Fullmetal Alchemist - Was danach geschah von abgemeldet (Was hätte passieren können...) ================================================================================ Kapitel 33: DIE WEISSE HERRIN DES WESTENS ----------------------------------------- DIE WEISSE HERRIN DES WESTENS Central City – Central Hauptquartier – Sitzungssaal des Generalfeldmarschalls Olivier war gereizt. Man hatte sie und alle anderen Generäle zusammengetrommelt, um über die Umsetzung diverser Friedensverträge, die das Parlament gewünscht hatte, zu diskutieren, aber jetzt sprachen Generalfeldmarschall Grumman und die Obernervensäge Mustang seit einer geschlagenen halben Stunde ausschließlich darüber, wer irgendwelche alchemistischen Aufzeichnungen entschlüsseln sollte und wo es geschehen sollte. Und die beiden waren auch noch so dreist, dass sie behaupteten, dass man ohnehin noch auf ein Mitglied der Runde warten würde, dabei waren eigentlich alle anwesend, obwohl der Stuhl neben Olivier frei geblieben war. Erneut ließ sie einen Blick über die Anwesenden schweifen, während ihre Finger nervös auf der Tischplatte tanzten. Sie mochte es nicht, warten zu müssen. Und schon gar nicht mochte sie es, wenn man sie für dumm verkaufen wollte. Nach und nach gingen alle Generäle hinaus, um sich etwas zu essen zu holen, aber als Olivier auch gehen wollte, sah Grumman für einen Moment auf. „Sie bleiben bitte hier, Generalmajor Armstrong“, sagte er. „Ich werde Sie mit Sicherheit noch brauchen.“ Im selben Moment wurde die Tür geöffnet und eine ältere Dame kam herein. Sie trug einen dunkelblauen Hosenanzug und hatte die silbergrauen Haare sorgfältig hochgesteckt. Auf der schmalen Nase balancierte sie eine halbmondförmige Brille, hinter der tiefgrüne Augen glitzerten. „Nein“, sagte sie entschieden, während sie den Generalfeldmarschall ansah. „Nimm doch erst einmal Platz, meine Liebe“, sagte Grumman freundlich. „Und findest du es so passend, abzulehnen, bevor du weißt, worum ich dich bitten möchte?“ „Du hast deinen Schützling hergeholt, das bedeutet nichts Gutes.“ Die Frau nahm ihm gegenüber Platz und sah ihn direkt an. „Also schön: Was um alles in der Welt willst du von mir, Grumman?“ „Komm bitte wieder aus dem Ruhestand zurück.“ „Niemals!“ „Generalleutnant Lewellyn!“, fuhr er sie an. „Sie haben eine gewisse Verantwortung Ihrem Land und dessen Bürgern gegenüber! Das war keine Bitte meinerseits! Das war ein klarer Befehl! Und Sie stehen noch immer auf der Reserveliste, Lewellyn!“ Sie lief hochrot an – ob aus Scham oder aus Wut konnte Olivier nicht sagen. „Ich komme nicht mehr zurück, Grumman! Meine Zeit ist seit Jahren vorbei!“, sagte sie deutlich. „Und ich will auch nicht mehr auf meine alten Tage in Central arbeiten müssen!“ „Ich wollte dich auch in den Westen schicken, Charlotte.“ „Du mieser Erpresser“, sagte Lewellyn erschöpft. „Du kennst wirklich keine Scham.“ „Sehr richtig“, sagte Grumman unbeeindruckt. „Darf ich dich dafür eines Tages umbringen?