Blood on my hands von Binghe (call me a sinner [ Kid x Law ]) ================================================================================ Prolog: Delirium ---------------- Ich fühlte mich taub. Meine Sicht verschwamm, wankte, fokusierte sich wieder - nur um darauf hin erneut zu verschwimmen. Ich hörte ein Keuchen und wusste, das es mein eigenes war. Es fühlte sich an, als würde mir jemand mit seiner Faust die Lungen zerquetschen und mir die Luft abschnüren. Ich rang förmlich um den Atem, der rasselnd meine Lungen erreichte. Die Sonne schien. Ich schlenderte den schmalen Trampelpfad entlang, den ich mittlerweile in und auswendig kannte, aber heute war etwas anders. Ich blieb stehen und sah zu einem Jungen herüber der auf dem Boden hockte, die Hände vor das Gesicht geschlagen. Ich kannte ihn, hatte ihn schon öfter gesehen, aber nie etwas mit ihm zu tun gehabt. Weinte er? Ich zögerte, dann ging ich auf ihn zu und grinste, als ich hinter ihm zum stehen kam. Mein Grinsen verschwand, als mein Blick an dem Grabstein hängen blieb vor welchem er hockte. Ich schwieg, überlegte was ich zu ihm sagen könnte und ließ mich neben ihm ins Gras sinken. Aus dem Augenwinkel musterte ich ihn; er sagte nichts, ich auch nicht. Seine blonden Haare hingen ihm wirr ins Gesicht. Dann grinste ich, stupste ihn mit dem Schraubenschüssel an und er sah auf. Seine Augen blitzten hinter den Haarsträhnen hervor, sodass sie kaum sichtbar waren. Trotzdem konnte ich sehen das er verwirrt war. “Hey.” “Hey ...?”, kam es irritiert zurück. “Ich heiße Kid! Und wie heißt du?” “Killer.” Er wischte sich mit seinem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. “Killer? Was für ein komischer Name”, sagte ich und lachte. Er lächelte schief, dann sah er irgendwie deprimiert auf den Boden. “Ich will dir was zeigen”, fuhr ich fort und erhob mich, klopfte mir den Dreck von der Hose. Er sah zu mir auf, neugierig, aber immer noch verwirrt. “Na los, oder willst du hier Wurzeln schlagen?” Ich hielt ihm meine Hand hin und er ergriff sie. Mit einem Ruck zog ich ihn auf die Beine. Ich grinste, er lächelte, dann setzten wir zusammen unseren Weg über den schmalen Pfad fort. Ich führte ihn zu meinem eigenen, kleinen Lieblingsort. Er war der erste, mit dem ich ihn teilte. Als ich ihm den kleinen Roboter, den ich aus Metall zusammen gebaut hatte, in die Hand drückte, lächelte er glücklich. Meine Lippen verzogen sich zu einer Grimasse, als ein stechender Schmerz mich durchzuckte und versuchte mich in die erlösende Ohnmacht zu ziehen. Ich wehrte mich. Ich hörte jemanden in meinem Kopf sagen: “Vor deinem Tod zieht dein Leben noch einmal an dir vorbei.” Starb ich? Unwillkürlich bäumte ich mich innerlich auf, wollte nicht los lassen, wollte das Leben nicht aus meinen Körper entweichen lassen. Hilflos klammerte ich mich an das Einzige was blieb und schnappte nach Luft. Ich hasste es, so ausgeliefert zu sein. Ich hasste es, mein Leben nicht selbst kontrollieren zu können. Ich konnte spüren wie sich meine Finger in die Erde gruben, die sich feucht anfühlte. Es regnete nicht. Ich wusste, dass es mein Blut war. Meine linke Körperhälfte fühlte sich taub an. Ich spürte nichts, nicht einmal Schmerz. Gar nichts. Dieses Gefühl war schlimmer als der Schmerz, der den Rest meines Körpers beschlagnahmte. ”Was?”, hörte ich mich selbst sagen, ungläubig. Vor mir