hoffnung waren wie ein Kristall. So ein und strahlend, dass nichts hätte verfinstern konnte. Doch dieser zersprang in tausend Scherben als sie sich das Messer in die Brust stieß. Und etwas in ihm starb mit ihr. Die Erinnerung daran stürzte ihn in ein tiefes Loch und er musste alle Kraft aufbringen, um sich daraus zu ziehen. Zärtlich strich er dann über Allisons Haar und legte sie vorsichtig ins Bett. Als der Wecker klingelte, hatte ich Mühe die Augen auf zu bekommen. Die letzte Nacht lag schwer wie Blei auf mir. Schien mich förmlich auf die Matraze zu drücken. Das Klopfen von Gwen, die von der anderen Seite der Tür stand und nach mir rief, drang nur sehr langsam in mein Bewusstsein. „Ashley…Ashley, bist du wach? Los beeil dich. Sonst kommst du zu spät!“ Im Moment wäre das meinste kleinste Sorge. Und die Aussicht den heutigen Unterricht zu schwänzen war wirklich verführerisch. Doch mein Pflichtbewusstsein war stärker und so quälte ich mich aus dem Bett. Schlurfte zur Tür und machte sie auf. Draußen war schon reger Verkehr. „Gib mir fünf Minuten, dann bin ich fertig!“ „Warte. Hier. Das kam für dich an. Ich sollte es dir geben!“, sagte sie noch ehe ich die Tür wieder zu machen konnte und drückte mir ein Päckchen an die Brust. Ich runzelte die Stirn. Sah sie fragend an. „Deine neue Uniform!“, erklärte sie nur. Gwen sah mich mit gemischten Gefühlen an. Bedauern und Bewunderung. Und schwieg. Ich fühlte mich dabei etwas unwohl und fragte mich, wieso sie mich überhaupt so ansah. Hatte ich etwas an mir, was sie störte? Irgendwann unterbrach Gwen das Schweigen. „Weisst du, dass mir dein Stil gefallen hat?“, fragte sie und das Runzeln auf meiner Stirn wurde größer. „Aber die Uniform steht dir auch ziemlich gut!“ „Gwen. Wenn du mir irgendwas zu sagen hast, dann sag es doch einfach!“, sagte ich genervt. „Ich meine nur, dass du anziehen kannst, was du willst: Du siehst immer scharf aus!“ Etwas grummelig sagte sie:„ Das ist ein Grund, echt neidisch zu sein!“ Ich sah sie nur an, dann aber lächelte ich. Gwen war auch nicht gerade hässlich. Noch dazu war sie ein echtes Goldstück. Ich legte ihr meinen Arm um die Schulter und zog sie an mich. „Du bist neidisch auf mich? Als ob ich dir das Wasser reichen könntest!“, witzelte ich. „Mach dich nicht lustig!“, gab Gwen pikiert zurück. Fiel aber dann in mein Lachen ein. „Habt Ihr heute Abend was vor?“, fragte eine der Schülerin in der Mittagspause und Gwen und ich sahen uns fragend an. Verneinten die Frage. Das Mädchen grinste. „Wollt Ihr dann zu meiner Pyama-Party kommen?“ Gwen brauchte nicht lange um zu überlegen. „Klaro. Ich bin dabei. Und du Ahsley?“, fragte sie dann und strahlte mich gewinnend an. Ich hingegen zögerte. Pyama-Party! Sowas kannte ich bisher nur aus Serien und daher hatte ich gesamtbild davon. Kichernde Mädchen in Nachthemden, die im Kreis saßen und sich überlegten, welcher Typ wohl heißer ist. Ein Bild, was mir nicht gerade zu sagte und hatte deswegen kein Interesse daran. Aber mich da rausreden fiel mir ebenso schwer, da mich alle -insbesondere Gwen-ansahen, als würde ich Ja sagen. Ich ließ den Blick zwischen Gwen und dem Mädchen gleiten und sah dann in dessen Augen deutlich, dass sie dachte:„ Die kommt sicher nicht. Hält sich wohl für was Besseres!“ Das war ein Grund mein Bild was Pyama-Partys angeht zu vergessen und sagte inbrünstig zu. Gwen war begeistert. Das Mädchen hob die Brauen, dann aber schien auch sie sich zu freuen. „Super. Kommt um acht zu mir. Es gibt Kekse und heiße Schokolade!“, sagte sie. „Sophie und Louisa kommen auch!“ Und dann war sie auch schon weg. Als es zum Unterricht klingelte machten wir uns auf den Weg zur Klasse. „Ashley! Hey, Ashley. Warte Mal!“, rief plötzlich jemand und Gwen und ich blieben stehen. Meine Augen wurden groß als ich Joshua auf uns zu kommen sah. „Jo-Joshua!“, sties Gwen hervor. Ich sah ihn nur an. Mich überraschte es ebenso, dass er zu mir wollte. Nach meinem letzten Auftritt dachte ich, ich hätte ihn vergrault. „Hey…ähm…sorry, das klingt jetzt sicher bescheuert, aber ich wollte wissen, ob es dir besser geht?“, fragte er und strich sich verlegen durch das dichte Haar. Ich war nun wirklich erstaunt, fühlte mich aber auch geschmeichelt. „Ja…ja es geht mir etwas besser. Tut mir leid, wenn ich mich so blöd benommen habe!“ Joshua winkte ab. Ihm schien es nicht gestört zu haben. Hatte immer noch dieses verlegene Lächeln an sich, doch nun schien er erleichtert. „Also dann…bis zum nächsten Mal!“, sagte er und ging dann weiter. Wir beide, Gwen und ich sahen ihm nach. Mit gemischten Gefühlen. Ich brauchte kein Gedankenleser zu sein, um zu wissen was Gwen gerade durch den Kopf ging. Kaum dass er verschwunden war, platzte Gwen förmich vor Staunen. „Sag mal wie machst du das?“, fragte sie mich. „Wie mache ich was?“ „Na, dass Joshua so auf dich abfährt?“ „Das tut er doch nicht!“, verteidigte ich mich. Gwen schien davon nicht überzeugt zu sein. Sie hob die Brauen und sah mich forschend an. „Also entweder bist du dir deiner Wirkung auf das andere Geschlecht nicht bewusst oder es macht dir Spass mit den Männern zu spielen. Wie eine Katze mit der Maus!“ „Jetzt hör aber mal auf!“, murrte ich, weil dieser Vergleich einfach nur bescheuert ist. Ich spiele doch nicht. Und vorallem nicht mit dem Essen. Zumal Joshua als Maus zu sehen war lächerlich. Gwen hob ergebend die Hände. „Das ist nur meine Meinung!“, sagte sie. Dann schien sich ein Schatten über ihr Gesicht zu legen und sie raunte mir zu:„ Pass bloß auf, dass Jenna dass nicht spitzkriegt!“ Zu meiner Erleichterung brauchten wir nicht unsere Nachthemden an zu ziehen. Sondern trugen Jogginghosen und T-Shirts. Gwen klopfte und nach einigen Minuten öffnete das Mädchen, das sich als Karla vorgestellt hatte. „Da seid ihr ja. Kommt ruhig rein!“, sagte sie und wir folgten ihrer Einladung. Wir waren nicht die ersten und als ich sah, wer noch dabei war, blieb ich stehen. Eines der Mädchen, war das, was sich zu anfang das Essen förmlich rein geschaufelt hatte. Ich erkannte sie sofort. Sie hingegen schien mich nicht zu erkennen. Das beruhigte mich jedoch nur etwas. In meinem Hals bildete sich ein Kloß. Es wäre vernünftiger mich um zu drehen und zu verschwinden. Doch dann würde ich mich sicher damit verdächtig machen. So blieb ich. „Setzt Euch doch!“, sagte Karla und wir setzten uns zu den beiden anderen. Karla hatte, ganu Gastgeberlike, Kissen auf den Moden gelegt, sodass wir bequem saßen und reichte uns einen Pappteller und einen Plastikbecher. „Ich glaube Gwen brauche ich Euch nicht vor zu stellen!“, sagte Karla. Spohie und Louisa, das Mädchen was so einen Heisshunger hatte, nickten. Sahen mich daher umso interessierter an. „Schön dich mal kennen zu lernen!“, sagte Sophie. Darauf folgte ein langes peinliches Schweigen. „Erzähl doch mal. Woher kommst du? Und was führt dich hier an diese Schule?“, sagte Karla, die sich als Gastgeberin verpflichtet sah, die Party in Gang zu bringen. „Ich komme ursprünglich aus Frankreich und was mich…hier her verschlagen hat…nun…!“, druckste ich herum und überlegte mir eine gute Ausrede. Ich bin hier um unheimlichen Wurmmonstern in den Arsch zu treten, ging es mir durch den Kopf, doch diese Worte würden garantiert nicht über meine Lippen kommen. Stattdessen sagte ich:„ Meine Zieheltern. Sie haben mich hier her geschickt!“ „Zieheltern? Heisst das, dass du Waise bist?“, kam es von Sophie und sah bestürzt aus. Wieder fühlte ich die Falschheit, die in dieser Notlüge war. Ich nickte und presste dabei die Lippen aufeinander. „Das tut mir leid. Sind sie denn nett zu dir?“ „Nun ja…ja sind sie!“, sagte ich etwas lahm und musste dabei an Brian denken. Seine abweisende Art mir gegenüber. Manchmal hatte ich echt das Gefühl, dass er mich nicht leiden konnte. Lex war eher jemand, der sich gerne mal aufspielte. Esmeralda und Fay hingegen hatten mich mit offnenen Armen empfangen. „Das hört sich nicht gerade begeistert an!“, kam es von Louisa kühl. „Wie würde es dir gefallen, wenn du bei Fremden wohnen müsstest, nach dem du deine Eltern verloren hast?“, konterte Gwen scharf, wobei ich ihr einen dankbaren Blick zu warf. „Es sind ja nicht wirklich Fremde. Sie waren mit meinen Eltern eng befreundet!“, sagte ich und dabei hätte ich mir auf die Zunge gebissen. Mir wurde die Ironie meiner Worte mit der Wucht eines Lastwagen bewusst. Gerade ich sagte so etwas. Die immer fragte, woher meine Mutter sie kannte und sauer auf Erik war, weil er so ein Geheimnis daraus machte. Dann folgte wieder Schweigen. „Wie wäre es denn mit Gruselgeschichten?“, fragte Karla dann wieder. Keiner hatte etwas dagegen. Die Geschichten, die Gwen, Karla, Louisa und Sophie zu besten gaben, waren nicht gerade originell. Hauptsächlich drehten sie sich um Teenies, die in Feriencamps fahren, die verflucht und heimgesucht werden von bösen Geistern. Massenmörder, die nur zu Halloween ihr Unwesen trieben oder Monster, die aus dem Meer oder aus dem dunkelsten Wald hervorkommen, um ahnungslose Opfer zu holen. Ich musste einen müden und gelangweilten Eindruck gemacht haben, denn Louisa sah mich nun herausfordernd an. „So, Ashley. Jetzt bist du dran!“, sagte sie. „Ich? Och...wisst Ihr…ich bin keine gute Erzählerin!“, versuchte ich mich aus der Sache hinaus zu reden. Aber so leicht ließ mich nun auch Gwen nicht vom Haken. „Was redest du da? Du bist gut in sowas!“, sagte sie und versetzte mir einen Stoß. Ich sah sie etwas verkniffen an. „Da unsere Geschichten wohl langweilig zu sein scheinen, versuch du es nun uns in Angst und Schrecken zu versetzen!“, kam es provozierend wieder von Louisa. Daraufhin ließen sich auch Sophie und Karla davon anstecken. Und ich sah mich nun in die Ecke gedrängt. Fieberhaft veruchte ich mir eine Geschichte zusammen zu basteln, doch in meinem Kopf herrschte gähnende Leere. Geistesabwesend strichen meine Finger über meine Beine und als meine Finger die Stelle streiften, an der sich die vier Furschen befanden, hatte ich einen Geistesblitz. Auch wenn es verrückt war und Erik mir sicher wieder einen Vortrag halten würde, was Vorsichtig und Risko betraf, ließ sich diese Idee nun nicht mehr abschütteln. Und wenn sie schon eine Gruselgeschichte von mir haben wollten, dann sollten sie einen bekommen. So erzählte ich ihnen die Geschichte von Samantha. Natürlich aus der Vogelperspektive und sah wie meine Zuhörerinnen spitze Ohren bekamen. Als ich zuende erzählt habe, sagten sie erstmal nichts. Dann aber… „Und du hälst unsere Geschichten für langweilig? Deine ist auch nicht gerade besser. Hast wohl zu oft „Nightmare on Elm Street“ gesehen?“, höhnte Louisa. „Da muss ich Ihr Recht geben. Ich hätte auch etwas Besseres erwartet!“, gestand Sophie. „Wobei deine Story schon etwas unheimliches hatte!“ „Quatsch!“, sagte Louisa. „Das ist ne Geschichte wie jede andere auch. Immer nur ein Überlender oder eine Überlebende. Dass das zumal total unlogisch ist. Wenn das wirklich so ein Biest, wie konnte die Heldin das überleben?“ Ich habe die Geschichte so erzählt, dass es viele sehr viele Opfer gab und nur eine es schaffen konnte, ihr zu entwischen. In dem sie die Heilanstalt in Brand steckte. Und Louisa hatte Recht. Normalerweise hätte es keiner schaffen können. Samantha war wirklich gefährlich und hätte sich nicht so einfach besiegen lassen. „Sie hatte eben Glück!“, sagte Gwen. Louisa schnaubte nur. „Müssen wir wirklich darüber streiten? Es ist doch nur eine Geschichte!“, versuchte Karla zu schlichten. „Eine ziemlich öde Geschichte!“ „Und was wenn ich dieses Mädchen bin, was Glück hatte?“, fragte ich nun.Sei still, schrie es nun laut in meinem Kopf und ich konnte nicht sagen, ob es Erik war oder meine eigene Vernunft, die mich zum Schweigen bringen wollte. Louisa machte ein angsäuertes Gesicht. In ihren Augen war ich wohl jemand, der sich gern wichtig machte. „Hast du ein Beweis?“ Darauf hatte ich gewartet. Mit einem verstohlenen Grinsen zog ich mein Bein hervor und krempelte langsam, ganz langsam das Hosenbein hoch. Bis die Narbe zum Vorschein kam. Ich drehte die Wade, so dass sie jeder sehen konnte und sah mit freudiger Genugtuung, dass selbst Louisa dieser Anblick einen Schock versetzte. „Noch irgendwelche Fragen?“ Keiner sagte ein Wort. „Ähhh…ehm…will jemand heißen Kakao?“, sagte Karla nun und kramte eine Thermoskanne hervor. Auf diesen Schock wollte jeder etwas davon und reichte die Tasse. Doch beim heißen Kakao schrillten nun meine Alarmglocken. „Durch direkten Körperkontakt. Das ist das einfachste und effektivste. Oder durch das Unterjubeln durchs Essen!“ Eriks Erklärung, wie sich diese Dinge vermehrten, schossen mir durch den Kopf und mir wurde übel. Ich stellte mir vor wie in der braunen Süße irgendwelche Eier schwammen, die nur darauf warteten, in ein neues Zuhause zu finden. Was meine Übelkeit nur noch schlimmer machte. „Ashley, alles okay? Du bist so blass?“, fragte mich Gwen besorgt. „Ja…das heisst Nein. Ich..ich bin leider nicht so der Schokoladentyp!“, stotterte ich und sah die Thermoskanne an, als sei giftiger Abfall darin. „Bist dagegen allergisch?“, fragte Sophie und ließ sich was einschenken. „Ja!“, kam es prompt von mir. „Dann schenk mir ihre Portion ein!“, kam es Gwen. Mit Grauen sah ich, wie Sophie und Karle an ihrem Kakao nippten. Louisa ebenso. Um sie machte ich mir keine Sorgen, da sie ja schon infiziert war. Ich wollte schon etwas unternehmen um sie daran zu hindern. Aber dann würde ich mich verdächtig machen. Louisa sah mich sowieso schon so argwöhnisch an. Ahnte sie etwas? Ich saß also in der Zwickmühle. Mein Blick ging zu Gwen, die-Gott sei dank-noch nichts davon trank. Die Tasse aber schon ansetzte. Wie in Zeitlupe sah ich es und in meinem Kopf schrien die Siren umso lauter. Dabei mischte sich meine eigene unterbewusste Stimme darin. „Halt sie auf!“, schrie sie mich an. „Tu was! Schlag ihr die Tasse aus der Hand, wenn es sein muss!“ Es blieben nur wenige Milisekunden, die sich anfühlten wie Minuten, ehe es passierte und um das zu verhindern. Ich sah wie bei einem Blitzschlag von einer Kamera Marie. Lebendig und fröhlich. Was sich dann abrupt veränderte und mir zeigte, was aus ihr geworden war. Ein von einem Parasitenbefallenes unschuldiges Mädchen. Tot. Für immer verloren. Maries Gesicht und das von Gwen überlagerten sich nun. Wie zwei Glasscheiben mit grundverschiedenen Motiven, die nicht zusammenpassten aber deutlich zeigten, welches Schicksal sie teilen würden. Nein. Nicht noch einmal! Instintik ging ich zum Angriff über und stieß mit meinem Ellenbogen gegen ihren Rücken. „Pass auf!“, sagte ich. „Heiss!“ Wobei ich eigentlich die Gefahr darin meinte. Der gewünschte Effekt traf ein. Gwen verschüttete den Kakao. Und sah mich verwirrt an. Mit einem Blick versuchte ich sie zu warnen. Als ich jedoch sah, dass das nicht funktionierte, schüttelte ich den Kopf. So schwach es ging, damit es keiner sah. Darauf hin warf mir Gwen einen noch verwirrterten Blick zu. „Ich glaube wir gehen dann auch mal wieder. Es ist spät und wir müssen ja morgen wieder früh raus!“, sagte ich schnell und knapp, fasste sie an der Hand und zerrte sie mit mir. „Also bis morgen und schlaft gut!“ Ich gab weder Karla, Sophie noch Louisa die Chance darauf zu reagieren. Schnell machte ich, dass ich mit Gwen das Weite suchte. „Ashley, was soll das? Warte doch mal, du reisst mir ja die Hand ab!“, sagte Gwen im heißeren Flüsterton und ich blieb stehen. Ließ sie dann los. „Sorry…!“, kam es fahrig von mir und atmete tief durch. Das war knapp! „Was sollte dass denn eigentlich?“, fragte Gwen dann ein wenig verärgert. „Tut mir leid. Aber ich…es musste sein!“, sagte ich und rang um Fassung. Jetzt ließ das Adrenalin nach und ich fühlte mich irgendwie ausgelaugt. Gwens Ärger verrauchte nun und sie sah mich wieder beunruhigt an. „Ashley? Was ist los?“, fragte sie. „Das…das ist schwer zu erklären. Lass uns lieber ins Zimmer gehen!“, sagte ich und schaute mich um. Ich fühlte mich irgendwie beobachtet. Gwen schien nichts dagegen zu haben. So ließ sie sich von mir in mein Zimmer ziehen und als ich die Tür schloss, holte ich tief Luft. „Okay…ich weiß nicht genau was abgeht, aber ich…ich habe den Verdacht, dass hier irgendwas Schräges abgeht!“, sprudelte es aus mir heraus, wobei ich auch darauf achtete, dass ich nicht zu viel erzähle. „Schräger als das, was du abgeliefert hast?“, fragte sie mich mit gehobenen Brauen. „Am schrägsten!“, erwiderte ich. Das ließ Gwen erstmal sacken. Schien selbst darüber sich einen Reim daraus zu machen. Dann nahm ihr Gesicht einen beängstigten Ausdruck an. „Drogen?“, kam es erstickt von ihr. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Aber Drogen kamen der Wahrheit irgendwie schon etwas nahe. „Keine Ahnung. Aber ich denke schon!“ Dann sagte keiner was. Für meinen Geschmack schwiegen wir an diesem Abend ziemlich viel. „Hm!“, gab Gwen dann von sich und verschränkte die Arme vor der Brust. In ihrem Gesicht arbeitete es. Sie sah aus als würde sie…kombinieren. „Glaubst du etwa, dass an dieser Schule…?“, stocherte ich nach. Es fiel mir schon etwas schwer, mir vor zu stellen, dass es hier an dieser Schule Drogen gab. Aber hey… Nichts ist unmöglich. Gwen hob die Schultern. „Ausschließen würde ich es nicht!“, sagte sie dann. „Die Kurse hier sind hart und wer nicht mitkommt, bleibt auf der Strecke liegen!“ Das stimmnte. So eine elitäre Schule… „Wenn hier einer Drogen vertickt, wer glaubst du, kommt in Frage?“ Gwens Gesicht wurde nun wieder misstraurisch. „Wer bist? Bist du etwa eine Polizistin?“, fragte sie. Ich wollte schon sagen, dass ich so etwas wie eine Praktikantin war. Verbiss es mir aber. „Nein. Aber wenn, dann muss das doch gemeldet werden oder etwa nicht?“, verteidigte ich mich. Das schien ihr ein zu leuchten. „Also. Wer könnte hier sich etwas dazu verdienen?“ „Sorry, Ashley. Aber da fragst du die Falsche!“, sagte sie und es schien sie ehrlich zu treffen, dass sie mir nicht helfen konnte. Ich lächelte und klopfte dankbar ihren Arm. „Schon okay. Aber tu mir ein Gefallen: Rühr nichts an, was man dir anbietet. Egal ob es was zu trinken oder zu essen ist!“ Gwen nickte ohne Einwände. Offensichtlich hatte ich sie gut genug gewarnt und der Verdacht auf Drogen, schien das übrige getan zu haben. „Mach ich. Und ich werde Augen und Ohren offen halten!“, versprach sie. „Sir!“ Salutierte dann übertrieben, was eigentlich nicht nötig war. Doch vermutlich tat sie das, um ihre eigene Unsicherheit zu übertunchen. Ich konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Das heisst eigentlich Ma´am!“ „Ist doch Wurscht!“ „Du liebst es wohl, mit dem Feuer zu spielen?“, fragte Erik als ich allein war und das Licht ausgeschaltet hatte. Ich verkniff mir eine Antwort. „Ist dir klar, dass du dich damit praktisch zum Abschuss freigibst?“ „Etwas musste ich doch tun!“, sagte ich dann. „Du hättest die Füße still halten lassen sollen. Mal abgesehen davon dass du etwas von deiner Vergangenheit preisgibst!“ Ich drehte mich zu ihm um, Sah ihn finster an. So bemüht Erik auch um meine Sicherheit war und dass ich nicht enttarnt wurde, aber es frustierte mich einfach, dass er wirklich von mir verlangte, nichts zu tun und die Hände in den Schoß legte. Außerdem wollte ich nicht, dass ich noch einmal eine Freundin verliere. „Mal angenommen ich hätte nichts getan und sie-Gwen-hätte auch etwas von diesem Kakao getrunken: Wäre es möglich gewesen, dieses Wurmding wieder aus ihr raus zu bekommen?“ Diese Frage schien musste Erik sich wohl selber stellen und ich sah deutlich in seinem Gesicht, dass die Antwort, die er auf darauf hatte, mir nicht gefallen würde. „Es kommt darauf an, wie weit die Infektion vorrangeschritten ist. Das kann man natürlich nur schwer sagen. Genauso wie lange es dauern würde!“ Er versuchte sachlich und ruhig zu klingen aber ich glaubte so etwas wie Zittern in seiner Stimme zu hören. Das reichte aus um beissende Kälte in meinem Magen zu fühlen. „Siehst du?“, kam es erstickt von mir. Räusperte mich. „Ich wäre froh, wenn ich immerhin einen retten kann!“ In meinen Augen fühlte ich ein Brennen was hundertprozentig Tränen bedeutete. Hastig blinzelte ich und zwang mich, ruhig zu bleiben. Erik sah jedoch, wie sehr es mich quälte. Er erhob sich aus dem Stuhl in dem er saß, ging auf mich zu und umfasste meine Arme mit seinen Händen. Sie waren warm und weich. Sein Griff fest. Aber nicht so fest, dass es wehtat. Sondern eher so als wollte er mich trösten. „Das verstehe ich. Und ich verstehe auch, dass du…sie gern hast. Aber du musst trotzdem vorsichtig sein!“, erklärte er. „Ich habe das Gefühl, dass ich es nicht schaffe!“, flüsterte ich. „Sie zu retten oder vorsichtig zu sein?“, fragte er. „Beides!“ „Und wenn das stimmt, was du sagtest, dass niemand sagen kann, wie lange es dauert und ob man sie retten kann, dann sollte man doch so schnell wie möglich was dagegen tun!“ Erik sah mich lange ziemlich lange an. Wollte wohl wieder damit anfangen, dass ich nichts überstürzen soll. Doch zu meiner Überraschung.:„ Also gut. Zieh dir dunkle Klamotten an und flache Schuhe!“ Während ich mich im Bad umzog, spürte ich sehr elektrisiert ich war. Mein Innerstes fuhr auf und ab wie in einer Achterbahn. Ich konnte spüren, wie unruhig ich aufeinmal war und konnte nicht schnell genug fertig sein. Als ich rauskam, wartete Erik bereits auf mich. Er schob leise das Fenster auf und kletterte hinaus. Dann folgte ich. Erik half mir raus und ließ mich dann vorsichtig zu Boden gleiten. Ich schaute mich dann um. Doch außer uns und einigen Vögeln, die ihr nächtliches Lied sangen, waren wir die einzigen. Ich war erstaunt, wie dunkel es hier draußen war. Dunkler als in der Nacht zuvor. Und mir lief es kalt den Rücken hinunter. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie mich Erik ansah. „Geht es? Oder soll nur ich gehen?“ Ich schüttelte mechanisch den Kopf. Auch wenn das alles ziemlich unheimlich war und alles gegen jegliche Vernunft sprach: Ich muss das durchziehen! So nickte ich und ging dann mit Erik in den dunklen Wald. „Ist das dunkel hier!