Fullmetal Alchemist - Was danach geschah von abgemeldet (Was hätte passieren können...) ================================================================================ Kapitel 10: DAS PICKNICK – UND EINE VERABREDUNG ----------------------------------------------- DAS PICKNICK – UND EINE VERABREDUNG Rebecca Catalina liebte den Park. Sie hatte ihr ganzes Leben in East City verbracht und als ihre Mutter noch gelebt hatte, war sie oft mit der kleinen Rebecca in den Park gegangen. Die Geschichte darüber, wie Klein-Rebecca fast im Ententeich ertrunken war, hatte ihr reizender Vater beim Veteranenempfang ausgegraben und in aller Öffentlichkeit erzählt hatte. Havoc und Breda hatten die wutschnaubende Rebecca höchstpersönlich aus dem Raum eskortiert und ihr kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt, bevor sie sie daran erinnert hatten, dass es nicht erlaubt war, Leute umzubringen. Und schon gar nicht am helllichten Tag vor weit über hundert Zeugen. „Ich liebe es hier!“, verkündete Havoc lauthals, während er sich ins Gras fallen ließ, bevor er seine Freundin am Arm packte und sie ebenfalls ins Gras zog. „Es ist wirklich schön hier“, sagte Fuery ruhig und ließ seinen Hund, Schneewittchen, von der Leine, damit sie mit Hayate um die Wette tollen konnte. „Wir sollten so etwas häufiger machen, finde ich“, sagte der Leutnant dann. „Ich meine, wir befinden uns zurzeit in der komfortablen Lage, dass Ruhe herrscht. Okay, ich hab gehört, dass Armstrong im Norden ein bisschen Ärger mit Drachma hat, aber ich habe vollstes Vertrauen in sie. Sie wird uns die Drachmanen schon vom Leibe halten, da bin ich optimistisch.“ „Wenn’s ganz schlimm kommt, stellt sie ihren Bruder einfach vor ihre Festung und wenn er so was sagt wie ‚Die Technik, Landesfeinde zurückzuschlagen, ist seit Generationen in unserer Familie weiterentwickelt worden! Seht meine Muskeln! Diese Muskeln sind pure Kunst!’, rennen die Drachmanen schreiend weg und verstecken sich bei ihren Müttern. Und vielleicht hat Miss Armstrong dann mehr Respekt vor ihrem Bruder.“ „Aber auch nur in euren Träumen“, sagte Rebecca. Sie ließ sich auch von allen anderen nur noch Oberleutnant Rebecca nennen, weil sie alle Verbindungen zu ihrem Vater abgebrochen hatte. Sie wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. „Soweit ich weiß, und ich weiß dank meiner komfortablen Position weiß ich eine Menge, hat sie sich darüber beschwert, dass Grumman ihr mit einer Degradierung gedroht hat, wenn sie ihn weiterhin in aller Öffentlichkeit so heruntermacht.“ Mustang kniete sich hin und öffnete den Picknickkorb. „Ich habe Apfelkuchen gebacken“, verkündete er und strahlte in die Runde. „Und weil es eine Überraschung sein sollte, musste ich damit warten, bis Riza ins Bett gegangen ist. Ich war kurz davor, ihr aus purer Verzweiflung heraus Schlafmittel unterzujubeln, aber gerade, als ich dabei war, danach zu suchen, ist sie glücklicherweise freiwillig gegangen.