Fullmetal Alchemist - Was danach geschah von abgemeldet (Was hätte passieren können...) ================================================================================ Kapitel 61: FORCE’ ÜBERRASCHUNG ------------------------------- FORCE’ ÜBERRASCHUNG Sie spürte, wie ihr Herzschlag immer schneller wurde und dass es ihr immer schwerer fiel, gleichmäßig zu atmen. Es fühlte sich so an, als ob sich die Welt immer schneller um sie drehen würde. Sie fiel zu Boden, fühlte sich schwer, oh so schwer. Ihre Füße hatten keine Kraft mehr und ihre Hände umklammerten noch immer ihre nutzlose Pistole, weil das alles war, was sie tun konnten. Sie schnappte nach Luft und alles wurde rot. „Oberst!“ Sie hörte, wie jemand nach ihr rief. Sie war sich nicht sicher, wer es war. Sie ließ zu, dass ihre Augen zufielen. Ihr war irgendwie ein bisschen heiß. Da lief etwas Warmes ihre Finger herunter. „Oberst! … Oh Gott…“ Sie fühlte starke Arme um sich. Sie wollte nachsehen, wer es war, doch sie dachte ‚Vielleicht später, mir ist ein bisschen schwindelig’. Sie hörte jemanden nach Hilfe schreien, er klang verängstigt. Erinnerungen ihrer Kindheit fluteten wie ein Film durch ihre Gedanken. Es war immer dasselbe. Es war das Leben, das sie nicht gewollt hatte. Das Leben, das ihr nicht gehört hatte. Der jährliche Geburtstagskuchen. Ihre Mutter, lächelnd. Ihr Vater, erst auch lächelnd, dann mit dem leeren Blick eines Mannes, der keinen Sinn mehr in seinem Leben sah. Und immer wieder die Mitschülerinnen, die kein Verständnis für das hellhaarige Mädchen mit dem seltsamen Hobby gehabt hatte. „Oberst, bitte öffnen Sie Ihre Augen!“ Die Stimme des Mannes klang verzweifelt, während er sie noch immer in seinen Armen hielt. Sie wollte dem Befehl wirklich gehorchen, aber irgendetwas war nicht richtig. Ihr Körper gehorchte ihr nicht und sie war so unendlich müde. Sie konnte es nicht tun. „Oberst, das ist ein Befehl! Öffnen Sie Ihre Augen auf der Stelle!“ „Brigadegeneral, Ich glaube nicht, dass das helfen wird, Madam.“ „Seien Sie leise, Miles! Oberst, wenn Sie mich hören können, öffnen Sie Ihre Augen!“ Oh, es war sie. Ja, natürlich war sie es. Wer könnte es auch sonst sein? Ein Befehl … Sie hatte noch nie einem direkten Befehl von ihr nicht gehorcht. Sie musste … was war es noch gleich? Ihr Verstand war längst nicht mehr unter ihrem Kommando und jeder Gedanke machte es schwerer, klar zu denken. Sie wollte schlafen. Oh ja, der Befehl … öffnen … öffnen Sie … Ihre … Augen … „Oberst, bitte…“ Sie hörte ihre Stimme, sie war leise, verzweifelt. Kaum noch zu hören, weil um sie herum alles so laut war. Mühsam schaffte sie es, ihre Augen zu öffnen. Aber auch ihre Lider waren so schwer … Als sie es schaffte, ihre Augen zu öffnen, sah sie, dass ihre direkte Vorgesetzte sie im Arm hielt und dass das immer bleiche Gesicht einen besorgten Ausdruck angenommen hatte. Ihre smaragdgrünen Augen starrten mit Besorgnis auf sie herab und ihre Arme waren eng um sie geschlungen. „Oberst, haben Sie starke Schmerzen?”, fragte sie leise. Tat es weh? Nein … sie spürte keine Schmerzen. Warum fragte sie. Sie spürte gar nichts. „Nein, mir … geht es gut. Es … geht schon…“ Aus irgendeinem Grund war es schwer, zu sprechen. „Wieso sind Ihre … Hände so … rot, Madam?“ Kay sah so aus, als würde sie zerbrechen. Ihre Augen waren von Qual gezeichnet und sie antwortete ihr nicht. Stattdessen sah sie einfach nur nach unten. Sie folgte dem Blick der Vorgesetzten und begriff es. Oder sie erinnerte sich wieder. Ihr Bauch blutete, färbte ihr schwarzes T-Shirt noch dunkler ein. Sie schloss ihre Augen wieder. „Sind alle anderen in Ordnung?