Vetternwirtschaft von Gaomee ================================================================================ Kapitel 1: Vetternwirtschaft ---------------------------- Wichtelgeschichte für sunnychan Das Zimmer war eine Katastrophe. Alles war zerissen und umgeworfen, keine Vase mehr heil. Inmitten dieses Chaos kniete Kasumi mit einem Kehrblech und Besen. Fröhlich summend arbeitete sie fleißig und verlieh der Szene durch ihre bloße Anwesenheit eine morbide Schönheit. Inmitten des Verderbens dieses wunderschöne Wesen mit einer braunen Haarpracht und einem ausgeglichenen Gesichtausdruck. Offenbar gab es nichts, was sie aus der Fassung bringen konnte. Dies galt nicht für Akane. Das Mädchen war in ihrem Zimmer, lag auf ihrem Bett unter der flauschigen Decke. Wie in einer Festung versteckte sie sich unter ihrer Deckle vor der bösen, grausamen Welt voller brutaler Mädchen. Sie wünschte sich zurück in den Bauch ihrer Mutter. Sie wünschte, sie hätte eine Mutter. Aber die hatte sie nunmal nicht. An niemandes Busen konnte sie sich ausweinen. Nun hatte sie noch nicht einmal mehr ihr Schweinchen P-Chan. Stattdessen tränkte sie ihr Kopfkissen mit Tränen. Irgendwo in der Ferne hörte man das Rascheln des Geldes und in entgegengesetzter Richtung betretenes Füßescharen. Eigentlich hatte die ganze Angelegenheit regelrecht harmlos begonnen. "Akane!!" Erschrocken öffnete die Angesprochene ihre Augen, fuhr ruckartig aus ihrem Schlummer auf. "Akane! Du hast einen Liebesbrief! Hier", verkündete Nabiki und warf ihn ihr vor die Nase auf die weiche Daunendecke. "Lag vor deiner Tür." Nabiki zwinkerte. Akane verdrehte nur die Augen. Jungs fand sie doof – Umso mehr seitdem ihre eigene Hochzeit in einer heillosen Katastrophe geendet hatte. "Du kannst dich nicht ewig von Jungs fernhalten", klärte Kasumi sie auf, während sie mit einem Wäschekorb an der Tür vorbei ging. Niemand fragte sie, wie lange sie schon auf den Beinen war. Die Antwort beschämte die anderen Mädchen des Hauses. "Und ob ich das kann!", protestierte Akane und stieg aus dem Bett. "Aber, wenn du dich von Ranma scheiden lässt, zu wem gehst du denn dann?", warf Nabiki ein, aber Akane fegte den Einwand wütend beiseite. "Niemandem! Das ist doch der Sinn des Ganzen. Ich lasse mich scheiden, um nicht verheiratet zu sein – mit niemandem!" Wütend riss sie ihre Schuluniform aus dem Schrank, steckte den Brief in eine Tasche und schleifte alles zusammen hinter sich in den Flur. "Und für wen wirst du kochen?", rief Kasumi aus der Waschküche. "Für niemanden!", antwortete Akane, wobei Nabiki anmerkte: "Außer für dich selbst." Aber Akane konnte nur den Kopf schütteln. Nein, noch nicht einmal für sich selbst. Lebte sie allein, würde sie sich wahrscheinlich von Fertiggerichten ernähren, denn ihr Kochtalent, was Kasumi geflissentlich ignorierte, war mäßig. Mäßig war noch nicht ganz richtig. Ihr Talent besonders bezüglich des Backofens ging Richtung Atombombenkatastrophe – Der Grad der Verseuchung stimmte beinah überein. Dann war sie im Bad angekommen und knallte die Tür hinter sich zu. "Aber wovon wird sie leben?", hörte man draußen Nabiki sich wundern. "Ach, ich schicke ihr schon jeden Tag etwas zu essen", bekannte Kasumi. Ihr kam der Brief erst auf dem