“ Die Passanten blieben stehen, als sie die Offiziere erkannten. Für einen Außenstehenden war es schwer, die bekanntesten Gesichter der Stadt zu erkennen. Roy Mustang lag inzwischen im hohen Gras und hatte einen Grashalm im Mund, auf dem er hingebungsvoll herumkaute. Riza Hawkeye saß im Gras und kramte im Picknickkorb nach einem Teller, von dem sie ihren Kuchen essen könnte. Rebecca Catalina trug einen Strohhut und hatte die langen Locken offen gelassen. Ihr Freund Jean Havoc lag auf dem Rücken und sonnte sich. Heymans Breda lag nicht weit entfernt und seufzte schwer, als er sah, wie viel Essen die anderen mitgebracht hatten. Kain Fuery tollte mit den beiden Hunden herum und seine Freundin Sheska hatte sich wieder einmal in ein Buch vertieft. „Tsss…“, sagte eine Frau. „Wenn das nicht der Mann ist, der für unsere Sicherheit verantwortlich ist … Mustang liegt hier in der Sonne und schläft, während wir alle um unser Leben fürchten müssen … Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht…“ „Nach allem, was sie durchgemacht haben, ist es vielleicht ganz schön für sie, dass sie sich auch mal ausruhen können“, sagte ihr Ehemann. „Trotzdem … spätestens zur Parade in drei Monaten, wenn der Generalfeldmarschall auftaucht, sollten sie wieder pflichtbewusster sein und ihm ihren Respekt zeigen…“ „ROY MUSTANG!“, brüllte Hawkeye in diesem Moment und sprang auf. „GIB MIR SOFORT MEINEN HUT ZURÜCK, SONST…“ „Sonst was, Elizabeth?“, fragte er und rannte mit dem Hut davon. „Falls du es noch nicht bemerkt hast: In deiner Waffe ist keine Munition. Und du musst zugeben, dass ich damit unglaublich elegant und attraktiv aussehe“, fügte er hinzu, während er den Hut aufzog und zusah, dass er Land gewann, indem er vor ihr wegrannte. „Lächerlich und übertrieben weiblich würde es eher treffen“, meinte Breda, während er sich ein weiteres Stück Kuchen nahm. Hawkeye warf ihrer besten Freundin die nutzlose Waffe zu, bevor sie den Vorgesetzten verfolgte. Sie war jünger und sie war wesentlich besser im Training als er. Auch wenn man sie aus gegebenem Anlass von allen Schussdisziplinen ausschloss, hatte sie zuhause einen Stapel mit Orden und Auszeichnungen, die sie dafür bekommen hatte, dass sie bei den sportlichen Wettkämpfen geholt hatte. Nur Havoc, der trotz seiner Raucherkarriere ein guter Sportler war, hatte mehr Preise gewonnen. Deswegen hatte Mustang keine Chance gegen sie. Innerhalb weniger Sekunden hatte sie ihn eingeholt und mit einem geschickten Tritt von den Füßen geholt. Er war jedoch inzwischen auf solche Attacken vorbereitet und riss sie mit sich um, woraufhin sie zusammen einen Hügel herunterkullerten und direkt vor den anderen auskamen. „Soso“, sagte Havoc und grinste anzüglich. „Und wann habt ihr zwei euch noch gleich dazu entschieden, euch wie zwei frischverliebte Teenager zu verhalten?“ „Wann hast du entschieden, mutig zu sein?“, fauchte Mustang ihn an. „Nur mal so nebenher – für meinen Geschmack hast du deine Freundin schon etwas zu lange. Ich wäre durchaus bereit, meinem Ruf als Frauenheld wieder gerecht zu werden und sie dir wegzuschnappen, Havoc…“ Rebecca hob ihre Hand und ließ einen schlichten Diamantring aufblitzen. „Wir sind verlobt, deswegen habe ich jetzt noch weniger Interesse an dir als vor all den Jahren, als ich noch Single war“, sagte sie grinsend. „Und außerdem solltest du vielleicht erst von Riza heruntergehen, bevor du mich anmachst“, sagte sie dann. „Danke, Becca“, keuchte ihre beste Freundin, während sie sich mit etwas Mühe unter ihrem Vorgesetzten herauswand und ihm ihren Hut wieder abnahm. „Ich dachte schon, ich müsste ersticken – oder dass meine Rippen brechen würden. Und ich hänge an meinen Rippen, müsst ihr wissen. Sie sind sehr wichtig für mich.“ „Tausend andere Frauen würden sich darum reißen, von mir zerquetscht zu werden!