Lily of the Valley von Rakushina (Maiglöckchen) ================================================================================ Kapitel 1: Maiglöckchen ----------------------- Zum Thema: Was sich grad anbietet Ich vermeide diesen Typ Story eigentlich, weil ich den Charakteren keine Geschichten andichten möchte, die vorne und hinten nicht stimmen. Dennoch habe ich es getan. Vorlage war das Kloster aus dem zweiten Band von “the Royal Doll Orchestra” (keine Ahnung wie viele ihn kennen, ich selbst liebe den Manga~), einfach weil auch eine Aqua unter den Novizinnen war (die starb allerdings). Zwar nach dem Edelstein Aquamarin benannt und nicht nach dem lateinischen Wort für Wasser, aber irgendwie hat sich dann doch die KH-Aqua in mein Gedächtnis gebrannt. Daher sind die Namen der Schwestern und die nüchtere Beschreibung dieser Welt dem Manga von Kaori Yuki angelehnt. Das Maiglöckchen “Tränen der Heiligen” genannt werden habe ich nicht nachschlagen können, aber Fakt ist, dass sie in der christlichen Bildkunst einen hohen Status genießt und zu den Marienblumen gehören. Und Gott ja, ich habe einen Blumenfimmel. (Ich finde, sie geben ein wunderbares Stilmittel ab, wenn man sich etwas auskennt. Sie im Garten am Leben zu erhalten ist wieder etwas anderes…) - Maiglöckchen Die Äbtissin Aventurin sagte immer zu ihnen sie sollen Augen und Ohren offen halten, dann würde sich ihr Weg erleuchten. Aqua und die anderen Novizinnen im Kloster haben sich diesen Rat immer stets zu Herzen genommen, es war wie ein Hoffnungsschimmer in dieser schweren, düsteren Zeit. Diese schreckliche Epidemie hatte das einst so schöne Land in eine Einöde - und das war noch nett ausgedrückt - verwandelt, viele Familien, ob arm oder reich schickten ihre Kinder in Klöster, um sie so irgendwie zu schützen oder um Ballast loszuwerden. Aqua wusste nicht genau was diese Epidemie war, aber sie hatte gehört wie die älteren Schwestern von „untoten Puppen“ sprachen, die Städte und Menschen überfielen. Wie Aqua hierherkam, dass wusste sie gar nicht mehr. Sie war schon immer eine Novizin seid sie denken konnte, die Jüngste im ganzen Kloster. Die anderen Mädchen waren älter, nur Aqua war das einzige Kind, das sich in diesen Gemäuern befand. Und als kleines Kind zog man viel Aufmerksamkeit auf sich. Sie war das Sorgenkind des Klosters, eine junge Generation, die man behüten musste. Das Kloster war ihr zu Hause und die Schwestern ihre Familie. Ein etwas eintöniges und unterkühltes zu Hause. Die Messen in der Kapelle mochte sie dafür überhaupt nicht. Die Kapelle war schön - der vielleicht einzig schöne und farbige Ort im ganzen Kloster - aber beim Anblick der großen Pfeifenorgel und den dicken Mauern hatte sie das Gefühl von ihnen erschlagen zu werden. Aber das Gefühl hatte man im ganzen Gebäude, wenn man ehrlich war. Aqua’s Lieblingsort war einzig der kleine Garten mit den Maiglöckchen, verborgen im Schatten der hohen Mauern, kaum von jemanden bemerkt. Schwester Shinsha, die damit beauftragt wurde auf Aqua aufzupassen hatte ihn ihr gezeigt und kümmerte sich mit ihr um die Blumen. Da fühlte sie sich sicher und wohl behütet. Maiglöckchen sind die Tränen der Heiligen, die Pflanzen hätten die Tränen der heiligen Mutter Vienne aufgefangen, als sie um diese arme, kranke Welt trauerte. Die Maiglöckchen tragen ihren tugendhaften und barmherzigen Geist in sich, sie erinnerten daran, dass sie an die armen Menschen dachte, dass sie sie beschützte, deswegen kämen so viele Reisende hierher, um ihren heiligen Geist zu spüren in dieser Zeit der Not. Ein schönes Märchen. Vielleicht aber nicht nur ein Märchen, warum sonst kamen eines Tages diese Fremden in das Kloster? Ein unbekannter Herr mit seinem Schüler, vielleicht zwei, drei Jahre älter als Aqua. Der Grund warum sie hier waren kannte