Blood on my hands von Binghe (call me a sinner [ Kid x Law ]) ================================================================================ Prolog: Delirium ---------------- Ich fühlte mich taub. Meine Sicht verschwamm, wankte, fokusierte sich wieder - nur um darauf hin erneut zu verschwimmen. Ich hörte ein Keuchen und wusste, das es mein eigenes war. Es fühlte sich an, als würde mir jemand mit seiner Faust die Lungen zerquetschen und mir die Luft abschnüren. Ich rang förmlich um den Atem, der rasselnd meine Lungen erreichte. Die Sonne schien. Ich schlenderte den schmalen Trampelpfad entlang, den ich mittlerweile in und auswendig kannte, aber heute war etwas anders. Ich blieb stehen und sah zu einem Jungen herüber der auf dem Boden hockte, die Hände vor das Gesicht geschlagen. Ich kannte ihn, hatte ihn schon öfter gesehen, aber nie etwas mit ihm zu tun gehabt. Weinte er? Ich zögerte, dann ging ich auf ihn zu und grinste, als ich hinter ihm zum stehen kam. Mein Grinsen verschwand, als mein Blick an dem Grabstein hängen blieb vor welchem er hockte. Ich schwieg, überlegte was ich zu ihm sagen könnte und ließ mich neben ihm ins Gras sinken. Aus dem Augenwinkel musterte ich ihn; er sagte nichts, ich auch nicht. Seine blonden Haare hingen ihm wirr ins Gesicht. Dann grinste ich, stupste ihn mit dem Schraubenschüssel an und er sah auf. Seine Augen blitzten hinter den Haarsträhnen hervor, sodass sie kaum sichtbar waren. Trotzdem konnte ich sehen das er verwirrt war. “Hey.” “Hey ...?”, kam es irritiert zurück. “Ich heiße Kid! Und wie heißt du?” “Killer.” Er wischte sich mit seinem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. “Killer? Was für ein komischer Name”, sagte ich und lachte. Er lächelte schief, dann sah er irgendwie deprimiert auf den Boden. “Ich will dir was zeigen”, fuhr ich fort und erhob mich, klopfte mir den Dreck von der Hose. Er sah zu mir auf, neugierig, aber immer noch verwirrt. “Na los, oder willst du hier Wurzeln schlagen?” Ich hielt ihm meine Hand hin und er ergriff sie. Mit einem Ruck zog ich ihn auf die Beine. Ich grinste, er lächelte, dann setzten wir zusammen unseren Weg über den schmalen Pfad fort. Ich führte ihn zu meinem eigenen, kleinen Lieblingsort. Er war der erste, mit dem ich ihn teilte. Als ich ihm den kleinen Roboter, den ich aus Metall zusammen gebaut hatte, in die Hand drückte, lächelte er glücklich. Meine Lippen verzogen sich zu einer Grimasse, als ein stechender Schmerz mich durchzuckte und versuchte mich in die erlösende Ohnmacht zu ziehen. Ich wehrte mich. Ich hörte jemanden in meinem Kopf sagen: “Vor deinem Tod zieht dein Leben noch einmal an dir vorbei.” Starb ich? Unwillkürlich bäumte ich mich innerlich auf, wollte nicht los lassen, wollte das Leben nicht aus meinen Körper entweichen lassen. Hilflos klammerte ich mich an das Einzige was blieb und schnappte nach Luft. Ich hasste es, so ausgeliefert zu sein. Ich hasste es, mein Leben nicht selbst kontrollieren zu können. Ich konnte spüren wie sich meine Finger in die Erde gruben, die sich feucht anfühlte. Es regnete nicht. Ich wusste, dass es mein Blut war. Meine linke Körperhälfte fühlte sich taub an. Ich spürte nichts, nicht einmal Schmerz. Gar nichts. Dieses Gefühl war schlimmer als der Schmerz, der den Rest meines Körpers beschlagnahmte. ”Was?”, hörte ich mich selbst sagen, ungläubig. Vor mir stand ein Mann, an dessen Name ich mich nicht erinnern konnte. Er war Arzt und hatte schon viele Leben gerettet. “Hat er ... ?” Der Mann schüttelte den Kopf. “Nein, er wird es überstehen. Aber er wird Narben davon tragen.” Ich nickte stumm. Natürlich würde er das. Was für ein Idiot. Wie dumm konnte man sein, so jemanden herauszufordern? Am