Fullmetal Alchemist - Was danach geschah von abgemeldet (Was hätte passieren können...) ================================================================================ Kapitel 8: RÜCKKEHR ZUR NORMALITÄT – ODER ETWAS ÄHNLICHEM --------------------------------------------------------- RÜCKKEHR ZUR NORMALITÄT – ODER ETWAS ÄHNLICHEM Zwei Tage später – Ishbal „Wie war’s in Central?“, fragte Scar, als er sich mit Miles zum Mittagsessen auf einer der vielen Baustellen traf. „Wenn man davon absieht, dass ich unwissend auf eine Geburtstagsfeier eingeladen war und dass sich meine Königin total betrunken hat, war es gar nicht mal so schlecht“, sagte Miles und nahm eine kleine Schatulle aus seiner Jackentasche. „Das hier soll ich dir von Mustang geben. Er sagt, dass du es dir verdient hättest, weil du Hawkeye dabei geholfen hast, ihn auf dem richtigen Weg zu halten…“ Der ältere Mann streckte die Hand aus und öffnete die Schatulle. „Ein Orden?“, fragte er ungläubig. „Hat der Kerl jetzt den Verstand vollkommen verloren?“ Miles schüttelte den Kopf. „Das ist der Ladyhawk-Orden für Verdienste um das Land und die Bürger“, erklärte er. „Soweit ich weiß, stimmt das Parlament darüber ab, wer ihn bekommt und wer nicht. Außer dir haben ihn nur der Generalfeldmarschall und Oberstleutnant Hawkeye bisher erhalten. Der Generalfeldmarschall für seine Verdienste um das Landeswohl und sie wegen ihren Verdiensten darum, dass Mustang nicht Amok läuft. Er hat mir gesagt, dass ich dir sagen soll, dass es keine Beleidigung ist.“ Scar schüttelte langsam den Kopf. „Was ist mit diesen Leuten nur los?“, fragte er und seufzte schwer. „Und wieso hat Mustang den Orden nicht selbst bekommen?“ „Dazu hat er nur gesagt, dass er noch nicht bereit wäre, einen solchen Orden zu tragen – und ich nehme an, dass er damit meint, dass er erst einen solchen Orden von Grumman bekommt, wenn er eine First Lady gefunden hat.“ Miles schnaubte. „Das ist zurzeit das Topthema in ganz Central City: Wer wird die nächste First Lady, wenn Grumman in ein paar Jahren zurücktritt…“ Scar sah ihn fragend an. „Ich dachte, da gäbe es außer dem ‚Falkenauge’ gar nicht allzu viele Möglichkeiten“, sagte er dann verwirrt. „Ich meine, wenn er nicht gerade irgendeine verwöhnte Schnepfe aus gutem Hause heiraten möchte, die in ihm nur die Chance sieht, gesellschaftlich aufzusteigen. Und ich dachte, die beiden wären zusammen…“ „Ach, das ist alles so schrecklich kompliziert.“ Miles rieb sich die Schläfen. „Ja, sie wäre die beste Kandidatin für den Job, aber jeder würde Mustang vorwerfen, dass er sie nur nehmen würde, um Grumman damit versöhnlich zu stimmen. Denn sie ist die Enkeltochter des Generalfeldmarschalls.“ Scar sah seinen rotäugigen ‚Bruder’ mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck an. „Du machst Witze, Miles, oder?“, fragte er leise. „Das kannst du nicht ernst meinen.“ Er schüttelte den Kopf. „Es hat uns alle ziemlich überrascht“, sagte er, „aber offenbar war ihre Mutter zu Lebzeiten seine Tochter. Keiner hat es gewusst, bis er es in einem Nebensatz erwähnt hat. Nun, Mustang sah nicht gerade überrascht aus, aber meine Königin hat es beispielsweise mit Sicherheit nicht gewusst. Jedenfalls sagt sie das.