Sechs Wochen meines Lebens von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 4: Teil 4 ----------------- Titel: Sechs Wochen meines Lebens Teil: 4/7 Autor: Ju-chan Email: weissewoelfin@arcor.de Fanfiction: Original Rating: PG Warnung: depri, sap Kommentar: Falls es Kommentare oder Kritik gibt, dann immer her damit! ^_^ ---------------------------------------------- Basti war der Erste, der die Augen aufschlug. Unsicher starrte er auf den Jungen, der in seinen Armen lag. Er wusste nicht, ob er sich freuen oder doch lieber weinen sollte. Was würde Nico dazu sagen, dass er neben einem anderen Jungen aufwachte? Basti wollte sich nicht in irgendwelche Hoffnungen versteifen um dann enttäuscht zu werden. /Was ist, wenn der Kuss gestern Abend nur eine Reflexhandlung gewesen war? Wenn er jemanden gebraucht hat, der ihn tröstet? Wenn er es jetzt bereut?/ Nicht, dass Sebastian ein Pessimist wäre, aber was war schon ein Pessimist? /Nur ein erfahrener Optimist! Und damit hab ich schon Erfahrung!/ Gerade wollte er sich vorsichtig aus dem Bett des Jüngeren erheben, als der die Augen aufschlug. Nicos Blick wanderte erst unsicher über die Decke und blieb dann ängstlich an Bastis Augen hängen. Dieser wollte was sagen, doch dann brachte er keinen Ton heraus. Nico setzte sich umständlich auf, um dann mit seiner eiskalten Hand, nach der von Basti zu tasten. Als er sie gefunden hatte, verschränkte er seine Finger mit ihr und sein Blick wich nicht aus Bastis Gesicht, nach einer Reaktion suchend. Dieser sah unsicher in die blauen Augen seines Freundes, dann auf seine Hand, die immer noch von Nicos umschlungen wurde, und dann wieder hoch in das Gesicht des Jüngeren. Sein Herz begann ihm bis zum Hals zu schlagen und zittrig hob er die, mit seinen verschränkten Finger von Nico, hoch an seinen Mund und verteilte kleine Küsschen auf ihnen. Diese Reaktion schien Nico den nötigen Mut zu geben und er zog den Älteren glücklich zu sich heran um seine Lippen auf dessen zu legen. Aus einem scheuen, zärtlichen Kuss, wurde bald ein leidenschaftlicher Zungenkuss. Beide mussten sich fast gewaltsam zum Aufhören zwingen. Verlegen grinsend erhob sich dann Sebastian und meinte glücklich: "Lass uns aufstehen, ja?" Nico nickte zufrieden und glitt dann ebenfalls in seinen Rollstuhl... ---------------------------------------------- "... Mittwoch, 20. November Stunde. Wie immer langweilig. Nichts, was mich interessiert. Wenn ich wieder zu Hause bin, muss ich wohl oder übel den ganzen Stoff nachholen. Ich kann mich einfach nicht konzentrieren. Lauter kleine Nicos spielen mit meinen Gedanken Pingpong und scheinen sich darüber ziemlich zu amüsieren. Wenn ich an die letzte Nacht zurück denke, läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken. Alles wirkt so grotesk, so unwirklich. Was ist eigentlich genau geschehen? Ich weiß es nicht. Das einzige, was ich vor Augen hab, ist Nico, wie er hilflos am Boden liegt. O Gott, ich wäre fast gestorben bei diesem Anblick! Und dann, wie er meinte, ich solle ihn einfach küssen. Und ich Idiot mache das auch noch. Was, wenn es nur ein Scherz gewesen wäre? Na ja okay... zum Scherzen waren wir beide wohl kaum aufgelegt... Ich kann's immer noch nicht glauben!!! Nico hat mich geküsst! Und ich ihn! Und wir uns gegenseitig! Und.... Arg!!! Ich könnte jetzt hier auf dem Tisch tanzen, doch dann würden sie mich sicher in die Klapse stecken. Ich glaube, dem Pauker da vorne ist es