liebsten wäre ich in sein Zimmer gestürmt, hätte Killer an der Gurgel gepackt und ihn wild geschüttelt, gesagt, dass es das nicht wert gewesen war. Ich merkte nicht, wie der Arzt an mir vorbei ging um seinem nächsten Patienten einen Hausbesuch abzustatten. “Spinner”, entwich es mir unwillkürlich, aber es war mehr ein laut gedachter Gedanke. Sieben Jahre war es her, seit ich Killer das erste mal getroffen hatte. Damals, an dem Grabstein. Jetzt waren wir Jugendliche – ungestüm und Unruhestifter. Damals war ich es gewesen, der ihn an die Hand genommen und ihn geführt hatte. Jetzt war es anders herum. Mit gemischten Gefühlen betrat ich das kleine Haus, in welchem er seit seiner Kindheit alleine wohnte. Keine Eltern, keine Familie. Irgendwie kam mir das bekannt vor. Ich schmunzelte bitter. Klar, meine Mutter war früh mit einem Typ durchgebrannt und hatte meinen Vater mit mir stehen lassen. Irgendwann ist auch er verschwunden. Keine Ahnung, wohin. Das hatte mich nie interessiert. Wir kannten unsere Eltern nicht, mussten wir aber auch gar nicht. Ich schob die Tür auf. Er lag in seinem Bett und schlief scheinbar, denn er atmete ruhig. Seine rechte Gesichtshälfte war bandagiert, aber ich konnte die tiefen Wunden dahinter erahnen. Die Narben, die zurück blieben, würden nie mehr verblassen. Er würde in der Zukunft eine Maske tragen, aber das wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht. Ich sah ihn an, wusste nicht wie ich reagieren sollte. Ohne das ich es hätte verhindern können stöhnte ich vor Schmerzen und wusste nicht, wie ich mir helfen sollte. Ich konnte mich keinen Zentimeter bewegen, geschweige denn aufstehen. Ich konnte nur hier liegen und warten, dass es entweder zu Ende ging oder das ein Wunder geschah. Ein mieses Gefühl. Eines, das ich nicht kannte und nicht kennen wollte. Ich konnte nicht akzeptieren, dass ich gerade dabei war mein Leben auszuhauchen. Ich war wütend auf mich selbst, hätte mich am liebsten selbst geschlagen, wenn ich meine Hand hätte bewegen können. Mir war gerade alles recht, außer bewegungslos auf das Unvermeidliche zu warten. Ich biss die Zähne zusammen, als es mir gelang mich ein kleines Stück zu bewegen. Nur unter größter Anstrengung und unter Aufbringung all meiner Willenskraft konnte ich meine Augen aufschlagen. Der Himmel. Natürlich. Was für eine Ironie. Wenn es so etwas wie Himmel oder Hölle gab käme ich vermutlich in Letztere. Seltsamerweise war mir das egal. Ich war noch nie gläubig gewesen und wenn es doch eine Art Gott geben sollte, so wäre es verdammt schlecht für seinen Ruf. Ich keuchte abermals und schaffte es irgendwie mich ein Stück zu drehen. Alles war schummrig. Meine Augen richteten sich auf den Boden unter mir. Rot. Ein tiefes, dunkles Rot. Ich blutete ziemlich stark. Kein Wunder, dass ich mich nicht aufrichten konnte. Der Blutverlust war viel zu hoch, ich musste kurz davor sein das Zeitliche zu segnen. Ich konnte das nicht wahr haben, versuchte trotzdem mich zu erheben, schaffte es aber nicht. Stattdessen sackte ich wieder zurück auf den Boden, ohne mich zu rühren. ”Kid.” “Halt's Maul.” “Das ist keine gute Idee”, fuhr jemand neben mir ungerührt fort. Ich drehte meinen Kopf und in meinem Blickfeld erschien Killer, ohne Maske. Wir waren auf unserem Schiff, genauer gesagt in meiner Kajüte. Eine hässliche Narbe zog sich über sein Gesicht, die Narbe von damals. Idiot, schoss es mir abermals durch den Kopf. “Mir egal”, erwiderte ich stur und starrte zurück auf das Meer. Ich war wütend und gereizt. Ich weiß nicht mehr, warum. Killer packte mich ungefragt an meiner Schulter und drehte mich unwirsch zu sich herum. Jedem anderen hätte ich längst eine reingehauen. “Willst du