“ Stille. „Brigadegeneral, antworten Sie mir … bitte.“ Linette öffnete die Augen und sah, dass ihre Schwester leise nickte. Sie atmete tief ein, hustete leise. Sie schmeckte den metallischen Geschmack von Blut auf ihrer Zunge, aber sie lächelte ein bisschen. „Das ist gut…“ Kay war leichenblass, wie sonst nur selten. „Das ist gut zu hören…“, wiederholte sie leise und atmete noch einmal tief ein. Es wurde immer schwerer zu atmen, aber sie musste es tun. „Oberst, Sie werden wieder in Ordnung kommen.” „Brigadegeneral, ich … glaube es nicht…” „Sie werden wieder in Ordnung kommen, Oberst.“ Kays Stimme war fest und sie sah ihr direkt in die Augen. Dort war eine Zielstrebigkeit zu sehen, die niemals übertroffen werden würde. Linette lächelte schwach. Sie mochte diesen Blick, er sorgte immer wieder dafür, dass sie sich sicher fühlte. Ihre ganze Schwester … Kay hatte etwas an sich, was man nicht so recht beschreiben konnte. Ja, sie hatte dieses Feuer in sich. Ein Feuer, das man sehen konnte, wenn man in diese grünen Augen starrte. ‚Die Augen sind wirklich die Spiegel der Seele’, dachte sie leise. „Ja, Madam. Sie haben … Recht.“ „Ich werde Sie hier nicht sterben lassen, Hamilton!“ „Natürlich … nicht…“ Sie spürte, wie eine weitere Hustenattacke durch ihren tauben Körper lief. Kay hielt sie fest in ihren Armen, und als sie ihre eigene Hand von ihren Lippen wegnahm, sah sie das Blut daran. Es war dasselbe Blut, das in ihrem Mund einen metallischen Geschmack hinterließ. ‚War das Schicksal nicht grausam?’ Das war es, was Linette in diesem Moment durch den Kopf ging. Das erste Mal in vielen Jahren, das sie von ihrer älteren Schwester so etwas wie familiäre Zuwendung zu spüren bekam, war, als sie gerade im sterben lag. Denn was immer Kay auch sagte, sie spürte, dass ihre Gedanken immer verschwommener wurde, und egal wie sehr sie ihr vertraute, sie hatte das düstere Gefühl, dass das hier ihre letzte Mission bleiben würde. „Madam, wir haben alles gesichert.“ Das war Miles’ Stimme. Er musste ganz in der Nähe sein. Linette gelang es, ihre Augen für einen kleinen Moment zu öffnen und sie sah ihren Partner. Er stand an der Tür und in seinen roten Augen konnte sie Schuld sehen, als er sich von der Wand abdrückte und neben ihr in die Knie ging. „Es tut mir leid, Oberst“, sagte er leise. „Es war meine Idee, dass wir uns besser aufteilen sollen. Ich habe die Gefahr unterschätzt, es war also mein Fehler.” „Und ich habe … eingewilligt, Miles”, sagte Linette schwach, während er ihre blutverschmierte Hand in seine nahm. „Machen Sie sich keine Vorwürfe, okay? Ich habe genau gewusst, was ich … getan habe. Und ich bedauere es … nicht…“ Miles sah Kay fragend an. „Sie sind doch auch eine Alchemistin, oder?“, fragte er. „Können Sie die Wunde nicht irgendwie mit Alchemie verschließen? Mustang hat mal eine Wunde mit Feuer verschlossen. Können Sie so etwas nicht auch?“ Kay schüttelte den Kopf. „Ich bin leider eine totale Niete, wenn es um Heilalchemie geht“, sagte sie schuldbewusst. „Ich kann es einfach nicht. Ich bin zu blöd dafür. Wenn es eine harmlose Schnittwunde wäre, würde ich es vielleicht mit viel Mühe schaffen, aber keine Schusswunde. Es tut mir leid, aber ich habe es wohl diesmal vollkommen verpatzt.