“, flüsterte ich und schlang die Arme um mich. Neben der Dunkelheit war es auch ziemlich kalt. Ich bereute, dass ich nur einen Kapuzenpulli anhatte und meinen Mantel im Zimmer liegen ließ. Erik und ich liefen nebeneinander durch den Wald. Ich hatte Probleme einen Schritt nach dem anderen zumachen, ohne über irgendwelche Wurzeln und Grasbüschel zu stoplern. Erik hingegen schien keine Probleme zu haben. Selbstsicher ging er neben mir her, achtete dabei tunlichst darauf mich nicht aus den Augen zu lassen. Fast hätte man meinen können, dass er so etwas wie ein Wachhund war. Ein wilder, großer und furchteinflössender Wachhund. Absurderweise hatte ich dabei das Bild eines Wolfes und das keines normalen Hundes vor Augen. Ich schaute flüchtig zu Erik. Das kantige Gesicht, der alles durchstechende, wachsame Blick aus seinen dunklen Augen. Ich erinnerte mich an die wenigen Momente, in denen Erik mich beschützte und dabei gefährlich und zu allem bereit aussah. Der Wolf in meiner Vorstellung, bleckte die Zähne und knurrte. Ein wildes Flackern in seinen Augen. Das Bild des Wolfes und das von Erik wechselten sich immer wieder ab. Wie bei einem Blitzlichgewitter. Und ließen mich immer wieder erschauern. Ich wusste nicht, was bedrohlicher war. Die nahende Konfrontation mit den Wurmdingern oder die Vorstellung, dass Erik etwas mit einem wilden Tier, einem Wolf, gemein hat. Wie durch Watte hörte ich, dass mich Erik etwas fragte. Als ich nicht reagierte, berührte er mich am Arm und ich schrak zusammen. „Allison? Alles okay?“ Ich brauchte einen Moment. Blieb stehen und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Mahnte mich zur Ruhe. Erik, ein Wolf? Das war verrückt. „Ja…ja alles gut!“, sagte ich. „Ich…ich fragte mich nur…was wir machen, wenn wir diese Dinger auf frischer Tat ertappen?“ „Du hast deine Waffe. Und ich meine!“ Wie von selbst umfasste ich mein Handgelenk, an dem ich das schwarze Dornenarmband trug, was Erik mir zum Schutz gegeben hatte. Ja, ich hatte meine Waffen. Bis jetzt hatte ich eine Sense und -bitte nicht lachen-eine Bratpfanne herbeigerufen und ich fragte mich, was für Waffen mir noch zur Verfügung standen. Auch wie das eigentlich funtionierte. Musste ich mir nur wünschen, welche Waffe ich haben wollte und schon war sie da? Ich sah Erik zweifelnt an. Fast wollte ich schon fragen, was für Waffen er hatte. Nie hatte ich auch nur ein Messer gesehen, was er bei sich führte oder eingesetzt hatte. Ohne dass ich es verhindern konnte, sah ich wieder den Wolf. Wieder wie er die Zähne fletschte und sich dann mit animalischer Wut auf einen unsichtbaren Gegner stürzte. Ich schluckte. „Hoffentlich ist es noch nicht zu spät!“, flüsterte ich, da ich meine Gedanken wieder auf das kommen lenkte, was bald folgen würde und die Angst ersetzte die andere. Komischerweise war diese nicht so schlimm, wie die vor dem bösen schwarzen Wolf. „Das werden wir sehen!“, erwiderte er. „Wir müssten bald…sssccchhhht!“ Noch ehe ich realisieren konnte, was los war, schnappte er mich und zog mich in den schützenden Schatten eines Baumes. „Erik! Was zum Teufel soll das?“, fragte ich erstickt und wand mich in seiner Umklammerung. „Sei still!“, fuhr er mich an. „Wir sind nicht allein!“ Mehr brauchte es nicht, um mich erstarren zu lassen. Scheisse! War man uns auf die Schliche gekommen? Wer und wieviele waren es? Hatten wir überhaupt eine Chance? Erik schien sich das gleiche zu fragen. Denn er regte sich etwas hervor und schaute aus dem Versteck auf die Stelle, wo wir eben noch gestanden hatten. Zuerst hörten oder sahen wir nichts und fast wollte ich sagen, dass Erik sich gettäuscht hatte. Doch dann hörten wir die Schritte. Erst ganz schwach, dann aber immer lauter. Blätter raschelten und Äste knackten. Ich wagte es nun, mich wieder zu rühren und schaute auch aus dem Versteck. Aus der Ferne sah ich eine Silhouette, die sich rasch näherte. Es brauchte einen Moment ehe ich sie erkannte und mein Erstaunen konnte nicht größer sein. Joshua! Mein Erstaunen hielt noch einige Atemzüge an, dann aber mischte sich Beunruhigung hinein. War er einer von Ihnen? Hatte er uns gesehen und folgte uns nun um uns zu verraten? Diese und noch andere weniger schönen Fragen wirbelten mir durch den Kopf. Erik hingegen schien sich sicher zu sein. Ich konnte spüren, wie sich sein Körper versteifte. Seine Muskeln sich anspannten und ich glaubte sogar ein grimmiges Knurren aus seiner Brust zu hören. Ich bekam eine Gänsehaut. Ich hatte eine ziemlich unschöne Ahnung, was passieren würde, wenn ich Erik nicht davon abhielt, sich auf Joshua zu stürzen. Wieder das Bild des Wolfes und dieses Mal war der Gegner nicht länger unsichtbar sondern Joshua. „Warte! Das ist ein Schulkamerad!“, sagte ich schnell. Wobei ich natürlich keinen Hinweis habe geschweige denn eine Garantie, dass er uns nicht verrät. Aber es wollte mir einfach nicht in den Kopf, dass er zu ihnen gehörte. Joshua. Er…er war sicher nicht einer von ihnen. „Und was treibt er hier?“, fragte Erik. Seine Stimme, ein Knurren. „Das weiß ich nicht. Aber bevor du irgendwas Dummes tust: Lass mich zuerst mit ihm reden!“, bat ich ihn. Erik zögerte und ich fühlte seinen Widerwillen. Schien aber einverstanden zu sein. Bevor ich aber aus unserem Versteck gehen konnte, zog er mich nocheinmal an sich heran und flüsterte mir ins Ohr:„ Ich behalte Euch beide um Auge und folge Euch. Lass dir nichts anmerken. Sollte er irgendwelche krummen Dinge machen, werde ich ihn…!“ Mehr musste er nicht sagen, denn ich verstand auch so. Mit gemischten Gefühlen kroch ich aus dem Schatten und lief zu Joshua. „Joshua. Psst! Hier drüben!“, flüsterte ich. Joshua, zuerst erschrocken dann aber erstaunt, dass ich es war blieb stehen wo er war und als ich bei ihm war, fragte er mich:„ Was machst du denn hier?“ „Das gleiche könnte ich dich fragen?“ „Ich habe gesehen, dass sich jemand aus der Schule geschlichen hat und wollte endlich rausfinden, was das zu bedeuten hat!“, sagte er scharf. „Und was ist deine Vision?“ „Ich wollte mir die Füße vertreten und…moment…was meinst du mit, endlich?“ Joshua sah mich aus zusammen gekniffenen Augen an. Er glaubte mir wohl nicht. Ich ehrlich gesagt glaubte mir auch nicht. Mir die Füße vertreten? Noch dazu in so einem dunklen Wald. Da hätte ich auch sagen können, dass ich auch rausfinden will, was hier gespielt wird. Dass hätte er mir sicher geglaubt. Was aber interessanter war, war dass er „endlich“, gesagt hatte. Joshua schien erstmal rum zu drucksen. Überlegte ob er mir glauben sollte. „Soll das heißen, du hast schon öfters gesehen, dass sich einer davon schleicht?“ „Ja!“, kam es zerknirscht von ihm. „Seit wann?“ „Wieso willst du das wissen?“ „Reine Neugier!“ Daraufhin sah mich Joshua an, als würde er mich durchleuchten wollen. Ich konnte nur hoffen, dass Erik sich ruhig verhielt und Joshuas Zögern nicht falsch interpretierte. „Hör zu. Wir können hier rum stehen und darüber diskutieren, was der andere hier her treibt oder wir gehen gemeinsam weiter, um heraus zu finden was hier gespielt wird!“, kam es dann von mir, da wieder die Kälte in mich hineinkroch und ich echt keine Lust habe, mir noch einen Schnupfen ein zu fangen. „Nagut nagut…!“, sagte er. „Da lang!“ Nun lief ich neben Joshua her und fühlte mich nicht gerade wohler. Zuviele Fragen und Zweifel plagten mich. Ich achtete darauf, dass ich einen ausreichenden Abstand zwischen mir und Joshua hielt, um einen möglich/kommenden Angriff aus zu weichen. Auch wenn ich inständig darum betete, dass das nicht zu treffen würde. Ich wusste, dass Erik uns folgte. Trotz dass ich ihn nicht hörte oder gar sah. Er war so lautlos wie ein Schatten. Es war vielmehr das Gefühl. Ein Prickeln in meinem Rücken, das mir Sicherheit gab. Aber auch etwas Unheilvolles hatte. Nicht für mich. Für Joshua. Was es natürlich nichts besser machte. Joshua, bitte. Mach keinen Blödsinn, flehte ich und schielte zu ihm. „Wie-wielange geht das schon?“, begann ich die Anspannung, die zwischen uns herrschte, etwas auf zu lockern. Joshua antwortete nichts sofort. Überlegte wieder. Dann sagte er:„ Wann genau das angefangen hat, weiß ich nicht. Aber seit dem benehmen sich einige Schüler und sogar Lehrer ziemlich komisch!“ Joshuas Defininition von „komisch“, konnte ich mir sehr gut vorstellen. Und wieder fragte ich mich, wieviele es eigentlich waren. „Und bisher hat niemand was gemerkt?“ „Nein. Und wenn, dann…dann schien es sie angesteckt zu haben!“ Mir lief es kalt den Rücken hinunter. Zum zigten Mal und ich hasste mich dafür, dass es mich so erschreckte. „Mit anderen Worten: Wer auch immer das spitzkriegte, wird in den Club aufgenommen und die Zahl von normalen Schülern schwindet!“ Kaum hatte ich das gesagt, blieb ich stehen wie vom Blitz getroffen. Gwen! Ich hatte ihr von meinem Verdacht erzählt und sie gebeten, vorsichtig zu sein. Nicht mal eine Stunde war das her. Und Louisa war eine von ihnen. Sie hat gesehen, dass ich etwas gemerkt habe. Dass ich Bescheid weiss. Und sie würde es den anderen sagen. Ich konnte nur hoffen, dass Gwen wirklich vorsichtig war. Dass sie nicht die nächste ist. „Was ist? Stimmt was nicht?“, fragte Joshua alarmiert. „Oh Gott!“, flüsterte ich. „Ashley? Was ist? Du wirst ja ganz blass!“ Ohne etwas zu sagen oder gar einen klaren Gedanken zu fassen, ging ich weiter. Wie an Fäden geszogen, lief ich weiter. Joshua folgte mir. Er brauchte mir nicht zu sagen, wo es weiter lang ging, sondern lief einfach nur neben mehr her. Ich konnte seine Verwirrung deutlich spüren, wie die Blicke, die er auf mich warf. Er fragte sich sicher, mit wem er hier unterwegs. Vermutlich mit einer Irren. Die ihn bei der nächst besten Gelegenheit in ein Gebüsch ziehen und ihn masakrierte. Wäre diese ganze Situation nicht so bedrohlich, hätte ich darüber gelacht. Dass blieb mir aber im Halse stecken, als ich in der Ferne Lichter sah und als wir näher kamen, schälten sich die Umrisse von Hütten aus dem nächtlichen Nebel. Nun gingen wir etwas langsamer, vorsichtiger. Wir erreichten die erste Hütte und schlichen uns heran. Kaum dass wir einen Fuß auf die Lichtung gesetzt hatten, erloschen die Lichter. Mit einem Schlag wurde es still. Kein Wind, kein Rauschen oder Rascheln. Nicht mal Vögel waren zu hören. Es war gerade zu unheimlich. Wieder unterdückte ich ein Lachen. Versuchte dabei auch die Angst zu verdrängen, die aufkam und die Stimme, die mich davor warnte, dass man uns bemerkt hatte. In der ersten der insgesamt zehn Hütten brannte kein Licht. Was nichts zu bedeuten hatte. Also lauschten wir. Auf verdächtige Geräusche wie Stimmen oder sowas. Hörten aber nichts. Danach schlichen wir weiter. Wir horschten einer Hütte nach der anderen ab. Ohne Ergebnis. Erst als bei der neunten wurden wir fündig. Stimmengemurmel war zu hören. Sowohl von weiblichen als auch von männlichen. Doch was genau sie besprachen konnten wir nicht hören. Ich machte Joshua ein Zeichen nach einer anderen besseren Stelle zu suchen, um zu horschen. Ohne dass es meine Absicht war, hatte ich das Ruder in die Hand genommen. Joshua erhob keine Einwände und schleichten einmal um die Hütte herum und wir hatten wieder Glück. Eines der Fenster stand einen Fingerbreit auf. Diesesmal bekamen wir einige Gesprächsfetzen mit. Es wird Zeit…Können nicht länger warten…Die beste Gelegenheit...? Geburtstagsfeier! Ich hatte genug gehört. Mit einigen Handzeichen sagte ich Joshua, dass wir von hier verschwinden sollten. Er nickte. Ihm reichte wohl auch, was er gehört hatte und so machten wir, dass wir wegkamen. Ein Hochgefühl von Zufriedenheit erfasste mich. Endlich hatten wir eine brauchbare Spur. Und ich konnte Lex und Fay endlich bescheid geben. Ich wollte beinahe schon vor mich hin summen, riss mich aber zusammen. Auf keinen Fall wollte ich uns verraten, auch wenn wir schon ein gutes Stück zwischen uns und den Hütten gebracht hatten. „Wieso bist du eigentlich erst jetzt hier her gekommen?“, fragte ich dann. Es gab einige Ungereimtheiten, die ich jetzt geklärt haben wollte. „Naja…ehrlich gesagt wollte ich schon früher hierher kommen. Habe mich aber nicht getraut!“ „Und jetzt hast du dich getraut?“ „Ich wollte mir endlich Klarheit verschaffen!“ „Du weisst aber schon, dass das auch nachhinten losgehen kann!“, sagte ich mahnend und hörte nun Eriks Stimme. Das sagt die richtige, lachte er. „Schnauze!“, zischte ich, leider etwas zu laut und Joshua sah mich irritiert an. „Sorry. Ich führe manchmal Selbstgespräche!“, redete ich mich heraus. Arbeitete in meinen Kopf bereits an einem Plan, wie ich Lex und Fay erreichen und einweihen konnte. Hm, sicher werden diese Wurmdinger den Ein-und Ausgang der Briefe und die Anrufe überwachen. Letzteres klang etwas paraniod. Aber aus zu schließen war es nicht. Da kam mir eine Idee. Hey, Erik, sagte ich. Kannst du irgendwie Fay und Lex bescheid geben? „Das fällt nicht gerade in mein Aufgabenbreich, aber in diesem Fall mache ich eine Ausnahme!“ Ich dankte Erik in diesem Moment tausendmal. Und glitt wieder in die Gegenwart. „Ich bin eben verkorkst!“, sagte ich noch beiläufig und zwang mich zu einem heiteren Ton. Verkorkst bis auf die Knochen, ergänzte ich. Joshua lächelte etwas. Es war dasgleiche Lächeln, was ich in der Bibliothek gesehen hatte. Es schien ihn irgendwie nicht zu stören. „Verkorkste Mädchen sind mir irgendwie lieber. Die sind nicht langweilig!“, sagte er und hatte dabei ein schalkhaftes Grinsen im Gesicht. „Machst du dich über mich lustig?“ „Das würde mir niemals einfallen!“ „Um wieder ernst zu werden: Pass auf dich auf. Sei vorsichtig!“, sagte ich ernst. „Die Sache ist heißer als heiß!“ Johusa vergaß, dass er eben noch mit mir geflirtet hatte und wurde ebenso ernst. „Mache ich. Du aber auch!“ Dann trennten sich unsere Wege. Erik war nicht entgangen, wie Allsion ihm verstohlen angesehen hatte. Und ihm war auch nicht entgangen, wie nervös sie war. Doch nicht etwa weil sie auf den Weg zum Versteck diese Monster waren. Nicht nur. Sondern auch weil sie etwas in ihm zu sehen schien, was ihr noch mehr Frucht einjagte. Ahnte sie etwas? Aber woher? Nein. Sie…konnte es nicht wissen. Erik versuchte die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Doch sie kratzte an seiner Seele wie ein Ungeheuer an einer Wand aus Holz. Als wollte sie damit sagen:„ Lass mich rein. Du kannst mir nicht entkommen!“ Krampfhaft kämpfte dagegen an. Nur schwer ließ sich diese wieder in die Schranken zurück weisen. Als er es dann geschafft hatte, atmete er erleichtert auf. Blickte dann wieder zu Allison, die ruhig schlief. Die Aufregung und Anspannung war wie weggewischt. Aber er konnte sich gut vorstellen, dass in ihrem Inneren etwas vorging. Dass sie bereits, ohne es wirklich mit bekam, an einem Plan arbeitete. Er lächelte etwas dabei. Dann aber erinnerte er sich daran, dass er etwas zu erledigen hatte. In einem Moment, der wie einen Wimpernschlag dauert, war Erik aus der Internatschule im Haus von Brian aufgetaucht. Alle vier sahen ihn und schienen irgendwie schon darauf gewartet zu haben, etwas von Allison oder von ihm zu hören. „Komme ich ungelegen?“, fragte er mit einem zynischen Lächeln. In kurzen knappen Worten erzählte er ihnen, was Allsion und er raus gefunden hatten und was sie als nächstes vorhatten. „Endlich geht’s los!“, sagte Lex. „Ihr hättet ruhig etwas Gas geben können!“ „Das nächste Mal zwängst du dich in eine Mädchenschuluniform!“, bemerkte Fay spitz. Die Idee, der Plan kam mir praktisch wie im Traum zu geflogen. Ein Detail blieb mir am meisten im Gedächtnis. Geburtstagsfeier! Dort werden sie zuschlagen und sich ausbreiten. Wir mussten nur irgendwie eine Möglichkeit finden, zu verhindern, dass einer ihnen entwischte und zeitgleich, dass keiner der Schüler infiziert wurde. Praktisch auf zwei Hochzeiten tanzen. Nur wie sollte das gehen? Ich hoffte, das Fay und Lex sich da was einfallen lassen. Was mich betraf… Nun ich musste herausfinden wann und wo genau die Geburtstagsfeier stattfand. Vielleicht wusste ja Gwen… „Morgen, Ashley!“, rief sie und ich grinste. Wenn man schon vom Teufel spricht. „Morgen, Gwen!“ „Hast du einigermassen gut geschlafen?“, fragte sie mich. „Ja, wieso?“ „Naja…weil einige meinten, dass gestern hier welche rumgeschlichen sind!“, sagte Gwen und machte einen beunruhigten Eindruck. Auch ich war berunuhigt. Aber nicht weil jemand da draußen rumgeschlichen war, sondern weil ich dieser jemand war. Und ich fragte mich sogelich, wer es mitbekommen hatte. Waren einige dieser Wurmdinger hiergeblieben, um die Sache im Auge zu behalten und Alarm zu schlagen, sollte Gefahr drohen? Fast schon wollte ich sie fragen, doch Gwen kam mir zuvor. „Denkst du…das war einer…einer dieser Junkies?“ Innerlich atmete ich auf. Auch wenn ich dennoch das Gefühl hatte, als würde ein Stein auf meiner Brust liegen. Mir ging wieder durch den Kopf, dass Gwen ebenso in Gefahr schwebte. „Keine Ahnung. Aber das ist auch erstmal nicht wichtig!“, sagte ich, nahm sie beim Arm und lief mir weiter, da wir mittem Weg standen und die Schüler uns schon missbilligende Blicke zu warfen, weil sie sich an uns vorbeidrängen mussten. Ich nahm sie bei der Hand und wir schlossen uns dem Fluss an. Ohne dass ich etwas Großartiges gesagt habe, schien Gwen zu ahnen, dass ich etwas rausgefunden hatte. Und ich wollte auch meine Erfahrung mit ihr teilen. Aber nicht hier. Hier waren zu viele Ohren. So suchte ich nach einem ruhigen Fleckchen und fand diesen auch sogleich. Eines der Klassenzimmer schien im Moment nicht belegt zu sein und so öffnete ich die Tür, schob Gwen hinein, ohne darauf zu achten, dass es mittlerweile zur ersten Stunde läutete und schloss auch sofort wieder dir Tür. „Weisst du wir in nächster Zeit Geburtstag hat?“, fragte ich ohne große Umschweife und Gwen sah mich mit großen, verwirrten Augen. Doch statt nach dem warum zu fragen, überlegte sie. Schüttelte dann bedauernd den Kopf. „Nein. So auf die Schnelle fällt mir keiner ein. Diese Schule ist verdammt groß und ich kenne nicht jeden!“ Okay, das versetzte mir einen kleinen Dämpfer. Dennoch hatte ich sowas in der Art erwartet. Ich konnte nicht von ihr verlangen, dass sie jeden kannte. Daher winkte ich ab. „Nicht schlimm!“, sagte ich und tüffelte an einem neuen Plan. Ich musste dabei feststellen, dass ich noch keinen einzigen hatte. Schöner Mist! „Meinst du, die werden etwas auf einer so öffentlichen Veranstaltung etwas drehen?“ „Davon gehe ich aus. Wie und wo könnte man so viele Leute aufeinmal anfixen?“ Gwen schüttelte sich. Ihr gefiel die Vorstellung genauso wenig wie mir. Nur hatten wir zwei unterschiedliche Vorstellungen. In ihrer sahe sie einen Haufen Junkies, der mit verklärtem Blick und einem dümmlichen Grinsen in der Gegen lag. Ich wiederum, und das war wesentlich schlimmer, sah eine Armee von Wurmmonstern, die über die nächsten Ahnungslosen herfielen und sich somit immer weiter vergrößern. Bis ihre Zahl kaum noch zu überschauen war und dann wie eine Welle über London hinwegfegten und wenn sie hier fertig waren, sich die nächste Stadt, das nächste Land vornahmen. Ich sah es deutlich vor mir. Wie die Welt unter der Flut von Monstern begraben wurde. Krampfhaft versuchte ich ein Würgen zu unterdrücken und dieses Bild aus meinem Kopf zu bekommen. „Ashley, alles okay? Du bist so blass?“ Das bin ich in letzter Zeit ziemlich oft. Ich nickte und versuchte den bitteren Geschmack der auf meiner Zunge lag los zu werden. „Was sollen wir machen?“, frage Gwen. Sie rang nervös die Hände. Ich hob die Schultern. Solange ich nicht wusste wann die Feier konnte, konnte ich erstmal nichts machen. Und es stand außer Frage, diese verbieten zu wollen. Denn auch wenn ich dem Leiter und den Lehrern der Schule weissmachte, dass die Party dazu diente Drogen an den Mann zu bringen, würde das bedeuten, dass einer bescheid wusste und diese Monster würden sich sicher was anderes einfallen lassen. Ich musste daran denken, was mir Joshua gesagt hatte. Dass die, die es gemerkt hatten, auch irgendwann dazu gehörten. Diese Dinger waren raffiniert. Dass musste man ihnen lassen. Aber auch ich war nicht gerade auf den Kopf gefallen. „Keine Ahnung!“, gestand ich. „Außer weiterhin aufpassen und sich nichts anmerken lassen!“ Mehr fiel mir nicht ein. Und ich kam mir dabei so…unnütz vor. Gerne hätte ich ihr von meinem grandiosen Plan erzählt. Wenn ich einen gehabt hätte. „Los, wir sollten jetzt gehen. Ehe sie sich schon fragen, wo wir bleiben!“, sagte ich dann trocken und verließ dann mit ihr das Klassenzimmer. Als es zur Pause klingelte, suchte ich Joshua. Ich hatte die stille Hoffnung, dass er wusste, wer bald Geburtstag hatte. Vielleicht hatte er es schon selbst raus gefunden. Umso besser wäre es und ich könnte mir dann doch was überlegen. In der Pause machte ich mich daran, Joshua zu suchen, um mit ihm zu sprechen. Doch leider war das leichter gesagt als getan. Der Schulhof war riesig. Riesiger als ich es beim ersten Mal gesehen hatte und voll von Schülern. Da alle die Uniform trugen, hatte ich das Gefühl, als würde ich in einer Herde Zebras stehen und ich war der Löwe, der keine Ahnung hatte, wo ein Zebra anfing und wo eines aufhörte. Ratlos stand ich da. Fragte mich dann ob ich lieber darauf warten sollte, dass Joshua mich ansprach. Aber wielange würde das dauern? Was wenn es zu spät wäre? Gwen stand einige Meter entfernt und unterhielt sich mit einigen Mitschülern. Dabei behielt ich sie genau im Auge. Achete auf irgendwelche verdächtigen Anzeichen. Doch anscheinend schienen sie sich wirklich nur zu unterhalten. Sie lachten und schwatzten. Schienen sich wunderbar zu amüsieren. Ich nahm mir dennoch vor, sie zu schnappen, soabld ich Joshua gefunden habte und zu ihm zu gehen. Oder dazwischen gehen, wenn sie mit ihr sich davon machen wollten. Auf keinen Fall wollte ich sie allein lassen. Dass hieß aber auch, dass ich an Ort und Stelle stehen bleiben musste und nur den Blick über die Köpfe der Schüler schweifen lassen konnte. Mist! Ich stehe mir hier die Beine in den Bauch und… „Ashley!“ Eine Hand legte sich mir auf den Rücken und ich machte einen Satz zu seite. Fast schon wollte ich die Hände heben um zu zu schlagen. Hielt aber gerade noch inne als ich sah, dasss es Joshua war, der neben mir stand und ich atmete erleichtert auf. „Hey, Josh!“, sagte ich etwas atemlos. „Ich…ich wollte dich gerade suchen!“ Joshua grinste. Und ich wollte mir am liebsten auf die Zunge beissen. Dumm rum stehen und in die Gegend glotzen konnte man wirklich nicht als suchen bezeichnen. „Du hast mich gesucht? Naja, jetzt hast du mich gefunden!“, witzelte er und grinste schief. Ich machte ein verkniffenes Gesicht. Ist das sein ernst? „Wohl eher du mich!“, murmelte ich. Schaute dann wieder zu Gwen. Sie stand genau da, wo ich sie gesehen hatte. In Gedanken zwang ich sie dort stehen zu bleiben. Nagelte sie dort förmlich fest. Kurz vergass ich, was ich Joshua fragen wollte, während ich so zu ihr hinüber schaute. Doch dann erinnerte ich mich wieder daran. „Sag mal Josh, weisst du wer bald die Party schmeisst?“ Joshua schien mich das gleiche zu fagen, bowohl er wohl schon länger hier war. Denn er hob die Brauen. Schien dann nach zu denken. Und sagte schließlich:„Wenn, dann wird die Party vom Festkomitee ausgeführt!“ „Komitee?“ „Die machen alles von Geburtstagsfeiern bis hin zum Abschlussball!