so enden wie ich?”, zischte er gereizt, aber ich konnte sehen das er nicht wirklich wütend war. Ich starrte ihn schweigend an. Früher konnte ich seine Augen nie sehen, denn sie waren immer hinter einem wilden Pony verborgen gewesen. Jetzt starrten zwei blaue Iriden zurück in meine. Die Narbe klaffte wie eine tiefe Furche in seinem sonst makellosen Gesicht. Wie ein Sprung in Marmor. Wieder wusste ich nicht, wie ich reagieren sollte. In meinem Gesicht brannte es unangenehm, so als hätte es jemand in Brand gesteckt. Ich wollte mein Gesicht berühren, aber ich schaffte es nicht einmal mehr meinen Arm zu heben. Mein Atem ging schwer und das Blut rauschte in meinen Ohren. Obwohl ich längst geschlagen war, pulsierte das Adrenalin noch immer durch meinen Körper. Ich konnte meinen viel zu schnellen Herzschlag spüren, der hart gegen meinen Brustkorb hämmerte. Ein klägliches Aufbegehren, meinen Körper am Leben zu erhalten. Jemand griff nach meinem Arm und zwang mich stehen zu bleiben. Ich sah über meine Schulter zurück. Wieder war es Killer. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen und sah direkt auf seine Maske. Sein Griff verstärkte sich unwillkürlich, woraufhin ich ihm einen angepissten Blick schenkte. “Warum machst du das?” “Was?”, entwich es mir unwillkürlich, obwohl ich wusste was er meinte. “Du weißt, dass das reiner Selbstmord ist.” Ich verengte die Augen, riss mich von ihm los und verzog die Lippen genervt. Ich spürte das ich wütend war und wie es mich ärgerte, dass er mir nicht mehr Vertrauen entgegen brachte. “Zweifelst du an mir?”, fragte ich deswegen und musterte ihn eingehend. Zu meinem Verdruss sagte er überhaupt nichts und schwieg. Ich nahm das automatisch als ein ja und packte ihn am Kragen. Ich war ihm gegenüber noch nie handgreiflich geworden. Mit der freien Hand riss ich ihm seine Maske vom Gesicht und schleuderte sie durch das Zimmer, wo sie mit einem dumpfen Geräusch gegen die Wand knallte. Er ignorierte es. “Das auf dem Sabaody Archipel war anders”, erinnerte er mich und griff mit einer Hand nach meinem Handgelenk. Ich ließ ihn gewehren und versuchte aus seiner Mimik schlau zu werden. Sie war undefinierbar. “Damals war Trafalgar-” “Das ist zwei Jahre her, Killer”, unterbrach ich ihn, bevor er seinen Satz beenden konnte. Abermals schwieg er und jetzt ließ ich ihn loß, aber seine Hand verweilte an meinem Handgelenk. Ich ignorierte es gekonnt. “Ich lasse das nicht auf mir sitzen.” In seiner Mimik veränderte sich etwas, aber ich konnte nicht genau sagen, was es war. “Nimm mich mit”, sagte er schließlich und ich musste überrascht geguckt haben, denn er fügte hinzu: “Wenn, will ich dabei sein.” Abermals riss ich mich von ihm los. Ich wollte ihn nicht mitnehmen und er wusste das. Er kannte die Gründe und er spielte sie gegen mich aus. Ich hasste es, wenn er das tat. Ohne Vorwarnung wurde mir die Luft abgeschnürt. Mir wurde schwarz vor Augen, als sich alles in meinem Körper verkrampfte und gegen eine Macht ankämpfte, die er nicht besiegen konnte. Ich spürte, wie ich panisch wurde, als kein einziger Luftzug mehr meine Lungen erreichte. Nicht einmal ein schmerzerfüllter Laut entwich meinen Lippen. Ich war vollkommen machtlos, war meinem eigenen Körper ausgeliefert, der mich dazu zwang einen verzweifelten Atemzug zu nehmen. Nichts. Der Schmerz wich einer bleiernen Taubheit, die sich meines Körpers aneignete. Mein Kopf war wie leer gefegt, kein konkreter Gedanke kreuzte mehr meinen Kopf, nicht einmal der Wille zu atmen. Ich konnte fühlen, wie sich meine Muskulatur unwillkürlich entspannte, wie mein Körper den Kampf aufgab, den er sowieso nicht hätte gewinnen können. Ich freundete mich damit an zu sterben. Killer