“, fragte sie. Als Olivier die Frau ein zweites Mal musterte, erkannte sie ihre alte Mentorin wieder. Charlotte Lewellyn hatte im Militär allgemein einen sehr schlechten Ruf. Es war legendär, wie sie noch am selben Tag, an dem sie zum Generalleutnant ernannt worden war, in Rente gegangen war. Böse Zungen behaupteten, dass sie ihre Beförderung abgewartet hätte, damit sie mehr Rente bekommen würde. Und das stimmte auch. Lewellyns Hass auf King Bradley, der ihre Stimme gegen den Ishbal-Krieg überhört hatte, war groß genug gewesen. So groß, dass sie sich geweigert hatte, ihm ihre militärischen Talente länger zur Verfügung zu stellen. Als Olivier auf die Militärakademie gegangen war, war Brigadegeneral Charlotte Lewellyn für ihre Ausbildung verantwortlich gewesen. Lewellyn hatte Olivier gefördert und als Olivier nach dem Ishbal-Krieg zum Brigadegeneral befördert worden war, war es Lewellyn gewesen, die ihr die Urkunde überreicht hatte. „Madam“, sagte Olivier und stand aus Respekt vor der älteren Frau auf. „Es ist lange her, Generalleutnant Lewellyn.“ „Kennen wir uns?“, fragte die Frau. „Hast wohl keinen bleibenden Eindruck hinterlassen, Olivier“, stichelte Mustang und grinste breit. „Olivier?“ Lewellyn rückte ihre Brille zurecht. „Ah … Miss Armstrong. Sie haben offensichtlich Karriere gemacht, sitzen links von Grumman. Sehr gut.“ „Ich könnte inzwischen noch weiter sein, würde man mir meine nächste Beförderung nicht verweigern, bis ich Frieden mit Mustang geschlossen habe“, sagte Olivier schulterzuckend. „Ich muss einfach noch ein paar Jahrzehnte Geduld haben.“ „Du bist also zurück, Charlotte?“, lächelte Grumman. „Dann nimm doch bitte neben Generalmajor Armstrong Platz.“ „Ja“, seufzte sie und umkreiste den Tisch. „Wo sind eigentlich die anderen?“ „Sie hatten Hunger“, sagte Mustang trocken. „Stehen Oberst Hawkeye und Oberst Miles eigentlich noch immer vor der Tür?“ „Eine auffallend hübsche Blonde und ein Mann mit Schneebrille?“, fragte die inzwischen wieder höchstrangige Frau im gesamten Militär. „In der Tat“, sagte Olivier gedehnt. „Oberst Miles ist mein persönlicher Assistent.“ „Und Oberst Hawkeye ist meine persönliche Assistentin“, sagte Mustang trocken. „Sie wartet draußen auf mich, bis ich wieder herauskomme.“ „Und wenn es Mitternacht wird?“, fragte Olivier, während ihre Lippen sich zu etwas kräuselten, was man mit etwas Mühe als Lächeln bezeichnen könnte. Sie merkte es jedoch schnell wieder und das halbe Lächeln verschwand schnell wieder. ‚Sieh an, sieh an’, dachte Mustang. ‚Dein kaltes Herz verliert an Kälte, Olivier. Wenn du nicht ein bisschen aufpasst, gibst du deine Militärkarriere bald auf, um ein Waisenheim zu gründen.“ Dann machte er sich erst die Mühe, ihre Frage zu beantworten: „Ja“, sagte er seufzend. „Es wäre nicht das erste Mal, dass sie so etwas tut.“ „Hervorragend“, sagte Grumman, während die anderen Generäle wieder hereinkamen. „Nachdem jetzt alle wieder da sind, können wir mit der Entscheidung über Leora beginnen. Generalmajor Armstrong, Sie waren erst kürzlich dort, nicht wahr? Oberst Hamilton scheint … Ehrgeiz zu haben.“ „Ja, Sir“, sagte sie nickend. „Kay Hamilton ist eine strategische Fachfrau, daran habe ich keinen Zweifel. Sie kann Leora vermutlich noch jahrelang problemlos halten … und der Blutzoll wird weiterhin sehr niedrig bleiben. Die aktuellen Zahlen sind noch nicht veröffentlicht, aber nach allem, was ich so gehört habe, wird es nur wenige Tote und Verletzte geben. Aber … ich bin für die sofortige Aufnahme von Friedensverhandlungen zwischen Amestris und Aerugo. Wir sollten damit anfangen, bevor wir uns um Drachma kümmern.