“, erklärte er. „Und wir sind im diesem Komitee?“, fragte ich nach. „Hm…die meisten sind Schüllerinnen. Ich kenne nicht jeden von ihnen aber ich glaube Louisa ist dabei!“ Na, wenn das kein Zufall ist. „Und wann steigt die Feier?“ „Keine Ahnung!“, sagte er niedergschlagen. „Und du?“ „Nein. Da sind wir schon mal zu zweit. Und Gwen weiss es auch nicht!“, sagte ich und schaute wieder zu ihr. Zumindest schaute ich auf die Stelle, auf der sie gestanden hatte. Diese war jedoch leer. Gwen war weg. Ich hatte das Gefühl, würde mir jemand einen Schlag auf den Hinterkopf geben. Nein! Nein nein nein nein nein! Joshua musste es bemerkt haben, denn auch er schaute nun zu der Stelle, an dem Gwen gestanden hatte. „Wo..wo ist sie?“, kam es erstickt von ihm. Ich sagte nichts, sondern lief los. Zu den Mädchen, mit denen sich Gwen gerade eben noch unterhalten hatte. „Wo ist sie? Wo ist Gwen?“, fragte ich. Ich musste wie eine Verrückte aussehen, denn die Mädchen sahen sich unsicher an. „Sie…sie ist mit einigen Freunden weg gegangen!“, sagte eines von ihnen. „Mit welchen Freunden? Und wohin?“ In mir schrillten sämtliche Alarmsirenen. Das Mädchen, was mir geantwortet hatte, deutete vage in eine Richtung. Mehr brauchte ich nicht. Mit großen Schritten ging ich in diese. In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken und ich wagte es nicht mir aus zu malen, was gerade mit ihr passierte. Im besten Fall hatte sie sich wirklich mit einigen Freunden abgesetzt. Im schlimmsten Fall… Ich schüttelte den Kopf. Verdrängte diese Gedanken sehr schnell. Ließ fieberhaft den Blick um her schweifen. Ich war dabei so in meiner Sorge und Angst um Gwen versunken, dass ich Joshua nicht bemerkte, der neben mir her lief und ebenso wohl nach Gwen suchte. „Wo kann sie nur sein?“, fragte er. Diese Frage stellte ich mir immer und immer wieder. Und ich fürchtete schon, dass sie in den Wald gegangen sind. Doch dann hörte ich Stimmen. Vielmehr wildes Rufen. In meiner Fantasie erschienen neue Bilder, die genauso schlimm waren, wie die vorherigen und ich lief nun nicht mehr sondern ich rannte. Als hätten diese Rufe einen Schalter um gelegt. Die Sorge und die Angst schlug immer höhere Wellen und ich flehte innerlich:„ Oh bitte nicht. Bitte bitte nicht. Nicht Gwen!“ Die Rufe wurden lauter. Und nach einigen weiteren Minuten, die sich wie Stunden anfühlten, sah ich dann eine Gruppe von Mädchen. Zuerst begriff ich nicht, was sie da machten. Aber als ich näherkam und nun hörte, was sie da riefen und dabei eine andere, weniger lauter und flehende Stimme übertönten. Dennoch erkannte ich die Stimme. Gwen! Und als ich näher kam, sah ich auch welche Gruppe hier sich rumtrieb. Jenna und ihr Club der Biester. Ich begriff zwar nicht, was genau hier abging, aber als Gwen sah, wie sie auf dem Boden kauerte und von Schluchzern geschüttelt wurde, ahnte ich was sie mit ihr machten und wen es eigentlich treffen sollte. Die Angst und Sorge lösten sich auf wie Rauch im Feuer und machten blinder Wut platz. Ich stürmte ohne zu überlegen los. Stieß die Mädchen, die Gwen umringt hatten, beiseite. Hörte nur dumpf ihre Proteste. Meine ganze Aufmerksamkeit galt Gwen. Und erst jetzt sah ich, dass sie nicht nur auf dem Boden kauerte und weinte, sondern dass ihre Klamotten schmutzig und an einigen Stellen zerrissen waren. Ihr Gesicht war ebenso schmutzig und hatte einige Schrammen. Man hatte sie nicht nur in den Dreck geworfen, sondern auch verprügelt. Meine Wut schien ins unermessliche zu steigen. Langsam drehte ich mich um und sah jede von ihnen finster an. Keine sagte ein Wort. Sondern sahen mich nur an. Unsicher und auch irgendwie…eingeschüchtert. Gut so. Sie sollen sehen, dass sie mich damit zwar treffen, aber auch dass sie sich damit große Probleme eingehandelt haben. Nur Jenna war die einzige, die nichts der gleichen zeigte. Sie stand nur da und grinste höhnisch. Dieses Miststück hatte ich ganz vergessen. Ihre Aktion mit den Klamotten war bis jetzt ihre einzige Rache gewesen. Nur weil ich Joshua angeschaut habe. Und ich hatte gedacht, dass sie mich in Ruhe lassen würde. Dass sie einfach das Interesse an mir verlieren würde. Was ziemlich naiv von mir war. Jetzt wo ich mich sooft mit Joshua unterhalten hatte, hatte sie wohl noch mehr Gründe mir das Leben hier an der Schule schwer zu machen. Und dafür musste Gwen herhalten. Gwen, die eigentlich nichts dafür konnte. Gwen, die mit mir befreundet war. Dass allein schien schon zu reichen. Sie war nur ein Bauernopfer. Mir sollte der Angriff gelten. Weil ich sie gern hatte. Und das wusste sie. „Merk dir das, Chatte. Lass deine Pfoten von Joshua!“, sagte sie ungerührt. „Oder dir ergeht es genauso, wie deiner kleinen Freundin hier!“ Damit zeigte sie auf Gwen, die wie ein Häufchen Elend sich zusammen gerollt hatte und sich ihre Wangen abwischte. Ich ballte die Hände zu Fäusten. „Jenna! Bist du verrückt?“, rief Joshua und kurz war Jenna abgelenkt. Sah ihn an, als wätre er wie aus dem Nichts erschienen wie ein Geist. Doch dann wurde ihr Gesicht wieder hart. Vermutlich hatte sie nicht damit gerechnet, dass er hier auftauchen und gegen sie Partei ergreifen würde. Aber dann sah sie wieder aus wie eine tollwütige Hyäne. „Misch dich da nicht ein!“, keifte sie. Dann wandte sie sich wieder an mich.Ich hatte Gwen aufgeholften und stützte sie. Legte schützend den Arm um sie. Gwen schniefte noch immer ein wenig. Schien sich aber wieder zu beruhigen. Meine Wut war inzwischen so groß, dass ich mich wirklich bremsen musste. Dabei juckte es mir wirklich unter den Fingern, ihr die Augen aus zu kratzen. In meinem Kopf hörte ich Eriks beruhigende Stimme. „Lass dich von ihr nicht provozieren!“ Doch das war nicht gerade leicht. Ich musste förmlich die Fersen in den Boden rammen. „Sieh das als deine letzte Warnung, Chatte!“ Nun reichte es mir. Mit ruhigen Schritten ging ich auf sie zu und stellte mich vor sie. Sie war genauso groß wie ich, so konnte ich ihr direkt in die Augen sehen. Und ich legte allen Zorn und alle Drohung darin. Meine Augen sprühten förmlich Funken. Mit gepresster Stimme sagte ich dann:„ Wag es nicht Gwen oder mich nur an zu rühren!“ Jenna blinzelte einige Male und kurz entglitt ihr Gesicht. Zeigte dass meine Worte ihre Wirkung nicht verfehlt hatten. Mit kalter Zufriedenheit nahm ich das in mich auf. Konnte es förmlich auf meiner Zunge schmecken. Schmeckte wie Schokolade. Lecker! Kurz zuckte es um meine Mundwinkel und das setzte Jenna wieder die Maske des intriganten Biestes auf. „Und was wenn ich es dennoch tue?“, fragte sie herausfordernd. Tippte mir dabei mit ihrem manikürtem Finger an mein Brustbein. Es hatte etwas provokantem und tückisches. „Lass es lieber!“ „Oder sonst was?“ Wieder ein Tippen mit ihrem Finger. Sonst breche ich dir den Finger, ging es mir durch den Kopf. „Ich warne dich nicht noch einmal!“, sagte ich stattdessen. Jenna schien es auf eine gewisse verstörte und äußerst kindische Art Spass zu machen, mich zu reizen. Denn anstatt auf meine gut gemeinte Warnung zu hören, bekam ich wieder ein Tippen und mit einem honigsüßen Grinsen fragte sie mich:„ Wirst du sonst böse?“ Nun sagte ich nichts mehr, (weil Worte wohl nicht genügten)sondern packte ihren Arm, drehte ihn ihr auf den Rücken und drückte ihren Oberkörper nachunten, sodass sie in einer äußerst unbequemen Haltung war. Jenna stieß einen überraschten Laut aus, der dann in einen Schmerzensschrei überging. „Sonst breche ich dir dein dünnes Ärmchen, du aufgedonnerte Schickse!“, knurrte ich und drückte demonstrativ den Arm nach oben. Jennas Schrei ging in ein Wimmern über. Keiner der anderen mischte sich ein. Weder Joshua noch eine von ihren Freundinnen. Sondern startten uns aus großen erschütterten Augen. „Lass deine lackierten Krallen von Gwen, klar!“ Jenna brachte nur ein Nicken zu stande, während ihr Gesicht schmerzverzerrt war. Ich hielt sie noch einige Minuten so fest, weil ich ihr so zeigen wollte, dass es mir ernst war. Dann ließ ich sie los. Vielmehr stiess ich sie von mir. Jenna verlor wie erhofft das Gleichgewicht, Stolperte einige Schritte und fiel dann der Länge nach hin. Nun war sie es, die im Dreck lag. Ich baute mich über ihr auf, wie der Racheengel höchstpersönlich und schaute drohend auf sie nieder. Nicht mal als sie jetzt im Dreck lag, kamen ihre Freunde zu Hilfe. Tolle Freunde, dachte ich höhnisch. Wandte mich dann Gwen zu. Half ihr auf und legte schützend den Arm um sie. Ich warf noch einen letzten warnenden Blick zu Jenna und ihren achso tollen Freunden. Dann ging ich. Joshua folgte uns schweigend. Wir brachten Gwen sofort zur Krankenschwester, die sich sogleich um sie kümmerte. Während wir über den Schulhof gingen, Gwen zwischen mit uns Joshua, hatten wir so ziemlich alle Blicke auf uns gezogen. Einige steckten den Kopf zusammen und begannen zu tuscheln. Ich hatte das ungute Gefühl, dass sie uns für ihren Zustand verantwortlich machten und spekulierten nun, ob wir es nun so aussehen lassen wollten, als seien wir nur die Retter in letzter Not. Oder dass wir sie so zum schweigen bringen wollten, in dem wir sie nun zur Krankenschwester bringen. Praktisch ein Wink mit dem Zaunpfahl. Doch ich blendete das aus. Ich schaute zu Gwen, die immernoch leise schluchzte und die Arme um sich geschlungen hatte. Was hatten diese Biester mit ihr gemacht? Kurz wallte wieder Zorn in mir auf. Irgnorierte ihn jedoch dieses Mal, sondern lenkte meine Gedanken ganz auf Gwen. Nun standen wir draußen auf dem Flur und warteten bis Gwen von der Krankenschweter fertig versorgt wurde. Keiner von uns sagte ein Wort. Sondern schaute jeder für sich ins Leere und schien auch in den eigenen Gedanken gefangen zu sein. Jetzt wo der Ärger und die Wut verraucht waren, fühlte ich mich einfach nur elend. In meinem Hals hatte ich einen dicken, fetten, schleimigen Kloß, der mir das Schlucken schwer machte. Ich fühlte mich so, als hätte ich ein Gewaltverbrechen begangen. Und ich bereute nun, dass ich nicht auf Erik gehört hatte. Er wusste, dass es nur Ärger geben würde, wenn ich mich hinreißen lasse. Aber was hätte ich anderes tun sollen. Hätte ich zulassen sollen, dass sie ihr noch schlimmeres antun? Ich mochte Gwen wirklich. Sie traf keine Schuld. Nur weil ich mich mit Joshua einige Male unterhalten habe, wurde sie von Jenna und ihren Weibern so zu gerichtet. Ich wusste ja, dass Jenna feige war. Schon das sie meine Klamotten verschwinden ließ, als ich unter Dusche war, zeigte, dass sie kein Rpückrat hatte. Nun aber hatte sie es wirklich zu weit getrieben. Ich versuchte mir ein zureden, dass ich das richtige getan habe. Doch es blieb immernoch dieses Gefühl, dass ich es damit nur noch schlimmer gemacht habe. Ich schloss die Augen und seufzte. Es brachte nichts sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen. Wichtig war, dass Gwen wieder auf die Beine kam. „Ich kann immer noch nicht glauben, was passiert ist!“, hörte ich dann Joshua sagen und ich sah zu ihm. Er stand neben mir und schien ebenso geschockt zu sein. Ich lächelte grimmig. „Das zeigt doch wiedermal, dass nicht jedes reiches Elternhaus nicht auch gute Manieren besitzt!“ „Das meine ich nicht!“ Das verblüffte und verletzte mich auch ein bisschen. Hatte er etwa gedacht, dass alle Schüler hier wohlerzogen sind und kein Wässerchen trüben konnten? Ich hatte ihn wirklich nicht für so naiv gehalten. Aber er hatte deutlich gezeigt, dass er über Jennas Verhalten nicht gerade angetan war. Also wie meinte er das? „Ich kenne Jenna. Ich weiß, wie sie tickt und was sie macht, wenn ihr jemand ein Dorn im Auge ist. Dass sie zu solchen Mitteln greift, hat mich dennoch…erschreckt!“ Dann machte er eine Pause und ich verstand nicht, worauf er hinaus wollte. Ich wollte ihn schon darauf drängen, mit der Sprach raus zu rücken. Doch Joshua begann dann weiter zu sprechen. „Was mich aber noch mehr erschreckt hatte, war dein Verhalten!“ Mein Verhalten? Ich habe doch nur getan, was richtig war. Hätte ich zusehen sollen, wie Gwen weiterhin von diesen Biestern durch die Mangel genommen wird? Ich machte daher ein verkniffenes Gesicht. „Was hättest du denn gemacht? Nur daneben gestanden und zu geschaut?“ „Nein. Natürlich nicht. Aber du…!“, druckste Joshua herum und schien auf einmal vor Verlegenheit mir nicht mehr in die Augen schauen zu können. Ich merkte wie der Ärger wirder in mir hoch kam und meine Wangen zum glühen brachte. Was zum Teufel hatte ich in seinen Augen falsch gemacht? „Aber ich was…?“, kam es erstickt von mir. „Du sahst so…gefährlich aus!“, sagte er dann und sah mich nun an. In seinen Augen sah ich Verunsicherung. Mit einem Mal hatte ich das Gefühl völlig entblößt vor ihm zu stehen. Immer wieder hallten seine Worte durch meinen Kopf. Du sahst so…gefährlich aus…Du sahst so…gefährlich aus…Du sahst so…gefährlich aus… Ich zwang mich zu einem spöttischen Lächeln. Doch vor meinem geistigen Auge sah ich mich selbst. Wie ich Jenna den Arm auf den Rücken drehte und sie bedrohte. Dabei sah ich auch, wie sich mein Gesicht zu einer wütenden Fratze verzerrt hatte. Wie es in meinen Augen bedrohlichen glänzte. Genauso wie bei meiner Mutter damals. Als der Wahnsinn oder was auch immer von ihr Besitz ergriffen hatte. Mir lief es kalt den Rücken hinunter. „Gefährlich? Jetzt übertreibst du aber!“, versuchte ich seine und auch meine Beklemmung zu zerstreuen. „Ashley…du…du hast die Zähne gefletscht. Wie eine Katze, die angreifen will!“ Okay, das ging jetzt echt zu weit. Ich konnte nicht anders als zu lachen. Wieso verglichen mich alle mit einer Katze? Das war doch lächerlich. „Ohja…ich bin eine Katze. Und ich zeige jedem die Krallen, der mich ärgert. Miau!“, witzelte ich und lachte. Doch selbst in meinen Ohren konnte ich hören, wie gekünzelt das klang. Joshua machte ein angesäuertes Gesicht. „Das ist nicht komisch!“, sagte er. „Ganz ehrlich, Ashley. Du hast mir damit einen ziemlichen Schrecken eingejagt!“ Mein großes Mundwerk verging mir schließlich und auch der Versuch, es nicht ernst zu nehmen. Es einfach als Einbildung ab zu tun. Ich begann mich zu fragen, ob ich mehr von meiner Mutter geerbt hatte, als gedacht. Was wenn auch ich vom Wahnsinn befallen werde? Oder von wilder Raserei? Ich sah mich schon deutlich in einer Zwangsjacke. Hockend in einer Gummizelle und vor mich hin starrend. Mir wurde übel bei dieser Vorstellung. Da streifte mich etwas, was sich anfühlte wie die Berührung einer warmen Hand. Vielmehr war es nur ein Hauch, der über meine Seele hinwegstrich. Aber das reichte aus, um meine düsteren Gedanken zu verscheuchen. Ich schob das natürlich auf Erik, der, wie auch immer, es irgendwie schaffte, zu ahnen, was mir auf der Seele lastete. Immerhin ein Pluspunkt für ihn. „Tut mir leid!“, sagte ich. „Um ehrlich zu sein: Bekomme ich manchmal selbst Angst vor mir!“ Joshua sah mich daraufhin lange schweigend an. Schien sich aus mir und meinem bisherigen Verhalten einen Reim zu machen zu wollen. Wieder fragte ich mich, was für ein Bild er von mir hatte. Ich konnte mir schon denken, wie er sich vorstellte, wie mein Leben bisher verlaufen war. Bevor ich nach London kam. Eltern tot und daher erschüttert bis zum Grund meiner Seele. Gestört könnte man sagen. Vermutlich dachte er auch, dass ich irgendwelche Pillen einwarf, um dieses Trauma los zu werden oder zu unterdrücken. „Du hattest es nicht leicht!“, sagte er schwach. Als ob das alles entschuldigen würde. Aber ich hatte es wirklich nicht leicht. Mein Leben war seit dem Tod meiner Mutter völlig aus den Fugen geraten. Es war als wäre sie eine Art Anker gewesen, der mich festhielt und davor bewahrte, in den Fluten namens Leben davon getrieben zu werden. Ziemlich kitschig und übertrieben. Ich weiss. Aber so war es auch. Ich hatte immer das Gefühl, dass Mama mich besser verstand als Papa. Als schien sie zu wissen, was mich erwartete, sobald ich älter geworden war. Und ich fragte mich, ob sie es wirklich gewusst hatte. Ich sah sie deutlich vor mir als würde sie wirklich vor mir stehen und mich anlächeln. „Mein kleines Mädchen!“, hatte sie immer zu mir gesagt. Mich umarmt und mir die Stirn geküsst. Die Erinnerung daran trieben mir Tränen in die Augen. Sie fehlte mir entsetzlich. Gerade jetzt hätte ich sie gebraucht. Noch mehr als Erik. „Es…es geht schon!“, sagte ich und unterdrückte ein Schluchzen. Da ging die Tür auf und Gwen trat aus dem Krankenzimmer auf den Flur hinaus. Die Krankenschwester hatte so gut es ging die Schäden im Gesicht behoben. Hatte den Dreck weggewischt und die wenigen Schrammen, die sie davon getragen hatte, mit einigen Pflastern verarztet. Nur ihre Kleidung war immernoch ziemlich ramponiert. Gwen sagte kein Wort, sondern schaute einfach zu Boden und ihr sah ich an, dass ihr ebenso zum weinen zumute war. Ich ging sogleich zu ihr und legte wieder meinen Arm um sie. Gwen ließ es zu. Was mich ein wenig wunderte aber auch freute. Wundern weil ich dachte, dass sie nun nichts mehr von mir wissen wollte, weil sie wegen mir zum Opferlamm gemacht wurde und froh, weil dem nicht so war. Ich umarmte sie nun und drückte nun fest an mich. „Es tut mir so leid, Gweny!“, sagte ich leise und konnte nun meine Tränen nicht zurück halten. Der nächste Tag brachte eine weitere unangenehme Überraschung. Obwohl ich es mir hätte denken können, dass Jenna zum Direktor rennt und sich aus heult. Dabei schwärzte sie nicht nur mich an, sondern auch Joshua, der -ihrer Meinung nach-einfach nur dagestanden und zugeschaut hatte. So wurden wir beide in das Büro des Direktors gerufen. Und noch bevor ich dachte, dass es nicht hätte schlimmer kommen können, musste ich feststellen, dass ich mich gewaltig irrte. Denn kaum dass ich in das Büro trat, sah ich, dass der Direktor nicht allein war. Neben einem geschniegelten Herrn im teuren Anzug und einem geringschätizgem Blick, der besonders mir galt, befand sich noch jemand im Raum, dessen Anblick mir einen Schlag in den Magen versetzte. Brian! „Ah, da sind Sie ja. Miss Chatte und Mister Ginger!“, sagte der Direktor gedehnt und wies uns mit einer Handbewegung an, ein zu treten. Ich sah Brian an und er mich. In seinem Blick sah ich deutlich die stumme Zurechtweisung und Enttäuschung. Oje! Ich zog den Kopf zwischen dieSchultern und trat näher. „Sie können sich doch bestimmt denken, warum ich Sie beide hierher gerufen habe!“, sagte der Direktor und sah uns scharf an. Wir nickten. „Wollen Sie sich dazu äußern?“ „Es wäre besser, wenn Sie es täten!“, sagte der Mann im Anzug und als ich ihn mir genauer ansah, sah ich eine gewisse Ähnlichkeit zu Jenna. Dass musste ihr Daddy sein. Er hatte schließlich denselben verächtlichen Blick und diesen arroganten Klang in seiner Stimme. Brian sagte nichts. Aber in seinem Blick sah ich ebenso den stillen gut gemeinten Rat, mit der Sprache raus zu rücken. „Wir wollten nur Gweny helfen!“, sagte ich mit aller Inbrunst, die ich hatte und sah jedem direkt ins Gesicht. „Jenna und ihre Freunde haben sie schließlich angegriffen und auf sie eingeschlagen!“ „Meine Tochter ist keine Schlägerin. Vielmehr bist du jemand, der zur Gewalt neigt!“, platzte es Jennas Vater und sah mich an, als sei ich wirklich die Schuldige. Als hätte ich die schlimmste aller Strafen verdient. „Ashley sagt aber die Wahrheit. Wir…ich habe es selbst gesehen. Jenna hat ihre Freunde auf Gwen losgelassen und zu gesehen, wie sie sie zusammenschlagen!“, mischte sich nun Joshua ein und Jennas Vater schien daraufhin erstmal keine Antwort parat zu haben. „Und verglichen mit dem was sie Gwen angetan haben, ist das, was Ashley getan hat, nichts weiter als Verteidigung!“ Ich sah Joshua aus den Augenwinkeln dankbar an. Hätte ich es nicht besser gewusst, verhielt er sich wie Rechtsanwalt, der seinen Mandaten durchboxen wollte. In diesem Falle mich. „Verteidigung? Jemanden einem Arm zu brechen nennst du Verteidigung?“, kam es nun wieder ungehalten von Jennas Vater. Und wäre er allein mit uns gewesen, hätte er wohl seine gute Erziehung vergessen. Wobei ich bezweifelte, dass er überhaupt welche hatte, wenn ich an Jenna dachte. „Ihr wurde aber nicht der Arm gebrochen!“, schaltete sich nun Brian ein, der wohl ebenso wenig vom Verhalten dieses Mannes etwas hielt. „Und anstatt meine Ziehtochter als jemanden zu sehen, der weggesperrt gehört, sollten Sie sich vielleicht um die Erziehung Ihrer Tochter Gedanken machen, Mister Collins!“ Jennas Vater schnappte nach Luft und sah Brian an, als habe er ihn geschlagen. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass er mit diesen Worten mitten ins Schwarze getroffen hatte. Dass Jennas Vater wirklich mit dem Gedanken gespielt hatte, mich weg sperren zu lassen. Ohne ihn weiter zu beachten, sah Brian den Direktor scharf an. „Soviel ich weiß, war das nicht der einzige Vorfall. Habe ich Recht? Es ist mir zwar nicht neu, dass manche Schüler sich wegen der hohen Stellung ihrer Eltern einbilden, andere weniger priviliegierte Schüler zu drangsalieren, aber ich hatte gehofft, dass es an solch einer Schule so etwas wie Anstand gibt!“ Der Direktor wirkte nun verlegen und ich fragte mich, was für eine Stellung Brian innehatte, die ihm gestattete so mit ihm zu sprechen. Auch Jennas Vater schien sich das zu fragen. Fragte sich wohl ob Brians Stellung höher war als seine eigene. Dabei fragte ich mich wiederum, was für ein hohes Tier Jennas Vater war. So wie er sich aufführte musste er wohl ein Politiker sein oder sowas. Jemand, der das Wohl seiner Familie über das der anderen stellte. „Ich hoffe doch sehr, dass Sie diesem Benehmen, egal von welchem Schüler oder Schülerin auch immer, Einhalt gebieten. Stellung hin oder her. Und dass Sie der Tochter dieses Mannes nicht minder gerechtfertigte Strenge zuteilwerden lassen, als meiner Ziehtochter!“, fuhr er unbeirrt fort. Fügte dann aber mit einer gewissen kalten Härte zu:„ Dennsonst sehen meine Frau und mich mich leider gezwungen, dieser Schule keinen einzigen Cent mehr zu stiften!“ „Mister Matthews, bitte…das ist doch…!“, versuchte der Direktor die Wogen zu glätten, doch Brian ließ ihn nicht zu ende sprechen. „Hören Sie: Meine Frau hat Ihnen damals eine regelmässige Stiftung nur zugesagt, weil sie so große Stücke auf diese Schule hielt, in die auch sie als Schülerin ging und möchte, dass auch weiterhin diese Schule Menschen hervorbringt, die mit Verwantwortung umgehen können. Und nicht Ihr Geburtrecht aufs schändliche ausnutzen. Denn wo kämen wir hin, wenn jeder macht was ihm passt?“ Damit sah er zu Jennas Vater. „Und was Sie betrifft, Sir? Anstatt die Schuld bei anderen zu suchen, sollten Sie sich fragen, wie Sie ihren Nachwuchs erzogen haben und ob Sie wirklich wollen, dass Ihre Tochter weiterhin solch ein Benehmen an den Tag legt, dass man nur als frevelhaft bezeichnen kann. Als Anwalt sollten Sie doch wissen, dass es für jedes Verbrechen eine Strafe geben muss!