“ „Um das Thema an dieser Stelle zu wechseln, Miles…“ Scar legte den Kopf schief. „Wem um alles in der Welt schreibst du eine Postkarte?“ Miles war nicht zum ersten Mal sehr froh darüber, dass man bei seiner dunklen Haut nicht sofort sah, dass er rot wurde. „Ich schreibe an meine Königin“, sagte er. „Und dann auch noch eine so kitschige ‚Wünschte, du wärst hier’-Karte“, sagte Scar. „Wäre eine ‚Wünschte, du wärst hier und würdest ein paar Leuten die Kehle aufschlitzen’-Karte nicht irgendwie passender?“ „Sei leise!“ Miles wandte sich wieder seiner Postkarte zu. „Ich kann mir vorstellen, dass sie sich im Norden sehr, sehr einsam fühlt“, sagte Scar mit einer überraschenden Feinfühligkeit. „Und du würdest doch auch gerne zurück zu ihr in den Norden gehen, nicht wahr?“ Der andere Mann seufzte schwer und sah von seiner Postkarte auf. „Ja“, sagte er schlicht, „aber sie hat mir den Auftrag gegeben, Mustang hier zu helfen. Und wenn sie mir einen Befehl gibt, habe ich die Pflicht, diesem Befehl zu folgen. Sie ist trotz allem noch immer meine Vorgesetzte und ich habe die Verpflichtung, ihren Befehlen in jedem Fall folge zu leisten – auch wenn es mich mein Leben kosten sollte.“ „Was ist bei euch Briggs’ Bären nur kaputt?“ Scar schüttelte fassungslos den Kopf. „Jeder von euch würde sein Leben für sie hergeben, ohne auch nur zu fragen, ob sie sich auf dem rechten Weg befindet. Miles, diese Treue ist bewundernswert, aber wieso?“ Der Oberst seufzte schwer. „Briggs … es ist kein lebensfreundliches Klima. Wir müssen dort alle zusammenhalten. Wenn wir es nicht tun würden, wären wir nicht besser als die Marionetten, die Bradley hatte. Und sie ist unser Kopf. Als sie Briggs damals übernommen hat, haben sich viele gefragt, weshalb man diese wichtige Festung ausgerechnet einer Frau übergeben hat, aber sie macht seit vielen Jahren einen guten Job. Und auch wenn sie ihren Feinden gegenüber erbarmungslos ist und auch ihren Untergebenen nur wenig Herzenswärme entgegenbringt, wissen wir, dass sie keinen von uns opfern würde, wenn es eine Alternative geben würde. Und deswegen respektieren wir ihre Entscheidungen auch dann, wenn sie unseren Tod bedeuten könnten.“ Selbe Zeit – Central City – Wohnung der Familie Hughes „Danke, Roy, dass du heute auf sie aufpasst“, sagte Gracia, während sie ihre Handtasche nahm. „Wenn du es nicht tun würdest, müsste ich wieder einen Babysitter bezahlen. Und das wird auf Dauer ganz schön teuer. Danke, ich komme zurück, so schnell ich kann.“ „Du musst dich nicht hetzen, Gracia“, sagte er freundlich. „Ich muss ohnehin noch ein paar Bücher lesen und wir fahren erst morgen früh zurück nach East City, auch wenn Fuery schon vorgefahren ist, weil er seine Freundin so sehr vermisst. Sie konnte leider nicht mitkommen, weil sie arbeiten musste. Und Rebecca ist mit Hawkeye shoppen.“ Er grinste. „Wenn ich Hilfe brauchen sollte, werde ich irgendwen darum bitten, die beiden Grazien ausfindig zu machen, damit sie mir helfen können.“ „Eigentlich ist Elicia ja ein liebes Mädchen“, sagte Gracia. „So, ich bin jetzt weg. Falls etwas sein sollte, kannst du mich auch einfach anrufen, okay?