lag regungslos vor mir auf den Boden, meine Faust war noch immer geballt. Er war nicht tot, nur ausgeknockt. Später würde er mir dafür danken oder vielleicht auch nicht, ich machte mir keine genaueren Gedanken darüber. Es war ein komisches Gefühl, ihn geschlagen zu haben. Normalerweise machte es mir nichts aus Gewalt anzuwenden oder sogar jemanden zu töten, aber bei ihm war es anders. Ich hatte ihn gekannt, noch bevor ich Pirat wurde. Sogar noch bevor ich so wurde, wie ich es jetzt war. Ich weiß selbst nicht mehr, was der Auslöser dafür gewesen war. Ich verharrte für einen Moment. Er war meine Stimme der Vernunft, die mir vor Jahren abhanden gekommen ist. Es war nicht das erste mal, dass ich diese ignoriert hatte. Jemand, der mich sprichwörtlich herausforderte konnte nicht ungeschoren davon kommen. Killer wusste das. Warum hatte er sich mir in den Weg gestellt? Ich spürte kaum noch, wie irgendetwas nach mir griff. Ich wurde hochgehoben – oder zumindest fühlte es sich so an – und fühlte mich schwerelos. Etwas berührte mich unsanft und mein Körper sendete eine Welle des Schmerzes durch mein Nervensystem, aber ich war unfähig mich von den unangenehmen Berührungen zu entfernen. Ich konnte eine Stimme ausmachen, aber es war mir unmöglich festzustellen ob es ein Mann oder eine Frau war. Es klang wie ein einziger, undefinierbarer Ton, als ob sie von anderswo herkam. Wieder wurde ich berührt, als etwas das sich verdächtig nach einer Hand anfühlte meine linke Schulter abtastete. Keine Schmerzen, nichts. Lediglich ein dumpfes, taubes Gefühl das davon ausging. Ich merkte, wie sich mir die Realität langsam entzog, als der Rest des Sauerstoffs in meinen Lungen aufgebraucht wurde. Selbst die fremde Stimme verschwand langsam aus meinem Bewusstsein, als wäre sie bloß eine Halluzination gewesen, die niemals existiert hatte. Vielleicht war das auch so. Ich hatte nicht die Kraft darüber zu sinnieren. Nur mein Herzschlag war noch zu hören. Er ging immer noch viel zu schnell, strengte sich an, meinen Körper mit genügend Blut und Sauerstoff zu versorgen. Es war ein sinnloser letzter Kampf. Ein paar Sekunden später verlangsamte sich mein Puls zusehends, bis er beinahe gar nicht mehr zu hören war. Mein Bewusstsein entzog sich mir vollständig, ehe der letzte Schlag getan war. Kapitel 1: Realization ---------------------- Dunkelheit umgab mich und ich fühlte mich körperlos. War ich tot? Schlief ich? War es nur ein bescheuerter Traum gewesen, der sich viel zu real angefühlt hatte? Ich konnte es nicht genau definieren und ich versuchte mich zu erinnern, was geschehen war. Doch jedes Mal, wenn ich nach den Erinnerungen griff, entzog sich mir mein Bewusstsein und ich stand wieder dort wo ich am Anfang gewesen war. Es war ein Teufelskreis, aus dem ich mich nicht befreien konnte, ganz gleich wie sehr ich mich anstrengte. Doch irgendwann, ich wusste nicht ob es nur wenige Sekunden, Stunden oder Tage gewesen waren, fühlte ich etwas anderes als diese dumpfe Leere in meinem Innern. Es war ein stechendes, brennendes Gefühl, wie Feuer auf der Haut das sich durch das Fleisch schmorte. Es waren dieselben Schmerzen wie zuvor, als ich an der Schwelle zum Jenseits gestanden hatte. War ich also doch noch nicht tot, wenn ich immer noch Schmerzen spüren konnte? Oder gab es doch so etwas wie die Hölle und ich landete gerade sprichwörtlich im Fegefeuer, ohne mir dessen bewusst zu sein? Schwachsinn, ermahnte ich mich selbst und hätte den Kopf geschüttelt, wenn ich es gekonnt hätte. Sowas gab's nicht und wird es auch nie geben. Das beantwortete aber trotzdem nicht meine Frage und ich spürte, wie ich langsam ungeduldig wurde und ich dieser misslichen Lage entfliehen