“ Ich war beeindruckt. Nicht nur dass Brian es schaffte, jeden der beiden Männer so klein mit Hut runter zu putzen, sondern auch, dass er sich so für mich einsetzte. Okay, die zwischen den Zeilen versteckte Drohung, die Gelder für den Fortbestand der Schule, zu streichen, war wirklich drastisch und kamen einer Erpressung gleich. Aber das zeigte deutlich Wirkung. Das musste man ihm lassen. Er hatte die richtigen Worte gewählt, um jedem den Wind aus den Segeln zu nehmen. Welcher Direktor wollte schon die Schließung seines Abreitsplatzes riskieren? Keiner. Und dieser hier war auch keine Ausnahme. „Ich…verstehe und werde sofort die nötigen Maßnahmen ergreifen!“, sagte er. Wandte sich dann an Jennas Vater. „Ich fürchte, dass Sie das akzeptieren müssen, Mister. Da kann ich keine Ausnahme machen!“ Das Gesicht von Jennas Vater lief rot an und ich konnte deutlich auf seiner Schläfe eine Ader pochen sehen. Mit Blicken, die mehr als einen erdolchen konnten, sah er nun Brian an und kämpfte darum, nicht ausfallend zu werden. Er musste wohl oder übel in den sauren Apfel beissen und einsehen, dass er diesen Kampf verloren hatte. „Wie Sie meinen!“, sagte er nur, drehte sich auf dem Absatz um und maschierte aus dem Büro. Der Direktor räusperte sich. „Und was Sie betrifft Miss Chatte und Mister Ginger…muss ich Sie ebenso zur Verwantwortung ziehen. Auch wenn Sie Miss Snyder nur helfen wollten!“ Ich und Joshua hatten dagegen keine Einwände. Klar. Es sollte schon gerecht zu gehen. Nur hoffte ich, dass Jenna und ihre Clique eine wesentlich härtere Strafe bekommen und nicht mit Samthandschuhen angefasst werden. „Das versteht sich von selbst!“, sagte Brian. „Ihre Eltern werde ich brieflich darüber in Kenntnis setzen, da Sie ja leider nicht im Lande sind, Mister Ginger!“ „Ja, Sir!“, sagte Joshua nur knapp. „Dann wäre das geklärt!“, beendete der Direktor und schien erleichtert zu sein, dass Gespräch endlich und zu seinen Gunsten beendet zu haben. „Danke, dass du dich für mich eingesetzt hast, Josh!“, sagte ich als wir auf den Flur traten. Ich fühlte mich kaum, dass wir die Tür hinter uns schlossen, erleichtert, dass es noch mal so glimpflich ausgegangen war. Und war immer noch erstaunt, wie sich Brian für mich eingesetzt hatte. Joshua klopfte mir auf die Schultern. „War doch selbstverständlich. Immerhin steckten wir beide drin!“ Ich war kurz davor ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. Hielt mich aber zurück. Zum einen weil wir nicht allein waren und zum anderen weil dass ziemlich unangebracht wäre. Josh war nur ein Schüler, der nur rein zufällig in die gleiche Sache verwickelt war, wie ich und der ebenso herausfinden wollte, was hier vorging. Wir waren praktisch gesehen Verbündete. Aber keine Freunde. Auch wenn er mit mir flirtete und ich ihn…Josh nannte. Noch bevor ich mir genauer darüber Gedanken machen konnte, unterbach mich Brian. „Würdest du uns bitte entschuldigen. Ich muss noch etwas mit Ihr klären?“ „Natürlich, Sir. Und danke, dass Sie sich für uns eingesetzt haben!“, sagte Joshua. Nickte höflich. Brian erwiderte dieses und zeigte sogar ein schwaches Lächeln. Mir warf Joshua noch einen kurzen Blick zu, dann ging er. Nun war ich allein mit Brian. Und ich rechnete schon damit, mir von ihm eine enorme Standpauke zu erhalten. Ich konnte es förmlich körperlich spüren. Wie als würde hinter meinem Rücken ein Feuer brennen und die Hitze sich in meinem Körper einbrennen. Immerhin habe ich mich nicht gerade unauffällig verhalten und so alle Aufmerksamkeit auf mich gezogen. Noch dazu musste Brian einschreiten, damit ich nicht von der Schule flog. Denn ich war mir sicher, dass hätte mir geblüht, wenn er nicht gewesen wäre und hätte alles damit zunischte gemacht. „Ich glaube, ich muss dir nicht sagen, dass das ziemlich riskant von dir war!“, sagte er. Ich schüttelte den Kopf. Nein, diesen Teil hatte Erik schon übernommen. Kaum dass ich das Licht gelöscht und ins Bett gelegt hatte. Manchmal hatte ich echt das Gefühl, als wäre er so etwas wie Jimmy, die Grille aus „Pinocchio“ „Hast du denn noch mehr erfahren können. Wer alles an der Sache beteiligt ist?“ Wieder schüttelte ich den Kopf. „Ich konnte nur ihre Stimmen hören, aber nicht sehen wer oder viele es sind!“ „Sie sprachen über eine Geburtstagsparty. Ich bin mir sicher, dass sie das nutzen wollen, um sich die restlichen Schüler zu schnappen!“, sagte ich dann. Um zu zeigen, dass ich immerhin etwas erfahren habe. Brian schwieg. Nickte dann. „Das ist schon mal was. Bleibt nur die Frage, wann diese Party stattfindet!“ „Wie werdet Ihr denn vorgehen? Ich meine, wie wollt Ihr verhindern, dass eins dieser Dinger entwischt?“ „Wir haben da so eine Idee!“, erklärte er und ein siegesreiches Lächeln huschte über seine Lippen. Ich wollte schon fast darauf drängeln, dass er es mir sagte. Aber eine Stimme sagte mir, dass das keine gute Idee war. Denn immerhin könnte man uns belauschen. So lief ich schweigend neben ihm her. Das einzige, was er mir sagte, mit dem ich wohl was anfangen sollte, war: „Sorg einfach nur dafür, dass ein Feuer ausbricht!“ Daraufhin sah ich Brian irretiert an. Ist das sein Ernst? „Ich soll die Schule abfackeln?“, flüsterte ich. Brian hob die Brauen und kurz glaubte ich sogar dass seine Mundwinkel nach oben zuckten. War das ein Lächeln? „Nein. Nur etwas in Brand stecken. Einen Vorhang oder einen Stuhl. Den Rest machen wir!“ Dies schien mich nicht gerade zu beruhigen. Was wenn etwas schief ging und das Feuer außer Kontrolle geriet. Ich konnte es deutlich vor mir sehen. Wie ich ein Feuer legte und damit alles in Schutt und Asche legte. Mitten drin unzählige verkohlte Leichen. Inklusive mich. Eisige Kälte erfasste mich. Ich wollte gerade Einwände erheben und fragen, ob es vielleicht eine andere Möglichkeit gab, als ich vorne eine der Schülerin stehen sah, die im Gang stand und Zettel an Vorbeigehende verteilte. Kaum dass sie mich sah, lächelte sie und reichte mir ebenso ein Zettel. Als ihr Blick jedoch auf Brian fiel, der immer noch neben mir herging, verging ihr dieses und trat einen unsicherenSchritt zurück. „Guten Tag, Mister!“, sagte sie, drehte sich dann um und machte sich aus dem Staub. Ich sah ihr verwirrrt nach. Okay. Brian konnte wirklich jemandem Angst einjagen aber so zum Fürchten sah er nun auch wieder nicht aus. Während ich der Schülerin noch nach sah, hatte sich Brian nachvorne gebeugt und einen Blick auf den Zettel geworfen. „Wenn das kein Zufall ist!“, hörte ich ihn sagen und wandte mich nun ihm zu. Vielmehr dem Zettel und als ich las, was darauf stand, kam ein überraschter Laut mir. In sauberen Buchstaben stand da: „Du bist herzlichst zur Geburtstagsparty am kommenden Freitag eingeladen!“ Diese einfachen Worte vermochten es, mich völlig zu überrumpeln. Eben noch habe ich mir den Kopf zerbrochen, wie ich herausfinden sollte, wann die Veranstaltung stattfindet und nun hatte ich die Lösung praktisch in der Hand. Es war beinahe so als wollte mir jemand zu Hilfe kommen. „Jetzt wissen wir, dann die Party steigt!“, sagte er. Ich lag in der folgenden Nacht wach. Ich wusste einfach nicht was ich mehr empfinden sollte. Erleichterung, weil wir das ganze endlich beenden konnten oder eher unschlüssigkeit, da ich einfach keinen Schimmer hatte, wie ich das Feuer legen sollte. Ganz zu schweigen warum. Wollen sie etwa diese Dinger ausräuschern? Zusammen mit denen, die noch nicht infiziert sind. Das wird sicher nicht einfach. Da das eine Party ist, werden auch sicher einige Lehrer dabei sein, die das ganze beaufsichtigen werden. Wie sollte ich mich da heimlich davon schleichen und ein Feuer legen. Ich spielte in meinem Kopf alles durch und stellte dabei fest, dass es in meinen Gedanken viel leichter aussah als es in der Realität war. Sich einfach kurz davon schleichen und wie Brain sagte, einen Vorhang oder einen Stuhl in Brand stecken, würde sicher auffallen. Man würde mich erwischen. Und alles wäre umsonst gewesen. Aber da gab es noch etwas, was mich nicht schlafen ließ. Gweny und Josh. Sicher haben sie auch eine Einladung erhalten. Und wenn ich nichts tue, werden sie auch… Ich musste sie in Sicherheit bringen. Vielleicht konnte ich sie überreden nicht hin zu gehen. Moment…Was hieß hier vielleicht? Ich musste sie überereden! Gleich morgen werde ich sie dazu drängen. Wenn es sein muss auch mit Gewalt. Auf keinen Fall sollten sie eine von denen werden. „Hast du auch eine Einladung bekommen?“, fragte ich am nächsten Tag darauf. Gwen nickte. Natürlich hatte sie eine bekommen. Sicher war die ganze Schule eingladen. Nur sie und Josh wollte ich nicht auf dieser Party sehen. Es reichte schon, wenn ich den Rest davor retten musste. „Du auch?“ „Ja!“, sagte ich und hatte wieder dieses flaue Gefühl im Magen. Was als nächstes kam, würde jetzt sicher nicht leicht sein. Aber da ich ihr die Geschichte aufgetischt habe, dass hier Drogen vertickt wurden und sie diesen Verdacht auch nun teilte, hatte ich dennoch die Hoffnung, dass sie es verstand und keine Widerrede geben würde. „Hör mal, Gweny. Ich möchte, dass du und Josh nicht da hingehen!“ Gwens Augenbrauen hoben sich kurz. Und ich sah die Verwirrung in ihren Augen. Mein Optimissmus geriet ins Schwanken. Aber dann machte Gwen ein nachdenkliches Gesicht, welches dann besorgt wurde. „Oh Gott…du denkst, dass…!“, brachte sie dann hervor und Entsetzen zeigte sich nun auf ihrem Gesicht. Ich hob die Schultern, Sagte aber dann: „ Möglich wäre es. So können sie immerhin haufenweise neue Kundschaft anwerben!“ Mit wurde übel als ich das Wort Kundschaft aussprach. Neue Sklaven wäre der passenste Begriff. Doch ich verkniff es mir. „Wenn es so ist, dann müssen wir das melden!“, sagte Gwen nun entschlossen. Und unter anderen Umständen hätte ich das für eine gute Idee gehalten. Doch leider ging es hier nicht um Drogen. Sondern um Wurmmonster. Und wenn wir diese Party absagen lassen, würden die sich was anderes einfallen lassen. Außerdem stellte ich es mir ziemlich schwierig vor den Direktor davon zu überzeugen. Ohne einen Beweis oder zu wissen, wer hier diese Drogen unter den Mann bringen wollte, würde man uns das nicht abkaufen. Vorallem da das hier eine Eliteschule war, auf der es sicher keine Drogen gab. Schon die Mobbingattacken versuchte man schon unter den Teppisch zu kehren. Drogen wären der absolute Todesstoß. Aber nach allem was Gwen gesagt hatte… Leistungsdruck konnte einem wirklich zum äußersten treiben. Nein. Wir durften nichts dergleichen tun. Ich schüttelte den Kopf. Und erklärte mit dem naheliegendsten:„ Nein. Solange wir nicht wissen, wer dahinter steckt, werden die uns für verrückt erklären. Außerdem…habe ich nicht gerade einen guten Eindruck beim Direktor hinterlassen. Meinetwegen musste er Jennas Dad klarmachen, dass es sein feines Töchterchen dieses Mal nicht so einfach davon kommt!“ „Also willst du das allein durchziehen? Wie?“ „Ich werde das ganze erstmal beobachten. Und wenn ich was Verdächtiges sehe, werde ich was dagegen unternehmen!“ Das klang nicht gerade überzeugt. Selbst ich glaubte das nicht. Wie sollte ich da bitte schön was unternehmen. Ich war schlißelich allein. Und diese Dinger waren…weiß Gott wie viele. „Ich bin doch noch da!“, hörte ich Erik sagen und mein Handgelenk wurde warm. Ich lächelte in Gedanken. Gwen schien sich nicht sicher zu sein. Ich sah ihr deutlich an, dass es ihr schwerfiel, mich allein damit zu lassen. Dabei wollte ich sie wirklich nicht dabei haben. Nicht nur weil sie in Gefahr wäre. Sondern auch weil sie sich nicht gerade in einem guten Zustand befan. Noch immer zeugte ihr Gesicht von der gestrigen Schlägerei. Der nächste Angriff würde sicher nicht so glimpflich ausfallen. Und ich konnte mir außerdem ziemlich gut vorstellen, dass man sie als menschliches Schutzschild gegen mich benutzen würde. Ich fasste sie an den Händen und drückte sie. „Gwen, bitte. Geh nicht auf diese Party. Ich habe ein verdammt mieses Gefühl dabei. Und sollte ich mich irren, dann werde ich das wieder gut machen!“, redete ich auf sie ein. Gwen überlegte noch kurz. Kaute auf der Unterlippe herum. Dann machte sie ein verschmitztes Gesicht. „Mit einer riesigen Portion Schokoladeneis und sündhaft fettiger Schlagsahne?“, fragte sie dann. Ich grinste. „Und mit einer saftigen roten Kirsche obendrauf!“ „Dann werde ich einfach sagen, dass ich Mirgäne habe!“, erklärte sie. „Ist ja schließlich nur eine Party!“ Puh, das wäre geschafft. Froh darüber, dass ich Gwen aus der Gefahrenzone gebracht habe, machte ich mich nun daran auch Joshua davor zu bewahren. Doch leider klingelte es zur nächsten Stunde. Joshua würde ich daher erst wieder in der nächsten Pause sehen. Wen ich aber stattdessen in der Stunde wieder sah, hätte ich am liebsten übersehen. Kaum dass Jenna mich sah, verfinstere sich ihr Gesicht und ich ahnte schon, dass sie sich am liebsten auf mich gestürzt hätte, wenn der Klassenraum nicht so voll mit Schülern wäre. Aber selbst wenn hätte sie mich bestimmt dafür büßen lassen. Sicher würde sie hinter meinem Rücken anfangen irgendwelche Gerüchte über mich zu verbreiten, sobald ich mich setzte. Oder mich mit irgendwas bewerfen, sollte ich es wagen, mich in ihre Nähe hin zu setzen. Die Gerüchte konnten mir eigentlich egal sein. Denn bald würde ich diese Schule sowieso verlassen und dann konnte sie mir gar nichts. Blieb nur die Bewerf-Variante. Und die überwog alles andere. Also beschloss ich mich nach ganz weit vorne zu setzen. Zum Glück war ein Platz frei und ich packte meine Sachen aus. Nach einigen Minuten kam auch die Lehrerin und der Unterricht begann. Während diesem hatte ich Jennas glühendheiße Blicke im Rücken und ich konnte spüren, wie sich mich damit traktierte. Sie hatte wohl die Hoffnung, dass sie mich damit in Brand setzte, wenn sie lange genug mich anschaute. Oder zumindest dass ich unwohl auf dem Stuhl hin und her rutsche. Doch ich versuchte es zu ignorieren und mich dieses Mal zusammen zu reißen. Noch so ein Ding wie gestern und ich war weg vom Fenster. Ich schaute immer wieder auf die Uhr und trieb innerlich die Zeiger an, schneller um das Ziffernblatt zu wandern. Als es dann endlich klingelte, sprang ich auf und wollte gehen. Da hielt mich aber die Lehrerin an. „Miss Chatte und Miss Collins. Bitte bleiben Sie. Es gibt da etwas, was ich Ihnen sagen muss!“ Oh-Oh. Das klang gar nicht gut. Doch ich ließ mir nichts anmerken. Jenna hingegen schien mehr als empört zu sein. Aber auch sie sagte nichts. Sondern warf mir erneut einen bösen Blick zu, als wollte sie sagen:„ Fall tot um!“ „Der Direktor hat mir geute Morgen mitgeteilt, dass es gestern zwischen Ihnen zu einem Vorfall kam und das daher entsprechende Maßnahmen ergriffen werden sollen!“ Wieder ein Todesblich von Jenna. Ich blendete sie einfach aus und konzentrierte mich ganz auf die Lehrerin. „Da nun bald eine Party stattfindet, auf die Sie sicher hingehen wollen, hat man sich darauf geeinigt, Ihnen die Wahl zu lassen. Entweder Sie erklären sich bereit Esther in der Bibliothek zu helfen und somit auf die Party gehen zu dürfen oder Sie verzischten völlig, dieser bei zu wohnen!“ Kaum hatte sie das gesagt, klappte uns beiden die Kinnlade hinunter. Zuerst dachte ich:„ Oh nein!“ Aber dann ging mir:„ Ernsthaft!“, durch den Kopf. Dass sollen diese sogenannten Maßnahmen sein? Ich hätte jetzt erwartet, dass sie uns dazu verdonnern würden zigmal was an die Tafel zu schreiben oder Extrarunden auf dem Sportplatz zu laufen. Aber das? Das war ein Witz und ich musste nicht lange überlegen. „Bibliothek!“, sagte ich bloss. Jenna schien hingegen etwas länger zu brauchen. Zu arbeiten schien ihr wohl zu wider zu sein. Sie hatte sicher noch nie einen Finger krum gemacht. Wurde immer von Daddy verhätschelt. Arrogantes Prinzesschen! Und ihre Einstellung was das Arbeiten betrifft, schien hierbei die Oberhand zu gewinnen. Mit einem letzten vernichtendem Blick zu mir, presste sie zwischen den Zähnen hervor:„ Wer will schon auf diese bescheuerte Party gehen!“ Dann rauschte sie davon. Die Bibliothek war so gut wie leer. Gleich nach dem Unterricht sollte ich hierher gehen und mich bei der Bibliothekarin melden. Diese war eine Frau in den vierzigern, hatte hochgesteckte Haare und eine randlose Brille saß ihr auf der Nase. Sie trug ein geblümtes Kleid, was durchzu vieles waschen, ausgeblichen war und darüber eine graue Strickjacke. Als sie mich sah, sah sie mich über ihre Brille hinweg an. Wollte wohl prüfen ob ich arbeiten konnte. Ich straffte die Schultern und setzte ein eifriges Gesicht auf. „Guten Tag. Ich soll Ihnen hier helfen!“, erklärte ich. Esther nickte. „Das wurde mir bereits gesagt!“, schnarrte sie. „Dann komm mal mit!“ Die nächsten Stunden verbrachte ich damit, liegen gelassene Bücher ein zu sammeln, sie auf das Wägelchen zu legen, das Esther vor sich hin schob. Sie dann zu Stapeln zu sortieren und sie dann in die entsprechenden Bücherschränke ein zu sortieren. Anschließend sollte ich den Müll einsammeln, den einige Schüler liegen gelassen hatten und in einen Plastiksack werfen. Dabei fragte ich mich, ob es hier an dieser Schule keine Putzfrau gab. Solch eine alte ehrwürdige Schule und dann sowas. Doch ich sagte nichts und erledigte die Aufgaben, die mir Esther gab. Es dämmerte als alles endlich erledigt war. Und ich war schon etwas geschafft. Dass ständige Leiter hochsteigen und runtersteigen ging wirklich in die Muskeln. Sowohl der Arme als auch der Beine. Mit einem Seufzen zog ich den Müllsack zu und stellte ihn raus auf den Gang. Esther schien nichts gegen meine Arbeit aus zu setzen zu haben, denn sie zeigte, zum ersten Mal in den ganzen Stunden, ein zufriedenes Lächeln und nickte auch. Offensichtlich war ich die erste, die die Arbeit hier wirklich ernst nahm. „Kann ich noch etwas helfen?“, fragte ich aus reiner Höfflichkeit. Esther schüttelte den Kopf. Somit war meine Schuld getilgt und ich konnte gehen. Da ich natürlich den Rest des Tages in der Bibliothek verbrachte, hatte ich natürlich nicht die Gelegenheit, Joshua zu sprechen. Dabei hatte ich gehofft, dass Joshua sich in dieser blicken lassen würde. Aber vermutlich hatte er selbst genug um die Ohren. Außerdem woher sollte er wissen, dass ich hier war. Und sicherlich war er schon längst in seinem Zimmer und saß über einigen Büchern gebeugt. Da wollte ich ihn nicht stören. Also musste ich erst morgen warten, dabei brannte es mir förmlich auf der Seele auch Joshua davor zu warnen, auf diese Party zu gehen. Hin und her gerissen was ich tun sollte, ging ich den Flur entlang und wog pro und Contra ab. Wenn ich jetzt zu ihm ginge, könnte ich es gleich hinter mir bringen und die Nacht ruhig schlafen. Aber wenn er jetzt keine Zeit oder gar den Kopf dazu hatte, wollte ich ihn auch nicht stören. Joshua schien die Schule ernst zu nehmen. Im Gegensatz zu manch anderen hier. Da wollte ich ihm keine Probleme machen. Ich nahm mir vor, mit ihm zu reden, sobald er mir morgen über den weg läuft. Vielleicht hatte er auch eine Idee, wie man hier ein Feuer legen konnte. Der Gedanke war schon etwas verrückt. Spukte mir aber trotzdem durch den Kopf. Ich musste ihn ja nicht direkt fragen, sondern könnte es indirekt ansprechen. In meinem Kopf formelierte ich einige dieser indirekten Fragen. Was passiert eigentlich, wenn ein Feuer ausbricht? Welche Feuerschutzmaßnahmen werden dabei ergriffen? Werden die Türen automatisch verschlossen? Wo liegen die Fluchtwege? Sind sie gut zu erreichen? Wenn man ein Feuer legen will, wo und wie sollte man das am besten machen? Nach und nach wurden die Fragen doch irgendwie direkt und ich seufzte. Großartig! Ich hatte eine Aufgabe und wusste nicht, wie ich diese erfüllen konnte. Es war als liefe ich nun gegen eine Wand, nach dem der Weg für mich auf einmal so klar zu sehen war. „So ein verdammter Mist!“, flüsterte ich. „Mach dir nichts draus. Ich musste auch bei der alten Miesepeterin strafarbeiten!“ Komischerweise erschreckte ich dieses Mal nicht als Joshua neben mir auftauchte. Ich hatte mich wohl daran gewöhnt, dass mich jemand aus heiterem Himmel ansprach. „Es war ja nicht so schlimm!“, sagte ich und lächelte etwas. Dieses verging mir allerdings, da ich mich erinnerte, was ich mir noch vor wenigen Minuten vorgenommen hatte. „Sag mal, Josh. Hast du auch eine Einladung bekommen?“, fragte ich vorsichtig. Auch Joshue nickte. Das wunderte mich nicht. „Und du?“ Nun nickte ich. „Gehst du hin?“, fragte er weiter. „Nein…ich meine…vielleicht…!“, kam es zögernd von mir. „Und du?“ Josh hob die Schultern. „Ich weiß nicht. Eigentlich bin ich nicht der Typ für solche Partys und ich kenne die meisten Leute, die hingehen, nicht. Ich werde mir sicher ganz verloren vorkommen!“ Etwas Hoffnung stieg in mir auf. Wenn das stimmte, würde ich nicht viel Überzeugungskraft brauchen, um ihm von dieser Party fern zu halten. „Und warum willst du vielleicht hingehen?“ „Naja…!“ Ich trat von einem Fuß auf den anderen und kaute auf der Unterlippe herum. „Ich…du erinnerst dich doch sicherlich an unser kleines nächtliches Abenteuer?“, begann ich nun und ein Schatten huschte über Joshs Gesicht. Und wie er sich daran erinnern konnte. Er schien allmählich eins und eins zusammen zu zählen. „Moment. Du denkst, dass Sie ernsthaft bei dieser Party…?“ „Wieso nicht? Wir haben es ja schließlich gehört und ich kann mir keinen besseren Zeitpunkt vorstellen!“ Das schien Josh ebenso ein zu leuchten. Auf seiner Stirn zeigten sich teife nachdenkliche Falten. Dann sagte er etwas, was mir den Boden unter den Füßen weg zog. „Wenn das so ist, sollte ich doch liebe auf der Party sein!“ „Nein!“, platzte es aus mir heraus. Viel zu laut, als dass man es überhören konnte und selbst in meinen Ohren klang es ziemlich hysertisch. Josh sah mich geschockt an. Hatte wohl nicht gedacht, dass ich so laut werden konnte. Ich kam mir sogleich etwas dumm vor. Das hätte man auch anders machen können, schalt ich mich. Ich räusperte mich und sagte leise:„ Ich halte das für keine gute Idee. Ich habe bereits Gwen das ausgeredet, weil ich nicht will, dass ihr was passiert. Und auch dir nicht!“ Kaum hatte ich das gesagt, zeigte sich ein schelmiches Grinsen auf einem Gesicht. Er beugte sich vor und sah mir tief in die Augen. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dass du mich gern hast!“, flüsterte er und wackelte verschwörerisch mit seinen Augenbrauen. Das sah so komisch aus, dass ich ein kurzes Kichern nicht unterdrücken konnte. „Und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dass du ständig versuchst mit mir zu flirten!