“ „Ich denke nicht, dass das nötig sein wird“, sagte er. „Viel Spaß bei deiner Mutter.“ „Werde ich sicherlich haben“, sagte sie und schloss die Tür hinter sich. Mustang drehte sich um und sah Elicia an, die in der Tür stand und ihn neugierig anstarrte. „Hallo, Elicia“, sagte er freundlich und lächelte. „Was möchtest du spielen?“ „Papa hat immer gesagt, dass du keine Kinder magst“, sagte Elicia und legte die Stirn in sorgsame Falten. „Wieso passt du dann auf mich auf?“ „Du musst das falsch verstanden haben“, seufzte er. „Ich habe nur immer gesagt, dass ich noch zu jung bin, um eine Familie zu gründen. Deswegen habe ich gesagt, dass ich keine Kinder haben will. Ich mag Kinder. Sonst hätte ich es auch nie so lange mit Ed ausgehalten, der sich noch heute immer wieder wie ein Kind aufführt.“ Es klingelte. „Das müsste Falman sein“, sagte Mustang. Und es war tatsächlich sein Untergebener. „Guten Abend, Sir“, sagte er, nachdem er ordnungsgemäß salutiert hatte. „Ich bringe Ihnen die Bücher.“ Oberleutnant Vato Falman war innerhalb seiner Kollegen dafür bekannt, dass er unglaublich auf Formalitäten achtete. Selbst Hawkeye, die man schon für eine pedantische Verfechterin des Protokolls hielt, sah dagegen uralt aus. „Wie geht es Elizabeth?“, fragte Mustang wie beiläufig, während er die Bücher entgegennahm. „War sie schon zurück, als Sie gegangen sind?“ Aber auch wenn er so tat, als ob es ihn nicht wirklich interessieren würde und dass er nur fragte, um höflich zu sein, kannte Falman seinen Vorgesetzten gut genug um zu wissen, dass es ihn wirklich interessierte. „Elizabeth ist zusammen mit Joyce einkaufen gegangen“, sagte der Oberleutnant und bemühte sich um einen möglichst sachlichen Tonfall. „Sie hat mir gesagt, dass ich ihre Pflichten ausnahmsweise übernehmen soll. Sie sagte, dass es ihr lieber wäre, wenn Sie nicht mit einer Fünfjährigen alleine wären. Ich glaube, sie macht sich Sorgen.“ Mustang seufzte schwer. „Elizabeth macht sich immer Sorgen!“, rief er dann mit mittlerer Verzweiflung aus. „Sie würde sich selbst dann noch Sorgen machen, wenn sie wüsste, dass ich in Sicherheit bin. Sie hört niemals auf, sich Gedanken zu machen.“ Falman lächelte milde. „Ist das nicht genau das, was eine gute Leibwächterin ausmacht?“, fragte er, bevor er Elicia ansah. „Hallo“, sagte er freundlich. „Du musst Elicia sein. Ich bin Vato.“ Sie lächelte. „Hallo, Vato“, sagte sie. „Hast du Kinder? Onkel Roy hat nämlich keine und ich glaube, dass Papa deswegen immer ein bisschen sauer auf ihn war…“ Falman nickte. „Ich habe sogar zwei Kinder“, verkündete er dann mit einem gewissen Stolz in der Stimme, während er zwei Fotos aus einem Portemonnaie nahm. „Das sind Madeleine und John. Sie leben bei ihrer Mutter.“ „Lebst du nicht mehr bei ihrer Mutter?“, fragte Elicia. Er schüttelte den Kopf. „Es wurde ihr zu gefährlich, mit einem Soldaten verheiratet zu sein, deswegen haben wir uns scheiden lassen“, erklärte er und in seiner fast immer monotonen Stimme schwang eine leise Wehmut mit. „Aber wir sind Freunde geblieben.