stand ein Mann, an dessen Name ich mich nicht erinnern konnte. Er war Arzt und hatte schon viele Leben gerettet. “Hat er ... ?” Der Mann schüttelte den Kopf. “Nein, er wird es überstehen. Aber er wird Narben davon tragen.” Ich nickte stumm. Natürlich würde er das. Was für ein Idiot. Wie dumm konnte man sein, so jemanden herauszufordern? Am liebsten wäre ich in sein Zimmer gestürmt, hätte Killer an der Gurgel gepackt und ihn wild geschüttelt, gesagt, dass es das nicht wert gewesen war. Ich merkte nicht, wie der Arzt an mir vorbei ging um seinem nächsten Patienten einen Hausbesuch abzustatten. “Spinner”, entwich es mir unwillkürlich, aber es war mehr ein laut gedachter Gedanke. Sieben Jahre war es her, seit ich Killer das erste mal getroffen hatte. Damals, an dem Grabstein. Jetzt waren wir Jugendliche – ungestüm und Unruhestifter. Damals war ich es gewesen, der ihn an die Hand genommen und ihn geführt hatte. Jetzt war es anders herum. Mit gemischten Gefühlen betrat ich das kleine Haus, in welchem er seit seiner Kindheit alleine wohnte. Keine Eltern, keine Familie. Irgendwie kam mir das bekannt vor. Ich schmunzelte bitter. Klar, meine Mutter war früh mit einem Typ durchgebrannt und hatte meinen Vater mit mir stehen lassen. Irgendwann ist auch er verschwunden. Keine Ahnung, wohin. Das hatte mich nie interessiert. Wir kannten unsere Eltern nicht, mussten wir aber auch gar nicht. Ich schob die Tür auf. Er lag in seinem Bett und schlief scheinbar, denn er atmete ruhig. Seine rechte Gesichtshälfte war bandagiert, aber ich konnte die tiefen Wunden dahinter erahnen. Die Narben, die zurück blieben, würden nie mehr verblassen. Er würde in der Zukunft eine Maske tragen, aber das wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht. Ich sah ihn an, wusste nicht wie ich reagieren sollte. Ohne das ich es hätte verhindern können stöhnte ich vor Schmerzen und wusste nicht, wie ich mir helfen sollte. Ich konnte mich keinen Zentimeter bewegen, geschweige denn aufstehen. Ich konnte nur hier liegen und warten, dass es entweder zu Ende ging oder das ein Wunder geschah. Ein mieses Gefühl. Eines, das ich nicht kannte und nicht kennen wollte. Ich konnte nicht akzeptieren, dass ich gerade dabei war mein Leben auszuhauchen. Ich war wütend auf mich selbst, hätte mich am liebsten selbst geschlagen, wenn ich meine Hand hätte bewegen können. Mir war gerade alles recht, außer bewegungslos auf das Unvermeidliche zu warten. Ich biss die Zähne zusammen, als es mir gelang mich ein kleines Stück zu bewegen. Nur unter größter Anstrengung und unter Aufbringung all meiner Willenskraft konnte ich meine Augen aufschlagen. Der Himmel. Natürlich. Was für eine Ironie. Wenn es so etwas wie Himmel oder Hölle gab käme ich vermutlich in Letztere. Seltsamerweise war mir das egal. Ich war noch nie gläubig gewesen und wenn es doch eine Art Gott geben sollte, so wäre es verdammt schlecht für seinen Ruf. Ich keuchte abermals und schaffte es irgendwie mich ein Stück zu drehen. Alles war schummrig. Meine Augen richteten sich auf den Boden unter mir. Rot. Ein tiefes, dunkles Rot. Ich blutete ziemlich stark. Kein Wunder, dass ich mich nicht aufrichten konnte. Der Blutverlust war viel zu hoch, ich musste kurz davor sein das Zeitliche zu segnen. Ich konnte das nicht wahr haben, versuchte trotzdem mich zu erheben, schaffte es aber nicht. Stattdessen