“ Sie senkte den Kopf. „Es ist meine Schuld, Oberst“, murmelte sie und presste ihre Hand nur noch fester auf die Wunde an Linettes Bauch. „Ich hätte früher besser aufpassen müssen. Es tut mir leid, ich habe es wohl vollkommen ruiniert. Es tut mir leid, wirklich…“ „Mach dir … keine Vorwürfe, Kay-Kay“, sagte Linette schwach. „Es gibt für jeden von … uns eine bestimmte … Zeit und … meine ist wohl gerade gekommen.“ Kay schnappte nach Luft. Linette war diejenige gewesen, die darauf bestanden hatte, dass sie einander wie Fremde behandeln sollten, wenn sie beide im Dienst waren. Es war nur sehr selten vorgekommen, dass sie einander geduzt hatten, wenn sie beide in Uniform gewesen waren. Wenn Linette sie jetzt sogar mit ihrem Kosenahmen ansprach, hieß das, dass die jüngere Schwester wirklich keine Hoffnung mehr hatte. Kay zog ihre Schwester noch enger an sich und spürte, wie Tränen in ihren Augen aufstiegen. „Und was ist mit dir selbst, Lena?“, fragte die höherrangige Schwester fast flehend. „Kannst du dich nicht selbst heilen?“ „Sie haben mir … meine Handschuhe abgenommen, bevor sie mich hier zum sterben … zurückgelassen haben, Kay-Kay…“ Linette lächelte schwach, bevor sich ihre violetten Augen weiteten. „Kay-Kay, ich kann sie sehen! Das Mädchen … im roten Kleid! Der alte Mann…“ Kay wurde nur noch blasser. „Wovon spricht sie, Madam?“, fragte Miles. Kay sah ihn grimmig an. „Von denen, die sie nicht retten konnte“, sagte sie finster. „Und, Kay-Kay, sie sind … gekommen, um mich zu … ihnen zu holen“, sagte Linette. „Das ist nur … gerecht, wenn du mich fragst. Meinst du nicht auch, dass das … nur fair ist? Ich habe sie … sterben lassen und jetzt holen sie … mich zu ihnen.“ „Du wirst nicht mit ihnen gehen, Helena Anastasia Hamilton Force!“, fauchte die ältere. „Es ist mir egal, ob Mutter höchstpersönlich kommt, um dich zu holen! Noch wirst du kein Stern!“ Rückblick: Das Anwesen der Familie Hamilton in West City – Winter 1909 Die siebzehnjährige Helena Hamilton stand am großen Fenster ihres Zimmers und sah nach draußen. Über ihr glitzerten die silbernen Sterne am Himmel und sie lächelte. „Du solltest eigentlich schon lange schlafen“, sagte eine Stimme hinter ihr. Sie fuhr herum und sah ihre ältere Schwester Kay in der Tür stehen. Die roten Haare reichten nur noch bis zu ihrer Schulter und sie trug ihre stets gepflegte Uniform. Kay war erst fünfundzwanzig und schon Captain. Sie war in South City stationiert und galt trotz ihrer Jugend als ausgefuchste Strategin. Sie kam nur noch selten nach Hause und wenn sie kam, dann immer nur für ein paar Tage, weil sie im Southern Hauptquartier schon jetzt unverzichtbar war. Sie war sehr ehrgeizig und hatte große Ziele, aber ihre Prinzipien standen fest. Sie waren in Stein gehauen. Deswegen hatte sie die Beförderung zum Major auch schon achtmal abgelehnt und stand noch immer unter dem Kommando von Oberst Catalina. „Kay-Kay?”, fragte Helena und klang gedankenverloren, während sie nach draußen sah. „Was ist los, Kleine?“, fragte die Ältere freundlich. „Denkst du, Mama ist jetzt ein Stern?” Kays Herz blieb fast stehen und hinter ihrem Rücken umfasste sie ihr Schwert. Sie hasste ihre Mutter, die für eine Sache gestorben war, die es nicht wert gewesen war, dafür zu sterben. Aber Helena und Serena erinnerten sich nicht mehr richtig an ihre Mutter. Deswegen war es vermutlich normal, dass die beiden Jüngeren Reine Hamilton vermissten. „Ein … Stern?