“, sagte Mustang. „Und ausgerechnet meine einzige Assistentin hat kein Interesse daran, obwohl sie die einzige ist, die ich freiwillig zerquetschen würde…“ „Anderes Thema“, sagte Havoc grinsend. „Wann wirst du endlich Generalfeldmarschall? Ich will endlich sehen, wie das weibliche Militärpersonal Miniröcke trägt…“ Seine Verlobte verpasste ihm einen leichten Schlag auf den Kopf. „Ich kann auf diesen ‚glorreichen’ Tag noch gut warten“, sagte sie trocken, dann sah sie Hawkeye an. „Wie sieht es bei dir aus? Machst du es wie ich und verlässt die Armee ganz schnell, wenn es ernst wird, oder bleibst du und lässt dich so demütigen?“ Hawkeye zuckte die Schultern und ließ sich auf den Rücken fallen. „Es kommt drauf an, wie kurz die Röcke sein werden“, sagte sie dann trocken. „Wenn die Länge für die Enkeltochter eines Generalfeldmarschalls vertretbar ist, ziehe ich es durch, aber ich reiße mich nicht darum, einen Minirock tragen zu müssen. Es wird mich bei der Arbeit behindern. Ich sehe außerdem das Risiko, dass Miniröcke-“ „Kein Wort mehr über die Arbeit!“ Breda strampelte wie wild mit Armen und Beinen. „Bitte, es ist mein erster freier Tag seit Monaten!“ „Und wir haben uns hier zusammengefunden, um Beccas Verlobung zu feiern“, sagte Fuery, während er sich neben Sheska auf die Picknickdecke fallen ließ. „Wir sollten heute wirklich nicht über die Arbeit sprechen. Ja, wir haben morgen alle dieses Meeting mit unserem Boss darüber, wie sich unsere weitere Karriere gestalten wird, aber ich hoffe, dass ich damit schnell fertig bin. Ich muss nämlich noch einiges erledigen…“ „Ich dachte, wir könnten das jetzt schnell abhandeln“, sagte Mustang und schnappte Hawkeye wieder den Hut weg. „Okay, wer von euch will in naher Zukunft heiraten? Außer Havoc und Becca?“ Er sah Fuery an. „Wie sieht es bei euch aus?“ „Ähm…“ Der Jüngste im Team lief hochrot an. „Wir wollen damit noch warten, bis wir uns besser kennen“, sagte Sheska knapp und sah nicht einmal von ihrem Buch auf. „Im Gegensatz zu anderen bin ich nämlich nicht der Meinung, dass man sofort heiraten sollte. Wir ziehen nächste Woche zusammen. Das ist ein sehr großer Schritt für uns. Und wir sind ja noch jung. Deswegen können wir es ruhig ein langsamer angehen lassen. Wir haben noch eine Menge Zeit.“ „Riza, wie sieht es bei dir aus?“, fragte Mustang und gab sich Mühe, zerstreut zu wirken. Hast du irgendwelche Pläne für deine Zukunft? Irgendetwas, wovon ich wissen sollte, damit mich deine Kündigung nicht aus allen Wolken fallen lässt?“ Seine treue Assistentin schüttelte den Kopf. „Und selbst wenn ich heiraten würde, wäre das kein Grund für mich, das Militär zu verlassen“, sagte sie nüchtern. Er wünschte sich, sie hätte gesagt, dass sie ihn niemals verlassen würde. Dass sie für immer an seiner Seite bleiben würde, bis er sie wegschicken würde. Einmal hatte er es versucht, aber sie war nicht gegangen. „Ich habe mein Leben für Sie aufs Spiel gesetzt, Sir, und ich will verdammt sein, wenn ich jetzt auf halbem Weg das Handtuch schmeiße und Sie im Stich lasse. Sie werden in Zukunft mehr zu tun haben – und wenn niemand ein Auge auf sie hat, werden Sie nur faulenzen und sich alles kaputtmachen“, hatte sie gesagt, nachdem er ihr gesagt hatte, dass er es nicht länger verantworten konnte, sie an seiner Seite zu haben. „Auch wenn ich Sie damit vielleicht enttäusche: Ich bleibe bis zum bitteren Ende an Ihrer Seite, Sir.