sackte ich wieder zurück auf den Boden, ohne mich zu rühren. ”Kid.” “Halt's Maul.” “Das ist keine gute Idee”, fuhr jemand neben mir ungerührt fort. Ich drehte meinen Kopf und in meinem Blickfeld erschien Killer, ohne Maske. Wir waren auf unserem Schiff, genauer gesagt in meiner Kajüte. Eine hässliche Narbe zog sich über sein Gesicht, die Narbe von damals. Idiot, schoss es mir abermals durch den Kopf. “Mir egal”, erwiderte ich stur und starrte zurück auf das Meer. Ich war wütend und gereizt. Ich weiß nicht mehr, warum. Killer packte mich ungefragt an meiner Schulter und drehte mich unwirsch zu sich herum. Jedem anderen hätte ich längst eine reingehauen. “Willst du so enden wie ich?”, zischte er gereizt, aber ich konnte sehen das er nicht wirklich wütend war. Ich starrte ihn schweigend an. Früher konnte ich seine Augen nie sehen, denn sie waren immer hinter einem wilden Pony verborgen gewesen. Jetzt starrten zwei blaue Iriden zurück in meine. Die Narbe klaffte wie eine tiefe Furche in seinem sonst makellosen Gesicht. Wie ein Sprung in Marmor. Wieder wusste ich nicht, wie ich reagieren sollte. In meinem Gesicht brannte es unangenehm, so als hätte es jemand in Brand gesteckt. Ich wollte mein Gesicht berühren, aber ich schaffte es nicht einmal mehr meinen Arm zu heben. Mein Atem ging schwer und das Blut rauschte in meinen Ohren. Obwohl ich längst geschlagen war, pulsierte das Adrenalin noch immer durch meinen Körper. Ich konnte meinen viel zu schnellen Herzschlag spüren, der hart gegen meinen Brustkorb hämmerte. Ein klägliches Aufbegehren, meinen Körper am Leben zu erhalten. Jemand griff nach meinem Arm und zwang mich stehen zu bleiben. Ich sah über meine Schulter zurück. Wieder war es Killer. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen und sah direkt auf seine Maske. Sein Griff verstärkte sich unwillkürlich, woraufhin ich ihm einen angepissten Blick schenkte. “Warum machst du das?” “Was?”, entwich es mir unwillkürlich, obwohl ich wusste was er meinte. “Du weißt, dass das reiner Selbstmord ist.” Ich verengte die Augen, riss mich von ihm los und verzog die Lippen genervt. Ich spürte das ich wütend war und wie es mich ärgerte, dass er mir nicht mehr Vertrauen entgegen brachte. “Zweifelst du an mir?”, fragte ich deswegen und musterte ihn eingehend. Zu meinem Verdruss sagte er überhaupt nichts und schwieg. Ich nahm das automatisch als ein ja und packte ihn am Kragen. Ich war ihm gegenüber noch nie handgreiflich geworden. Mit der freien Hand riss ich ihm seine Maske vom Gesicht und schleuderte sie durch das Zimmer, wo sie mit einem dumpfen Geräusch gegen die Wand knallte. Er ignorierte es. “Das auf dem Sabaody Archipel war anders”, erinnerte er mich und griff mit einer Hand nach meinem Handgelenk. Ich ließ ihn gewehren und versuchte aus seiner Mimik schlau zu werden. Sie war undefinierbar. “Damals war Trafalgar-” “Das ist zwei Jahre her, Killer”, unterbrach ich ihn, bevor er seinen Satz beenden konnte. Abermals schwieg er und jetzt ließ ich ihn loß, aber seine Hand verweilte an meinem Handgelenk. Ich ignorierte es gekonnt. “Ich lasse das nicht auf mir sitzen.” In seiner Mimik veränderte sich etwas, aber ich konnte nicht genau sagen, was es war. “Nimm mich mit”, sagte er schließlich und ich musste überrascht geguckt haben, denn er fügte hinzu: “Wenn, will ich dabei sein.” Abermals riss ich mich