“ Mustang sah von seinen Büchern auf. „Komm schon, erzähl uns die ganze Geschichte“, sagte er interessiert. „Es wird alles unter uns bleiben, versprochen. Und die Bücher kann ich auch noch im Zug nach Hause lesen. Auch wenn Elizabeth mich vermutlich umbringt, wenn sie herauskriegt, weshalb ich mich plötzlich so sehr dafür interessiere.“ Falman seufzte schwer. „Vivian und ich haben uns kennengelernt, als wir beide noch sehr jung waren und mit unseren Familien in Urlaub gefahren waren. Während des Urlaubes haben wir uns angefreundet und als wir dann feststellten, dass wir in derselben Stadt wohnen, fanden wir das natürlich wunderbar. Aber wir waren noch Kinder. Sie war zehn und ich war zwölf. Nach den Ferien stellten wir fest, dass sie auf meine Schule gewechselt hatten. Und als sie dann sechzehn war, habe ich sie gefragt, ob sie nicht vielleicht mal mit mir ausgehen möchte.“ Er lächelte bei der Erinnerung. „Und sie hat Ja gesagt. Seitdem waren wir zusammen, bis zu dem Tag, an dem ich die Scheidung eingereicht habe, weil es mir zu gefährlich wurde, eine Familie zu haben. Ich schätze, sie hat es verstanden, aber es ist eine Entscheidung, die ich heute wirklich bereue.“ „Wieso fragst du sie dann nicht noch mal, ob sie mit dir ausgehen will?“, fragte Elicia mit der gnadenlosen Logik eines fünfjährigen Mädchens. Mustang sah die Tochter seines besten Freundes an. „Die Idee hat wirklich etwas Gutes“, sagte er. „Was macht deine Frau beruflich, Falman?“ „Oh, sie war auch bei der Armee, aber sie ist ausgetreten, als wir geheiratet haben. Es ist nicht wirklich vereinbar, Mutter und Soldat zu sein, hat sie immer gesagt.“ Der Oberleutnant verzog das Gesicht zu einem halbherzigen Grinsen. „Oh, du musst sie fragen!“ Elicia strahlte über beide Ohren. „Mama sagt immer, dass man sein Glück nicht herausfordern sollte. Wenn man zusammengehört, soll man auch zusammenbleiben, weil es sonst Unglück bringt.“ „Und da hat deine Mama Recht“, sagte Mustang. „Es bringt wirklich nur Pech, wenn man versucht, vor seinem Schicksal wegzulaufen. Das zeigt nämlich nur, dass man zu blind ist, um zu sehen, was wirklich gut für einen selbst ist.“ „Heißt das, du fragst Miss Riza jetzt, ob sie dich heiraten will?“, fragte Elicia. Mustangs Gesichtsausdruck war der eines Mannes, der gerade in eine Zitrone gebissen hatte. „Wir sollten das für ein Nein nehmen“, seufzte Falman. Unterdessen während der Rückreise der Elrics nach Resembool „Was soll das heißen, ‚du musst etwas unternehmen, Ed’?“, fragte ein wohlbekannter ehemaliger Staatsalchemist. „Weshalb muss ich jetzt etwas unternehmen?“ „Weil er dein Vorgesetzter war!“ Winry verschränkte die Arme vor der Brust. „Und weil er sich nach allem, was er durchgemacht hat, ein bisschen mehr Glück verdient hat. Ich weiß, er war in Ishbal. Aber wenn du älter gewesen wärst, wärst du auch in Ishbal gewesen. Und auch jemand wie er hat sich ein bisschen Erlösung verdient.“ Ihr Ehemann seufzte schwer. „Wenn du so dahinter her bist, dann lass dir selbst etwas einfallen, Winry. Ich überlege seit Tagen, wie man den beiden einen ordentlichen Stoß in die richtige Richtung verpassen könnte, aber … es scheint nicht leicht zu sein.“ „Aber du hast bisher doch für alles immer eine Lösung gefunden!