“ Sie hatte ihm den Antrag auf Berentung zurückgegeben. „Ich brauche ihn nicht. Behalten Sie ihn, vielleicht kommt der Tag, an dem ich ihn aus persönlichen Gründen doch noch brauchen werde. Aber im Moment bleibe ich.“ Und so war ein vollständig ausgefüllter Antrag, der auf den Namen Riza Hawkeye ausgestellt war, in seiner Schreibtischschublade gelandet. Es fehlten nur die Unterschriften. Seine eigene und ihre. Aber er wusste, dass sie den Antrag verdrängt hatte. „Gut, damit wäre meine größte Sorge ausgeräumt.“ Er sah Rebecca an. „Wie sieht es bei dir aus, Rebecca? Ich weiß, du wolltest gehen, sobald du dir einen reichen Kerl geangelt hast, aber soweit ich informiert bin, ist Havoc nicht gerade unter den oberen Zehntausend zu finden. Darf ich weiterhin auf deine Unterstützung zählen?“ Sie schnaubte. „Ich habe einen Pakt gemacht“, sagte sie. „Oh!“ Seine Augen weiteten sich. „Mit dem Teufel, nehme ich an…“ Sie schüttelte energisch den Kopf. „Mit dem Generalfeldmarschall“, erklärte sie. „Wenn ich weiterhin im Militär bleibe und meinen Job mache, beschafft er mir einen ruhigen Schreibtischjob – und den Rang eines Majors, sobald ich verheiratet bin. Er will übrigens zur Hochzeit kommen, was bedeutet, dass wir die Sicherheitsvorkehrungen erhöhen müssen. Natürlich kümmere ich mich darum.“ Nachdem Mustang sichergestellt hatte, dass keiner seiner Untergebenen vorhatte, sein Kommando durch die Hintertür zu verlassen, entspannte er sich und sonnte sich in aller Seelenruhe, während die anderen aßen. Als er die Augen öffnete, sah er fassungslos, dass Hawkeye etwas abseits saß und emsig Formulare ausfüllte. „Welchen Teil von ‚wir haben heute frei’ hast du eigentlich nicht verstanden, Riza?“, seufzte er. „Du sollst dich entspannen, verdammt noch mal. Gib das her. Sonst muss ich es in Brand stecken. Und dann würden die Leute gucken.“ Sie sah kurz von ihrer Arbeit auf. „Nachdem ich eben feststellen musste, dass du meine Waffe entschärft hast, wirst du feststellen müssen, dass deine Handschuhe ganz normale Handschuhe sind. Immerhin…“ Ihre Stimme wurde leicht sarkastisch. „Immerhin haben wir heute alle unseren freien Tag und im absoluten Notfall habe ich immer ein Ersatzpaar dabei, aber das werde ich dir nicht geben, wenn du damit Akten vernichten willst.“ Er starrte sie entsetzt auf, dann sprang er auf und stürzte auf sie zu, um ihr die Blätter aus der Hand zu reißen, bevor er die Flucht ergriff. Er musste nicht zurücksehen, um zu wissen, dass sie direkt hinter ihm war. Und er musste sie auch nicht sehen, um zu wissen, dass sie nicht gerade erfreut darüber war, dass er seine eigenen Methoden hatte, um ihr eine Pause zu beschaffen. „Du weißt, dass ich dich irgendwann kriegen werde!“, rief sie. „Das mag sein, aber wenn ich bis dahin die Ruhe hatte, die Akten zu zerreißen, hast du nichts davon, mich zu kriegen“, sagte er lachend. „Komm schon, Riza. Entspann dich mal ein bisschen. Selbst Falman ist gerade total entspannt. Und du bist zwar ein Workaholic, aber du bist kein Homunkulus. Du brauchst eine Pause. Und als dein Vorgesetzter gebe ich dir den Befehl, einfach mal eine kurze Pause zu machen und einen Gang herunterzuschalten. Tu es für mich, wenn du es nicht für dich tun kannst.“ Sie holte schneller auf, als er gedacht hatte. „Gib mir die Blätter und keinem wird etwas passieren!