“, erwiderte ich dann. „Vielleicht!“, sagte er. Für einen kurzen Moment gefiel mir der Gedanke, dass Josh wirklich Interesse an mir hatte. Nicht weil er in mir eine Art Trophäe sah, die er seinen Freunden zeigen konnte. Sondern weil er mich als Freundin wollte. Die Vorstellung nahm die Form einer Seifenblase an und schwebte vor mir her. Darin konnte ich es seutlich sehen. Wie ich und Josh nebeneinander liefen und spazieren gingen. Wie wir uns verabdeten. Ins Kino gingen, in einem Restaurant etwas aßen. Wie ich ihn meinem Vater vorstellte und dieser es sich sicher nicht nehmen ließ, ihm peinliche Fragen zu stellen. Ich würde mir dabei vor lauter Verlegenheit wünschen, im Boden zu versinken. Aber dennoch wäre ich glücklich. Glücklich darüber, dass ich nicht allein war. Glücklich, dass ich einen Freund hatte. Glücklich, dass ich ein Leben hatte. Ein normales Leben. „Ashley? Stimmt was nicht?“ Plopp! Die Seifenblase zerplatzte und so wurde ich aus diesem Tagtraum gerissen. Ein kleiner Teil von mir trauerte ihm nach. Ein andere wiederum zischte mir zu, dass ich mir keine Luftschlösser bauen sollte. Dass ich niemals solch ein Leben führen konnte. Denn dafür war es zuspät. In meinem Hals bildete sich ein dicker Kloß. Ich zwang diesen hinunter und nickte. „Ja!“, sagte ich und war erschrocken wie krächzend meine Stimme klang. „Geh nicht auf diese Party. Bitte. Ich bitte dich!“ Mir war klar, wie das klang. Es klang nach einer verzweifelten Frau, die sich das schlimmste ausmalte. Aber ich wollte wirklich nicht, dass auch noch Josh infiziert wird. Josh sah mich noch einige Minuten unsicher an. Ich konnte ihm deutlich ansehen, dass er nur ungern meiner Bitte nachkam. Aber dann schien er sich zu besinnen und er nickte. Ich atmete innerlich auf. Das wäre geschafft! Am Tag vor der Party, schickte mir Fay ein Paket. Ich dachte zuerst, dass es sich hierbei um Waffen handelte, mit denen ich mich zur Wehr setzen konnte. Als ich es dann aber öffnete, das weiße Seidenpapier beiseite schob und den roten Satinstoff zu sehen bekam, wollte ich schon glauben, dass es sich hierbei um einen schlechten Witz handelte. Um sicher zu sein, dass nicht doch unter dem Stoff so etwas wie Messer oder sowas versteckt waren, nahm ich das Kleid mit spitzen Fingern raus und hob es hoch. Nichts! Nur Karton! Naja, fast. Als ich das Kleid hochgehoben hatte, war eine kleine Karte runtergeflattert und lag nun verloren in der leeren Schachtel. Vorsichtig legte ich mir das Kleid über den Arm und nahm die Karte raus. In elegantgeschwungener Schrift, die zweifellos Fay gehören musste, stand da:„ Damit kämpfen und tanzen kannst!“ Dahinter prankte ein Zwinker-Smiley. Ha-ha. Sehr komisch. Mit zweifelnder Miene schaute ich mir das Kleid nochmal an. So gesehen war es schon ein schönes Stück. Der Stoff fühlte sich wunderbar weich zwischen meinen Fingern an. Es war sehr schlicht. Ohne irgendwelche übertriebenen und unnötigen Verzierungen. Dennoch war es hübsch. Und wenn Fay mir schon sowas schickte, wieso nicht. Auch wenn ich für den anstehenden Kampf etwas anderes, prakterisches angezogen hätte. Eine Hose und eine Bluse zum Beispiel. Kaum hatte ich das gedacht, schon sah ich, dass in der Ecke der Karte noch etwas geschrieben stand. Neugierig las ich auch diese und musste grinsen. „Es dient nur der Tarnung!“ Okay, das war ein gutes Argument. Neugierig, wie das Kleid wohl an mir aussah, zog ich meine Uniform aus und streifte es dann über. Wo der Stoff des Kleides sich schon vorher an meinen Fingern gut angefühlt hatte, hatte ich nun das Gefühl, als sei das Kleid wie eine zweite Haut. Es schmiegte sich wunderbar an mich, ohne mich ein zu engen. Mit klopfendem Herzen trat ich nun an den hohen Spiegel und war beeindruckt. Zwar war ich wirklich nicht eitel. Und ich bildete mir nichts darauf ein, wenn ich mal gut aussah. Aber als ich in den Spiegel schaute, verschlug es mir die Sprache. Das Kleid hatte einen weitgeschnittenen Rock, der einen halben Milliemeter über meinen Knien endete und sodass ich ohne Probleme Treten oder springen konnte. Gehalten wurde es von zwei Trägern, die meine Schultern nur teilweise bedeckten. Fay hatte wirklich ein Händchen was Mode anging. Das war mir schon vorher aufgefallen. Und ich hatte sie immer etwas beneidet, weil sie immer in allem gut aussah, was sie trug. Nun aber sah ich genauso gut aus. Ich fand es schon schade, dass ich es am Abend tragen sollte, bei dem ich diesen Wurmmonstern in den Hintern treten würde. War versucht, es wieder in die Schachtel zu packen und an Fay zurück zu schicken. Gerade wollte ich dieser Versuchung nachgeben, als Gwen herein platzte und mich so sah. Ihre klappte die Kinnlade hinunter und ihr traten fast die Augen aus den Höhlen. „Wooooowww!“, sagte sie gedehnt. Meine Wangen begannen sofort zu glühen. Verlegen drehte ich mich von ihr weg. „Mach die Tür zu. Es zieht!“, sagte ich. Gwen schloß sofort die Tür und umkreiste mich. Sah immer noch aus als hätte sie der Schlag getroffen. „Würdest du bitte aufhören, mich so an zu starren. Da kriegt man ja Angst!“ Gwen blinzelte, schloß den Mund und schüttelte dann den Kopf. „Sorry. Aber…aber ich war echt geschockt!“, sagte sie. „Woher hast du dieses scharfe Teil?“ „Meine…Schwester hat es mir geschickt!“ Fay als meine Schwester zu sehen, war ebenso so seltsam wie Brian und Esmeralda als meine Zieheltern zu sehen. Aber irgendwie würde ich sie schon gerne als meine Schwester sehen. Sie hatte immerhin genauso ein schräges Leben wie ich und schien mich daher sehr gut zu verstehen. „Wow, deine Sis hat echt Geschmack!“, sagte Gwen anerkennend. Dann legte sie den Kopf schief und sah mich mit schmalen Augen an. „Eigentlich sollte ich dich jetzt hassen!“ Ich schluckte als ich das hörte. So wie sie das sagte, meinte sie das verflucht ernst. „Wie-wieso?“ „Na, du gehst auf diese Party, in diesem totschicken Kleid und ich soll in meinem Zimmer bleiben. Das ist schon etwas unfair!“ Da stimmte ich ihr zu. Wäre ich an ihrer Stelle, würde ich ebenso sauer sein. Aber es diente nur ihrer eigenen Sicherheit und das wollte ich erneut einschärfen. „Ich weiss. Und es tut mir auch leid. Aber das alles mache ich nur, um diesen Dreckkerlen das Handwerk zu legen!“, sagte ich inständig. Gwens schmale Augen wurden sanft. Und sie nickte. „Ja, das weiss ich auch. Nur versprich du mir, dass du auch vorsichtig sein wirst!“, kam es besorgt von ihr. „Sicher haben die Waffen oder sowas!“ Das dachte ich auch. Und je länger ich daran dachte, dass es morgen schon soweit war, umso nervöser wurde ich. Vorher konnte ich es nicht abwarten, endlich aktiv zu werden. Aber nun… Ich nahm Gwen in die Arme, um sie und auch mich zu beruhigen. Es wird schon gut gehen…es wird schon gut gehen, redete ich mir ein und strich ihr über den Rücken. „Es wird schon gut gehen!“, versprach ich ihr. Schon von weitem konnte ich den Bass spüren, der in der Musik mitschwang und den Boden unter meinen Füßen zum Beben brachte. Doch neben diesem spürte ich den eigenen Beat meines Herzens, das in meiner Brust raste und gegen meine Rippen hämmerte. Ich zwang mich zu einem ruhigen, gleichmässigem Schritt. Dabei war mir alles andere als ruhig zu mute. Nur noch wenige Schritte, dann würde ich in dem großen Speisesaal sein, der für diese Nacht zum Partysaal umfunktioniert war. In der Höhle des Löwen. Oder vielmehr die Höhle der Würmer! Ich sah schon einige der Schüler, ebenso in schicker Abendkleidung vor der Türe stehen und sich unterhielten. Als ich näher kam und sie mich dann bemerkten, hielten sie nun in ihrer Unterhaltung inne und sahen mich wie Gwen zuvor mit tellergroßen Augen an. „Hey!“, sagte ich nur und ging an ihnen vorbei. Drinne herrschte die reinste Partystimmung. Überall tanzten und lachten die geladenen Gäste, während eine Band auf der provisorischen Bühne aus Plattenholz einige Stücke spielte, die ich kaum erkennen konnte, bei der Lautstärke und den darunter gemischten Bässen. Aber das war jetzt auch nicht weiter wichtig. Ich schob mich durch die wogende Menschenmenge und suchte mit den Augen eine geeignete Stelle, an der ich mein kleines Feuer legen konnte. An den Seiten des Saals hatte man Tische aufgestellt, auf denen Getränke und verschiedene Snacks aufgedeckt waren. Mir wurde schlecht als ich das Büffet sah und beim Gedanken, dass in diesem irgendwelche Eier versteckt waren. Zu meinem Entsetzen sah ich, dass sich einige darüber hermachten. Meine Gedanken überschlugen sich. Wenn ich jetzt handelte, könnte ich einige von ihnen davor bewahren… Nein. Wenn ich jetzt etwas Unüberlegtes tat, würde ich damit alles über Bord werfen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als es zu zulassen. Konzentierte mich weiterhin darauf eine stille Ecke zu finden, in die ich mich verrkümmeln konnte. Und fand sie auch sogleich. Ein dunkelblauer Vorhang, der mit Glitzersternen bestickt war, war hinter der Bühne aufgehängt und dahinter wiederum war ein Abstand zwischen diesem und er Wand breit genug, um dahinter zuschlüpfen. Wenn das hier kein glücklicher Zufall war! Kurz schaute ich zu der Menge, die wohl nichts mit bekommen hatte, dann huschte ich auch schon hinein. Hinter dem Vorhang war der Partylärm nur noch dumpf zu hören. Und kaum heller als dämmerlicht. Langsam atmete ich ein und holte dann ein Feuerzeug hervor, das mir wiederum Gwen verschafft hatte. Auf meinen fragenden Blick hin, sagte sie mit einem verschwörerischen Augenzwinkern:„ Sollte man immer dabei haben!“ Ich drückte dem kleinen, unscheinbaren Ding einen Kuss auf das Platikgehäuse. Dankte in Gedanken Gweny und übte Druck auf das kleines Rädchen aus, mit dem ich das flüssige Gas darin entzünden konnte. Es zischte und klickte und einige Funken stoben auf. Doch keine Flamme. Ich stieß einen Fluch aus und mühte mich weiter damit ab. „Komm schon, du Scheissding!“ Tssschik…tssschik…tssschik… Immernoch noch nichts. Wieder eine Wand, gegen die ich lief. Das konnte doch einfach nicht wahr sein! Tssschik…tssschik…tssschik… Ich wollte gerade einen frustierten Schrei von mir geben, als ich Eriks Warnung höre. „Hinter dir!“ Doch es war zu spät. Eine Hand legte sich mir auf Schulter und auf Mund und erstickte meinen Schrei. „Man, ist das schwer!“, beschwerte sich Fay, die einen großen Sack hinter sich her zog, während sie ihrem Bruder um das Schulgebäude folgte und zum kleinem Häuschen kam, in dem die Wasserversorgung untergebracht war. „Wieso muss ich den schleppen!“ Lex grinste süffisant. „Weil ich der Kopf und du der Muskel bist, bei diesem Vorhaben!“, erwiderte er. Fay schnaubte abfällig. „Von wegen. Du bist einfach nur stinkfaul!“ Endlich hatten sie das Häuschen erreicht und Lex öffnete die Tür mithilfe eines Dietrichs. „Okay. Hier drüben!“, sagte Lex und leuchtete mit der Bleistifttaschenlampe auf einen großen Metallzylinder, von dem viele Rohre abgingen. Lex klempte sich diese nun zwischen die Zähne und drehte das Rad herum, um den Deckel zu öffnen. Fay öffnete den Sack und wuchtete ihn dann vorsichtig hoch. Als Lex den Zylinder aufgemacht hatte, schüttete sie den Inhalt hinein. Nach und nach leerte sich dieser und als nichts mehr in ihm war, warf sie den Sack achtlos auf den Boden. Lex verschloss den Zylinder und schraubte den Deckel zu. „Denkst du das reicht?“, fragte Fay dann ihren Bruder zweifelnt. „Hast du dich nicht eben noch beschwert, dass dieser Sack allein zu schwer für dich ist?“ „Du weisst genau, was ich meine. Was wenn das nicht reicht und wir diese Viecher nicht erledigen?“ „Fay, wir haben genug Salz reingeschüttet, um ein ganzes Fussballfeld von Schnecken zu befreien!“, sagte Lex. Fay machte ein verkniffenes Gesicht. „Wir?“ „Du!“, korregierte Lex entnervt. „Lass uns lieber hoffen, dass die kleine Katze ihren Teil des Job macht!“ „Nicht schreien. Ich bins es!“ Joshua! Irgendwie scheint es ein Running Gag zu sein, dass er plötzlich auftauchte und mich erschreckte. Und es nervte. Doch mein Ärger verflog schnell und machte Entsetzen platz. Ich zog seine Hand von meinem Mund weg und sah ihn fassungslos an. „Was zur Hölle treibst du hier?“, flüsterte ich. „Ich dachte, ich hätte mich klar und deutlich ausgedrückt!“ „Ich konnte dich doch nicht allein lassen!“, erwiderte er. Für einen kurzen Moment wollte ich mit den Fäusten auf ihn einschlagen. Ihn sagen, dass das absolut unnötig ist. Dass ich auf mich allein aufpassen konnte. Aber ich freute mich auch irgendwie, dass er mir helfen wollte. Dennoch wollte ich ihn aus der Schusslinie haben. „Josh. Das ist eine Nummer zu groß für dich!“, redete ich auf ihn ein. „Wenn du mir wirklich helfen willst, dann tu nichts leichtsinniges und halte dich im Hintergrund!“ „Und dich alleine gegen diese Typen lassen. Forget it!“ „Josh. Ich werde mit dir nicht weiter diskutieren. Wenn es sein muss, fessel ich dich sogar!“, drohte ich ihm. „Vertrau mir. Ich habe einen Plan!“ „Und wie sieht dieser Plan aus?“ Tja, wie sah mein Plan aus? Eine ziemlich gute Frage, auf die ich leider keine Antwort hatte. Es hatte keinen Sinn ihm was vor zu flunkern. Hilflos hob ich die Schultern. „Ich improvisiere!“ Josh sah mich zweifelnt an. Das konnte ich sogar in dieser Schummrigkeit sehen. „Bitte. Geh da jetzt raus und steh Schmiere!“ Ich wollte ihn schon raus schieben, da hielt ich inne und hielt ihm das Feuerzeug hin. „Aber kannst du mir bitte vorher noch Feuer geben?“ Josh gab ein Laut von sich, was wie ein unterdrücktes Glucksen sein musste, nahm das Feuerzeug und-oh Wunder-es funktionierte. Eine kleine Flamme tanzte auf und nieder. Ich warf Josh einen dankbaren Blick zu. Er wurde so eben zu meinem Retter in letzter Not. „Josh…du bist einfach…!“ „Schon okay!“, sagte er nur und winkte ab. Dann schien er erst richtig zu bemerken, wie ich aussah und er pfiff durch die Zähne. „Du siehst umwerfend aus!“ Ich wurde wieder rot und senkte den Blick. Diese ganze Situation war so absurd. Draußen feierten Schüler. Mitten unter ihnen Wurmmonster, die nur auf den passenden Moment wartete, über die Feiernden her zu fallen und ich… Ich stand hier mit einem Jungen hinter der Bühne, in der Dunkelheit. Nur mit einem angezündeten Feuerzeug und in einem Kleid, in dem er mich umwerfend fand. Wirklich romantisch. Ich wollte schon beinahe darüber lachen und Witze machen. Lust auf ein Tänzchen, während draußen die Hölle losbricht? Ich hatte wieder diesen dicken Kloß im Hals. Reiss dich zusammen, Mädchen. „Hör auf damit!“, gab ich erstickt von mir. „Jetzt ist nicht der passende Zeitpunkt!“ Josh schien das ein wenig zu treffen. Schließlich wollte er mir nur ein Kompliment machen. Doch hier stand einiges auf den Spiel und es sollte nicht schiefgehen, nur weil hier die Hormone verrückt spielten. Betreten nickte er. Schien zu begreifen, dass es wirklich kein guter Zeitpunkt war. Gerade wollte er sich umdrehen und gehen, als plötzlich jemand vor uns auftauchte. „Was triebt Ihr hier?“ Josh und ich blieben wie angewurzelt stehen und sahen den Mann nur an, der sich vor uns aufgebaut hatte. Ohne Zweifel war er ein Lehrer, der hier die Aufsicht hatte und sicherlich hatte er auch gesehen, wie sich Josh hinter die Bühne schlich. Nun sah er uns hier, im Halbdunkeln und ich konnte mir gut vorstellen, was ihm gerade durch den Kopf ging. Das nutzte ich. Zärtlich legte ich die Arme um Joshs Hals und zog ihn an mich. „Wir wollten nur etwas für uns sein!“, sagte ich mit Unschuldsmiene. Der Lehrer sah uns mit einem tadeldem Blick an. Offensichtlich hielt er nicht viel davon, wenn sich zwei verliebte Jungendliche an einem stillen Ort trafen und für sich sein wollten. „Das könnt Ihr auch auf ein anders Mal verschieben!“, sagte er. „Raus mit Euch!“ Dann ging er. Josh ging vor. Dabei drehte er sich so, dass sein Rücken mich total verdseckte und mich daher der Lehrer sehen konnte. Schnell holte ich das Feuerzeug wieder vor, was ich noch rechzeitig in den Falten meines Kleides, versteckte, zündete es an und dieses Mal schaffte ich es eine Flamme zu entfachen. Jetzt keine Zeit verlieren. Wenn ich mich nicht beeilte, würde der Lehrer wieder kommen und mich erwischen. Ich hielt die kleine Flamme nahe an den Stoff des Vorhanges. Dabei zitterten meine Finger, so nervös und angespannt war ich. Ich atmete tief durch, ohne dabei das Rädchen los zulassen. Redete auf mich ein. Ganz ruhig…ganz ruhig… Und es schien zu funktionieren, denn das Zittern hörte auf. Einige Sekunden leckte diese nur daran, dann aber bildeten sich kleine Rauchschwaden und ein glühender Punkt breitete sich aus. Der rasch größer wurde. Okay, das wäre geschafft. Jetzt raus hier und sich wieder unter die Menge mischen. Sich nichts anmerken lassen. Schnell steckte ich das Feuerzeug wieder ein und kam hinter der Bühne hervor. Josh schien schon auf mich zu warten und war genauso wie ich nervös. Mit Blicken verriet er mir, dass der Lehrer, der uns erwischt hatte, ganz in der Nähe war. Und uns wohl auch im Auge behielt. Ich trat neben ihn, sodass wir uns leise unterhalten konnten. „Und was jetzt?“, fragte er. Ich schielte zur Bühne und hoffte inständig, dass keiner auf die Idee kam, hinter diese zu gehen und nach dem rechten zu schauen. „Jetzt können wir nur abwarten!“ Aus dem Augenwinkel sah Josh mich irretiert an. „Abwarten? Auf was?“, schien sein Blick förmlich zu sagen. „Vertrau mir!“, flüstere ich ihm zu. Nahm ihn dann an der Hand und führte ihn etwas weiter weg. Auf die Tanzfläche. Auch wenn uns beiden nicht gerade nach tanzen zu mute war. Dennoch wollten wir den Eindruck machen, dass wir hier zum feiern waren. So bewegten wir uns ein wenig steif zum Tackt der Musik und setzten eine Miene auf, die nach Feiern aussehen sollte. Dabei kam ich mir ziemlich blöd vor und hoffte, dass es bald soweit war. Was auch immer es sein würde. „Weisst du eigentlich, dass das ziemlich fies war von dir!“, sagte er dann. Ich presste die Lippen aufeinander. Ja, es war fies von mir, so zu tun als würde ich mit ihm allein sein wollen. Immerhin hatte ich noch vor kurzem gesagt, dass es wirklich nicht gerade der ideale Moment war, um seinen Gefühlen nach zu geben. Was anderes war mir aber nicht eingefallen. Jetzt hatte ich ein richtig schlechtes Gewissen. Statt was zu sagen, schaute ich zu Boden und schüttelte den Kopf. „Glaub mir: Ich hätte das nicht gemacht, wenn es anders gegangen wäre!“ „Ich wäre nicht sauer auf dich, wenn du jetzt von mir sonst was denkst!“ „Ich denke gar nichts von dir. Zumindest nichts Negatives. Ich werde allerdings einfach nicht schlau aus dir!“, sagte er. Das tröstete mich ein wenig. Dennoch hatte ich Sorge, dass ich es mir mit ihm verscherzt hatte. Ich mochte ihn schon irgendwie. Aber mehr als Sympathie war es nicht. In seinen Augen war das jedoch wohl ein Zeichen, dass ich mehr von ihm wollte. Und stieß ihn dabei immer wieder von mir weg, nur um ihn dann wieder an mich ran zu ziehen. „Glaub mir. Ich blicke selber nicht durch!“, gab ich zu. „Ich weiss nicht, was ich will!“ Dabei war das nur teilweise gelogen. Ich wollte ein normales Leben führen! Tanzen. Mich verlieben. Aber das schien einfach unerreichbar zu sein. Es war so als würde ich diesem nachrennen, die Hände danach ausstrecken. Doch kaum dass ich näher kam, schien es einen Sprung zu machen und wieder in weiter Ferne zu verschwinden. Ich sollte es aufgeben, ehe es mich noch mehr kaputt machte. „Hey, Ashley!“, rief jemand und ich drehte mich um. Aus dem Getummel kamen Louisa, Karla und Sophie. Sie schienen die Party zu geniessen. Das breite Grinsen und die Becher, die sie in den Händen hielten, sprachen deutlich dafür. Ich lächelte dezent. „Hey, ihr Drei!“, begrüßte ich sie. „Amüsiert Ihr Euch gut?“ „Klar! Und du auch wie man sieht!“, sagte Karle und schaute dabei feixent zu Josh. „Du hast echt Nerven aus Kruppstahl!“, bemerkte nun Sophie. „Wenn Jenna das sehen würde, würde sie dich hier vor allen Augen schlachten!“ Das Thema Jenna kratzte mich in diesem Moment nicht. Die Gefahr, die von ihr ausging schien im Vergleich zu der jetzigen gerade mal so ernst zu sein, wie eine Stubenfliege. „Jenna kann mich in diesem Moment kreuzweise!“, sagte ich daher trocken. Die Mädchen sahen sich an und in ihren Blicke sah ich deutlich, dass ich in diesem Moment ganz schön den Mund aufriss. Aber Jenna war mir sowas von egal. Soll die Alte doch toben und kreischen. Sich auf mich stürzen. Mit ihr werde ich schon fertig. „Wie geht es eigentlich Gwen? Wieso ist sie nicht hier?“, fragte nun Sophie und sah sich um. „Ihr geht es nicht so besonders. Vermutlich hat sie was Falsches gegessen. Ich hielt es für das Beste, wenn sie sich etwas hinlegt und es durchsteht!“, erklärte ich und war erstaunt wie gelassen ich dabei klang. So als würde ich die Wahrheit sagen. Sophie hob die Brauen. „Echt? Als ich aber bei ihr klopfte, habe ich keine Antwort bekommen!“, sagte sie und ich spürte eine eisige Klaue in meinem Nacken. Sie kratzte über meine Haut und hinterließ winzige Eiskristalle, die langsam meinem Rücken hinunterkroch. „Hast…hast du nach gesehen, was mit ihr ist?“ „Natürlich habe ich das. Als ich aber die Tür aufmachte, war sie nicht da!“ „Vielleicht war sie auf der Toilette!“, versuchte ich es, in der Hoffnung, dass es wirklich so war. Dabei stieß ich ein Gebet nach dem anderen aus. Bitte, lass das nicht wahr sein…bitte bitte nicht! „Da habe ich auch nachgesehen. Aber da war sie nicht!“ Sophie schien sich ebenso Sorgen zu machen. Dann war ich nicht allein. „Wir sollten nach ihr suchen gehen!“, meinte Josh, fasste mich an der Hand und wir gingen zusammen mit Sophie Karla, Louisa zur Tür. Sie war nun geschlossen, was mich etwas wunderte. Meine Verwunderung schlug allerdings in Sorge um, als Joshua die Hand darauf legte, um sie auf zu schieben und diese nicht nachgab. Auch Josh war beunruhigt. Er warf mir einen Blick zu, der dann zur Bühne flog. Zum Vorhang. Ich folgte seinem Blick und glaubte schon ein schwaches Glimmen hinter der Bühne zu sehen. Scheiße! Wir saßen in der Falle. Die Türen verschlossen, in mitten von diesen Wurmmonstern und einem Vorhang, der gleich in Flammen aufgehen würde. Und Gwen war spurlos verschwunden! Gwens Schädel dröhnte als sie zu sich kam. Zuerst wusste sie nicht, was passiert war. Wo sie war oder wie sie hierher gekommen war. Alles war wie in einem zähen Nebel und sie brauchte einige Minuten, um diesen zu lichten. Als der dieser sich nun verzog, lief es ihr kalt den Rücken runter und Panik erfasste sie. Jemand hatte bei ihr angeklopft und als sie aufgemacht hatte, knallte etwas Hartes gegen ihren Kopf, vor ihren Augen explodierten Sterne, dann Schwärze… Diese herrschte immernoch. Nur langsam schienen sich ihre Augen daran zu gewöhnen und sie konnte allmählich einige Konturen erkennen. Alte Kisten und Stühle, die aufeinander gestapelt waren. Einige Stützpfeiler, die die Decke hielten. An einem dieser Pfeiler war sie gefesselt und geknebelt. Die Angst schlug immer höhere Wellen und lähmte sie. Wie lange war sie schon hier? Vermisste man sie bereits? Suchte Ashley schon nach ihr? „Oh, bitte…Ashley, hol mich hier raus!