von ihm los. Ich wollte ihn nicht mitnehmen und er wusste das. Er kannte die Gründe und er spielte sie gegen mich aus. Ich hasste es, wenn er das tat. Ohne Vorwarnung wurde mir die Luft abgeschnürt. Mir wurde schwarz vor Augen, als sich alles in meinem Körper verkrampfte und gegen eine Macht ankämpfte, die er nicht besiegen konnte. Ich spürte, wie ich panisch wurde, als kein einziger Luftzug mehr meine Lungen erreichte. Nicht einmal ein schmerzerfüllter Laut entwich meinen Lippen. Ich war vollkommen machtlos, war meinem eigenen Körper ausgeliefert, der mich dazu zwang einen verzweifelten Atemzug zu nehmen. Nichts. Der Schmerz wich einer bleiernen Taubheit, die sich meines Körpers aneignete. Mein Kopf war wie leer gefegt, kein konkreter Gedanke kreuzte mehr meinen Kopf, nicht einmal der Wille zu atmen. Ich konnte fühlen, wie sich meine Muskulatur unwillkürlich entspannte, wie mein Körper den Kampf aufgab, den er sowieso nicht hätte gewinnen können. Ich freundete mich damit an zu sterben. Killer lag regungslos vor mir auf den Boden, meine Faust war noch immer geballt. Er war nicht tot, nur ausgeknockt. Später würde er mir dafür danken oder vielleicht auch nicht, ich machte mir keine genaueren Gedanken darüber. Es war ein komisches Gefühl, ihn geschlagen zu haben. Normalerweise machte es mir nichts aus Gewalt anzuwenden oder sogar jemanden zu töten, aber bei ihm war es anders. Ich hatte ihn gekannt, noch bevor ich Pirat wurde. Sogar noch bevor ich so wurde, wie ich es jetzt war. Ich weiß selbst nicht mehr, was der Auslöser dafür gewesen war. Ich verharrte für einen Moment. Er war meine Stimme der Vernunft, die mir vor Jahren abhanden gekommen ist. Es war nicht das erste mal, dass ich diese ignoriert hatte. Jemand, der mich sprichwörtlich herausforderte konnte nicht ungeschoren davon kommen. Killer wusste das. Warum hatte er sich mir in den Weg gestellt? Ich spürte kaum noch, wie irgendetwas nach mir griff. Ich wurde hochgehoben – oder zumindest fühlte es sich so an – und fühlte mich schwerelos. Etwas berührte mich unsanft und mein Körper sendete eine Welle des Schmerzes durch mein Nervensystem, aber ich war unfähig mich von den unangenehmen Berührungen zu entfernen. Ich konnte eine Stimme ausmachen, aber es war mir unmöglich festzustellen ob es ein Mann oder eine Frau war. Es klang wie ein einziger, undefinierbarer Ton, als ob sie von anderswo herkam. Wieder wurde ich berührt, als etwas das sich verdächtig nach einer Hand anfühlte meine linke Schulter abtastete. Keine Schmerzen, nichts. Lediglich ein dumpfes, taubes Gefühl das davon ausging. Ich merkte, wie sich mir die Realität langsam entzog, als der Rest des Sauerstoffs in meinen Lungen aufgebraucht wurde. Selbst die fremde Stimme verschwand langsam aus meinem Bewusstsein, als wäre sie bloß eine Halluzination gewesen, die niemals existiert hatte. Vielleicht war das auch so. Ich hatte nicht die Kraft darüber zu sinnieren. Nur mein Herzschlag war noch zu hören. Er ging immer noch viel zu schnell, strengte sich an, meinen Körper mit genügend Blut und Sauerstoff zu versorgen. Es war ein sinnloser letzter Kampf. Ein paar Sekunden später verlangsamte sich mein Puls zusehends, bis er beinahe gar nicht mehr zu hören war. Mein Bewusstsein entzog sich mir vollständig, ehe der letzte Schlag getan war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)