niemand, dass ging außer der Äbtissin und den obersten Schwestern auch niemanden etwas an, sie waren alle ja auch nur Novizinnen. Sie stellten keine Fragen, sondern taten was die Äbtissin und die Schwestern sagten und überhäuften die Fremden mit Gastfreundlichkeit. Aqua hatte sich nicht getraut mit ihnen zu sprechen, weder mit dem Herr, noch mit seinen Schüler mit den wuschligen braunen Haaren und dem großen Holzschwert in der Hand. Sie hatte sie immer nur aus der Ferne beobachtet und sich gleich wieder in ihr Zimmer verkrochen, wenn der Junge - Terra hieß er, das stand zumindest aus seinem Holzschwert - sie angesehen oder der fremde Herr sie sogar angelächelt hatte. Als Kind zog man eben viel Aufmerksamkeit auf sich. Der fremde Herr hatte immer ein Auge auf sie geworfen, nicht auf die hübschen Schwestern oder die freundlichen Novizinnen, nur auf sie. „Du bist etwas Besonderes, Aqua. Ich und Terra sind auf der Suche nach solchen Kindern wie dir.“ Aqua hatte ihm aufmerksam zugehört und kaum eine Miene verzogen, um sie herum nur die Maiglöckchen im versteckten Garten des Klosters am späten Abend. Der fremde Herr - er hatte sich ihr schließlich als Meister Eraqus vorgestellt - hatte ihr von Dingen erzählt, viel zu vielen Dingen auf einmal, die sie, wenn er sie ihr auch einfach und genau erklärte nicht sofort begriffen hatte. An die genauen Worte erinnerte sie sich nicht mehr so recht. Aber sie erinnerte sich an sein merkwürdiges Schwert, dass er ihr entgegenhielt. „Möchtest du mit uns kommen, mit mir und Terra? Ich würde mich freuen, wenn du meine Schülerin werden würdest.“ Skeptisch hatte Aqua auf sein Schwert geschaut, nicht wissend was sie damit machen oder davon halten sollte (War es überhaupt ein Schwert? Nicht eher ein Schlüssel? Was für ein komisches Ding!). Instinktiv aber, ohne schließlich zu zögern umklammerte sie den Griff des Schwertes, es war weder schwer, noch war das Metall kalt. Eher fühlte es sich an, als hätte jemand ihr die Hand gereicht… Meister Eraqus hatte sich schließlich mitgenommen. Die Äbtissin hatte erst gezögert als er um Erlaubnis bat, aber war nicht dagegen gewesen. Sie vertraute diesem fremden und freundlichen Herrn, er würde sicher gut auf das Kind aufpassen. Man fürchtete schließlich schon dass die Epidemie sich langsam auch im Kloster ausbreitete, einige Schwestern wären über Nacht einfach verschwunden, alle waren nervös. Zu gefährlich für ein kleines Kind. Aqua hatte Angst gehabt. Nie hatte sie die Welt außerhalb des Kloster betreten. Wo wollten sie mit ihr hin? Was wenn die Puppen dort irgendwo waren und sie holten? Meister Eraqus hatte sie hochheben und tragen müssen, dabei hatte er ihr über den Kopf gestreichelt und ihr beruhigende Worte zugeflüstert, die rasch ihre Wirkung zeigten. Ihr angespannter Körper und ihr Herz beruhigten sich. Ab diesem Augenblick wusste Aqua nicht mehr was um sie herum geschehen war, sie hatte sich allein darauf konzentriert ihre Arme um den Hals ihres neuen Meisters zu behalten und Terra nicht aus den Augen zu lassen. Der Junge hatte in all der Zeit nicht ein Wort mit ihr gewechselt. Wie sie schließlich das Land - die Welt verlassen hatten hatte Aqua nicht wahrgenommen oder erst nicht begriffen. Erst in ihrer neuen Heimat kam sie wieder ganz zu sich. Und ihre neue Heimat war schön. Sie war strahlend und bunt, so wie ihre Welt früher, ehe die Leute krank und zu Puppen wurden. Das Schloss, dass dem Meister gehörte war groß und ebenso leuchtend wie diese Welt. Ganz anders wie das Kloster. Aber es war eben nicht das Kloster. Sie hatte keinen Grund dazu, Meister Eraqus war lieb zu ihr und nett, aber manchmal da musste sie doch weinen. Es fehlte einfach etwas. Sie spürte die Anwesenheit der heiligen Mutter nicht mehr. Zwar hatte Aqua gelernt wie man mit Hilfe