“, ging es ihr durch den Kopf. In ihrem Kopf begann es sich zu drehen und vor ihren Augen flimmerte es. Gwen ermahnte sich, ruhig zu atmen. Tief und konzentiert holte sie durch die Nase Luft. Schloss die Augen und zählte langsam bis zehn. „Ganz ruhig, Gwen. Ganz ruhig. Atme einfach ruhig weiter. Sicher hat Ashley gemerkt, dass ich verschwunden bin!“, beruhigte sie sich. Woher sollte sie das wissen? Sie ist auf der Party und du angeblich in deinem Zimmer und spielt krank! Halt die Klappe, schrie sie sich an. Ashley wird es merken und sie wird nach mir suchen. Sie wird mich finden und hier raus holen! Wie ein Mantra wiederholte sie diese Sätze immer wieder in Gedanken. Und für einen kurzen Moment vermochten diese Sätze es, die Angst ab zu schwächen. Erneut ließ sie den Blick im Raum umher schweifen. Vielleicht fand sie etwas, womit sie sich auch selbst befreien konnte. In einer Ecke entdeckte sie, dass eine Treppe nach oben führte und eine Klappe, die verschlossen war. Gwen stutzte. Das war kein Zimmer. Ihre Finger, die sich ein wenig bewegen konnten, tasteten über den Boden. Er fühlte sich ungewöhnlich kalt und…erdig an. Auch die Luft roch nach Erde. Das wurde ihr erst jetzt bewusst. Treppe nach oben? Eine Klappe? Erdiger Boden? Das war ein Keller. Man hatte sie in einen alten Keller gesperrt. Und der konnte sonst wo liegen. Die Schule und das Gelände waren riesig. Sie konnte sonst wo sein. Gerade noch hatte sie sich Mut zu gesprochen, doch dieser brach in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Wie zum Teufel sollte man sie hier finden? Gwen war den Tränen nahe. Nur mit Mühe konnte sie diese zurückhalten. Das konnte doch nicht wahr sein. Das ist doch alles nur ein böser Traum. Wach auf Gwen, wach auf! Da holte sie ein Geräusch aus ihrer Verzweiflung und kurz glaubte sie, jemand sei im Raum über ihr. Sie schaute nach oben. Doch durch die Ritzen fiel kein Licht. Sie war allein. Aber woher kam dann dieses Geräusch? War vielleicht jemand hier drin? Gwen, nun völlig von Panik ergriffen, schaute sich gehetzt um. Hatte sich hier jemand versteckt und beobachtete sie nun? Machte es ihm Spaß ihr dabei zu zu sehen, wie sie langsam aber sicher vor Angst den Verstand verlor? Langsam aber sicher mischte sich nun auch Wut in ihre Angst. Irgendwas sagte ihr, dass Jenna wieder mal dahinter steckte. Praktisch die Rache für die Rache. Und dass alles nur weil sie mit Ashley befreundet war und diese wiederum sich gut mit Joshua verstand? Wieso musste sie dafür büßen? Wo war sie da nur hineingeraten? Es wäre das vernünftigste gewesen, sich in Zukunft von Ashley fern zu halten, ging es ihr durch den Kopf. Denn so würde sie vor weiteren Attacken geschützt sein. Sie wollte nicht länger als Zielscheibe für Jennas Bösartigkeit herumlaufen. Sobald sie hier raus kam, würde sie Ashley sagen, dass es so nicht weitergehen kann, und dass es das Beste wäre, wenn sie getrennte Wege gingen. Dabei merkte sie, wie ihr das Herz schwer wurde. Sie hatte Ashley wirklich gern. Auch wenn sie am Anfang den Eindurck hatte, dass Ashley lieber für sich sein wollte. Sie hätte es auch akzeptiert. Aber Ashley wirkte irgendwie so allein und manchmal sogar traurig. Da konnte sie einfach nicht anders, als sich mit ihr an zufreunden. Vorallem weil sie selbst wusste wie es war, allein zu sein. Freunde hatte sie auf dieser Schule schon oft gehabt, aber keine schien wirklich ernsthaft mit ihr befreundet sein zu wollen. Nur weil sie die Tochter einer angesehenen Rechtsanwältin war. Das war der einzige Grund für die Schülerinnen, mit ihr Freundschaft zu schließen. Die Erinnerung daran ließ ihr die Tränen in die Augen kommen und Gwen verdrängte diese. Es war nicht fair Ashley dafür verantwortlich zu machen. Sie konnte genauso wenig dafür, wie sie selbst. Sich darüber Gedanken zu machen würde nichts bringen. Zumindest würde es sie nicht aus dieser Situation bringen. Das einzige was sie konnte, war darauf zu hoffen, dass man sie hier finden würde. Irgendwann werden sie es merken. Spätestens wenn morgen wieder der Unterricht anfängt. Wie spät mochte es wohl jetzt sein? War es draußen schon dunkel? War die Party noch im Gange, oder lagen alle schon in ihrem Bett. Bei dem Gedanken an ihr Bett verspürte Gwen so etwas wie Wehmut. Wie gern würde sie jetzt darin liegen und schlafen, als hier auf diesem dreckigen Boden zu sitzen und vor sich hin zu grübeln. Gwen lehnte den Kopf an den Balken und schaute zur Decke hoch. Versuchte ihre Gedanken auf was anderes zu lenken. Morgen wird sie sich eine große Portion Schokoladenpudding nehmen. Egal was die Köchin sagt. Und dann wird sie Jenna einspeeren. Der zweite Gedanke entlockte ihr ein schwaches schadenfrohes Lächeln. Doch das verschwand, als sie erneut dieses Geräusch hörte und dieses Mal war es lauter und deutlicher zu hören. Es hörte sich an wie ein Klicken. Wie wenn Steine aufeinander fielen. Gefolgt von einem…Schmatzen. Gwens Herz begann wieder zu rasen und vergessen waren die Gedanken an den nächsten Tag. Auch wenn sie nicht wusste, was dieses Geräusch verursacht hatte, ließ es sie dennoch erstarren vor Schreck. Es klang unheimlich, nicht natürlich. Angestrengt starrte sie in die dunkelsten Ecken, in der Hoffnung dem Ursprung dieses Geräusches auf die Spur zu kommen. Dabei wünschte sie sich insgeheim auch, ihn nicht zu finden. Irgendwie fürchtete sie sich davor. Zuerst sah sie erneut nichts, doch dann schien sich plötzlich was verändert zu haben. In einer Ecke, die sie wohl mit den Augen wohl nur überflogen hatte, schien sich nun doch etwas zu befinden. Etwas Unförmiges. Zuerst dachte sie, es seien Steine, die an einfach nur aufeinander gestapelt hatte. Als sie jedoch einige Male blinzelte und genauer hinsah, erkannte sie, um was es sich hierbei wirklich handelte. Eier! Eier? Was zum Teufel machen denn Eier hier? Und wie sind Sie hier her gekommen? Gwen wollte schon glauben, dass sie sich das alles nur eingebildet hatte. Sicher spielte ihr Verstand vor lauter Panik einen Streich. Ja, so musste es sein. Aber als sie noch einma hinsah, musste sie feststellen, dass sie sich das nicht eingebildet hatte. Diese Eier waren wirklich da. Es mussten ungefähr sechs oder acht sein. Und sie waren ungewöhnlich groß. Und was Gwen noch mehr ins Auge stach, war, und das ließ Gwens Herz stocken, der Riss, der sich durch die Schale von einem der Eier entlang zog. Gwens Augen weiteten sich und sie hatte nur einen Gedanken: Etwas war in diesen Eiern und dieses Etwas war gerade dabei zu schlüpfen! „Darf ich um Eure Aufmerksamkeit bitten!“ Die Stimme holte mich aus meinen konfusen, panischen Gedanken und ich drehte mich zur Bühne herum. Wie durch Milchglas sah ich, wie auf dieser ein Mann stand, der feierlich die Arme ausgestreckt hatte und in die Menge grinste. Ich konnte ihn nur schwer einordnen. Sicher ein Lehrer. Zumindest sah er so aus. Streng zurück gekämte Haare, ordentlicher Aufzug. Und ziemlich steif. Außerdem machte er nicht den Windruck als würde er hier für die Aufsicht zu ständig sein. Sondern viel mehr als Zeremonienmeister auftreten. Außerdem schien er mir eine Spur zu breit zu grinsen. Sofort meldeten sich in mir tausend Alarmsirenen. Da stimmt was nicht, schrie mir eine Stimme zu. Ich schon mich durch die Menge nach vorne. Ignorierte dabei die erbosten Blicke und die geflüsterten Beschwerden, als ich einige der Schüler beiseite schob. Josh folgte mir. Ich schaute über die Schulter zu ihm und sah, dass auch er ein ungutes Gefühl hatte. Als wir dann vorne an der Bühne standen, schien der Lehrer seine Kunstpause beeden zu wollen. „Ich möchte mich bedanken, dass Ihr alle gekommen seid. Heute Abend feiern wir den Geburtstag einer unserer lieben Schülerinnen und zur Feier dieses Tages möchten wir Ihr und Euch ein besonderes Geschenk machen!“ Bei dem Wort Geschenk krampfte sich mein Magen zusammen und die Alarmsirenen schrillten noch lauter. Ich konnte mir schon denken, was für ein Geschenk sie ihnen machen wollten. Wieder fanden meine Finger das Dornenarmband. Es schien mittlerweile zu einer Angewohnheit von mir geworden zu sein, dass ich immer danach griff. In meinem Kopf überlegte ich fieberhaft, welche Waffe ich einsetzen sollte. Die Sense? Nein, zu groß. Ich hätte hier keinen Spielraum. Zuviele Leute. Und die Bratpfanne? Erst recht nicht. Damit kriege ich höchstens einen. Kurz blitzte eine Szenerie in meinen Gedanken auf, in der ich mich auf einem Haufen von niedergeschlagenen Wurmmonstern, stehen sah. Mit der Bratpfanne in der Hand, die ich triumphierend hochhielt. Das war so absurd, dass ich ein Grinsen nichte verhindern konnte. Doch Josh holte mich wieder zurück, in dem er mir seinen Ellenbogen in die Rippen stieß. „Was grinst du denn so?“, raunte er mir zu und das gleiche fragte ich mich auch. „Sorry. Musste nur an was…komisches denken!“ Josh öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder. „Wieso macht er das so spannend?“, fragte jemand. „Frage mich was das wohl ist!“, sagte ein andere und nun unterhielten sich auch die anderen Schüler. Nur Josh und ich waren still und schienen die einzigen zu sein, die das mit großer Skepsis sahen. Außerdem waren wir in Sorge um Gwen. Was hatte man mit ihr gemacht? Wo hattte man sie hingebracht? Ging es ihr gut? Oder war sie…? Ich schüttelte den Gedanken ab und versuchte mich auf das zu fokusieren, was sich da vor mir abspielte. Verstohlen schaute ich zum Vorhang. Das Glimmen war nun etwas stärker geworden. Und ich fragte mich wielange es dauern würde, bis das Ding endlich in Flammen aufging. „Wie ich sehe, könnt Ihr es kaum noch erwarten, um welches Geschenk es sich hierbei handelt. Und ich will Euch nicht länger auf die Folter spannen!“, erklärte er. Und anstatt zu sagen, was genau hier verschenkt wurde, verdrehte er die Augen. Soweit bis die Pupille verschwand und nur das weiß seiner Augäpfel zu sehen war. Einige der Schüler stießen erschrockene Rufe aus. Auch ich gehörte dazu. Das passierte so plötzlich, dass ich mich nicht darauf vorbereiten konnte. Josh machte einen Schritt zurück. „Was zur Hölle…?“ Hölle! Das traf es ganz genau. Die würde hier gleich losbrechen. Meine Gedanken überschlugen. Wollte schon vorspringen und ihm gleich den Schädel spalten. Doch ehe ich das in die Tat umsetzen konnte, ging die Verwandlung weiter. Langsam öffnete er den Mund und etwas wand sich dann aus diesem heraus. Zuerst dachte ich es sei seine Zunge. Was sowie so schon ekelhaft war. Aber als dann noch eine zweite Zunge, eine dritte und eine noch vierte aus seinem Mund hervorkam, war ich mir sicher, dass das keine Zungen war. Und auch die anderen schienen zu kapieren, dass es hier nicht mit rechten Dingen zuging. Sicher hatten sie zuerst an einen Scherz gedacht, als der Mann die Augen verdreht hatte. Doch nun als sie sahen, dass sich mehrere „Zungen“, aus seinem Mund krochen, ahnten sie dass das kein Scherz war. Wo die Ausrufe schon vorher entsetzt waren, wurden diese nun panisch und einige wischen zurück. Josh fasste mich am Arm. Ich schaute kurz zu ihm und sah das Entsetzen in seinem Gesicht. Er hatte wohl mit einigem gerechnet, aber nicht damit. Ich auch nicht. Auch wenn ich wusste, was da auf uns zukommen würde. Aber dieser Anblick war wirklich erschreckend. Vorallem weil er nicht der einzige war. Nun drehten sich einige der Schüler um und auch ihre Augen waren verdreht und aus ihren Mündern schlängelten sich ebenso diese widerlichen Dinger, die ich allmälich als Tentakel erkannte. Mir wurde schlecht. Doch ich kämpfte gegen diese Übelkeit und machte mich innerlich auf einen Angriff gefasst. Dabei huschte mein Blick über diese Monster und zählte sie. Unter ihnen war auch Louisa. Also hatte ich mich nicht geirrt. Trotz dass ich mich in meinem Verdacht bestätigt fand, hatte ich mir gewünscht, dass dem nicht so war. Immerhin wollte sie sicher nicht freiwillig zu ihrem Club gehören. Und ich hoffte, dass ich sie irgendwie retten konnte. Ohne ihr körperlichen Schaden zu zu fügen. Wie auf einem Schlachtfeld standen die normalen Schüler, Josh und ich auf der einen Seite und die Monster auf der anderen. Sie starrten uns an, mit ihren milchig trüben Blicken und den zuckenden Tentakeln, die nach ihrer Beute tasteten. Minuten lang rührte sich keiner. Weder von uns noch einer von diesen Dingern. Dann aber, wie auf einen unsichtbaren Befehl, stürzten sie nach vorne und reckten ihre Arme nach uns. Sogleich brach Panik aus. Wie eine aufgeschreckte Viehherde stoben die Schüler auseinander und stürmten sofort zur Türe. Josh und ich machten auch, dass wir aus ihrer Reichweite kamen. Aber wir machten uns nicht die Mühe zu den Türen zu rennen, da wir wussten, dass sie geschlossen waren. Als sie es auch merkten, liefen sie durcheinander und vollkommen kopflos herum und versuchten es nun mit den Fenstern. Die leider viel zu hoch lagen, als dass man da ohne irgendwelche Hilfe rankommen konnte. Es war die perfekte Falle. Und wir sind hineingetappt. Einige der Schüler wurden immer von drei dieser Monster überwältig, zu Boden gerissen und während zwei ihn festhielten, hatte sich der dritte an ihn gesetzt und über ihn gebeugt. Dass alles geschah wie in Zeitlupe. Zumindest für mich. Minuten, die mir allerdings wie Stunden vorkamen, blieb ich stehen und konnte nur zusehen. Ich kam mir in diesem Moment so überrollt vor, dass ich zu keiner anderen Handlung fähig war. Wie sollte ich sie alle erledigen? Konnte ich sie denn alle erledigen? Wo ich vorher noch so entschlossen und wild darauf war, endlich diese Monster nieder zu machen, spürte ich nun absolute Hilflosigkeit. Und noch etwas anderes. Es war kalt und legte sich um mein Herz, um es zusammen zu pressen. Machte mir das Atmen schwer. Eigentlich sollte ich mich in das Getümmel stürzen und jeden von ihnen fertigmachen. Aber ich konnte mich einfach nicht rühren. Wieso zum Teufel nur? Wieso schaffte ich es nicht mich zu bewegen? „Ashley…!“ Wie aus weiter Ferne hörte ich Joshs Rufen und ich drehte mich zu ihm herum. Sah wie er auf mich zu rannte. In seinen Händen ein Stuhl, den er hochriss, deutlich mit der Absicht diesen als Waffe zu benutzen. Für einen kurzen, irrwitizigen Momten dachte ich, dass er diese Waffe wollte gegen mich einsetzen wollte, doch dann, als er bei mir war, stieß er mich zur Seite und schlug den Stuhl in einem weitausgeholten Bogen einem dieser Monster mitten ins Gesicht. Das Holz des Stuhls zerbrach mit einem lauten Krachen und das Monster taumelte zurück. Hart schlug ich auf dem Boden auf und meine Welt geriet ins Wanken. Doch es hatte auch etwas Positives. Solangsam löste ich mich aus meiner Starre und wurde wieder Herrin meiner Sinne. Gewann wieder die Kontrolle über meinen Körper und ich rapelte mich auf. Josh packte mich am Arm und schüttelte mich. „Was machst du denn? Willst du etwa von diesen Dingern gefressen werden?“ Joshs Frage schlug eine Saite in mir an, die sogleich zum Schwingen kam und Wellen von etwas wie neuer Kraft aussahnte. Sie durchströmten mich und vertrieben die Angst und die Hilflosigkeit. Gwenys Gesicht tauchte in meinem Geist auf. Sie blickte mich ängstlich an und rief nach mir. „Ashley…bitte…hilf mir!“ Ich konnte ihre Rufe deutlich in meinem Kopf hören und auch ihre Angst. Und genau das war wie ein Katalysator. Gab mir neue Kraft und meine eigene Angst fiel von mir an. Josh hatte Recht und er war der einzige, der das richtige tat. Er ergriff die Initiative und griff die Monster an. Das sollte ich auch. Ich schnappte mir ebenso einen Stuhl und warf diesen dem nächsten besten Wurmmonster an den Schädel. Die anderen beiden, die ihr Opfer festgehalten hatten, richteten sich auf und sahen mich zuerst verwirrt an. Dann aber sahen sie mich voller Hass an und stürzten auf mich zu. Oh nein…Das könnt Ihr vergessen, dachte ich, sprang selbst auf sie zu, und streckte den Arm nach hinten. Als ich ihn wieder nachvorne riss, knallte es und die beiden Monster wurden zurück geschleudert. Zuerst verstand ich nicht, was genau sie mit solch einer brachialen Gewalt mit vom Leib gehalten hatte. Als ich dann aber zu meiner Hand schaute, begriff ich. Ich meiner Hand hielt ich eine Peitsche. Ohne zu zögern und von neuem Kampfgeist erfüllt, schwang ich diese. Ließ sie knallen und zeigte somit, dass ich mich nicht so einfach ergeben würde. Dabei kam ich ich mir wie eine Löwendompteurin…oder vielmehr wie Catwoman. Dabei war es ein Wunder, dass ich mich selbst nicht verletzte. Oder auch Joshua. Denn er hörte nicht auf, diese Monster an zu greifen. Die Monster wichen vor uns zurück. Machten uns Platz und trotz dass ihre Augen milchigtrüb waren, konnte ich die Unsicherheit in diesen sehen. Sie hatten wohl nicht damit gerechnet, dass man sich gegen sie wehren würde. Als Joshua und ich einige der Schüler von den Monstern losreissen konnten, mit Stuhlbein und Peitschehieben, schrie er diese sogleich an. „Los, steht auf! Wehrt Euch gefälligst und helft den anderen!“ Es dauerte einige Wimpernschläge, dann aber bergriffen sie und schnappten sich nun selbst einige Stühle, brachen sie auseinander und gingen auf die Ungeheuer los. Ich stieß einen Jubelschrei aus. So schnell konnte sich das Blatt wenden. So verrückt das auch war. In Horrorfilmen lief es nicht so ab. Aber so richtig freuen darüber konnte ich mich nicht. Es gab nämlich noch ein Problem. Das Feuer! Es hatte sich nun weiter hoch gefressen und die ersten sichtbaren Flammen züngelten dem Vorhang herauf. Aber keiner schien es bermekt zu haben. Bis jetzt. Ich konnte nur hoffen, dass Brian wusste, was er tat. Wir drängten die Ungeheuer zurück. Diese wiederum versuchten der Situation wieder Habhaft zu werden. Es war ein vor und zurück. Ein wildes Durcheinander aus Kämpfenden und Angreifern. Einige der Schüler, die schon von ihnen infiziert zu sein schienen, lagen reglos da und starrten ins Nichts. Waren sie tot, schoss es mir durch den Kopf und kalte Angst packte mich. Nein, sie stehen nur unter Schock, tröstete mich Eriks Stimme. „Kann man sie noch retten?“ „Noch ist es nicht zu spät!“ Das reichte mir. Auch wenn ich nicht wusste, wie man sie noch retten konnte, schöpfte ich aus seinen Worten Hoffnung. Einige der Monster, die hinter den Kämpfenden standen, schauten ratlos zu ihrem Anführer. Der, der sich zuerst verwandelt hatte und der nun vor Wut schäumte, weil sein Plan nicht so aufgegangen war, wie er es sich erhofft hatte. Der Blick seiner widerlich-michligen Augen hatte sich auf mich geheftet, dass konnte ich trotz dieses Chaoses sehen und ich sah auch Hass in diesen aufblitzen. Mein Blick begegnete dem seinen und wieder stand die Zeit still. Es war aber nicht wie beim ersten Mal, als ich ohnmächtig von Hilflosigkeit dastand und zu keiner Handlung fähig war. Eher so als wenn man seinem Feind endlich in einem langersehnten, finalen Kampf gegenüber stand. Und es kaum noch erwarten konnte, diesen zu besiegen. Ich kreiste die Schulter an dem der Arm hing und dessen Hand ich wiederum die Peitsche hielt. Dann machte ich einen Schritt zurück und winkte ihm herausfordernd zu. Los, komm her. Du Wurm. Versteck dich nicht hinter deinem Fußvolk! Dieser schien meine stumme Aufforderung gehört zu haben, denn der stürzte sich nun selbst ins Geschehen. Ungeachtet, was sich um ihm herum abspielte, bahnte er sich seinen Weg zumir hindurch. Ich ließ ihn erst gar nicht nahe an mich heran kommen, sondern holte aus und ließ die Peitsche auf ihn zu schnellen. Die Schlinge wickelte sich um seinen Hals. Sogleich riss ich daran, wollte ihn zu Fall bringen. Doch mein Gegner stempte die Füße in den Boden und machte so meinem Versuch zu nichte. Aber soleicht wollte ich nicht aufgeben. Mit einem weiteren, dieses Mal festeren Ruck riss ich an der Peitsche. Der feste Stand des Monsters geriet kurz ins Schwanken, fing sich aber wieder sehr zu meinem Ärger. Er begriff was ich vorhatte und wollte es mir nun mit gleicher Münze heimzahlen. Mich nun auch zu Boden bringen, um über mich her zu fallen. Oh nein. Nicht mit mir. So standen wir da. Starrten uns an und versuchten den anderen zu Fall zu bringen. Es glich wie bei einem Tauziehen. Nur wenn einer von uns fällt, hat er für immer verloren. Ich musste einsehen, dass das keinen Sinn hatte. Wir konnten ewig so weitermachen, und es würde zu nichts führen. Frust und Wut erfasste mich. Aber auch kalte Entschlossenheit. Na schön, dachte ich. Dann reiße ich ihm eben den Kopf vom Hals. Ich griff mit der einen Hand etwas weiter vorne die Peitsche, sodass ich einen besseren Griff hatte. Und zog wieder. Hoffte dabei, dass ich es schaffen würde. Ich riss mit aller Kraft, die ich noch hatte und sah erstaunt, aber auch voller Freude, dass ich diese wirklich hatte. Die Augen des Monsters quollen aus den Höhlen hervor. Sein Griff um die Peitsche wurde erst stärker, wehrte sich noch mal dagegen, doch dann aber gaben sie nach. Das Leder der Peitsche drückte sich immer fester in den Hals des Monsters und ich glaubte sogar das Knacken von Knochen zu hören. Für einen kurzen Moment glaubte ich, dass ich es wirklich schaffen könnte. Ihm dem Kopf abreißen. Doch dann explodierte ein Schmerz in meinem Rücken und meine Beine gaben nach. Wie ein nasser Sack ging ich zu Boden. Die Peitsche entglitt meinen Händen. Meine Sicht verschwamm und ich wusste erst mal nicht, was passiert war. Arme schoben sich unter meine Achseln, hielten mich fest. Erst als ich die Stimme dicht an meinem Ohr hörte, dämmerte mir, was oder wer dahinter steckte. „Netter Versuch, Chatte!“ Jenna! Wo kam die auf einmal her? Ich hatte sie in der Menschenmenge nicht gesehen? Oder hatte sie sich irgendwo versteckt? Es musste so sein, anders konnte ich es mir nicht erklären. Und meine Verwirrung wurde nun zu Wut. Plötzlich schien alles Sinn zu ergeben. Zumindest was Gwen anging. Jenna musste dafür gesorgt haben, dass sie verschwunden war und nun wollte sie mir an den Kragen. Zuerst begriff ich nicht, wieso sie nicht auch angegriffen wurde. Wenn sie mitten unter den anderen war, versteckt zwar, aber dennoch hier, wieso hatten die Monster sie nicht auch attackiert. Die Antwort kam mir schnell und mit der Wucht eines Lastwagens: Sie machte gemeinsame Sache mit Ihnen! Mein Erstaunen schlug schnell zur rasenden Wut um. Konnte dieses Biest nicht einmal die Füße still halten? War sie wirklich so darauf aus, mich endgültig fertig zu machen, dass sie mit diesen Monstern arbeitete? Hatte sie den Verstand verloren? „Was wird das, Jenna? Bist du verrückt geworden?