“, sagte Alphonse. „Und der Oberstleutnant ist so unglaublich lieb. Sie hat sich ein bisschen Glück verdient. Wir wissen alle, dass du den Generalmajor nicht ausstehen kannst, aber wenigstens um ihretwillen kannst du dein kluges Köpfchen anstrengen, nicht wahr?“ „Nicht du auch noch!“ Edward hielt sich die Ohren zu. „Habt ihr eigentlich schon mal über die Konsequenzen nachgedacht? Sie könnten Kinder bekommen! Lauter kleine Roys, die sich über mich lustig machen und mich klein nennen! Können wir das überhaupt verantworten?“ Die beiden tauschten einen Blick, dann nickten sie. „Komm schon, Ed!“ Alphonse seufzte schwer. „Tu es für den Oberstleutnant. Sie war immer nett zu uns. Und sie hat immer einen so traurigen Blick. Sie hat sich ein bisschen Liebe in ihrem Leben wirklich verdient. Und bei ihrem Aussehen…“ „Heißt das etwa, dass du sie schön findest, Alphonse?“, schnappte seine Freundin, die neben ihm saß, und funkelte ihn wütend an. „Nein, nein“, beteuerte er. „Sie sieht natürlich nicht abstoßend hässlich aus, aber du bist tausendmal schöner, May. Was ich meine, ist, dass Mustang unter Umständen eine Menge Konkurrenz bekommen könnte. Und deswegen müssen wir schnell handeln.“ „Was haltet ihr davon, wenn wir ihr einen Liebesbrief schreiben?“, fragte Winry. „Und wir unterzeichnen ihn natürlich mit seinem Namen…“ „Eine wirklich hervorragende Idee“, lobte ihr Ehemann überschwänglich, „aber sie wird es uns nicht abkaufen. Ich meine, sie ist seine Assistentin. Sie wird den Unterschied zwischen seiner Sauklaue und unserer Schönschrift in jedem Fall bemerken…“ Alphonse grinste breit. „Mir fällt da jemand ein, der uns dabei helfen könnte“, sagte er mit einem zufriedenen Grinsen. „Jemand, der jede Handschrift nachmachen kann. Jemand, mit einem bemerkenswerten Erinnerungsvermögen…“ „Falman?“, fragte Edward. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“, fragte sein Bruder. „Ich rede von Sheska. Soweit ich weiß, ist sie aktuell in East City stationiert. Und sie ist uns noch einen Gefallen schuldig. Ich meine, uns verdankt sie es, dass sie diesen gutbezahlten Job beim Militärgericht bekommen hat…“ Er zuckte die Schultern. „Und ich kann mir vorstellen, dass sie uns mit Sicherheit gerne bei der Umsetzung unseres Planes helfen würde…“ „Und wenn man bedenkt, dass sie unter Garantie jeden Liebesroman gelesen hat, der jemals gedruckt worden ist, gibt es mit Sicherheit niemanden, der uns besser helfen könnte als sie…“ Edward nickte gedankenverloren. „Ich würde sagen, wir machen den Umweg über East City. Wir müssen sofort handeln, bevor er Verdacht schöpft.“ „Eine Frage.“ Winry schlug die Beine übereinander. „Was machen wir, wenn einer der beiden herausfindet, dass wir dahinterstecken? Werden sie nicht fürchterlich wütend auf uns sein, wenn sie es herauskriegen?“ Die beiden Brüder tauschten einen Blick. „Wenn einer der beiden es herauskriegt“, begann Edward. „Dann werden wir rennen“, beendete Alphonse den Satz. „Okay, wenn wir schon einen Notfallplan haben, können wir jetzt zur Tat schreiten“, sagte May und rieb sich die Hände. „Lasst hören, Jungs. Was schreiben wir der lieben Frau? Hat einer von euch jemals einen Liebesbrief geschrieben?