ihres nun eigenen Schwertes Feuer und Eis entfachte (Blitz wollte sie vorerst nicht dazuzählen, nachdem sie ihren Meister beinah damit getroffen hatte), aber die Magie die sie kontrollierte war eben nicht die Magie, die sie zu Hause gespürt hatte. Und deswegen weinte sie. Selten, aber heimlich, sie wollte in den Augen von Meister Eraqus nicht undankbar erscheinen und ihm zur Last fallen. Natürlich merkte er wie niedergeschlagen Aqua war. Terra hatte es auch bemerkt, er hatte sie oft auf der Wiese vor dem Schloss gesehen. Gesagt hatte er aber nichts. Meistens zumindest. „Wieso weinst du?“ „Ich… ich weiß es nicht.“ Gelogen. Aber sie wollte vor Terra nicht wie eine Heulsuse dastehen. Aqua hatte vor Terra und Meister Eraqus keine Jungs gekannt, aber sie wusste, dass Jungs in vielen Dingen anders waren als Mädchen. Jungs weinten nicht. „Vermisst du dein altes zu Hause?“ „Ein bisschen.“ Gelogen. Sie vermisste ihr zu Hause unheimlich. Sie vermisste die Schwestern und die Äbtissin. Sie vermisste Shinsha, die ihr schöne Geschichten erzählt hatte. Die Maiglöckchen und der Geist der Vienne, der doch immer bei ihr sein sollte. „Du, Terra. Willst du nicht auch manchmal wieder nach Hause?“ Er zögerte und überlegte lange. Terra hatte nie viel geredet und benahm sich auch nicht immer wie ein Kind seines Alters. Mancher Erwachsener würde sagen Terra sei zu ruhig und zu brav für einen kleinen Jungen, Jungs sollten wild herumrennen und lachen und jauchzen. Aber Aqua mochte ihn so ganz gerne. Nur beim Training wurde er manchmal übermütig. „Nein. Ich weiß gar nicht mehr wie es zu Hause war. Und Meister Eraqus ist jetzt mein Vater. Hier bin ich zu Hause. Irgendwann bist auch du hier zu Hause.“ „Ich weiß nicht… Hier ist alles so anders.“ Niedergeschlagen sah sie zum Himmel hinauf, er war klar und voller Sterne, nicht grau und bewölkt wie in ihrer Welt seid einigen Jahren. Öde und eintönig, aber nun wären ein paar Wolken wirklich nicht schlecht gewesen, einfach nur um etwas Vertrautes wiederzusehen. Sie hatte nicht einmal mitbekommen, wie Terra sie kurzzeitig verlassen hatte. Aber er war nicht lange fort und kam schnell wieder. Mit einem Strauß Maiglöckchen in der Hand. „Die Äbtissin hat uns ein paar Maiglöckchen geschenkt. In unserer Welt wachsen nur wenig Blumen, der Meister und ich haben ein ganzes Beet gepflanzt. Die Blumen fühlen sich hier wohl, es sind ganz viele neue Pflanzen dazugekommen.“ Erwartungsvoll hielt Terra Aqua die Maiglöckchen weiter entgegen, bis diese die Blumen an sich nahmen. Er beobachtete genau, wie Aqua die Blumen hielt und betrachtete. Die Form der Blätter und das Weiß der Blumen. Solche Maiglöckchen konnten nur die sein, die aus der Träne der heiligen Mutter geboren wurden. Ein Stückchen zarte Heimat, die Aqua in ihren Händen hielt und nun ihre Tränen auffingen, wie in dem Märchen. Sie weinte zwar wieder und Terra dachte schon etwas falsches getan zu haben, aber Aqua‘s darauffolgendes Lachen verriet ihm schließlich, dass sie wieder glücklich war. Zumindest bis die Blumen verwelkten würde ihr Heimweh nur noch halb so schmerzhaft sein. Terra sagte zwar von einem Beet, hatte es Aqua aber nie gezeigt. Wenn sie es sehen würde, würde sie nur wieder zu sehr an ihr zu Hause denken und weinen hatte Terra gesagt, deswegen behielt er den Platz für sich. Aqua beschwerte sich nicht. Aber immer wenn sie in ihrer Kindheit die Trauer überkam war Terra losgegangen und hatte ihr einen Strauß gebracht, um ihr etwas Heimat zurückzugeben. Natürlich war die Erinnerungen an die Heimat und das Kloster über die Jahre immer mehr verblasst und irgendwann gänzlich verschwunden. Die Maiglöckchen blieben aber. Vielleicht war es Gewohnheit oder ist zu einer Art Brauch geworden, aber immer wenn es Aqua nicht gut gegangen war, wenn sie traurig oder