Rot ist nicht schwarz von KamiKarin (Und Blut rostet nicht.) ================================================================================ Kapitel 1: Rost --------------- Im Nebenraum hört man leise und monoton Wasser plätschern. Der trommelnde Takt harmoniert mit dem Ticken der soliden Wanduhr. Sie ist schlicht, doch mit Sicherheit das Wertvollste im Raum. Über der Tür hängt ein verschnörkelter, billig aussehender Kruzifix. Die silberne Farbe platzt hier und da ab und darunter kommt der spröde Rost zu Tage. Rostig ist in diesem kleinen Zimmer fast alles, das aus Eisen ist: Die Türscharniere, das Bettgestell, die Fassung des Spiegels, die Fensteröffner. Nur eines vermag dem Rost widerstanden zu haben, eine große, geschliffene Sense. Sie lehnt an die Wand, als müsste eine Sense in einem Schlafzimmer stehen. Wo solle sie denn sonst auch stehen? Das Wasser verstummt. Der Holzboden knirscht mürrisch. Eine Frau tappst plump ins Zimmer. Sie trägt ein weißes Leinennachthemd. Ihre Haare sind wie der Rost, rotbraun und spröde. Man fürchtet, dass diese Locken unter dem Gewicht des Wassers abbrechen. Sie schmeißt ein feuchtes Handtuch unsanft auf ihr Bett. Das Licht, der Raum, der ungepflegte Garten vor dem Fenster. Sie wirken tot, so wie alles in ihrer Nähe. Sie murmelt leise etwas. Die Monotonie eines geübten Gebetes, seit Jahren rezitiert. Es ist in Fleisch und Blut übergegangen, die Bedeutung der Worte wurde Nebensache. Ob es jemals geholfen hat, daran glaubt sie schon lange nicht mehr. Fanatismus hält sie für töricht. Sie ist der Religion verpflichtet, eine ungeliebte Instanz. Nur die Toten lieben sie, und das können diese bekanntermaßen nicht mehr. Das Bett fängt sie sanft auf, als sie sich darauf fallen lässt. An der Zimmerdecke blickt sie in eine ihr fremde Welt. Spinnen haben diese in eine riesige Wolke aus weißen Fäden, in denen stets ein schwarzes, durch Inzest gezeugtes Familienmitglied sitzt. Sie alle warten auf ihre Beute. Eine Welt, in der die Frauen noch die Männer dominieren. Nur eine Frau in Weynard hält eine Position, von der sie jeden Mann des Landes befehligen kann. Niemand kann ihr etwas vorschreiben, nicht der Adel, nicht das Militär, nicht die Geistlichkeit und auch nicht die Gilden. Sie ist die sogenannte Walküre. Jedes Land auf dem Kontinent überträgt seinen Geist in den Körper einer einzigen Frau. Diese gilt als unbesiegbar und nahezu unsterblich. Dabei ist dies nichts weiter als ein Gerücht. Die Walküren wechseln häufiger als der amtierende König. Und die wenigsten sterben im hohen Alter. Sie fallen im Kampf, meist mit anderen Walküren. Ihr Geist geht in den Besitz einer anderen Walküre über und der Verlierer muss sich dem Sieger ergeben. So geht es Weynard nun auch. Die letzte Walküre fiel im Kampf gegen die des Imperiums von Reising. Nun sind die Bürger Weynards die Knechte Reisings. Und es wird erst wieder eine Walküre geben, wenn die Walküre Reisings stirbt. Der Rotschopf seufzt. Nun wird erst mal keine Frau mehr sich gegen all die Männer wehren können. „Walküre müsste man sein.“ Sie schließt ihre Augen und schläft in einen unsanften Schlaf, der von unzähligen Spinnen bewacht wird. „Oh, das Fräulein Orless.“, ruft der Wirt dem Rotschopf entgegen, als dieser die Treppen in den Schankraum herabsteigt. „Ich möchte wieder los. Was berechnen Sie?“ „Ich schreibe es wie immer auf die Rechnung der Gilde. Aber so früh schon weg?“ Er putzt dabei mit einem schmutzigen Handtuch ein Glas. „Ich habe heute ausgezeichnete Milch reinbekommen. Kein Frühstück?“ „Die Morgendämmerung ist am sichersten für Reisende. Alle Unholde sind betrunken oder todmüde.“ Ihr Blick bleibt an dem verdreckten Tuch hängen, das in dem Glas Schlieren zieht. „Ja, das müssen Sie wohl am besten wissen!“, lacht der Wirt. „Eine Unterschrift hier bitte.“ Er zieht ein Buch mit einem groben Ledereinband hervor. Dabei legt er es ihr geöffnet hin. Er holt Feder und Tinte hervor. Sie greift danach und setzt einen unordentlichen Schriftzug. Myrrtha Orless. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)