“, fuhr ich sie an. „Denkst du, diese Dinger werden bei dir eine Ausnahme machen? Was glaubst du, was danach passiert, wenn sie mit mir fertig sind? Dann werden sie dich auch…!“, redete ich ihr ins Gewissen, auch wenn ich mir sicher war, dass sie keines besaß. Jenna lachte hähmisch. „Das glaube ich kaum. Wir haben eine Abmachung. Ich helfe Ihnen, dich zu beseitigen, und dafür lassen sie mich in Ruhe!“, säußelte sie. „So oder so. Ich kriege, was ich will!“ Ich wollte mich aufbäumen. Mich von ihr los reißen und ihr das Gesicht zertrümmern. Aber ich begnügte mich, sie verbal an zu greifen. „Wenn du das wirklich glaubst, bist du genauso blöd, wie du hässlich bist!“ Und damit meinte ich ihre innere Hässlichkeit. Jenna schnaubte nur. Offensichtlich war ihr das egal. Sie wandte sich dann an den Anführer. „Was ist jetzt? Erledigst du sie jetzt oder was?“ Dieser schien es zu ignorieren, dass sie ihm einen Befehl gebeben hatte. Dass sie mich festhielt und ihm damit half, mich aus dem Weg zu räumen, schien ihm darüber hinweg sehen zu lassen. Er kam auf mich und beugte sich nach vorne und griff in mein Haar. Ich konnte einen Schmerzensschrei nicht unterdrücken, als sich seine Finger wie Krallen in meine Kopfhaut gruben und meinen Kopf nachhinten zog, sodass mein Gesicht zu ihm emporgereckt wurde und ich ihn ansehen musste. Am liebsten hätte ich die Augen geschlossen. Ich wollte es nicht sehen. Sein Gesicht, sein Mund, aus diesem diese ekelhaften Tentakeln und die nach meinem Gesicht tasteten. Und immer näher kamen. Gleich würden sie meine Haut berühren und… „Feuer! Feuer!“ Keine Ahnung, wer das Feuer als erstes gesehen hatte und die anderen darauf aufmerksam machte, aber es gab mir die Gewissheit, dass es sich endlich weit genug ausgebreitet hatte. Ich schielte vorbei an dem Monster und sah, dass die Hälfte nun lichterloh brannte. Ein Lächeln huschte mir über das Gesicht. Wurde auch langsam mal Zeit. Eine neue Panik brach aus. Nicht mehr die Monster waren die Gefahr, sondern das Feuer. Beide Seiten, sowohl Schüler als auch Monster stoben auseinander und versuchten nun sich in Sicherheit zu bringen. Doch auch hier versperrte ihnen die verschlossene Tür den Fluchtweg. Nun saßen sie selbst in ihrer eigenen Falle. Der Anführer der Monster und Jenna wussten nicht, wie sie darauf reagieren sollten und so waren sie kurz abgelenkt. Das nutzte ich. Riss mich aus ihrem Griff und sprang auf die Beine. Noch bevor sie etwas machen konnte, stieß ich sie von mir weg. Dann widmete ich mich dem zweiten Gegner. Dieser vergeudete keine Zeit. Kaum dass ich mich ihm zugewandt hatte, stürzte er sich auf mich. Warf mich zu Boden und umfasste mit seinen Klauen meinen Hals. Drückte unbarmherzig zu. Ich schlug mit den Fäusten auf seine Arme ein, rammte dabei meine Knie auch in seinen Bauch, um ihn endlich los zu werden. Aber davon ließ er sich beeindrucken. Er hatte nichts mehr zu verlieren. Es war für ihn klar, dass er aus dieser Sache nicht mehr heil rauskommen würde. Keiner von ihnen. Also konnte er auch mit wehenden Fahnen untergehen. Und dabei wollte er mich mit sich nehmen. Sterne explodierten vor meinen Augen und ich merkte, wie mir die Sinne schwanden. Lange würde ich das nicht durchhalten. In meinen Gedanken rief ich nach Erik. Dass er mir zur Hilfe kommen würde. Es passierte einfach. Trotz dass ich immernoch Bedenken hatte, was ihn und die zweifelhafte gemeinsame Vergangenheit/Bekanntschaft mit meiner Mutter betraf. Es war wie der Griff nach einer rettenden Hand. Da spielte es auch keine Rolle, um was für eine Hand es sich handelte. Man griff einfach danach. Aber Erik kam nicht. In einem Moment, der flüchtig wie ein Wimpernschlag war, aber sehr intensiv, erstarrte ich vor Angst. Wieso kam Erik nicht und half mir? War er nicht mein Beschützer? Hatte er das nicht immer gesagt? Warum also rette er mich jetzt nicht? Ein einziger, schrecklicher Gedanke ging mir plötzlich durch den Kopf und lieferte mir die grausame, aber durchaus logische Antwort auf meine Fragen. Wieso sollte er mir helfen, wenn ich ihm nicht vertraue? Bittere Reue breitete sich in mir aus, vertrieb die Angst und ließ mir die Tränen in die Augen kommen. Wie konnte ich nur so dumm…so blind sein? Ich brauchte ihn jetzt mehr denn je, und er kam nicht. Nur weil ich so… Eine Stimme in meinem Kopf sagte mir, dass es jetzt keinen Sinn hatte, darüber nach zu denken. In wenigen Minuten wäre alles vorbei. Eine ungewohnte, furchteinflössende Gleichgültigkeit erfasste mich. So als hätte mein Verstand sich schon längst damit abgefunden. Ergeben schloss ich die Augen. Wartete auf das Ende. Fühlte, wie ich das Bewusstsein verlor. Wie mein Geist sich auflöste. Aber auch etwas anderes. Regen! Regen? Aber woher…? Ein Röscheln durchbrach meine wirren Gedanken. Der Griff um meinen Hals war verschwunden und ich konnte wieder atmen. Gierig sog ich Luft in meine Lungen und kroch rückwärts weg. Die Sicht, zuerst verschwommen, wurde mit jedem Atemzug, den ich tat, klarer und ich erkannte nun warum das Monster, dass mich vorher erwürgen wollte, röschelte. Und dass der Regen, gar keiner war. Sondern das Wasser des Feuerbekämpfungssystems, welches sich hoch über unseren Köpfen befand und angesprungen war, als das Feuer höher schlug und der Rauch die Sprengler erreicht hatte. Binnen von Sekunden und ich war von dem Wasser vollkommen durchnässt. Ich blickte dann hoch zu den Sprenglern, die unaufhörlich Wasser auf uns niederregnen ließen. Trotz dass ich froh war, dass diese Monster das Wasser nicht zu vertragen schienen und somit erledigt wurden, fragte ich mich auch, wie normales Wasser so eine Wirkung haben konnte? Aus reiner Neugier öffnete ich den Mund und ließ einige der Tropfen hinein. Schmeckte und stellte verwirrt fest, dass es salzig schmeckte. Salzwasser?! Aber wie… Der Anführer war der erste, der zu Boden ging. Er zuckte noch einige Male, dann blieb er reglos liegen. Dann folgten die anderen. Einer nach dem anderen dieser Monster fiel um. Zappelte noch etwas, ehe auch dieser regungslos. Zuerst kapierte ich nicht, was hier vorging. Wieso diese Monster so empfindlich auf dieses Wasser reagierten. Als habe es irgendeine allergische Wirkung auf sie. Dann war es vorbei. Von jetzt auf gleich. Es fühlte sich irgendwie seltsam an. So als habe es den Kampf nicht gegeben. Nur die toten Körper der Monster erinnerten daran. Die letzten Minuten schienen wie in weiter Ferne gerückt zu sein. Igrendwann hörte der Regenschauer auf und dann herrschte Ruhe. Es war die Art von Ruhe, nach einem Sturm. In der man nicht weiß, was man tun sollte. In der man sich fragt, was als nächstes passierte. Ob es vorbei war oder schlimmer wurde. Eine Hand fasste mich an der Schulter. Sofort sprang ich auf die Füße und wollte demjenigen schon einen Schlag ins Gesicht geben. Konnte mich aber noch bremsen als ich sah, dass es Josh war. Ich atmete erleichtert auf. Josh, sichtlich erschöpft, war ebnso erleichtert. Er ergriff meine Schultern und sah mich besorgt an. „Ashley? Alles okay?“ Sein Blick fiel auf meinen Hals und er wurde bleich. Noch bleicher als vorher. Mein Hals musste furchtbar aussehen. Ich widerstand dem Drang, diesen ab zu tasten um fest zustellen, wie schlimm es wirklich war. Sicher war er grün und blau. Ich nickte nur. Josh stieß einen tiefen Seuzfer aus. Er sah erschöpft aus aber auch froh, dass es vorbei war. Langsam ließ er dann den Blick über das Schlachfeld gleiten. Schüttelte den Kopf. „Ich kann das immer noch nicht glauben!“, murmelte er. „Ich dachte, es ginge hier nur um Drogen. Aber das…!“ Mit einer Armbewegung, die alles umfassen sollte, vervollständigte er seinen Satz. Ich wusste ja, was auf uns zukam, dennoch verstand ich ihn. Das alles ging deutlich über seinen Horizont hinaus. Ich wollte ihm gerade beipflichten, als die Tür von außen einen Schlag bekam. Wir drehten uns alle zu dieser und sahen, wie ein weiterer Schlag dagegen donnerte. So stark, dass das Holz knarrte und die Schnaiere jämmerlich und protestierend quietschten. Einige der Schüler stöhnten entsetzt auf. Und ich hätte mich ihnen angeschlossen. Hatten wir uns zu früh gefreut? Lauerten da draußen noch mehr von diesen Viechern? Hatten sie mitgekriegt, was mit ihren Kumpels passiert ist und wollten nun Rache nehmen? Bei dem Gedanken, dass da draußen noch mehr von diesen Viechern waren, die nun rein wollten, um uns den Rest zu geben, wurde mir schlecht. Dennoch würde ich weiter kämpfen. Es half nichts, rum zu jammern und sich selbst zu mitleiden. Auch Josh war zuerst erschrocken, aber er riss sich dann zusammen und hielt schützend eines der abgebrochenen Stuhlbeine wie einen Knüppel vor sich. „Wieviele von diesen Mistviechern gibt es denn noch?“ Eine zeimlich gute Frage. Ich bezweifelte allerdings, dass einer von uns die Antwort wirklich wissen wollte. Nun wurden die Schläge stärker. Als würde jemand mit einem Rambock dagegen donnern. Das Holz knackte und ich glaubte sogar einige Risse darin zu sehen. Die Angeln und Schaniere kreischten nun und es schmerzte in meinen Ohren. Ich hoffte, dass sie noch ein klein wenig durchhalten würden. Solange bis wir uns etwas erholt und neue Kraft gesammelt hatten. Aber leider wollten die Türen uns diesen Gefallen nicht tun. Denn nach ein zwei weiteren Schlägen, flogen sie auf und hingen schief in den Halterungen. Ich spannte jeden Muskel in mir an und machte einen Satz, um die nächste Welle von Feinden entgegen zu kommen und ihnen nicht die Chance zu geben, zuerst an zu greifen. Doch als ich dann sah, wer da stand und die Türe eingetreten hatte, blieb ich sofort stehen und konnte einen Freudenruf nicht unterdrücken. Lex und Fay! Alle Anspannung und Sorge fiel von mir ab und ich lief auf sie zu. Froh sie zu sehen und dass es nun wirklich vorbei war. Fay kam mir entgegen. Fasste mich an den Schultern und sah mich erleichtert an. Was schnell in Sorge umschlug als ihr Blick auf meinen Hals fiel. „Alli…oh Gott…was…!“, keuschte sie und hob die Hand. Ich schüttelte den Kopf. Gab ihr so zum verstehen, dass alles okay war. Fay sah sich um. Ihr Blick schweifte über die leblosen Körper, die überall im großen Saal lagen und in ihrem Gesicht spiegelte sich Ekel. Aber auch bittere Erkenntnis. „So viele! Ich hatte gehofft, dass es weniger wären!“, murmelte sie vor sich hin. Ich konnte ihr da nur zu stimmen. Auch ich war geschockt, dass es so viele gewesen waren. Dass es sie alle erwischt hatte, glich einem kleinen Wunder. Die jenigen, die „frisch“, infiziert wurden, lagen immer noch da und rührten sich nicht. Ein Anflug von Angst und Sorge kam in mir hoch und ich fragte mich, ob man sie wirklich noch retten konnte. Mein Blick schweifte zu Louisa. Hoffentlich war sie noch zu retten. Auch wenn ihr Anblick alles andere als Rettung verspricht, wollte ich es dennoch nicht akzeptieren. Dabei wunderte es mich, dass ich so sehr darauf hoffte. Immerhin hatte ich kaum etwas mit ihr zu tun. Sie war nicht gerade eine enge Freundin von mir. Anders als Gweny… Oh Gott…Gweny! Wie konnte ich sie vergessen? Sie schwebte immernoch in Gefahr. Und wenn ich sie nicht bald finden würde, dann… Ich wirbelte auf dem Absatz herum. Hastig und wild entschlossen suchte ich nach Jenna und fand sie nach wenigen Minuten. Sie hatte sich in die hinterste Ecke verkrochen und wohl gedacht, dass ich sie nun nicht mehr beachten würde. Aber da hatte sie sich geirrt. Ich schritt auf sie zu, stieß dabei einige der Umherstehenden einfach beiseite. Als ich bei ihr, zögerte ich nicht, packte sie am Kragen und zog sie nahe an mich heran. „Wo ist sie?“ Meine Stimme war nicht mehr als ein Krächzen. Aber das interessierte mich im diesem Moment nicht. Sondern wo Gweny war. Jenna blinzelte und in ihren Augen sah ich, wie sie mit dem Gedanken spielte, sich dumm zu stellen. Ich schüttelte sie und lag all meinen Hass und meinen Zorn auf sie in meinen Blick. „Sag mir, wo…sie…ist!“ Kaum dass die ersten Larven aus den Eiern geschlüpft waren, krochen sie schon auf Gwen zu. Sofort war sie auf die Füße gesprungen und kaum dass sie ihr zu nahe gekommen waren, trat sie nach ihnen. Es gab ein widerliches Geräusch, als sie eine der Larven mit ihrem Schuh zerquetschte. Und eine Pfütze aus grünem Schleim bildete sich darunter. Gwen verzog angewidert das Gesicht, trat dann aber weiter als die anderen Larven nachrückten. Und während sie sich diese Biester vom Leib hielt, hoffte sie, dass Ashley schon auf den Weg auf sie war. Lex hatte Jenna den Arm auf den Rücken gedrehte und schob sie vor sich her. Während Fay und ich ihnen folgten. Zuerst hatte sich Jenna gesträubt, Gwenys Versteck zu verraten. Aber als Lex ihr damit gedroht hatte, dass sie eine ziemlich deftige Gefängnisstrafe erhalten würde, wenn sie es nicht tat, wurde sie kooperativer. Es stand außer Frage, dass sie ebenso Schuld an dem ganzen hatte. So liefen wir durch den Wald und als die Hütten näher kamen, beschleunigte ich meine Schritte. Fay hielt mich zurück. „Wir wissen nicht in welcher Hütte sie ist!“, raunte sie. Sie hatte Recht. Es würde zu lange dauern, wenn wir blindlinks jede Hütte durchsuchten. Aber würde uns Jenna überhaupt die richtige Hütte zeigen? Ich hatte da ehrlich gesagt meine Zweifel. Ich traute ihr durchaus zu, dass sie uns austricksen und sich dann aus dem Staub machen würde. Auch Lex schien das zu vermuten, denn er verstärkte den Griff und schob sie weiter. „Wo habt Ihr sie versteckt?“, knurrte er. Jenna zögerte. Zu lange für Lexs Geschmack. Er drehte ihr noch mehr den Arm auf den Rücken, sodass sie auf schrie. „Sag es, oder ich breche dir den Arm!“, drohte er. Und der Klang seiner Stimme ließ keinen Zweifel zu, dass er es tun würde. Jenna schluckte und zeigte mit dem freien Arm auf die Hütte schräg vor uns. Ich lief darauf zu, griff den Knauf und zog daran. Doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Sie war verschlossen. Was anderes hätte ich eigentlich nicht erwarten sollen. Ich schrie wütend auf. Riss fester an der Tür. Wollte sie aus den Angeln reißen. Hatte aber natürlich nicht die Kraft. Fay nahm mich an der Schulter und schob mich sanft zur Seite. Ich sah sie nur an. Ohne ein Wort zu sagen, stemmte sie sich mit ihrer Schulter dagegen und anders als die Saaltür gab diese sogleich nach dem ersten Versuch nach. Die Tür flog auf und wir stürmten hinein. „Gweny!“, schrie ich. Aber ich hätte mir das sparen können. Meine Stimme, vielmehr mein Kehlkopf war dermassen lediert, dass ich keinen vernünftigen Ton raus brachte. Fay rief dann anstelle meiner. „Gwen…bist du hier?“ Stille! Ich sah Jenna finster an. Wollte mich schon auf sie stürzen. Hatte sie uns doch verarscht?! Jenna sah wohl, was mir gerade durch den Kopf ging und machte einen nervösen Schritt nach hinten. Doch Lex hielt sie so gut fest, dass sie keine Chance hatte. „Wo!“ Das war das einzige, was ich sagte. Meine Augen mussten Funken gesprüht haben, denn sie schüttelte panisch den Kopf. „Sie…sie ist hier!“, rief sie. „Wirklich!“ „Gwen…!“, rief nun auch Lex. Wir lauschten und wieder nichts. Meine Sorge stieg. Aber meine Geduld sank und das Verlangen sie zu packen und zu würgen, wie es das Wurmmonster bei getan hatte, wurde stärker. Dann aber hörten wir etwas, was wie ein gedämpftes: „ Hier bin ich!“, klang. Zwar war er gedämpft, wie als wenn sie in einem anderen Raum war, aber dennoch war es ein Zeichen, dass wir hier richtig waren. Fay und Lex riefen weiter nach ihr und Gwen antwortete. Daher folgten wir ihrem Rufen und kamen dann in einem kleinen Nebenzimmer. Als sie dort jedoch nicht zu sehen war, suchten wir in allen Ecken, die vollgestellt waren mit Kisten und allen möglichen anderen Kram. War sie dahinter? In einer Kiste gesteckt, wie in einem Sarg? Mir wurde schlecht bei diesem Gedanken und ich drängte diesen beiseite. „Wo ist sie? Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit, Missy!“, knurrte Lex bedrohlich. Jenna, jenseits von Angst, wies mit dem Kinn auf den Bretterboden. Genauer gesagt auf einen alten ausgetretenen Teppich. Fay zögerte nicht, schlug den Teppich zurück und darunter kam eine Tür zum Vorschein. Diese war jedoch nicht verschlossen. Man dachte wohl, dass eine abgeschlossene Haustür reichen würde. Ein Glück für uns. Fay stiess die Tür auf, stieg die Stufen hinunter und wenige Minuten später hörten wir sie angewidert aufschreien. Ich folgte ihr und blieb mitten auf der Treppe stehen. Gwen war an einem der Stützpfosten gebunden und trat wie wild um sich. Fay ebenso und als ich genauer hinsah, musste ich einen Schrei des Entsetzens unterdrücken. Über den Boden krochen lauter kleiner widerlicher Würmer. Zogen eine Schleimspur hinter sich her, als sie auf Gwen zu krochen. Gwen hatte einige von ihnen zertreten, doch wann immer sie einen erwischte, tauchten fünf weitere aus und setzten ihren Weg fort. Einige von ihnen, die sie nicht erwischen konnte, krochen an ihren Waden hoch. Gwen schrie und zappelte, wollte die Biester loswerden. Fay stürmte auf sie zu und schlug blitzschnell mit ihrer Hand nach ihnen. Einer nach dem anderen fiel zu Boden, windete sich. Ohne den Blick von diesen widerlichen Dinger zu lassen, löste sie die Fesseln um Gwens Handgelenke, nahm sie an der Schulter und schob sie zur Treppe. Noch immer stand ich da und konnte einfach nur zu sehen. Alles schien sich wie erneut in Zeitlupe ab zu spielen. Reglos stand ich da und sah nur zu. Dabei hätte ich es sein sollen, die Gweny zur Hilfe kam. Nicht Fay. Ein Gefühl der Nutzlosigkeit breitete sich in mir aus. Machte mich bewegungsunfähig. Erst als Gweny die Treppe hoch kam, mich erleichtert aber auch erschrocken anschaute, kam ich wieder zu mir. Ich packte sie und zerrte sie die restlichen Stufen hoch, während Fay etwas hervorkramte, was mich an eine alte Laterne erinnerte und zündete sie an. Bevor Lex, mit Jenna, Gweny und ich aus der Hütte raus liefen, sah ich noch einmal über die Schulter und sah, wie Fay die brennende Laterne in den Keller auf. Sekunden später begann der Kellerraum zu brennen. In dem Tosen der Flammen glaubte ich die schrillen Schreie der Monster zu hören. Es klang so schrill und schrecklich, dass ich mir die Ohren zu halten musste. Dabei empfand ich auch Befriedigung. Die stetig wuchs, als das Feuer nun auf den Rest der Hütte überging und es binnen von Minuten auffraß. Mit den anderen Hütten machten wir das gleiche. Nur um sicher zu sein, dass das wirklich das einzige Versteck und die einzige Brutstätte war. Ich hielt Gweny im Arm und drückte sie fest an mich. Gweny selbst, erschöpft, froh und auch etwas traumatesiert fing an zu schluchzen. Was für Schrecken sie in den letzten Stunden ausgestanden haben musste, konnte und wollte ich mir nicht vorstellen. Es würde mich selbst nur noch mehr aufwühlen. So sagte ich mir immer wieder, dass es vorbei war. Dass Josh und Gweny nun in Sicherheit waren und dass es keines dieser Monster überlebt hatte. Und je öfter ich mir das sagte, desto erleichterter fühlte ich mich. Wenig später wurden die Schüler, die nicht infiziert wurden, untersucht und versorgt. Während die anderen, die nicht so viel Glück hatten, von Spezialisten beiseite genommen und auf das Genauste unter die Lupe genommen wurden. Inzwischen waren sie aus ihrer Ohnmacht erwacht und erhielten von den eben genannten Spezialisten eine „Impfung“. Zumindest erklärte es Fay so. „Was ist da drinnen?“, fragte ich aus reiner Neugier. „Eine Salzlösung. Nicht gefährlich für die Schüler aber für die Eier, die man in sie gepflanzt hatte!“, erklärte sie kurz und knapp. „Es funktioniert wie eine normale Impfung. Sie tötet die Viren und sorgt dafür, dass sie vom Körper abgestossen werden!“ „Mit anderen Worten: Sie werden für einige Tage lange auf der Toilette verbringen und…!“ „Stop!“, rief ich angeekelt weil ich ahnte, was Lex damit sagen wollte. „Keine Details mehr oder ich kotze!“ Lex grinste amüsiert. Ich ignorierte das und wandte mich dann Fay zu. „Wie…wie geht es denn weiter?“, fragte ich. „Was passiert mit denen, die…?“ Fays Gesicht verdüsterte sich. „Das ist leider eine heikle Sache. Die, die vorher schon infiziert waren, werden in eine spezielle Abteilung gebracht und behandelt. Wir können nur hoffen, dass man diese Dinger noch aus ihnen raus bekommen kann, ohne irgendwelche bleibenden Schäden!“ Ich musste unwillkürlich an Louisa denken. Es graute mir davor nach zu fragen, wie genau man sie behandeln würde. Die harmloseste Methode, die mir in den Sinn kam, war, dass man sie raus operierte. Oder ihnen einen Einflauf verpasste. Aber ich wollte nicht länger darüber nachdenken. „Und was ist mit…?“ „Die…Urheber von diesem ganzen Schlamasel hat es gleich nach der Salzdusche von den Socken gehauen!“ Salz!Also doch! Dennoch war ich erstaunt, dass es so einfach gewesen war, ihnen den Garaus zu machen. Fay grinste verschwörerisch. „Salz hat eine durchaus starke Wirkung bei solchem Ungeziefer!“ „Ich dachte, das funktioniert nur bei Schnecken?“ „Auch bei Dämonen ist Salz die beste Wahl um sie sich vom Hals zu halten!“, ergänzte Fay. Okay, gut zu wissen. „Wie habt Ihr das eigentlich hingekriegt?“ „Ganz einfach: Wir haben einen ganzen Sack Salz in die Wasserversorgung geschüttet und nur darauf gewartet, dass du Feuer legst!“ „Viel mehr haben wir es gehofft!“, mischte sich nun Lex ein und klang so, als habe er wirklich gedacht, dass ich es nicht hinbekomme. Ich schürzte empört die Lippen. So viel hätte er mir schon zu trauen können. Auch wenn ich selbst nicht wusste, warum zum Teufel ich Feuer legen sollte. Aber nun begriff ich es. Fay verdrehte die Augen. „Jetzt mach mal halblang, Lex. Sie hat es schließlich geschafft!“ „Ja, aber ohne…Joshs Hilfe hätte ich es sicher nicht geschafft!“, bemerkte ich und schaute dabei zu Josh, der gerade mit einem der Polizisten redete. Ich dankte ihm in diesem Moment tausendfach. Immerhin hatte er mir Deckung gegeben. Mir den Rücken freigehalten, als ich nur dastand und mich nicht rührte. Hatte mir in den Hintern getreten, damit ich wieder zu mir kam. Ich verdankte ihm viel. Ohne ihn wäre ich aufgeschmissen gewesen. Fay bemerkte natürlich, wohin ich hinsah und als sie meinem Blick folgte, sah sie wen ich anschaute. Ein kurzes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Er scheint ein netter Kerl zu sein!“, fragte sie dann. Ich nickte. „Ja, das ist er!