eh schon aufgefallen, dass ich vor mich hin kritzel und nicht seinem Unterricht folge. Scheiß drauf... mir ist einfach alles egal! Ich kann es kaum erwarten, wieder bei Nico zu sein. Nee ne, scheiße... BIN ICH VERLIEBT!!!!!" ---------------------------------------------- Mit schnellen Schritten eilte Basti über den fast leeren Flur - Richtung Zimmer. Als er endlich davor angekommen war, stürmte er in den Raum, als wenn er um sein Leben rennen würde. Und da saß er: Nico - und er schien auf ihn zu warten. Bastis Herz machte einen Sprung, bei dem Anblick seines jüngeren Freundes. Nico trug wieder seine weißen Klamotten und die grünen Haare hingen ihm lässig in die Augen. Mit einer langsamen Bewegung schob er sie beiseite und schenkte Sebastian ein scheues Lächeln. Dieser konnte nur breit grinsen und meinte dann: "Na! Schon da?" Er schmiss seinen Rucksack auf sein Bett und hockte sich dann vor dem Rollstuhl seines Freundes hin. Dieser vergrub die Hände in dem schwarzen Haar und zog Sebastian zu sich, um ihn hungrig zu küssen. Basti erwiderte den Kuss zufrieden. Als sie sich nach einer Weile wieder trennten, ließ Sebastian sich seufzend auf sein Bett sinken. "Deine Therapie fängt gleich an, oder?" "Ja, leider... ich könnte ewig bei dir bleiben!" Nico wurde ob seiner Worte rot. Basti nickte wissend, meinte dann aber: "Klar, geht mir doch genauso! Bloß denk daran, Übung macht den Meister und wir wollten doch noch zusammen im Park spazieren gehen, oder hast du das vergessen?" "Quark! Wie könnte ich das vergessen?" "Na siehste! Also los, mach dich fertig! Wenn du willst bring ich dich hin. Ich muss nämlich auch runter zur Therapie!" "Klasse!!!" Nico rollte zum Schrank, um ungelenk in bequemere Sachen zu schlüpfen, dann wandte er sich der Tür zu, wo Basti schon auf ihn wartete. Gemeinsam durchquerten sie die Flure und trennten sich vor den verschiedenen Untersuchungsräumen.... ---------------------------------------------- "... Freitag, 22. November Nico ist einfach klasse! Ich hätte nie gedacht, hier in der Reha einen Freund zu finden - und schon gar keinen SOLCHEN Freund. Doch Nico kann man einfach nicht widerstehen. Er ist zuckersüß und sieht zum Anbeißen aus. Außerdem finde ich es immer so niedlich, wenn er zu mir kommt, um ein Küsschen zu erhaschen. Ansonsten verhalten wir uns wie immer. Wir reden miteinander wie immer und wir spielen ab und an Schach. Kurz haben wir auch darüber geredet, dass Nico vorher noch nie mit einem Jungen zusammen war. Das war gestern Abend, als er in seinem und ich in meinem Bett lag. Der Raum war dunkel und ich schon am Einschlafen. Doch Nicos leise Stimme hatte mich sofort wieder hellwach gemacht. "Ich mache sowas normalerweise nicht mit Jungs!", hatte er verlegen gemurmelt und ich wäre am liebsten aufgesprungen und hätte ihn durch geknuddelt. Dieser einfache Satz hat mich schon zum Schmelzen gebracht. Ich hab ihm dann kurz erklärt, dass ich generell Jungs mochte. Darauf hat er erst mal nichts gesagt. Ich dachte schon, er wäre eingeschlafen, doch nach einer Weile hat er mich scheu gefragt, was mir denn an ihm gefallen würde. Und ich - so verliebt wie ich bin - hab natürlich angefangen ganze Listen aufzuzählen. Irgendwann hat er dann einen Lachanfallbekommen und ich hab aufgehört. Dabei war ich noch nicht mal bis zur Hälfte gekommen. Na ja... auf jeden Fall haben wir uns so geeinigt, dass wir beide uns schrecklich gerne mochten und es nur darauf