“ „Mustang?“ Grumman wandte sich seinem rechten Nachbarn zu. „Generalfeldmarschall Grumman, Sir!“ Einer der älteren Generäle stand auf. „Bei allem Respekt, ich muss protestieren! Seit Jahren ist es immer dasselbe: Sobald Armstrong und Mustang einer Sache zustimmen, ziehen wir es durch. Aber wir sitzen hier nicht nur zum Spaß!“ „Er hat Recht“, pflichtete ein anderer Mann ihm bei. „Miss Blondie und der Babyface General sind bei weitem nicht diejenigen mit der größten Erfahrung! Und wir sollten durch unsere Einheit siegen!“ „Armstrong kennt sich besser als jeder andere mit Grenzen aus und Mustang ist ein Mitglied der Taskforce, die das Parlament gefordert hat, damit wir Aerugo und Drachma endlich in den Griff bekommen!“, wetterte Grumman. „Die beiden mögen jünger sein, aber sie sind sehr fähig!“ Was darauf folgte, war ein Tumult. Alle sprachen wie wild durcheinander. „Was ist denn hier los?“, fragte Miles verwirrt, als er die Tür aufstieß. Hawkeye stand hinter ihm und sah über seine Schulter hinweg zu Mustang. „Oberst Miles, wir gehen“, sagte Olivier und stand auf. „Ich komme zurück, wenn Sie nicht mehr so kindisch sind, die Herren!“ „Generalmajor Mustang?“, fragte Hawkeye unsicher. „Wir gehen auch“, sagte er und erhob sich. „Kommen Sie. Wir gehen etwas essen und kommen zurück, wenn hier wieder etwas mehr Verstand eingekehrt ist.“ Miles und Hawkeye tauschten einen kurzen Blick, bevor sie ihrem jeweiligen Vorgesetzten aus dem Sitzungssaal folgten. „Du hast gerade alle anderen Generäle als ‚kindisch’ bezeichnet“, sagte Mustang lachend. „Kann vorkommen“, sagte Olivier lässig. „Und? Wie läuft es in East City?“ „Hervorragend“, sagte er amüsiert, während er nach Hawkeyes Hand griff und sie Olivier unter die Nase hielt. „Mach dich bereit, zu bezahlen.“ „Hübscher Ring, Hawkeye. Ich hätte dir nie so viel Geschmack zugetraut, Mustang“, sagte die blonde Generalin, während sie ihn ansah. „Ich zahle, wenn ich die Wette verliere, gar keine Frage. Wettschulden sind schließlich Ehrenschulden, nicht wahr? Und ich werde nicht jammern.“ „Wusste gar nicht, dass du verlieren kannst“, sagte er sichtlich überrascht. „Ich hab zwar kaum Erfahrung darin, aber du bist auch ein Verlierer“, fauchte sie. „Also kann es ja gar nicht so schwer sein.“ „Gewöhn dich schon mal dran, gegen mich zu verlieren, Armstrong, gewöhn dich dran“, sagte Mustang grinsend. „Wir sind im Osten schon lange mit der Teambildung fertig und Riza geht für uns auf den Fünfer. Mich wirft sie aber aus Rache auch ins Wasser.“ „Dann treten wir gegeneinander an, Hawkeye“, sagte Olivier. „Und Miles wird vermutlich gegen Mustang schwimmen. Nicht gerade überraschend, dass die gesamte Chefetage selbst antritt. Wir wollen schließlich alle gewinnen, nicht wahr?“ „Sergeant Brosh ist der rangniedrigste Soldat, den wir mit nach Central nehmen.“ Mustang zuckte die Schultern. „Ach, und noch eine Rekrutin.“ Sie erreichten den Hauptausgang und ihre Wege trennten sich. Olivier und Miles nahmen Kurs auf das Herrenhaus der Armstrongs in Central City, während Mustang und Hawkeye Rebeccas Wohnung ansteuerten. Generalleutnant Lewellyn, die am Fenster den Büros des Generalfeldmarschalls stand, drehte sich um und sah Grumman an. „Was sind meine Befehle, Grumman?