“, brachte die rothaarige Soldatin schließlich mühsam heraus. „Ja, ich meine, ich war noch nie wirklich von hier weg, Kay-Kay. Nur, wenn Schule ist. Und wenn ich jetzt sterben und zu seinem Stern werden würde, könnte ich alles sehen…“ Helena lächelte. „Und Mama kann ein Stern sein, oder? Ein Stern, der über uns wacht…“ Kay schaffte es, ihr künstliches Lächeln aufrechtzuerhalten. „Bestimmt“, sagte sie mit rauer Stimme, bevor sie den Raum verließ. Sie hatte gelogen. Sie hatte immer gelogen, wenn ihre Schwestern nach ihrer Mutter gefragt hatten. Kay wusste, dass Nerissa nicht den Schneid hatte, ihre jüngeren Schwestern zu belügen, aber die Rothaarige hatte da deutlich weniger Skrupel. In ihren Augen war der Siren Alchemist eine Verräterin und Kay hatte kein Mitleid mit Verrätern. Das verlassene Haus – In der Nähe von Resembool – Gegenwart Miles sah die rothaarige Soldatin an. Er hatte großen Respekt vor Brigadegeneral Hamilton und er wollte sie nicht stören. Sie hatte einen höheren Rang und er hatte keine Zweifel daran, dass sie nicht zögern würde, ihn vor Gericht zu zerren, wenn er ihre Konzentration jetzt auf irgendeine Weise stören würde. Deswegen wollte er nichts sagen, aber als er die Tränen sah, die aus den grünen Augen hervortraten, musste er etwas sagen. „Können Sie die Wunde nicht irgendwie durch einen elektrischen Impuls schließen?“, fragte er. Kay schüttelte langsam den Kopf. „Das wäre Mord“, sagte sie. „Ich könnte sie mit einem Blitz behandeln, aber damit würde ich sie nur von ihren Schmerzen befreien können. Ich bin kein Flammenalchemist. Ich kann kein Feuer benutzen, um die Wunde zu schließen.“ Sie presste die Lippen felsenfest aufeinander und Miles wusste, wo er diesen Gesichtsausdruck schon einmal gesehen hatte. Olivier sah nicht anders aus, wenn sie zugeben musste, dass sie etwas nicht regeln konnte. „Helena!“ Oh, jetzt war auch noch er da. „Tut mir leid, dass du mich so sehen musst, Martin…“, murmelte Linette, bevor sie das Bewusstsein verlor. Kays Tränen liefen stumm über ihr Gesicht, als sie den schlaffen Körper ihrer Schwester nur noch enger an sich presste. Sie hatte ihre jüngere Schwester nicht so verlieren wollen. Nicht an einen Psychopathen. Sie konnte nur weinen, obwohl sie sicher war, dass Linette das nicht wollen würde. „Helena!“, schrie Force und er klang wie ein verwundetes Tier, als er durch den staubigen Raum taumelte und neben seiner Frau zu Boden ging. Er schluchzte kurz, dann riss er sich zusammen und atmete tief durch. „Hat jemand einen Stift?“, fragte er leise. „Natürlich“, sagte Miles beherrscht und griff in seine Jackentasche. „Die Büroarbeit ruht nie und man muss immer auf alles vorbereitet sein.“ Er reichte seinen Füller an Force. „Bitte.“ Der Oberstleutnant atmete tief durch, bevor er Linettes T-Shirt hochschob und das Blut direkt um die Wunde herum abwischte, bevor er einen Transmutationskreis zeichnete. Er sah todernst aus und war kreidebleich, als er den Stift fallen ließ, um beide Hände auf den Bauch seiner Frau zu legen. Kay wollte ihn gerade daran erinnern, dass er kein Alchemist war, als es ein helles Transmutationsleuchten gab und die Blutung zum Erliegen kam. „Un…unglaublich“, murmelte die rothaarige Frau, bevor sie ihre kleine Schwester nur noch enger an sich drückte. „Wer…“ Miles nahm seinen Stift wieder an sich. „Ich glaube, das ist offensichtlich“, sagte er. „Sie muss es gewesen sein. Sie ist der Typ, der immer gerne einen Plan B in der Hinterhand hat, falls irgendetwas Unvorhersehbares passiert.“ „Was ist denn hier passiert?“, fragte Mustang schockiert, als er mit Hawkeye, Havoc und Rebecca im Schlepptau hereinplatzte und die Situation mit einem Blick zu verstehen versuchte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)