ankam. Danach kam dann das obligatorische Gute-Nacht-Wünschen und ich bin mit pochendem Herzen eingeschlafen.... Tja... so was nenn ich doch einen gelungenen Abschluss eines Tages. Und nun? Nun sitze ich wieder im Unterricht und werde soeben von dem Pauker vorne mit Blicken erdolcht. Wie gut, dass diese bekanntlich nicht töten können. Besser ich hör auf zu schreiben, sonst kassiert er das Büchlein hier noch ein und ich bin mächtig am Arsch. Ist schon etwas peinlich, wenn jemand das Tagebuch eines 17-jährigen (!!!) liest, in dem dieser pausenlos von einem anderen Jungen schwärmt.... Na ja... was soll ich aber hier sonst den ganzen Vormittag machen. Ich kann Nico einfach nicht aus meinem Kopf vertreiben... ---------------------------------------------- Basti seufzte ein mal tief und beschleunigte seine Schritte noch etwas mehr. Der olle Pauker hatte ihn nach dem "Unterricht" noch zu sich gerufen und sich ausführlich über die "Missachtung seines Unterrichts" beschwert. Basti soll "es doch in Zukunft bitte unterlassen, sich mit anderen - scheinbar wichtigeren - Dingen zu befassen und aktiv am Unterrichtsgeschehen mitwirken". /Halloooo? Von welchem Planeten stammt dieser Lehrer denn bitte?/ Auf jeden Fall war Basti nun ziemlich spät dran und Nico würde sicher schon im Zimmer sein. Als Sebastian dann vor der Zimmertür ankam, atmete noch ein mal tief durch und betrat so gelassen wie möglich den Raum... ... und schluckte! Er musste zwei mal hingucken, um das zu begreifen, was er da sah: Nico. Schön wie immer. Auf seinem Bett sitzend. Mit seinen Armen ein Mädchen umschlingend. Und anscheinend tierisch damit beschäftigt seine Zunge in ihren Rachen zu stecken. Die Blonde genoss diese Behandlung sichtlich, was man an ihren flinken Fingern erkennen konnte, die ruhelos über Nicos Seiten wanderten. Basti schob das Brett, das soeben seinen Kopf ganz unerwartet getroffen hatte, beiseite und schloss - etwas lauter als nötig - die Tür. Mit sicherem Schritt trat er zu seinem Bett und ließ sich darauf nieder, bevor er mit zuckersüßer Stimme meinte: "Hallo Nico!" Dieser wollte aufsehen, doch Blondie - Basti beschloss mal ganz einfach für sich, sie so zu nennen - zog ihn wieder zu sich runter, darauf aus, sich nicht stören zu lassen. Gut, dachte sich Basti und kramte fahrig nach seinem Discman, bei welchem er den Lautstärkeregler bis zum Anschlag aufdrehte, und versank dann in den schnellen Techno-Beats. Oder besser, er versuchte darin zu versinken. Immer wieder wanderte sein Blick auf seinen Freund und Blondie, die immer noch dabei waren, sich ausgiebig zu bearbeiten. Scheinbar wollten sie sich echt nicht stören lassen. Wenn Basti bei diesem Anblick nicht sauschlecht geworden wäre, hätte er das ganze auch einfach so hingenommen. Aber leider war Basti sauschlecht geworden und dieses beengende Gefühl, das auf seiner Brust lag und ihn zu erdrücken versuchte, half ihm auch nicht weiter. Deprimiert schloss er die Augen und versuchte sich etwas schönes vorzustellen. Vielleicht einen superschicken Sportwagen... der Blondie überfuhr. Nee... doch lieber einen wundervollen weißen Strand mit blauem Meer.... in dem ein Blondie ertrank. Auch nicht.... wie wäre es mit einem anderen klasse Kerl, der ihm über diesen Schock hinweghelfen würde? An sich war dieser Gedanke nicht schlecht, doch leider verwandelte sich der ultraheiße Adonis immer mehr in Nico, der dann fröhlich grinsend ein Blondie hinter seinem