wollte. Dummerweise fühlte ich mich noch immer so, als hätte ich keinen Körper und konnte deswegen nichts anderes tun, als abzuwarten bis die Dunkelheit sich lichtete. Es kam mir wie eine gefühlte Ewigkeit vor, ehe es langsam in meinem Bewusstsein dämmerte und ich mir gewahr wurde, dass ich wohl die ganze Zeit bewusstlos gewesen sein musste. Schön, dass hieß das ich immer noch am leben war. Zumindest eine gute Nachricht nach diesen quälend langen Stunden oder Tagen oder Wochen – ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Ich konnte spüren, wie ich auf etwas weichem lag und ich von Wärme umringt war. Ein Bett? Ich kam nicht dazu, großartig darüber nachzudenken, als etwas weiches meinen rechten Arm berührte und ich unwillkürlich innerlich zusammenzuckte. Mein Körper rührte sich kein Stück und ich lag noch immer bewegungslos in einem undefinierbaren Raum. Ich hätte nur zu gern die Augen aufgeschlagen und nachgesehen, wer da scheinbar um mich herumgeisterte, aber meine Lider weigerten sich strikt mein Sichtfeld freizugeben. Auch der Rest meines Körpers war kein Stück kooperativer und fühlte sich wie gerädert an, aber die brennenden Schmerzen waren verschwunden. Ich wusste nicht warum, aber es war eine Erleichterung sie los geworden zu sein. So miserabel ich mich auch fühlte, immerhin war es mir vergönnt in einen erholsamen Schlaf zurück zu sinken. Als ich das nächste Mal erwachte war es unfreiwillig, weil ich wieder von undefinierbaren Gliedmaßen berührt wurde. Sie fühlten sich kalt auf meiner Haut an und ich verzog mein Gesicht – zumindest war es das, was ich am liebsten getan hätte. Scheinbar schien davon doch etwas halbwegs an die Außenwelt zu treten, denn die Kälte wich und ich hörte so etwas wie Schritte, die sich entfernten. Ich bildete mir ein definieren zu können, wem die Schritte gehörten und mir wurde bewusst, dass es sich nicht um jemanden aus meiner Crew handelte. Was hatte das schon wieder zu bedeuten? War ich nicht auf meinem Schiff? Ich nahm zwar nicht viel wahr, war aber definitiv auf hoher See, denn ich konnte den Wellengang und das sanfte Schaukeln spüren. Ich merkte, wie mich die Realität langsam aber sich wieder einholte. Die Schmerzen waren dabei leider Gottes eine lästige Begleiterscheinung und mir entwich ein leises Stöhnen, während ich feststellen musste das mein Schädel brummte, als hätte ich mich eine Woche lang besoffen. Ich schaffte es, mich irgendwie ein kleines Stück zu bewegen, wurde dafür aber sogleich mit einem heftigen Schmerz der meinen ganzen Körper durchzuckte bestraft. Ich verkniff mir einen Schmerzenslaut und ließ mich stattdessen zurück in das Bett sinken. Meinetwegen, dann sah ich mich eben erst einmal um, wo ich überhaupt gelandet war. Wenn ich jetzt auf einem Marineschiff wäre, würde ich aus dem nächst besten Fenster springen und mich selbst ersaufen. Es kostete mich einiges an Willenskraft, ehe ich es endlich schaffte meine Lider aufzuschlagen. Sofort wurde ich von einem Licht an der Decke geblendet und ich kniff die Augen instinktiv wieder zusammen, woraufhin ich meinen Kopf ein Stück drehte. Versuch Nummer Zwei klappte schon weitaus besser und mir gelang es, den Raum in dem ich mich befand zu mustern. Es war definitiv kein Marineschiff, so viel stand fest. Juhu. Dafür war es aber auch nicht mein Schiff. Das war weniger erfreulich. Ich blinzelte angestrengt in den weißen Raum hinein, der mich stark an einen sterilen Operationsraum erinnerte. Ich kannte niemanden, der so etwas auf seinem Schiff hatte, geschweige denn mich dorthin verfrachten würde. Warum auch? Ich war nicht gerade ein sozialer Mensch, der sich überall neue Freunde anlachte. Egal, wie ich es drehte und