“ „Nein“, sagte Edward, „aber das ist kein Problem. Ich gehe jede Wette ein, dass Hawkeye a) nicht der Typ ist, der viele Liebesbriefe bekommt – und mit Sicherheit keine von Mustang und der ist b) nicht der Typ, der romantische Liebesbriefe schreibt.“ „Und da du nie im Verdacht standest, romantisch zu sein, Ed, müssen wir uns keine Sorgen machen, dass sie misstrauisch wird“, sagte Winry sarkastisch. „Vielleicht sollte unser Brief ein bisschen … alchemistisch angehaucht sein.“ „Du bist teuflisch, Winry, wirklich!“ Alphonse lachte. „Was haltet ihr von ‚Wenn die Alchemie das Gesetz des Universums beschreibt und wenn es wirklich darum geht, etwas wieder zusammenzusetzen, dann musst du früher ein Teil von mir gewesen sein.’“ „Das ist perfekt“, sagte Edward anerkennend, „aber ein bisschen … pathetisch.“ „Ist doch egal“, sagte May und war zu Tränen gerührt. „So, wie ich Mustang einschätze, ist er einer von diesen Kerlen, die vollkommen alchemiebesessen sind, und schon deswegen ist es perfekt. Keiner erwartet etwas so Romantisches von ihm, aber ich habe es gesehen, als sie fast gestorben wäre. Er sah so aus, als würde er alles opfern um sie zu retten, aber gleichzeitig schien er auch zu wissen, dass sie das nicht wollen würde. Ich habe selten zuvor so einen Gesichtsausdruck gesehen. Auf der einen Seite stand der verzweifelte Wunsch, sie zu retten, aber auf der anderen Seite das Wissen, dass sie es ihm nicht verzeihen würde, wenn der Preis zu hoch sein würde…“ „Nächste Station: East City Hauptbahnhof! Fahrgäste in Richtung Ishbal müssen hier umsteigen!“, wurde via Lautsprecher durchgesagt. „Gehen wir“, sagte Edward und sie stiegen aus, bevor sie sich auf den Weg zum Militärgericht machten, wo sie ihre alte Freundin schnell fanden. „Wobei soll ich euch helfen?!“ Sheska ließ fast ihren Stift fallen. „Ihr wollt Riza einen Liebesbrief schreiben, der angeblich vom Generalmajor kommt? Aber warum?“ „Weil die beiden ein wunderschönes Pärchen wären“, sagte Edward. „Genauso schön wie du und Fuery. Habe ich schon mal gesagt, wie sehr ich mich für euch freue?“ „Danke, Edward“, murmelte sie, während sie leicht errötete, dann nahm sie einen Bogen offiziell aussehendes Briefpapier aus ihrer Schublade. „Fangen wir an, bevor ich ein schlechtes Gewissen bekomme und es mir anders überlege“, grummelte sie. „Es kann mich in Teufels Küche bringen, aber das wisst ihr hoffentlich.“ Alphonse nickte. „Wir wissen, dass du deswegen deinen Job verlieren kannst, aber wenn es dich tröstet, kannst du ja immer behaupten, wir hätten dich dazu gezwungen und dir damit gedroht, dich zu verprügeln“, sagte er. „Ja, wenn man mich vor Gericht stellt, wer de ich mich daran erinnern und es euch anhängen“, sagte sie düster und schnappte sich einen Füller. „Also schön – was soll ich für euch schreiben? Und dann auch noch in Mustangs Handschrift…“ Unterdessen in Briggs – Oben, auf den Dächern der Festung Olivier Armstrong saß mit geschlossenen Augen auf dem Dach und hatte das Gesicht der Sonne zugewandt. Ihr Gesicht war der kalten Luft schutzlos ausgeliefert, aber sie hatte sich mit den Jahren an das lebensfeindliche Klima gewöhnt. Und wann immer sie ein bisschen Ruhe brauchte, ging sie nach hier oben, um sich auszuruhen. Nur Miles und der verstorbene Bucaneer