niedergeschlagen war, war Terra gekommen und hatte ihr die Maiglöckchen gebracht. Und immer fühlte sie sich besser, wenn sie die weißen Blüten sah. Nicht unbedingt wegen den Schmerz über die zurückgelassene Heimat. Ehrlich gesagt erinnerte Aqua sich an nichts mehr aus ihrer alten Welt, weder an Namen noch an Gesichter. Auch die Maiglöckchen hatte jede Bedeutung zum Kloster verloren. Sie waren nun Teil ihrer neuen Heimat. Einzig das Wissen ist ihr im Gedächtnis geblieben, dass in den Blüten etwas innewohnte, dass sich um sie kümmerte und an sie dachte. Früher war es der Geist der Vienne, der sich um sie sorgte. Nun war es Terra. Es waren seine Maiglöckchen die sie getröstet und ihre Tränen aufgefangen hatten. Über die Jahre waren die Tränen und damit auch die Maiglöckchen ausgeblieben. Doch ganz vergessen scheinen sie nicht gewesen zu sein, manchmal konnte Aqua Terra dabei beobachten wie er lange Zeit verschwand, sich abends die Erde von den Händen wusch und einzelne Blüten und Blätter, die hängen geblieben waren aus den Klamotten zog. Das letzte Mal, dass sie Maiglöckchen bekommen hatte war als Ven zu ihnen kam. Tag und Nacht hatte Aqua neben seinem Bett gesessen und gewartet, dass er aufwachen würde. Sie kannten ihn nicht, er war kurz nach seiner Ankunft in Ohnmacht gefallen, aber egal ob sie ihn kannten oder nicht, sie war sehr besorgt gewesen. Hin und wieder war sie eingenickt. Als sie erwachte stand neben ihr auf dem Nachtisch eine Vase mit Maiglöckchen, die sie wieder zum lächeln brachten und sie irgendwo auch erleichterten. Kaum einen Tag danach war Ven aufgewacht. „Aqua… Wo hast du die Blumen eigentlich her? Ich habe solche hier noch nie gesehen.“ Es war Ven unangenehm gewesen, als er Aqua Wochen nach seinem Erwachen danach fragte. Zwar hatte er sich eingelebt und hatte innerlich schon angefangen Terra und Aqua als seine, sagen wir älteren Geschwister zu bezeichnen, aber hatte dennoch das Gefühl, dass er zu viel fragte. Ven hielt sich noch immer etwas zurück, er war beinah schon schüchtern. Er war erleichtert, als Aqua lachte. „Sag es niemanden, aber die gehören Terra. Als ich klein war hatte ich oft Heimweh. Wenn ich traurig war hat er mir immer Maiglöckchen geschenkt um mich zu trösten.“ „Und wo hat er die her?“ „Irgendwo hier hat er sie gepflanzt, ich weiß nicht wo. Ich glaube es ist ihm etwas peinlich.“ „Ich glaube nicht. Die Blumen sind schön, er gibt sich viel Mühe. Wäre es ihm peinlich würde er sich bestimmt nicht um sie kümmern und sie dir dann schenken.“ Wohl wahr. Hatte Aqua sich eigentlich schon einmal dafür bedankt? Ein Dankeschön hatte sie sicher schon über die Lippen gebracht, aber wirklich bedankt? Revanchiert? Aber sie wüsste nicht wie. Und Terra erwartete auch nichts von ihr. Er tat es nur für sie, damit sie wieder lachte. Sie müsste sich wirklich einmal überlegen, wie sie dem entgegenkommen sollte. Ihm sagen, dass die Maiglöckchen nicht mehr nur ein Stück Heimat sind. Dass er ihr ein Stück Geborgenheit und Sicherheit damit wiedergab. Dass sie ihn… Ach Nein. Sie hatte Zeit. Die Vorbereitungen für die Abschlussprüfung war in Gange, das ging nun einmal vor. Sie würde schon noch dazu kommen. Wenn der Augenblick passte. Wenn die Prüfungen vorbei waren, bis dahin wüsste sie bestimmt etwas. Vielleicht auch vorher. Sie wüsste sicher etwas, etwas anderes als dass, was ihr zuerst in den Sinn gekommen war. Das, an dass sie zuerst gedacht hatte konnte noch etwas warten. Sie hatte Zeit. Aber alle Blumen verwelken nun irgendwann einmal. Auch die Maiglöckchen. Was einst zu Aqua‘s Heimat geworden war, war nun Geschichte. Die Maiglöckchen gab‘s nicht mehr, die ihre Tränen auffingen. Und Terra - Terra, den sie geliebt hatte - existierte nun auch nicht mehr. 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