“ Mein Blick glitt weiter zu Gwen, die gehüllt in einer Decke einen Becher festhielt, aus dem es heiß dampfte. Ihre Hände zitterten und der Blick, den sie auf den Boden gerichtet hattem zeugte noch deutlich, dass die letzten Schrecken und Stunden sie immer noch nicht los ließen. Trotz dass ich froh war, dass sie in Sicherheit war, fühlte ich mich auch irgendwie niedergeschlagen. Ich hätte es eigentlich wissen müssen. Jennas Anschlag, der mich treffen sollte, war ja praktisch eine Vorwarnung. Dass sie sie entführten und einsperrten war daher dasnaheliegenste. Dennoch machte es mich fertig. Immerhin war sie allein mit diesen Wurmlarven. Und ich wollte mir nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn wir sie nicht rechtzeitig gefunden hätten. „Sie wird schon wieder. Immer hin haben diese Dinger sie nicht…!“, hörte ich Fay sagen. Wieder sah ich sie in diesem Keller, an dem Stützbalken gefesselt und umringt von diesen Dingern. Einige, die an ihren Beinen hochkrabbelten. Ich schüttelte mich und jagte das Bild aus meinem Kopf. „Ich würde diese Jenna am liebsten…!“, sagte ich dann um mich auf andere Gedanken zu bringen. Fay grinste schief. „Glaub mir, die kriegt auch Ihr Fett weg!“, beruhigte sie mich und zeigte mit dem Daumen über ihre Schulter zu einem der Streifenwagen, in dem sogleich Jenna hineingesteckt wurde. Natürlich ließ sie sich das nichts gefallen und stieß alle möglichen Drohungen aus. Ich musste nun aich grinsen. Dieses Mal wird Daddy dich nicht da raus holen, dachte ich schadenfroh. „Was wird ihr denn blühen?“ „Och…mal sehen…Beihilfe zum Menschenraub. Geiselnahme und Freiheitsberaubung…Nicht zu vergessen die kleine Sache mit der Körperverletzung, als man sie nieder geschlagen hat!“, listete Fay auf und ihr und mein Grinsen wurden immer breiter. Oja…das hört sich gut an. „War sie denn allein?“ Fay winkte ab. „Sicher hat sie ihre beiden Freundinnen dazu angestiftet. Und die werden den Teufel tun und die Schuld allein tragen!“ „Also wird ihr noch dazu Anstiftung zur Körperverletzung angelastet. Wow…die Liste wird ja immer länger!“, meldete sich Lex und pfiff. „Vielleicht können wir ihr ja noch etwas unterschieben?“, witzelte ich und kicherte. Fay machte ein verkniffenes bis tadelndes Gesicht, was nicht lange hielt. „Du freches Luder!“ Nach Jenna, folgten ihre beiden Freundinnen, die wie erwartet ihre Unschuld betreuerten und alles auf Jenna schoben. Die wiederum keifte zurück, die Klappe zu halten, ehe man die Autotür zu warf und somit ihr Gezetter dämpfte. „Was werdet Ihr eigentlich den Eltern der jenigen erklären, die…!“ Ich scheute mich davor es ausz zu sprechen. Aber Fay verstand mich sowieso. „Wir werden Ihnen sagen, dass Ihre Kinder Opfer von einigen Drogen wurden, die man ihnen untergejubelt hatte!“ Es klang so einfach und so absurd, dass es auch wieder genial war und mal ehrlich: Das war die beste Alternative zur Wahrheit. Es schien, dass Fay und Lex an alles gedacht hatten. Sicher würden sie sich auch was einfallen lassen, was die anderen Schüler betraf, die nicht infiziert wurden. Wieder ging mein Blick zu Josh und Gweny. Die Polizisten, die mit ihnen gesprochen hatten, schienen mit ihren Befragungen fertig zu sein. Nun standen sie zusammen und redeten mit einander. Dabei schauten sie zu mir und ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Ich wollte eigentlich nicht wissen, was genau sie besprachen. Aber ich konnte es mir denken. Sicher dachten sie, dass sie, seit dem sie mich kannten, echt harten Scheiss erlebt hatten. Und ob es nicht besser wäre, sich nun von mir fern zu halten. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Dennoch erfasste mich Kummer. Gwen und Josh waren wirklich gute Freunde gewesen. Und es schmerzte, dass ich sie nun nicht mehr sehen werde. Wobei es so wieso nur eine Frage der Zeit war bis der Abschied kam. Immerhin war ich nur zur Täuschung hier eine Schülerin. Und ich hatte mir auch vorgenommen nicht zu enge Freundschaften zu schließen, weil ich wusste, dass es nicht von Dauer sein würde. Tja…das war jedoch ein Trugschluss. Ohne dass ich es richtig wahrnahm, freundete ich mich mit ihnen an. Ein kleines bisschen war ich auch froh darüber. Fay und Lex waren okay. Aber mit anderen befreundet zu sein, die nichts mit all dem zu tun hatten, gab mir ein Gefühl von Normalität. Damit war es aber nun vorbei, da Josh und Gweny nun auch die Erfahrung mit dem Übernatürlichen gemacht. Und das nicht zu knapp. Man musste sie nur ansehen, um zu wissen, was gerade durch ihre Köpfe ging. Ich hatte einfach nicht die Kraft und den Arsch in der Hose, um zu ihnen hin zu gehen. Und sei es nur wegen einem:„ Tut mir leid, dass ich Euch da rein gezogen habe!“ Dabei wäre es nur fair gewesen. Nach allem was passiert war. Ich wollte auch eigentlich nicht einfach so verschwinden. Das war nicht mein Stil. Aber ich wusste nicht, ob sie sich überhaupt von mir verabschieden wollten. Ich fühlte mich hin und her gerissen. „Du solltest zu ihnen gehen!“, sagte Fay und riss mich so aus meinen Gedanken. Keine Ahnung wie sie das wusste. Vielleicht sah sie auch, wie ich mit mir rang. Und nahm mir nun die Entscheidung ab. Ich sah sie etwas unsicher an. Fay lächelte mich ermutigend an und schob mich dann zu den beiden. Mit stolpernden Schritten ging ich zu ihnen. Als sie mich sahen, wurden sie still und sahen mich etwas unsicher an. Genauso fühlte ich mich. Unschlüssig sahen wir uns an. Keiner wusste wie er anfangen sollte. So starrten wir uns nur an. Na los, sag endlich was, schalt ich mich selbst. Entschuldige dich, verabschiede dich und dann verschwinde! Aber so einfach es zu sein schien, ich konnte sie nicht aussprechen. Als dann das Schweigen doch unerträglich wurde, wollte ich es endlich hinter mich bringen. „Tut mir leid!“, platzte es aus mir heraus. Josh und Gweny sahen mich nur an, wussten wohl nicht, was sie damit anfangen sollten. Das fühlte sich wie ein Schlag ins Gesicht an. Dennoch zwang ich mich weiter zu sprechen. „Ich…es tut mir leid, dass ich Euch da reingezogen habe. Ich wollte das alles nicht. Wenn gewusst hätte, dass es so weit kommt, dann…!“ Dabei hätte ich mir sowas von auf die Zunge gebissen. Ich wusste natürlich, dass es so kommen würde. Und ich es hätte es trotzdem nicht verhindern können. Gwen und Josh sahen sich erneut an. Sie schienen bloß mir ihren Blicken miteinander zu reden. Dann schauten sie mich an und ohne ein Wort zu sagen, stand Gwen auf und…umarmte mich. Ich war dermassen perplex, dass ich nicht wusste, wie ich darauf reagieren sollte. Wie zur Salzsäule erstarrt stand ich da. Erst als Gweny etwas sagte, begriff ich, was los ist. Und mir kamen die Tränen. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Du konntest ja nichts dafür. Du wolltest uns ja schließlich beschützen!“ Ich schluckte und erwiederte dann ihre Umarmung. In diesem Moment war ich so dankbar und zu tiefst gerührt, dass ich nicht anders konnte als zu weinen. Meine Bedenken und Sorgen, ob Gwen und Josh überhaupt noch was mit mir zu tun haben wollten, waren wie weggewischt und ich empfand nichts weiter als Erleichterung. „Wenn du nicht gewesen wärst, wären Josh und ich…!“ Gwenys Stimme brach. Ich musste schwach lächeln. Eigentlich war es Josh gewesen, der mir den Hals gerettet hatte. Ich sah über Gwenys Schulter zu ihm und sah wie er mich anschaute. So als würde er sein Bild über mich überdenken wollen. Zwar wusste ich, dass es dazu kommen würde, aber dennoch hatte ich diesen Moment gefürchtet. „Tut mir leid, dass ich nicht ganz ehrlich zu euch war!“, sagte ich etwas kleinlaut und dass war an Josh gerichtet. Immerhin war zu anfang misstrauisch mir gegenüber gewesen. Ich ihm ebenso. Weil ich nicht wusste, wie ich ihn einschätzen sollte. Dass Fay nun auch meinen richtigen Namen gerufen hatte, machte ihm wohl endgültig klar, dass ich nicht die war, für die ich mich ausgab. Josh strich sich durch das von Salzwasser strähnige Haar. „Nach allem was passiert ist...Kann ich verstehen, dass du dich als Incognito ausgegeben hast!“, erklärte er. „Immerhin wusstest du auch nicht, wem du trauen konntest!“ Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich lächelte. „Ja, und ich bin froh, dass ich mich in Euch nicht getäuscht habe!“, flüsterte ich und drückte Gweny fester an mich. Josh lächelte auch. Klopfte mir dann den Rücken. Ihm erging es wohl nicht anders. Und mir wurde warm ums Herz. Ich war froh, dass ich meine Freunde doch nicht verloren habe. Ich streckte den einen Arm nach ihm aus. Wollte ihn ebenso umarmen. Josh wusste, was ich ihm damit sagen wollte und schloss sich uns an. Zusammen standen wir da und umarmten uns. Ich konnte deutlich spüren, dass jeder von uns froh war, dass es überstanden war und keiner von uns einen bleibenden Schaden davon getragen hatten. Mal abgesehen von den paar Kratzern und meinem lediertem Hals. Noch immer hörte sich meine Stimme rau an, aber die Ärzte, die mich ebenso versdrogt hatten, versrpachen mir, dass ich bald wieder normal sprechen würde. Lange standen wir so da. Und ich genoss die Nähe und die Wärme, die mir meine Freunde gaben. Als sich dann jemand räusperte, hatte ich Mühe mich aus der Umarmung zu lösen. Fay stand da und schaute etwas verlegen drein, als wüsste sie, dass sie uns bei etwas wertvollem gestört hatte. „Tut mir leid, aber wir müssen jetzt los!“ Ich merkte, wie mein Herz nach unten sackte. Und gerne wollte ich Fay bitten, uns noch etwas Zeit zu geben. Wenn es sein musste, würde ich sie anflehen, wie ein kleines Kind, das ein Eis haben wollte. Doch ich hielt mich dabei zurück. Zumindest was das Flehen anging. Nur schwer konnte ich mich von meinen Freunden lösen und warf ihnen einen bedauerenden Blick zu. Gwen und Josh erwiederten diesen. Auch sie wollten sich nicht von mir trennen. Nicht so schnell. So plötzlich. Fay schien das auch zu sehen und ihr Bedauern wurde stärker. Offensichtlich wusste sie was es bedeutete, Freunde zu finden und sich dann doch von ihnen zu verabschieden zu müssen. Gweny umarmte mich noch ein letztes Mal. Hauchte mir dann einen Kuss auf die Wange und flüsterte:„ Mach´s gut, Alli. Wir sehen uns!“ Diese Worte gaben mir immerhin etwas Trost. Trost, dass ich sie doch wieder sehen werde. Mit diesem Trost und der daraus entstehenden Hoffnung, stieg ich ins Auto. Ich drehte mich auf dem Rücksitz um schaute aus dem Fenster. Gwen und Josh standen da. Auch sie schauten zu mir. Stumm gaben wir uns das Versprechen, dass wir uns wirklich bald wiedersehen werden. Als der Motor gestartet wurde, hob ich die Hand und winkte ihnen zum Abschied. Gweny und Josh erwiderten dies und ein schwaches Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Ich lächelte ebenso und während wir davon fuhren und sie kleiner wurden, blieb immer noch die Hoffnung, dass ich Freunde gefunden hatte und bald wieder sehen würde. Die heiße Dusche, die ich mir gönnte, vermochte es die letzten Spuren des Kampfes im Speisesaal weg zu waschen. Nicht zu letzt, weil das Salzwasser, welches nun getrocknet war, anfing unangenehm auf der Haut zu spannen und zu jucken. Als ich fertig geduscht und mir auch die Haare gewaschen hatte, wickelte ich mich in ein großes Handtuch und schlüpfte aus dem Badezimmer in mein Zimmer. Mit einem zweiten kleineren Handtuch, rubbelte ich mir die Haare trocken. Setzte mich dann aufs Bett und blieb erstmal so sitzen. Schaute nur vor mich hinund alles bisher erlebte noch mals Revue passieren. Flüchtig schaute ich dabei auf die Uhr. Die rote Anzeige sagte mir, dass es schon kurz nach ein Uhr morgens war. Es war irgendwie befremdlich. Es fühlte sich an, als sei es erst einige Tage her. Dabei war es nur vor ein paar Stunden gewesen. Aber trotz allem fühlte ich mich auch gut. Zum ersten Mal war es möglich gewesen, dass zwei Menschen, die ich gern hatte, nicht sterben mussten. Wenn man bedacht, wie oft es Tote gegeben hatte… War das schon irgendwie ein kleiner Sieg. Und dieser kleine Sieg gab mir Hoffnung, dass es bei diesem einen nicht bliebenw würde. Diese Hoffnung ließ mich lächeln und ich ließ mich nachhinten auf das Bett fallen. „Du siehst zufrieden aus!“, sagte Erik, der auf der anderen Seite des Bettes saß und sich zu mir umgedreht hatte. Ich irgnorierte die Tatsache, dass ich hier halbnackig auf dem Bett lag und er mich so ungeniert anschauen konnte. „Das bin ich auch. Gweny und Josh leben. Da kann ich nur zufrieden sein!“, sagte ich. „Nach all dem Scheiss was bisher passiert ist!“ Erik sagte nichts, sondern schaute mich nur an. Dann drehte er sich weg, sodass ich nur seinen Rücken sehen konnte. Das Schweigen, welches von ihm ausging, war irgendwie beunruhigend. Vertrieben die Zufriedenheit, die mich ebenoch erfüllte und machte Sorge bemerkbar. Dabei fragte ich mich, woher diese kam. Es war doch vorbei. Oder etwa nicht? Ich rollte mich auf den Bauch, krabbelte dann zu ihm, wobei ich natürlich darauf achtete, dass das Handtuch nicht verrutschte und sah ihn von der Seite an. Ich dachte, er würde finster vor sich hinstarren, weil er etwas befürchtete. Doch als ich ihn lächeln sah, war ich nun verwirrt. „Was…wieso lächelst du so?“ Erik drehte sich nicht zu mir um. Nur seine Augen bewegten sich und sah mich aus dem Augenwinkel an. „Mir wird nur wieder bewusst, wie sehr du ihr ähnelst!“ Ein Kloß bildete sich in meinen Hals, weil ich wusste, wen er mit Ihr meinte. Wie oft wollte er mich noch mit Mama vergleichen? Merkte er nicht, dass er mir damit wehtat? Was trieb ihn nur dazu? Da konnte doch was nicht stimmen? So langsam kam mir ein Verdacht, der eigentlich zu weithergeholt klang, aber dennoch immer wahrscheinlicher wurde. Die Art, wie er mich manchmal anschaute. Wie er von Mama sprach, konnten nur einen Schluss zulassen. Und dieser versetzten mir einen Stich. „Sei ehrlich, Erik. Warst du in meine Mutter verliebt?“ Erik drehte nun doch den Kopf zu mir herum und in seinen Augen sah ich reinste Verwirrung. Das sah ich trotz der Dunkelheit. Fest sah ich ihm in die Augen und forderte ihn so auf, mir ja die Wahrheit zu sagen. Minutenlang sah ich ihn so an, bis mir die Augen wehtaten, doch ich achtete nicht weiter darauf und sah, wie es in seinem Gesicht arbeitete. Dachte er darüber nach, ob er mir diese Frage beantworten sollte. Geschweige den mir die Wahrheit sagen sollte? Ich konnte es ihm nur raten. Wenn er wollte, dass ich ihm vertraute, so sollte er immerhin bei dieser Frage ehrlich sein. Erik schlug die Augen nieder, das Lächeln kam wieder. Allerdings auf eine niedergeschlagende Art und Weise, die mir mein Herz schwermachte. Mit einem Male fühlte ich mich schlecht. Wenn er wirklich in sie verliebt war, hatte ich denn das Recht es zu wissen. Vielleicht war diese Liebe nur einseitig gewesen und es musste schlimm für ihn sein, ständig daran erinnert zu werden, dass sie ihn nicht liebte. Ich war der lebende Beweis und er fühlte sich sicher nur dazu verpflichtet, mich zu beschützen, weil ich ihr Kind war. Das Kind der Frau, die er wohl über alles geliebt hatte. „Tut mir leid, ich wollte nicht…!“ „Schon gut…!“, sagte er nach einer Weile, holte tief Luft und fuhr fort. „Nein, ich war nicht in sie verliebt. Als ich ihr…begegnete, wusste ich, dass wir…nicht mehr als Freunde sein konnten. Aber ich kann nicht leugnen, dass ich eine gewisse Bewunderung für sie empfand!“ Bewunderung? Nun verstand ich gar nichts. Bewunderung war sicher nicht das, was man für einen Freund, wie es Eriks sagte, empfinden konnte. Für einen Filmstar schon. Bei Jemanden, der ein Freund war, war Zuneigung eigentlich das wahrscheinlichste. Wie als habe er meine Verwirrung gerochen, sagte er mit sanfter Stimme:„ Deine Mutter hatte etwas, was ich niemals haben werde!“ Fast wollte ich schon sagen:„ Etwa den Anstand jemanden nicht so an zu glotzen, wenn dieser nur mit einem Handtuch bekleidet war?“ Ließ es aber, als ich sah wie traurig sein Blick war. So als habe er etwas Schlimmes getan und es nun aufs tiefste bedauerte. Es zerriss mir förmlich das Herz und ich brauchte alle Kraft um die nächste Frage zu stellen. „Was…was war das?“, fragte ich leise. Eriks Blick wurde stumpf und… Sah ich richtig? Sind das Tränen in seinen Augen? Erik merkte natürlich wie ich ihn anschaute, denn er wandte den Kopf ab und sagte mit gepresster Stimme:„ Stärke!“ Es traf mich so hart und unvorbereitet, dass ich erstmal nicht wusste, wie ich darauf reagieren sollte. Dann aber wurde es mir bewusst und das Mitgefühl, das ich zuvor schon Erik gegenüber verspürt hatte, wurde stärker. Misstrauen hin oder her. Aber dass er sagte, meine Mutter wäre stark gewesen, sagte mir, dass er sich für schwach hielt. Und eine bittere Erkenntnis traf mich. Egal was in seinem bisherigem Leben passiert sein musste, es musste schrecklich gewesen sein, wenn er so…in sich gekehrt war. Ich hakte mich bei ihm unter und legte den Kopf an seine Schulter. Auch wenn ich zu gern gewusst hätte, unter welchen Umständen sich meine Mutter und Erik kennengelernt hatten und was sie gemeinsam in der Vergangenheit verbunden hatte, wollte ich ihm dieses Mal nicht bedrängen. Es musste ihm schwer zu schaffen machen. „Kannst du mir jemals zu vertrauen?“, fragte er und ich zögerte kurz. Aber nur kurz. Dann sagte ich mit fester Stimme. „Ich will es versuchen!“ Eriks seufzte erleichtert und löste seinen Arm aus meinem Halt. Legte ihn mir dann über die Schulter. Drückte mich an sich. Ich wehrte mich nicht dagegen. Sein Körper war angenehm warm und weich. Hatte etwas Beschützendes und tröstlisches. Ich genoss es. „Denkst du, dass ich diese Stärke auch habe?“, murmelte ich dann. Merkte wie ich auf einmal müde wurde. Mein Körper fordete wohl nun den Tribut, den das ganze Spektakel gekostet hatte. Hörte noch wie Erik leise lachte. Vielmehr spürte ich es, da seine Brust vibrierte. „Sicher. Schließlich bist du ihre Tochter!“ Ein Lächeln huschte über mein Gesicht, ehe ich einschlief. Das letzte, was mir noch durch den Kopf ging, ehe ich einschlief, war die Hoffnung, dass es wirklich so sein würde. Dass ich wirklich die Kraft und die Stärke meiner Mutter haben würde. Erik hielt die schlafende Allison noch lange so an sich und schaute auf sie nieder. Ihr zarter Körper fühlte sich so zerbrechlich an, dass er fürchtete, er könnte diesen zerbrechen, wenn er sie zu fest an sich drückte. Aber noch zerbrechlicher war die Bande zwischen ihnen. Und diese hatte schon bedrohliche Risse. Es bedurfte sicher nicht viel, ehe diese endgültig in sich zusammen brach. Dass Allison versuchen würde, ihm zu vertrauen, gab ihm zumindest etwas Zuversicht. Jedoch würde er darauf achten, dass die Mauer weiterhin besteht, die er selbst um sich erbaut hatte. Damit sie nicht sein dunkles Geheimnis entdeckte. Welch eine Ironie. Er verlangt von ihr, dass sie ihm vertraute, aber er wollte nicht, dass sie mehr über ihn wusste. Es war so wiedersprüchlich, dass das nur ein Fehler sein konnte, dieses Spiel weiter zu spielen. Das war sich Erik bewusst. Aber er scheute sich davor, diese Mauer des Schweigens ein zu reißen. Weil er fürchtete, dass Allison ihn als das Monster sehen würd, was er einst war. Und immer noch war. Tief verborgen in den tiefsten Tiefen seiner Seele. Falls er überhaupt eine besaß. Wieder hörte er das Kratzen und Schaben, welches er zuvor glaubte, gehört zu haben. Das Kratzen hinter der Tür, hinter der er den dunklen Teil seinerselbst , eingesperrt hatte. Und die nun darauf aus war, aus zu brechen. Um wieder Tod und Verderben zu verbreiten. Erik schwor sich, diese Tür verschlossen zu lassen und gegen das Drängen anzu kämpfen. Koste es was es wollte. Selbst wenn es seinen eigenen Tod bedeutete. Das war ihm immerhin lieber als diesem Monster Tür und Tor zu öffnen. Vorallem Allison zu liebe. Noch immer ruhte sein Blick auf ihr, die friedlich in seinem Arm schlummerte und er beneidete sie darum. Frieden war etwas, was er niemals haben würde. Sein Hals schürte sich zu und er kämpfte gegen das Gefühl der Machtlosigkeit und Trostlosigkeit an. Er durfte sich dieser nicht hingeben. Es galt jetzt stark zu sein. Um Allison weiterhin zu beschützen. Und sich selbst davor zu bewahren, die Kontrolle zu verlieren. Er legte Allison nun aufs Bett, deckte sie vorsichtig zu, um sie nicht zu wecken. Blieb aber noch etwas und sah sie ununterbrochen an. „Ich werde nicht zulassen, dass dir was passiert!“, schwor leise und strich ihr zärtlich durch das feuchte kurze Haar. Allisons Gesichtszüge zeigten ein schwaches Lächeln und murmmelte etwas vor sich hin. Auch Erik lächelte. Da hörte er ein Lachen und wurde starr vor Schreck. Es kam hinter ihm und es ließ ihm einen Schauer über den Rücken laufen. Es klang so boshaft und gefährlich, dass Erik glaubte, dieses Lachen sich nur eingebildet zu haben. Er hoffte es zumindest. Als er sich jedoch umdrehte, um zu sehen woher und wer dieses Lachen überhaupt ausgestossen hatte, gefror ihm das Blut in den Adern. Auf einer Anrichte, die ihm gegenüber stand, lehnte ein Spiegel. Groß genug, um sich darin zu betrachten. Nun war jedoch das Glas dunkel. Und eigentlich war darin nichts zu sehen, außer einem dunklen Schatten. Ein Schatten, in Gestalt eines Menschen. Und dieser sah Erik geradewegs an. Ein andere hätte das für eine Spiegelung seiner Selbst gehalten. Nicht so aber Erik. Er wusste, wer oder was ihn da anschaute und sein Herz wurde von Angst zusammen gepresst. Er blickte seinem eigenen dunklen Ich ins Gesicht. Wielange war es her gewesen, dass sie sich gegenseitig angesehen hatten? Wielange war es her gewesen, dass er ihm erlaubt hatte, seine Grausamkeiten aus zu wirken? Leben aus zu löschen und Seelen ins Verderben zu reißen. In die Tiefen der Hölle zu stoßen. Dieses Ich schien seine Angst zu spüren und lachte wieder. Dieses Mal klang es wie ein bedrohliches Knurren. Augen, die dunkler waren als die Finsterniss um ihn herum, starrten ihn an. Schienen in dieser zu glühen, wie Kohlen. Verschwinde, befahl Erik in seinen Gedanken seiner dunklen Seite. Verschwinde wieder in das Loch, in das ich dich gesteckt habe! Sein dunkles Ich sah ihn nur an. Sagte nichts. Lachte nicht. Sondern sah ihn nur an. So wie es ein Raubtier bei seiner Beute tat, ehe es sich auf ihn stürzte. Und genau das ließ in Erik alles zusammenkrampfen. Dann, wie als habe es sein Ziel erreicht, grinste es, sodass Erik die scharfen Reisszähne in seinem Mund sehen konnte, obwohl es finster war und verschwand dann. Zurück blieb Erik, der immernoch auf den Spiegel starrte und immernoch dieses grässliche Grinsen seiner dunklen Seite sah. Auch wenn es auf seinen Befehl hin nichts erwidert hatte, konnte er deutlich seinem Kopf hören, wie es ihm zu wisperte. „Ich werde wieder frei sein!“ Und das, so war sich Erik sicher, war nicht nur eine Drohung, sondern ein Versprechen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)