wendete, es musste sich um einen Arzt handeln. Was für ein Arzt war bekloppt genug um mich zu retten? Und vor allem gab es keinen Arzt, der - Moment. Arzt. Schiff. Da klingelte etwas in meinem Hinterkopf. Unwillkürlich erschien Trafalgar Laws Visage vor meinem geistigen Auge. Ich stöhnte, diesmal genervt, als ich meinen Kopf zurück in die Kissen sinken ließ. Das war hoffentlich nur ein schlechter Witz und nur ein dummer Zufall. Ich hatte wenig Lust, mich in einer solchen Situation mit einer anderen Supernova herumzuschlagen und schon gar nicht mit diesem lästigen Bärenfanatiker. Auf einmal schien der Gedanke von Deck zu springen doch ganz verlockend. Ich konnte hier nicht so liegen bleiben. Ich versuchte mich in eine sitztende Position zu bringen und bereute es sofort, als mein ganzer Körper dagegen rebellierte. Ich keuchte abrupt und mein rechter Arm, mit welchem ich mich abstützte, zitterte unter der Muskelanspannung. Es verstrichen einige Sekunden, die ich benötigte um wieder zu Atem zu kommen, ehe ich mehr schlecht als recht saß und mich mit dem Rücken gegen die Wand hinter mich lehnte. Mein Atem ging schwer und ich spürte, wie es in meinen Lungen irgendwo rasselte. Verdammt. An aufstehen war nicht zu denken und ich war sprichwörtlich ans Bett gefesselt. Egal, wenigstens saß ich schon einmal. Der Rest meines Körpers war darüber nicht so glücklich wie ich, aber das ignorierte ich gekonnt. Da konnte ich den Moment auch nutzten, meine körperliche Verfassung kurzerhand in Augenschein zu nehmen. Ich schielte nach unten und musste prompt feststellen, dass mein gesamter Oberkörper bandagiert worden war. Unwillkürlich strich ich mit meinen Fingerkuppen über den Verband und verzog kurz das Gesicht, als die verborgenen Wunden unangenehm ziepten. Genauso wie die linke Hälfte meines Gesichts. Die vage Erinnerung an ein brennendes Gefühl kehrte in mein Gedächtnis zurück und ich nahm an, dass ich mich dort verletzt haben musste. Im allgemeinen fühlte sich meine linke Körperhälfte taub und bleiern an und ich konnte es nicht verhindern, dass mein Blick automatisch dorthin wanderte. Was ich sah, ließ meine Gesichtszüge für den Bruchteil einer Sekunde entgleißen. Ich hatte damit gerechnet einen bandagierten linken Arm vorzufinden, doch stattdessen sah ich nichts, bis auf mein Schultergelenk. Ungläubig fuhr ich mit meiner Hand über die flache Stelle, die offenbar glatt und sauber abgetrennt worden war. Das war keine normale Verletzung, dass war das Handwerk eines Arztes, um Komplikationen vorzubeugen. Eine Amputation. Mein Arm war ... ? Ich schloss die Augen abermals und ließ meinen Kopf ein paar Mal gegen die Wand hinter mir sinken. Scheiße! Was zum Teufel war nur passiert? Wut stieg in mir auf und sie war gegen mich selbst gerichtet. Mit knirschenden Zähnen hielt ich in der Bewegung inne und versuchte, mein inneres Gefühlschaos irgendwie zu beruhigen. Es gelang mir nicht. Stattdessen brannten meine Augen unangenehm und ich kniff sie noch mehr zusammen, als ich mein Gesicht in meiner Hand vergrub. Ich rührte mich eine ganze Weile nicht und saß schweigend auf dem Bett. Es hätte früher oder später so kommen müssen. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis auch ich an meine Grenzen stieß. Ich wollte das nicht wahr haben. Die ganze Reise lang hatten wir uns ohne Probleme bis an die Spitze gekämpft und jetzt, ausgerechnet jetzt, unterlief mir ein solcher Fehler. Mein Ego war zu groß, um sich das einzugestehen. Ich ignorierte die Tatsache das ich mich selbst überschätzt hatte und ließ meine Finger über meine linke Gesichtshälfte wandern. Es wunderte mich nicht, als ich leichte Erhebungen erfühlen konnte. Die Verletzungen würden als Narben auf meinem Gesicht zurück bleiben. So wie bei Killer. "Endlich wach, Mister Eustass?" Irritiert sah ich zur Seite und mein Blick traf den von Trafalgar Law, der im Türrahmen lehnte. Wie lange hatte er da schon gestanden? Ein schmales Lächeln umspielte seine Lippen, als er auf mich zutrat und mich kurz musterte, wahrscheinlich um sich einen Überblick zu verschaffen. Im Gegenzug starrte ich ihn für ein paar Sekunden schweigend an, ehe sich meine Mine verdunkelte und ich ihm einen angepissten Blick schenkte. "Wer hat dir erlaubt meinen Arm abzuhacken?", knurrte ich gereizt und überspielte damit lediglich, dass ich das ganze nicht so sehr auf die leichte Schulter nahm wie ich vorgab. Wer konnte es mir verdenken? Einen Arm verlor man nicht jeden Tag. Ich für meinen Teil hätte gut darauf verzichten können. "Dein Arm war schon halb ab als wir dich gefunden haben", erwiderte Law trocken und schien sich nicht sonderlich darum zu scheren, was ich dachte. Typisch. Seine gleichgültige Art ging mir gewaltig auf die Nerven, besonders jetzt wo ich Antworten und keine Geheimniskrämerei wollte. "Du hast Glück gehabt. Du warst kurz davor den Löffel abzugeben. Ein paar Minuten später und wir wären jetzt nicht hier." "Soll mich das etwa freuen?" Ich tat ihm nicht den Gefallen mich zu bedanken, eher hätte ich mir auch noch meinen anderen Arm ausgerissen. Ich hielt seinen Blick als er mich ansah. Law sagte nichts, als er begann meinen Verband zu öffnen. Bastard. Er nutzte es aus, mich so in der Hand zu haben. Ruppig schob ich den Arzt mit der rechten Hand von mir weg und er wurde dazu gezwungen inne zu halten. Ich konnte sehen wie er eine Augenbraue anhob und bestimmt fragte er sich was das sollte. Ich verriet es ihm nicht. Eine Hand wäscht bekanntlich die andere. "Wo ist mein Schiff?" "Nicht hier." Als ob ich das nicht selbst gewusst hätte! Meine Muskulatur spannte sich an, aber ich unterdrückte den Impuls ihm eine reinzuhauen. Dadurch würde ich unter Garantie nicht schneller Antworten erhalten und das war es mir wert, jegliche Gewalt bis auf weiteres zu verschieben. "Und meine Crew?", fragte ich, diesmal mit deutlicher Mühe möglichst ruhig zu klingen. Dummerweise schien Law mich zu durchschauen, denn er schmunzelte leicht, während er wieder begann an meinem Verband herumzufummeln. Konnte er damit auch mal für ein paar Sekunden aufhören? "Du warst alleine als wir dich gefunden haben. Mehr kann ich dir nicht sagen." Er zog unsanft an meinem Verband und ich zuckte kurz, gab mir selbst aber nicht die Erlaubnis einen Laut über meine Lippen kommen zu lassen. "Vielleicht sind sie auch ohne dich weitergesegelt." Ich sah ihn offensichtlich irritiert an, denn Law fuhr ungerührt fort. "Du warst zwei Wochen lang ohnmächtig." "Was?!" Abrupt entriss ich mich seinem Griff und wurde gleich von meinem Körper bestraft, woraufhin mir schließlich doch ein schmerzverzerrtes Stöhnen entwich. Ich überging es, weil es gerade wichtigere Dinge gab als meine Wehwehchen. "Nett, dass ich das auch mal erfahre." Zwei Wochen! Das war viel zu lang. Wusste Killer überhaupt wo ich war? Bestimmt nicht. Ich erinnerte mich vage, dass ich ihn ausgeknockt hatte bevor ich gegangen bin. Es würde mich nicht einmal wundern, wenn er davon ausging das ich tot war. Oder er war zu angepisst um überhaupt nach mir zu suchen. Das war beides schlecht. Als Vize wäre Killer nämlich dann Captain und das hieße - "Ich muss hier raus." Dabei ignorierte ich Trafalgar gekonnt, als ich mich unter höllischen Schmerzen aus dem Bett pellte. Bloß keine Schwäche zeigen, dass war auch so schon die Stunde der Schmach für mich. Ich befand mich auf dem Schiff dieses Idioten, verlor meinen linken