Fullmetal Alchemist - Was danach geschah von abgemeldet (Was hätte passieren können...) ================================================================================ Kapitel 58: ZWEI ANRUFE FÜR BRIGADEGENERALIN KAY VICTORIA HAMILTON ------------------------------------------------------------------ ZWEI ANRUFE FÜR BRIGADEGENERALIN KAY VICTORIA HAMILTON Briggs – Büro des Befehlshabers – Zehn Minuten später Es musste eine Berufskrankheit der Staatsalchemisten sein, Papierarbeit zu hassen. Kay Victoria Hamilton war eine pflichtbewusste Soldatin und sie erfüllte immer ihre Aufgaben, aber sie langweilte sich jedes Mal fast zu Tode, wenn sie Büroarbeit machen musste. Ihr Platz war nicht hinter einem Schreibtisch. Sie bevorzugte es, wenn sie direkten Feindkontakt hatte. Und inzwischen vergammelte sie hinter ihrem riesigen Mahagonischreibtisch. Es war derselbe Schreibtisch, der sie seit ihrem fünften Lebensjahr begleitete. Als sie nach Briggs versetzt worden war, hatte sie nur wenige private Gegenstände mitgebracht. Darunter ihren Schreibtisch, ihr altes Gewehr, vier Paar Handschuhe und diverse Geschenke ihrer jüngeren Schwestern. Dass sie einmal eine ältere Schwester gehabt hatte, hatte sie vergessen wollen. In ihrem ganzen persönlichen Besitz existierte kein einziges Foto, auf dem Nerissa zu sehen war. Dafür hatten es Linette und Serena auf Kays Schreibtisch geschafft. Sie hatte sich in Central ein paar hübsche Silberrahmen für ihre Familienfotos besorgt und hatte sie auf mit einem leichten Lächeln auf den Lippen auf ihrem Schreibtisch platziert. Ihr Telefon klingelte und sie hob ab. „Ja?“, seufzte sie, während sie sich fragte, warum um alles in der Welt man ausgerechnet sie nach Briggs geschickt hatte. Karrieretechnisch war der hohe Norden die Endstation. Sie wäre lieber an einen Ort geschickt worden, an dem sie Karriere machen konnte, aber vermutlich war das auch die Sorge der Verantwortlichen gewesen. Sie war innerhalb eines Jahres um drei Ränge befördert geworden und das musste dem einen oder anderen General in Central Sorge machen. Kay galt als unberechenbar. Sie wusste, wie man sie hin und wieder nannte: Hexe des Nordens. Und sie war stolz darauf, dass man sie als Gefahr empfand. Sie hatte zwar keinerlei Intention bezüglich einer Karriere als Generalfeldmarschall, aber das musste ja keiner wissen. Kay war sich sicher, dass es für eine Frau exzellent wäre, Generalfeldmarschall zu werden, aber wenn es eine Frau gab, die für diesen Job geeignet war, dann war es die Barbie-Generalin. „Hier ist Linette“, sagte ihre jüngere Schwester. „Sag mal, kannst du mir vielleicht die Kreise für die Transmutation von Rangabzeichen geben? Ich brauche die und ich weiß, dass du mal so eine Transmutation durchgeführt hast. Würde es dir etwas ausmachen, sie mir per Post zu schicken? Ich kann sie gerade wirklich gut gebrauchen…“ Kays Mundwinkel bogen sich nach oben. Sie wusste genau, was alle dachten. Alle dachten, dass Serena das alchemistische Wunderkind war, doch dem war nicht so. Es war Kay, die in frühester Kindheit schon die kompliziertesten Transmutationen verstanden hatte. Aber sie war nicht nur ein alchemistisches Genie. Sie war eine Überfliegerin gewesen, immer. Es hatte nie ein Problem gegeben, das sie nicht hatte lösen können. Kay war auch in Northstone gewesen und hatte zu den besten Absolventen überhaupt gehört. Als Alchemistin hatte sie im Alter von nur fünfzehn Jahren die Theorie der Blitzalchemie erarbeitet. Schon zuvor hatte sie einige andere Theorien niedergeschrieben, aber all das hatte sie nicht mehr gekümmert, als sie mit der Blitzalchemie angefangen hatte. Es war zu einer Sucht für sie geworden und erst nach Vollendung hatte sie ihren Verstand zurückbekommen. „Rangabzeichen zu transmutieren ist verboten, Linette“, sagte Kay streng. „Als ob ich das nicht auch selbst wüsste, Kay“, seufzte Silver. „Komm schon, es ist ja nicht so, als ob du immer nur die gesetzlich erlaubten Transmutationen durchgezogen hast…“ „Wenn du es doch weißt, wieso fragst du mich dann nach den Kreisen?“, wollte die Blitzalchemistin wissen und streckte sich kurz. „Ich meine, du bist doch normalerweise ein recht schlaues Köpfchen und solltest eigentlich die Regeln befolgen.“ „Normalerweise…“ Brigadegeneral Hamilton seufzte schwer. „Wo bist du und was für Rangabzeichen brauchst du?“, fragte sie. „Ich werde dir nicht die Kreise geben, weil sie Teil meines Vermächtnisses sind, aber wenn du mich als Alchemistin und nicht als ältere Schwester anrufst, werde ich dich nicht hängenlassen und sie dir höchstpersönlich vorbeibringen. Ich kann mir zwar gut vorstellen, dass es dafür Ärger geben wird, aber ich glaube, dass die Drachmanen noch immer zu viel Angst vor Olivier haben, um hier irgendwas zu versuchen.