Rücken hervorzauberte und seine Zunge wieder in dessen Rachen rammte.... /Möge sie daran ersticken.../ Von seinen eigenen Gedanken überrascht, riss sich Basti die Köpfhörer runter und setzte sich auf. Blondie hatte Nico aus seinen Fängen entlassen und hockte nun triumphierend grinsend auf Nicos Bett, während dieser gemütlich auf seinen Freund zugerollt kam und verlegen meinte: "Hey Basti! Ich möchte dir wen vorstellen." Mit einem Fingerzeig auf Blondie meinte er: "Basti, dass ist meine Freundin Marie! Marie, das ist mein Zimmergenosse Sebastian!" Wie lässig Nico diese Worte doch über die Lippen kamen. Sebastian kam nicht umhin, ihn dafür zu bewundern. Kurz blickte er dem Jüngeren in die Augen - und hoffte, dass dieser den stummen Vorwurf bemerkt hatte - dann erhob er sich und trat auf Blondie - Marie heißt sie!!! - zu, um ihr die Hand zu reichen. Das Mädchen ergriff sie kichernd und konnte dann ihre Augen nicht von Nico lassen. Sebastian entschuldigte sich gekünstelt grinsend und meinte, er müsse nun zu seiner Untersuchung, bevor er sich abwendete und wortlos den Raum verließ. Ihm war schlecht. Zum ungefähr hundertsten Mal, rührte Basti nun schon seinen Kaffee um. Dieser war schon kalt, doch er hatte eh nicht vor ihn zu trinken. Er brauchte nur etwas, um sich abzulenken. Die Cafeteria, in der er saß - eigentlich der Essensaal - war fast vollkommen leer. Nur hier und da unterhielten sich einige Jugendliche mit Freunden oder Verwandten. Sebastian hatte es in ihrem Zimmer einfach nicht mehr ausgehalten und verfluchte sich selbst dafür, dass er einfach so abgehauen war. Er hatte doch eigentlich keinen Grund gehabt! Na ja, okay... Nico hätte ihm vielleicht erzählen können, dass er eigentlich eine Freundin hatte und dass diese ihn besuchen würde, doch wie es das Leben so wollte, hatte sein Freund es nicht für nötig gehalten, ihn über diese Kleinigkeit aufzuklären. Missmutig seufzend ließ er den Löffel auf den Rand des Untertellers sinken. Was sollte er nun tun? Wie sollte er sich Nico gegenüber verhalten? Wie würde dieser sich ihm gegenüber verhalten? Fragen über Fragen, doch eins wusste Basti genau: Er würde Nico keine Szene machen. War er denn irgend so ein Blondie, dass sich betrogen fühlte? Nein, das war er nicht (zumindest nicht wirklich) und er würde Nico schon zeigen, dass ihn, Basti, sein Privatleben nichts anging. Was hatte Basti sich auch erhofft? Einen richtigen (festen) Freund zu finden, der seine Gefühle genauso stark erwiderte? Ja, sowas in der Art musste Sebastian gehofft haben, denn ansonsten wäre er jetzt wohl kaum so niedergeschlagen. Er schalt sich selber einen Narren. Normalerweise war er doch gar nicht so ein Träumer... Endlich zu einem Entschluss gekommen - er würde gar nichts tun - stand er auf und schlenderte wieder in Richtung Zimmer. Als er den Raum wieder betrat, saßen Blondie und Nico sich am Tisch gegenüber und unterhielten sich. Die einzelnen Gesprächsfetzen, die zu ihm hinüber drangen, missachtete er einfach. Wortlos ließ er sich auf seinem Bett nieder und zog ein angefangenes Buch hervor, um die Seiten zu überfliegen (oder besser, sich dahinter zu verstecken). Auch mit Mühe konnte er das Zusammenzucken nicht unterdrücken, dass ihn immer erfasste, wenn Blondie in hohen Tönen anfing zu kichern oder zu lachen. /Wow, mir ist nie aufgefallen, WIE witzig Nico doch sein muss!