“, fragte sie, während sie eine silberne Augenbraue langsam hob. „Du wirst den Westen endgültig befrieden, Charlotte“, sagte er seufzend. „Das ist dein Befehl.“ Sie streifte ihre neue Uniformjacke über. „Ich komme in einem halben Jahr zurück nach Central und lege dir die Ergebnisse vor“, sagte sie und steuerte die Tür an. Es war Zeit für eine Zigarettenpause. „Und mach dir bitte keinen Stress, Charlotte. Captain Hamilton hat anständig aufgeräumt, bevor sie aus Karrieregründen in den Osten gegangen ist und heute als Oberst Hamilton in Ishbal arbeitet.“ „Wann habe ich mir eigentlich jemals Stress gemacht, Grumman?“, fragte sie seufzend und drehte sich noch einmal um. „Ich meine, mein letzter Brief an den alten Generalfeldmarschall hatte den Inhalt, dass ich eine Veränderung der weiblichen Uniformhosen beantragt habe, weil sie nicht gut für meine Figur waren.“ Sie grinste. „Wie ist es eigentlich, wenn man Generalfeldmarschall ist?“ Grumman seufzte. „Es ist in erster Linie eine Menge Stress“, sagte er, „aber ich habe inzwischen die richtigen Leute an den richtigen Positionen. Mustang macht im Osten wirklich alles richtig, obwohl ich plane, ihn bald zurück nach Central zu holen. Und deine alte Schülerin Armstrong wird bald auch aus dem Norden nach Central versetzt. Ich habe Brigadegeneral Catalina in den Süden geschickt. Er wird auf seine alten Tage in einer Woche noch zum Generalmajor befördert, weil er es sich einfach verdient hat.“ Er zuckte die Schultern. „Dann habe ich Oberleutnant Catalina als persönliche Assistentin. Sie macht wirklich einen bemerkenswert guten Job, wenn man bedenkt, dass sie noch nie zuvor eine persönliche Assistentin von irgendwem war. Und das Wichtigste ist, dass ich es immer so aussehen lasse, als ob ich wüsste, was ich tue. Ich war ein wenig überrascht, als Generalmajor Armstrong ihren eigenen Assistenten zurückhaben wollte, aber weil ich ihr noch einen Gefallen schuldig war, musste ich mir etwas einfallen lassen und habe Oberstleutnant Force nach Ishbal geschickt. Er hat es wirklich gut gemacht.“ „Hmh…“ Lewellyn seufzte schwer. „Ich würde ja Röcke tragen, aber ich habe das Gefühl, dass meine Knie nach all den Jahren nicht mehr in einem Zustand sind, in dem ein Rock angemessen wäre. Es wäre vielleicht besser, wenn ich weiterhin Hosen tragen würde, aber leider sehe ich darin immer so aus, als ob ich Elefantenbeine hätte. Und eigentlich habe ich sehr dünne Beine…“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich komme heute zu deinem netten kleinen Dinner, Grumman. Ich bin mir sicher, dass ich mich wieder einmal gut amüsieren werde. Bis dahin werde ich mich aber ins Archiv zurückziehen und mir ein paar Aufzeichnungen ansehen, die ich gesehen haben muss, wenn du mir das Western Hauptquartier wieder unterstellst. Ich hoffe, dass du auf den Skandal vorbereitet bist. Langsam muss es den Leuten doch auffallen, dass deine alten Kameraden die besten Positionen bekommen.“ „Natürlich ist es ihnen schon aufgefallen, aber … zu meinem großen Glück sind meine alten Freunde am besten für die jeweiligen Positionen geeignet…“, sagte er. „Bis später, weiße Herrin des Westens.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)