wussten, dass man sie hier finden konnte. Langsam öffnete sie ihre Augen wieder und ließ ihren Blick über das Umland schweifen. Selbst jetzt im Sommer gab es hier nur blendend helles Weiß, das Schwarz der Berge und das unendliche Blau des Himmels. Sie mochte es, weil es so schlicht war. Aber sie fühlte sich seit etwa zwei Jahren selbst hier, wo sie ihre Pflicht und damit auch ihr Herz hingeführt hatte, sehr einsam. Vor zwei Jahren wäre sie hier oben nicht lange alleine geblieben. Miles oder Bucaneer – einer der beiden hätte sie hier gefunden und ihr Gesellschaft geleistet. Jetzt war keiner der beiden noch in Briggs. Bucaneer war zurückgekehrt, aber er war tot. Und ein toter Mann konnte sie nicht mehr unterhalten. Miles hingegen war noch am Leben. Er war im Land seines Großvaters, das er mit der Hilfe des Serienmörders Scar wieder aufbaute. Bei ihrem kurzen Besuch dort hatte Olivier mit Überraschung festgestellt, dass die Arbeiten schnell vorankamen. Sie wäre gerne länger geblieben, aber sie hatte nach Central City gemusst, um dort Hawkeyes Geburtstagsfeier beizuwohnen. Sie hatte Miles natürlich mitgenommen. Er war der einzige Mensch auf Erden, dem sie noch vertrauen konnte. Mustang hatte mehr Glück gehabt – und das wurmte sie ein wenig. Er hatte keinen seiner treuen Untergebenen verlieren müssen, auch wenn es für seine rechte Hand ziemlich knapp gewesen war, wie Olivier von Scar gehört hatte. Aber wieso sollte der große Generalmajor Mustang auch jemals das Pech haben, jemanden zu verlieren? Olivier lachte bitter und wünschte sich plötzlich, Miles wäre wieder da. Er würde sich zu ihr setzen und ihr einfach zuhören, wenn sie ihm etwas erzählte. Er hörte ihr nicht nur zu, weil es seine Pflicht war. Er hörte ihr zu, weil es ihn wirklich interessierte. Sie sah wieder nach oben, wo ein einsamer Adler seine Kreise zog. Noch jemand, der alleine ist, dachte sie und ärgerte sich über ihre eigene Wehmut. Aber er kann wenigstens an jeden Ort fliegen, an den sein Herz ihn zieht. Ich sitze hier fest. Es ist ein schönes Gefängnis, aber es bleibt ein Gefängnis. Früher war es besser zu ertragen … Früher … Neid keimte in ihr auf, als ein zweiter Adler hinzukam und gemeinsam mit dem anderen seine Kreise zog. Sie selbst würde immer alleine fliegen. Niemand würde jemals an ihrer Seite stehen und sie auf ihrem Weg begleiten. Deswegen kam sie auch nicht als Staatsoberhaupt infrage. Grummans Worte hallten in ihren Ohren nach: „Sie sind älter als Mustang und haben mehr Erfahrung, Armstrong, aber Ihnen fehlt eine Sache, die er hat. Er kann besser mit Menschen umgehen als Sie. Ich weiß, dass Sie mit widersprechen wollen, aber haben Sie ihn jemals im Umgang mit seinen Untergebenen erlebt?“ Und das Schlimme war, dass die Blonde ganz genau wusste, dass er Recht gehabt hatte. Im Gegensatz zu Mustang war sie tatsächlich nicht sonderlich talentiert darin, sich mit anderen Menschen auseinanderzusetzen. Es widersprach auch zu sehr ihrer persönlichen Lebensphilosophie. In ihrer Welt konnte nur der Stärkste überleben – und sie zog es vor, selbst die Stärkste zu sein, um überleben zu können. Sie wusste, dass es falsch war. Sie wusste, dass ihr genau diese Stärke irgendwann das Genick brechen würde, aber sie wusste auch, dass sie in jedem Fall als die Frau in die Geschichtsbücher eingehen würde, die Amestris vor Drachma beschützt hatte. Und das war ihr Auftrag. Olivier stand auf und steckte ihr Schwert ein, bevor sie wieder ins Innere der Festung ging. Die Würfel waren gefallen. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Sie würde sich ihren letzten treuen Gefolgsmann zurückholen. Miles war zwei Jahre in Ishbal gewesen, um dort alles in Ordnung zu bringen. Jetzt brauchte sie ihn wieder hier. Und noch während sie überlegte, welchen Grund sie angeben sollte, fühlte sie sich plötzlich nicht mehr so einsam wie noch wenige Minuten zuvor. Sie wusste, egal, wie schlecht und sinnlos ihre Begründung auch sein mochte, er würde in jedem Fall zurückkommen. Und vielleicht, dachte sie, während sie die letzten Schritte zurücklegte, die sie noch von ihrem Büro trennten, vielleicht muss ich dann nicht mehr alleine fliegen … Eine solche Versetzung musste sie mit dem Generalfeldmarschall abklären, aber sie war sich sicher, dass das das kleinste Problem sein würde. „Oh, meine liebe Olivier!“, brüllte Grumman so laut, dass sie den Hörer lieber etwas von ihrem Ohr weg hielt. Sie hing an ihren Ohren. „Generalfeldmarschall Grumman“, seufzte sie. „Können Sie mir vielleicht erklären, weshalb Sie so laut brüllen? Wenn Sie ohne Telefon mit mir sprechen wollen, bitte, aber tun Sie das nur, wenn wir uns direkt gegenüberstehen, Sir.“ Er lachte nur. „Nun, welchem freudigen Anlass verdanke ich die Ehre Ihres Anrufs, Olivier?“, fragte er. „Sie rufen nie an, wenn Sie einfach nur plaudern wollen. Ich nehme an, Sie sind mit der Verteidigung der Nordgrenze auch zu sehr beschäftigt.“ „Ich rufe irgendwann mal einfach nur so an“, versprach sie. „Aber heute wollte ich Sie um einen kleinen Gefallen bitten, Sir. Ich wollte darum bitten, Oberst Miles wieder unter mein Kommando zurückzuversetzen. Ich hatte mir ja auf Ihr Anraten, einen neuen Assistenten gesucht, aber der war einfach nur … nutzlos.“ „Nun, ich sehe schon, dass Sie es wenigstens versucht haben, ohne Ihren besten Mann weiterzumachen, meine Teure“, sagte Grumman gewohnt freundlich. „Und weil ich eben einen Anruf von Ihrem Assistenten erhalten habe, in dem er mich darum gebeten hat, ihm einen Zeitpunkt zu nennen, an dem er nach Briggs zurückkehren könnte, bin ich gewillt, ihn Ihnen sofort zurückzugeben, Olivier. Erinnern Sie mich bitte nur daran, dass ich bei Gelegenheit einen neuen Offizier für Ishbal verantwortlich mache. Mustang ist mit East City schon so beschäftigt, dass ich ihn unmöglich dauerhaft nach Ishbal schicken kann. Der Osten ist nicht der Norden, meine Teure.“ „Ich weiß selbst, dass der Osten von den Homunkuli ziemlich übel zugerichtet worden ist“, schnappte sie, „aber auch wenn Sie so schnell keinen hochrangigen Offizier nach Ishbal schicken können, hätte ich meinen Assistenten gerne zurück.“ „Ich werde sofort den Befehl herausgeben“, sagte der Generalfeldmarschall. „In spätestens drei Tagen gehört er wieder Ihnen, Madam.“ „Ich habe zu danken“, sagte sie. „Auf Wiederhören.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)