/ Die Zeit schien zu kriechen, doch irgendwann erhob sich Blondie endlich und begab sich - nachdem sie sich überschwänglich und mit viel Zungenarbeit von Nico verabschiedet hatte - zur Tür. Nico wartete noch, bis sie aus dem Raum raus war, dann wagte er einen vorsichtigen Blick auf Basti. Dieser starrte ihn einfach nur ausdruckslos an und unterbrach den Blickkontakt nach einigen Momenten, um wieder in sein Buch zu starren. Deutlich konnte er Nico schlucken hören und dann das Geräusch von dessen Rollstuhl. Direkt vor Bastis Bett hielt der Jüngere an und meinte leise: "Du redest jetzt sicher nicht mehr mit mir, oder?" Basti blickte langsam und mit dem Blick einer Sphinx auf und meinte dann so gelassen wie möglich: "Nö, warum sollte ich nicht mehr mit dir reden? Nur weil ich eben auf Umwegen deine Freundin kennen gelernt hab? Ach, wo denkst du hin. Du musst aber verstehen, dass du mir deine Zunge nicht mehr dahin stecken zu brauchst, wo du sie eben schon bei dem Blondchen hattest!" Eigentlich hatte Basti nicht vorgehabt, irgendwas Verletzendes zu sagen - er hatte sich vorgenommen, gar nichts zu sagen - aber nun war es raus und Nico glotzte ihn an wie ein Auto. Dann begann er zu stammeln: "Aber... Basti! Was... Jetzt wirst du aber gemein! Ich... was hätte ich denn tun sollen?" "Nichts! Und das ist dir ja auch geglückt! Und wenn du mich jetzt bitte weiterlesen lassen würdest, ich bin gerade an einer sehr spannenden Stelle angekommen..." Sebastian senkte den Blick wieder aufs Buch. "Hey! Lass uns drüber reden, okay?" Doch Nicos Vorschlag prallte wie an einer Mauer ab, denn Basti hatte sich wieder hinter den Buchseiten verkrochen, ohne auch nur einen von den dort stehenden Buchstaben wahr zu nehmen. Wütend riss Nico ihm den Roman aus der Hand und ließ ihn achtlos zu Boden fallen. "Jetzt hör auf dich hinter diesem scheiß Buch zu verstecken!" "Das ist kein scheiß Buch, es ist eines der besten, die ich je gelesen habe!" "Basti! Ich meine es ernst!!!" "Ich auch!" "In Ordnung, anscheinend willst du nicht mit mir reden..." "Blitzmerker...." Ohne einen weiteren Kommentar wendete Nico den Rollstuhl und verzog sich wieder auf seine Seite des Zimmers. Es herrschte Schweigen, das nur ab und zu von dem nervösen Seitenumblättern von Basti durchbrochen wurde. Nico saß einfach nur da und starrte die Wand an. Plötzlich fluchte er laut und rollte wieder zu Basti hinüber. Dieser sah nur kurz desinteressiert auf und konzentrierte sich - soweit es möglich war - abermals auf den Text vor ihn. Er hatte das Buch wieder aufgehoben, wenn auch eher, um etwas in der Hand zu haben, als wirklich darin zu lesen... "Basti! Bitte rede mit mir!" "Warum?" "Weil ich diese Sache jetzt klären will!" "Was gibt es denn da zu klären? Sie ist deine Freundin und ich bin nur ein guter Freund, den du während deines Reha-Aufenthaltes kennengelernt hast und mit dem du, in einem schwachen Moment, ausprobiert hast, wie es mit einem Jungen ist. Was willst du da mit mir klären?" "Basti! So ist das nun aber nicht, ja?" "Wie dann?" Sebastian warf das Buch neben sich, doch es hatte zu viel Schwung und rutsche vom Bett, wo es mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden aufschlug. "Okay, Marie ist meine Freundin! Aber... du bist auch mein Freund!" "Wow! Hier haben wir wohl einen Verfechter von Bigamie!" Spöttisch zog Basti eine Augenbraue hoch. Nico verzog nur schmerzlich das Gesicht. "Ich glaub, du willst mich nicht verstehen!" "Und ich glaub, du weißt nicht mal, was du mir hier eigentlich erklären