“, rief sie, bevor sie mit einem kurzen Sprint zu ihm ausschloss. Das war der Moment, in dem die alte Wunde an seiner Seite wieder zu schmerzen begann und er keuchend stehenblieb. Sie realisierte, dass es kein Spiel mehr war und hielt ebenfalls sofort inne, bevor sie verstand und ihn stützte. Sie brauchten keine Worte. Sie hatten sie auch noch nie gebraucht. Sie konnten stundenlang stumm miteinander kommunizieren. Er hatte es immer so verstanden, dass sie irgendeine überirdische Beziehung hatten, die auf Worte verzichten konnte. Er war sich sicher, dass sie auch so wusste, was er sagen wollte. Manchmal kam es ihm so vor, als ob sie jederzeit in seinen Kopf sehen konnte. Er konnte viele hinters Licht führen. Aber auch wenn er selbst sich selbst einreden konnte, dass er alleine zurechtkam, wusste sie als einzige, dass er Hilfe brauchte. Sie sprach nie darüber, aber er wusste auch so, dass sie immer da sein würde. Für sie bestand kein Grund, darüber zu sprechen. Sie waren füreinander da, wie sie es immer gewesen waren und immer sein würden. Kein anderer Mensch würde es verstehen können. Nur sie und er wussten, wie es war, wenn man zwar zusammengehörte, es aber nicht vor sich selbst zugeben wollte, weil das nie nötig gewesen war. Sie wusste, was er dachte, daraus hatte er die logische Konsequenz gezogen, dass sie auch wusste, was er fühlte. Dabei musste er jedoch irgendetwas nicht berücksichtigt haben, denn sie schien keinen blassen Schimmer davon zu haben, dass er bereits vor langer Zeit entschieden hatte, dass er sie unter keinen Umständen kampflos aufgeben würde. Sie wusste zu viel über ihn. Aber das war nicht der einzige Grund, weshalb er sie nicht gehenlassen konnte. Es war so, dass er sich fürchterlich schuldig fühlte. Mit dem Tattoo auf ihrem Rücken hätte sie vielleicht irgendwann einen Mann finden können – nicht aber mit den Narben. Das Tattoo ließ sich damit erklären, dass sein alter Meister ebenso genial wie besessen gewesen war, aber für die Narben gab es keine logische Erklärung. Sie konnte keinem erzählen, dass es irgendein tragischer Unfall gewesen wäre. Kein Mann – und sei er noch so verliebt – würde das jemals glauben. Aber diese Narben waren seine Schuld. Er hatte den Grund für diese Entscheidung geliefert. Es war seine Schuld. Was er in Ishbal mit den Forschungen ihres Vaters getan hatte, hatte ausgereicht, damit sie sich entschieden hatte, ihre eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen, um es für immer zu beenden. Sie sagte, er habe sie erlöst. Er habe sie von dem befreit, was ihr Vater ihr auferlegt hatte. Er sagte, er habe sie nur in einen anderen Käfig gesperrt. Und beide hatten Recht. „Bist du in Ordnung, Roy?“, fragte sie, während sie ihn stützte. „Danke“, sagte er, weil ihm nichts Besseres einfiel. „Danke, Riza. Habe ich mich eigentlich je bei dir bedankt? Ich glaube nicht, dass ich jemals die Zeit dazu gefunden habe.“ „Ich mache nur meinen Job“, sagte sie, aber sie wussten beide, dass sie log. Was Riza Hawkeye für Roy Mustang tat, ging über ihre Pflichten hinaus. Sie hielt ihn am Leben, sie garantierte für seine geistige Gesundheit und sie half ihm immer wieder auf die Beine, wenn er strauchelte. Und das alles tat sie, ohne jemals etwas dazu zu sagen. „Du weißt selbst, dass das so nicht stimmt, Riza“, sagte er, während er seufzte. Sie hatte irgendwo auf dem langen Weg, den sie zusammen gegangen waren, ihre Verletzlichkeit verloren. Mustang wusste, dass es nur wenige Soldaten von ihrem Kaliber gab und er war froh, dass sie für ihn arbeitete, aber hin und wieder kam er sich so vor, als ob er sie um ihr gesamtes Leben betrogen hätte. Dadurch, dass sie ihm folgte, verpasste sie so viel. Sie klagte nie, aber wann hatte sie das jemals getan? Vielleicht war Rebecca die einzige Person, die wusste, was Riza Hawkeye wirklich dachte. „Ist etwas passiert?