Arm und meine Crew war weit und breit nirgends zu sehen! Gerade wollte ich meine Füße über den Bettrand schieben, als mich eine Hand an der Schulter festhielt und ich gezwungenermaßen zurück zu Law sah. "Lass mich los!", zischte ich gereizt und griff grob nach seinem Handgelenk, um mich zu befreien. "Ich war noch nicht fertig, Mister Eustass", erwiderte er nüchtern und entzog seine Hand meinem Griff. "Dein Vize ist hier. Warum glaubst du, bist du auf meinem Schiff?" Mit diesen Worten zog dieser Arsch mir mit einer unsanften Handbewegung den Verband von der Schulter, sodass es unnötigerweise teuflisch brannte. Was sollte das heißen? War Killer etwa zu Law gerannt und hatte ihn um Hilfe gebeten, nachdem er wieder aufgewacht war? Der Gedanke löste eher gemischte Gefühle in mir aus und ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich ihn dafür hassen sollte oder nicht. Ansonsten wäre ich wohl jetzt tot. Aber das hier war Law, verdammt! Er wusste, dass ich diesen Kerl nicht leiden konnte, seitdem er uns damals auf dem Sabaody Archipel geholfen hatte. Ich hasste es, wenn er sich ständig in meine Angelegenheiten einmischte und ich hasste es, bei jemanden in der Schuld zu stehen! Alleine deswegen bat ich niemals jemanden um einen Gefallen. Das war ein absolutes Tabu. Dafür genoß ich es zu sehr, an der Spitze der Nahrungskette zu stehen und mein eigener Herr zu sein. Da es mir gerade offenbar nicht gelang eine klare Entscheidung zu fällen, entschloss ich mich dazu Law zu beobachten während dieser meine linke Schulter unter die Lupe nahm. Er hatte einen gelangweilten Blick drauf, die dunklen Schatten zeichneten sich deutlich unter seinen Augen ab wie eh und jäh. Ob er von Natur aus schlecht schlief? Insomnie vielleicht? Er beachtete mich nicht und das war mir ganz recht. Wir schwiegen uns eine Weile an, während er an meinen Verletzungen herumfummelte. Ich achtete nicht wirklich darauf. "War sonst noch jemand da?" Meine Stimme klang ungewohnt kratzig, obwohl ich schroff zu klingen versucht hatte. Ich räusperte mich unwillkürlich und schenkte Trafalgar einen Blick, der verriet das er mir besser die Wahrheit sagen sollte. "Nein, bis auf dich hat sich niemand in einer Blutlache gewälzt." Ich grollte genervt und entzog mich seinem Griff, als ich mich aus dem Bett quälte. Ich hatte die Schnauze voll von seiner Visage und seinen dämlichen Sprüchen. Dafür nahm ich selbst die höllischen Schmerzen in Kauf, aber ich biss mir auf die Lippen, damit ihnen kein Laut entwich. Nachdem ich stand musste ich feststellen, dass ich nichts außer meinen schwarzen Shorts trog. Ich sah ein warum ich entkleidet worden war und beschwerte mich zumindest nicht darüber. Trotzdem hob ich eine Augenbraue, als ich mich zurück zu dem Arzt herum wandte. So, wie er mich ansah, hatte er wohl damit gerechnet. Dieser wissende Blick in seinen grauen Augen sprach Bände. "Wo sind meine Klamotten?" Er zuckte mit den Schultern. "Im Bad. Durch die Tür, dann rechts und den Gang herunter." Er bedeutete mir mit einer Kopfbewegung, dass ich meinen Hintern alleine dorthin bewegen durfte. Damit hatte ich kein Problem, denn ich hätte seine Hilfe ohnehin ausgeschlagen. Ich brauchte keine Krankenschwester, die mir die Hand hielt und mich durch das U-Boot zerrte. Ich mimte den Unverwundbaren, als ich die Tür mit einem lauten Knall hinter mir ins Schloss fallen ließ. _______________________________________ [ Anmerkung: Ich hatte erst überlegt, ob ich's auch in den folgenden Kapiteln aus der Ich-Perspektive schreiben will. Hab mich dazu entschlossen es mal auszuprobieren - war eine Herausforderung. Ich mag Herausforderungen ;D ] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)