willst! Denn bisher hast du mir gar nichts erklärt!" "Stimmt, da könntest du recht haben! Ich weiß nicht, was ich dir erklären will. Oder zumindestens, wie ich es dir erklären will. Denn ich verstehe es selbst nicht!!!" "Aha!" Basti wirkte nach außen hin total ruhig und gelassen. Er dankte Gott dafür, dass Nico nicht das Chaos in seinem Inneren sehen konnte. "Okay, lass es mich so erklären: Marie ist meine Freundin - und dass schon seit fünf Monaten. Ich war mit ihr immer vollkommen zufrieden und hab auf Wolke 7 geschwebt. Dann bin ich hier in die Reha gekommen und hab dich getroffen. Du hast mich von Anfang an fasziniert und irgendwann hab ich dann gemerkt: Scheiße, du hast dich in nen Kerl verliebt. Und als du mich dann geküsst hast, dachte ich, ich sterbe. Mein gesamtes Weltbild hat sich auf den Kopf gestellt und ich hab gemerkt: Halt, Wolke 7 ist nicht die Endstation, es geht noch weiter nach oben! Mit dir bin ich dann auf irgend einer zweistelligen Wolke geschwebt und hab gedacht, nix und niemand kann mich da runter holen. Und da steht Marie plötzlich völlig unerwartet vor meiner Tür und mir fällt ein, dass ich ja eigentlich Höhenangst hab und Wolke 7 doch nicht so schlecht war.... Und nun? Nun sehne ich mich wieder nach einer höheren Wolke und dir! Was soll ich bitte schön jetzt machen?" Basti sah seinen Freund einfach nur fassungslos an. Hatte dieser ihm jetzt gerade wirklich einen Vortrag über Wolken und Höhenangst gehalten? Nico muss seine Gedanken erraten haben, denn er errötete und meinte verzweifelt: "Man, ich weiß, dass ich Scheiße labere! Aber es geht im Moment nicht anders! Ich fühle mich, wie drei Mal durch den Fleischwolf gedreht!" "Dann hast du ja vielleicht 'ne Ahnung, wie ich mich gefühlt hab, als ich dich mit diesem Blondie auf dem Bett gesehen hab!" Basti hatte seine Sprache endlich wieder gefunden. "Du hättest mir wenigstens was von deiner Freundin erzählen können!" "Woher sollte ich denn wissen, dass sie plötzlich vor der Tür steht?" "Ach so... Wäre ja auch zu schön gewesen..." Basti seufzte resignierend auf. "Was?" Nico schien den Gedankengängen seines Freundes nicht folgen zu können. "Okay, lass mich dir eine kleine Frage stellen: Hast du schon ein Mal daran gedacht, was sein wird, wenn die sechs Wochen hier um sind?" Nico musste schlucken und seine Stimme hörte sich selbst in seinen eigenen Ohren piepsig an: "Nein..." "Hab ich mir schon gedacht... Ich auch nicht so wirklich, denn was bringen meine Gedanken denn schon... aber dass du wohl kaum mehr von mir willst, als hier in der Reha jemanden zu haben, mit dem du dich amüsieren kannst, hab ich mir schon gedacht..." "Nun wirst du aber gemein!" "Nein, werde ich nicht... Darauf läuft es nämlich hinaus! Denk doch mal nach, Nico. Was wird denn sein, wenn die Kur zu Ende ist? Du wirst nach Hause fahren, ich werde nach Hause fahren. Wir wohnen kilometerweit entfernt von einander. Okay, vielleicht wirst du mir deine Handynummer geben und wir werden noch ein paar Mal telefonieren, aber mehr wird nicht sein. Der Kontakt wird einschlafen. Du wirst mich vergessen und ich dich... Und das ist dann das Ende vom Ganzen..." Nico schluchzte empört auf. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und er spürte, dass das, was Basti eben gesagt hatte, wohl oder übel eintreten würde. Doch er wollte es nicht wahrhaben. Basti hatte tief in ihm einen Punkt berührt, von dem er vorher nicht einmal gewusst hatte, dass er da war. Diese Tage mit Basti hatten sich so wundervoll, so natürlich, angefühlt, dass er ihn nicht einfach so aufgeben wollte. Ein Teil seines Herzen versuchte ihn dazu zu bewegen, um das Zusammensein mit dem Älteren zu kämpfen, während aber ein Teil seines Gehirns verkündete, dass er es wohl kaum schaffen würde... Nico fühlte sich auf einmal so hilflos, dass er nicht mal mehr die Tränen zurück halten konnte, die in seinen Augenwinkeln brannten.... Als Basti sah, dass Nico ob seiner Rede angefangen hatte zu weinen, tat es ihm schon wieder leid. Doch es wahr nun mal die Wahrheit. Das Leben war nicht so schön, wie es nach Außen hin immer schien. Das Leben war hart und beschissen. Doch Basti wusste auch, dass er um Nico kämpfen würde, wenn dieser es wollte. Wenn Nico wirklich mit allen Mitteln versuchen würde, den Kontakt aufrecht zu erhalten, würde Basti sein Bestes geben, um dies ebenfalls zu tun. Dies war ihm schon mal klar, auch wenn vieles andere ihn im Moment, wie eine dicke milchige Brühe umgab. Seufzend rutschte er an den Bettrand und zog den Jüngeren in seine Arme. Dieser kuschelte seinen Kopf an die Brust des Älteren und begann nun wirklich hemmungslos zu weinen. Basti konnte nicht mehr tun, als ihn warm an sich zu pressen und beruhigende Worte zu murmeln. Langsam wurde Nico ruhiger und genoss spürbar den dumpfen Herzschlag des Älteren, der in monotonem Rhythmus vor sich hin klopfte. Noch immer hielten die starken Arme von Basti ihn umfangen und boten ihm einen Schutz, den er, seiner Meinung nach, nicht verdient hatte. Hätte er von Anfang an reinen Tisch gemacht und Basti von seiner Freundin erzählt, hätten sie sich das ganze Gestreite erspart. Sie hätten in Ruhe darüber reden können. Doch so hatten sie dieses unerfreuliche Gespräch führen müssen. Doch Nico war froh, dass Sebastian ihn anscheinend auch nicht so leicht aufgeben wollte. Diese Erkenntnis breitete sich wie ein warmes Gefühl in ihm aus und er seufzte erleichtert an Bastis Brust. Dieser begann nun mit seinen Fingern in den grünen Haaren rumzufummeln und einzelte kurze Strähnen um seinen Finger zu wickeln und sie wieder loszulassen. Beide hingen ihren Gedanken nach, doch dann meinte Nico mit zittriger Stimme: "Was werden wir jetzt tun?" "Gute Frage..." Basti lachte freudlos auf. "Mein Vorschlag wäre, die letzten Wochen so gut zu genießen, wie es geht und dann, wenn es drauf ankommt und wir uns wirklich trennen müssen, weiter zu sehen und zu entscheiden was wir machen. Bis dahin fällt es uns vielleicht ein wenig leichter, eine Entscheidung in Bezug auf Fernbeziehung oder anderes zu treffen... Obwohl ich meine wohl schon kenne...." "Ich glaub, ich kenn meine auch schon... aber okay, damit bin ich einverstanden. Lass uns das beste draus machen und dann, wenn es drauf ankommt, entscheiden wir..." "In Ordnung..." Schweigen... "Basti?" "Ja, Nico?" "Würdest du mich küssen? Auch wenn du gesagt hast, dass du meine Zunge nicht mehr dort haben willst, wo Marie sie schon hatte?" Nicos Stimme war nur ein hohes Piepsen. Dann merkte er, wie Bastis warmes Lachen an seiner Wange vibrierte und wie der Ältere ganz sanft sein Gesicht anhob um ihn zärtlich zu küssen. Glücklich erwiderte er die Geste und genoss das atemberaubende Gefühl, das dieser einfache Kuss mit sich brachte. Es war einfach unbeschreiblich.... ---------------------------------------------- Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)