“, fragte Rebecca und schob ihre Sonnenbrille hoch, um die beiden besser sehen zu können. „Du siehst ein bisschen blass aus, Roy…“ „Mir geht es gut“, erwiderte er. „Ich hatte nur ein bisschen Ärger mit meiner Seite, aber das ist jetzt wieder in Ordnung. Ich hatte nur vergessen, wie anstrengend es sein kann, vor einer Frau wegzulaufen, die deutlich jünger ist als ich selbst…“ „Es sind nur drei Jahre“, sagte Hawkeye, während sie ihn losließ und sich ins Gras sinken ließ, bevor sie im Picknickkorb nach einem Apfel suchte. „Rebecca, könnte ich dich vielleicht kurz unter vier Augen sprechen?“, bat Mustang, dann sah er Havoc an. „Mach dir keine Sorgen, ich schnappe sie dir nicht weg. Es wird Zeit, dass du heiratest, Junge.“ „Oh mein Gott“, sagte Hawkeye, während sie den Apfel schälte. „Der Geist von Hughes muss von ihm Besitz ergriffen haben!“ „Ich komme gleich zurück“, sagte Rebecca und stand auf, bevor sie ihrem Verlobten kurz einen Kuss gab und Mustang zu einer etwas entfernten Parkbank folgte. „Spuck schon aus, was los ist“, sagte sie seufzend. „Und wenn du Riza irgendetwas…“ Er schüttelte langsam den Kopf. „Das ist es nicht, obwohl es um sie geht“, sagte er und sah sich um, ob auch niemand lauschte. „Ich nehme an, du bist neben mir die Person, die sie am längsten kennt, aber ich frage mich, ob sie dir in letzter Zeit auch so verändert vorkommt. Auf mich wirkt sie seit ein paar Wochen sehr … distanziert.“ Rebecca legte die Stirn in sorgsame Falten. „Ich glaube, sie hat Angst“, sagte sie dann ruhig, obwohl ihre Stimme ihre Sorge verriet. „Sie hat Angst vor dem, was aus ihr wird, wenn du dein Ziel erreicht hast. Sie hat immer nur bis zu diesem Tag geplant. Sie muss dich unterschätzt haben, fürchte ich. Sie muss gedacht haben, dass du noch mindestens zehn Jahre brauchen würdest, um die Spitze zu erreichen. Deswegen hat sie jetzt Angst vor der Zukunft. Der Tag, an dem du sie nicht mehr brauchen wirst, wird schneller kommen als einer von euch beiden geahnt haben wird.“ Sie seufzte. „Ich glaube, Grumman will an seinem fünfundsechzigsten Geburtstag abdanken. Dann ist Riza erst dreißig.“ „Noch immer jung genug, um ein eigenes Leben zu beginnen.“ „Sie sagt, sie wäre zu alt.“ „Es ist ohnehin unnötig, dass sie sich Sorgen macht“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Ich habe nie auch nur eine Sekunde daran gedacht, sie aufzugeben. Wenn ich Generalfeldmarschall bin, bekommt sie ein ruhiges Hauptquartier unterstellt und kann in einer ganzen Region schalten und walten, wie es ihr beliebt.“ „Ich glaube nicht, dass es das ist, was sie will“, sagte die Dunkelhaarige leise. „Sie will keinen ruhigen Schreibtischjob. Sie will in deiner Nähe bleiben, bis alles in Ordnung gekommen ist. Ich kenne ihre Gedanken nicht, aber … das wird es sein, was sie will.“ „Hmh…“ Mustang sah in die Ferne. „Hilfst du mir dabei, ihr einen Gefallen zu tun und ihr etwas zu schenken?“ „Samstag in der Innenstadt?“, fragte Rebecca. „So lobe ich mir meine Untergebenen“, sagte er. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)