“ Linette lachte leise. „Ich kann mir vorstellen, dass deine Präsenz auch nicht gerade dazu beiträgt, dass sie Interesse an einem Angriff haben. Im Süden hast du dir einen Namen gemacht, Kay, und ein gewisser Ruf eilt dir inzwischen voraus.“ „Wie immer ist alles hochgradig übertrieben“, sagte Kay gelangweilt. „Ich habe übrigens ein neues Hobby. Hier in Briggs ist der Himmel nachts immer sternenklar. Ich sitze gerne an einem der Fenster und sehe einfach nur nach draußen. Es erinnert mich daran, wie du noch klein warst und ich dir all die Sternzeichen gezeigt habe. Erinnerst du dich noch?“ „Das war, weil du gerade Astronomie als Zusatzkurs belegt hattest“, erwiderte die Jüngere. „Du brauchtest jemanden, dem du alles erzählen konntest, ohne dir dafür eine zu fangen.“ „Jetzt sag schon, wo du bist“, sagte Kay. „Ich meine, seitdem du in den Schienenverkehr investiert hast, fahren die Züge regelmäßiger. Ich kann also wirklich schnell da sein…“ „Ich bin in Lanchester, Ostregion, fünf Meilen südlich von Resembool“, sagte Linette. Es gab niemanden, der Kay Victoria Hamilton jemals eine Aussage verweigern würde. Wenn man Glück hatte, passierte nichts. Hatte man Pech, dann sollte man lieber mit dem Testament anfangen und beten, um nicht in der Hölle zu landen. Sobald Linette ihre Position preisgegeben hatte, legte sie auf und überließ Kay ihren Gedanken. Die rothaarige Soldatin verspürte ein Pochen in der Magengegend. Das sagte ihr, dass etwas nicht in Ordnung war. Vielleicht drehte ihr Instinkt durch. Das war möglich, sicher. Aber er hatte sie noch nie getäuscht. Sie entschied, dass es an der Zeit war, dass sie aktiv mitmischte. Sie war kein Büromensch. Sie war jemand, der pures Adrenalin brauchte, um glücklich zu sein. Und Schokolade. Sie wollte ihr Büro gerade verlassen, um den nächsten Zug zu erreichen, als ihr Telefon ein zweites Mal klingelte. Sie seufzte schwer, als sie danach griff und sich meldete. „K.V. Hamilton“, sagte sie gereizt. K.V. war ihr Spitzname aus Universitätszeiten und hin und wieder nutzte sie ihn noch heute, wenn sie ihren richtigen Namen nicht preisgeben wollte. „Guten Tag, hier spricht Olivier Armstrong. Wenn du denkst, dass wir uns jetzt alberne Decknamen geben sollen, wenn wir unsere Bürotelefone benutzen, bist du die nächste, die ich aus dem Verkehr ziehe. Ich meine, du denkst nicht ernsthaft, dass ich mich mal mit O.M. Armstrong melden würde!“ Kay seufzte schwer. „Wollen Sie was Bestimmtes, Madam, oder brauchen Sie jemanden, dem Sie Ihr Herz ausschütten können. Ich meine, ich bin in Eile. Ich wollte mich auf dem Weg in den Osten machen. Die Männer hier haben den Laden wirklich gut im Griff, das muss man ihnen lassen, und vor allem Captain Henschel ist mir eine wahre Hilfe“, sagte sie, während sie ihren Mantel überwarf und ihr Schwert aus dem Schirmständer nahm. „Ich wollte mich auf den Weg in den Osten machen. Wir haben immer Urlaub in Resembool gemacht, als wir noch Kinder waren. Ich glaube sogar, wir haben noch immer ein Ferienhaus dort. Und da will ich hin. Ich habe seit Jahren keinen Urlaub mehr machen können…“ Das verlassene Ferienhaus der Familie Hamilton – Außerhalb von Resembool Der Mann im Schatten lächelte. Er wusste, sie würde kommen. Und sobald sie kommen würde, war die Stunde der Rache endlich gekommen. Er hatte jahrelang im Untergrund leben müssen, aber bald würde er triumphieren. Er würde sie in den Staub werfen, sie an ihre eigene Sterblichkeit erinnern. Er hatte einen sorgsamen Plan geschmiedet, um sie auch in seine Nähe zu locken. Er wusste, sie war klug und überaus wachsam. Sie zu ködern – das war fast ein Ding der Unmöglichkeit. Sie war wie ein wildes Tier, stark und unberechenbar. Und sie war vermutlich noch immer so schön wie damals, als der ganze Schlamassel begonnen hatte. Dunkle Augen und eine schwarze Seele. Eine Verräterin, wie sie im Buche stand. Und was immer auch passiert war, sie hatte es irgendwie überleben können. Aber nicht mehr lange. Er wusste, das Schwert des Südens hatte schon lange an Schärfe verloren. Er hatte sie geliebt, einst, vor sehr langer Zeit. Heute konnte er nur noch brennenden Hass für sie empfinden. Sie hatte ihre eigene Unschuld geopfert, damit noch mehr Sünden geschehen konnten. Er hatte gedacht, sie wäre ein Engel. Jetzt wusste er, sie war der Teufel. Und er würde derjenige sein, der den Teufel zurück in die Hölle schicken würde, aus der er kam. Er hoffte, dass es keine Unschuldigen treffen würde, aber er konnte nicht dafür garantieren. Es war gut möglich, dass es Dummköpfe geben würde, die sich zwischen ihn und seine Rache stellen würde. Und diese Idioten würde er hinwegfegen. Niemand würde sich ihm widersetzen können. Sein Gott stand auf seiner Seite und er würde ihn nicht enttäuschen. „Bald … bald“, murmelte er, bevor er zu lachen begann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)