Nachhauseweg wieder in den Sinn. "Ich bin nicht interessiert", sagte sie sich. "Nur neugierig." Wahrscheinlich war er sowieso von Kuno. Liebste Akane, manchmal lächelst du ganz traurig, dann würde ich mich am liebsten in deinem Schoß zusammenrollen und dich trösten. Die wuscheligen Fransen auf deinem Kopf fand ich schon von Anfang an süß. Außerdem weiß ich, dass du tief in deinem Innern ein verwundbares Mädchen bist, das sich nach Zuneigung und Anerkennung sehnt. Ach, weißt du, ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich dir diese Dinge geben würde, aber wir kommen meistens nicht so gut aus. Ich weiß, deine Hochzeit war nicht gerade das, was du dir gewünscht hast, aber in dem Augenblick, bevor sich dein Gesicht vor Wut verzerrte, warst du wie ein Engel, der vom Himmel herab gestiegen kam aus dem einzigen Grunde um mir ein Lächeln zu schenken. Ich mag wie du rennst und dein Kleid dabei herumwirbelt. Ich mag es wie du deine Nase kräuselst, wenn du etwas missbilligst oder deine Arme verschränkst oder deine Hände in die Hüften stemmst. Ich mag wie du jaulst und Dinge um dich schleuderst, wenn du hoffnungslos wütend bist. Ich mag deinen Jähzorn und deine Güte. Es beruhigt mich, dass du außer männlichen Schweinchen keine anderen männlichen Wesen magst und auch, dass du dich zu wehren weißt. Ich mag deine großen Augen, deine langen Beine. Ich mag dich. Ich liebe dich. Da fiel ihr die Kinnlade herab. "Naja, vielleicht will er sich nicht scheiden lassen ... " "Nabiki! Er ist nicht von Ranma!" "Dann von Kuno." "Ich .. ich weiß nicht." Akane sah unsicher auf den Brief. "Ich glaube nicht, dass er überhaupt weiß, was die Hälfte dieser Worte bedeuten. Außerdem ... " Sie blickte hin und her gerissen auf die Wörter. Außerdem waren die Beteuerungen nicht übertrieben. Kuno hätte ihr nie gesagt, dass sie jähzornig war. "Dann doch Ranma", stellte Nabiki fest, aber Akane lachte. "Der kennt solche Ausdrücke auch nicht." Sie verdrehte die Augen. "Außerdem spricht er eine ganz andere Sprache. Ich liebe dich wird zu: Du fette Kuh! oder Du dumme Kuh!" "Aha .... ", machte Nabiki und lehnte sich mit einem Unschuldsblick in ihrem Stuhl zurück. Kasumi wirbelte an der Anrichte herum und zauberte. Eigentlich kochte sie, aber für Akane war es dasselbe. "Hast du noch irgendwelche Verehrer?" Akane schüttelte den Kopf. "Keine, die wissen, wo ich wohne ... glaube ich." "Was ist mit Shinnosuke?" "Nein, ich glaube nicht." "Der ist doch in China", fügte Kasumi hinzu. "Hikaru Gosunkugi?" "Wer?", fragte Akane verwirrt. Der unbeliebte Junge schien ihrer Aufmerksamkeit immer zu entgleiten, obgleich er sich so sehr danach sehnte. "Vergiss es", meinte Nabiki. Sie hingegen merkte sich jede Beziehung, um später einen Weg zu finden Profit daraus zu schlagen. "P-Cha- ... Ich meine Ryoga?" "Quatsch", verwarf Akane den Gedanken. Nachdem sie eine Weile grübelnd herumgesessen hatten, ging Kasumi ein Licht auf. "Es ist jemand Neues!" In der Zwischenzeit versuchte ein Panda in China einen Briefumschlag mit seinen Tatzen zu öffnen. Allerdings stellte sich dies als schwieriger heraus als der Panda gedacht hatte und stieß graulende Geräusche aus. Freundlicherweise trat jemand hinzu und half ihm beim Öffnen. "Danke, Jusenkyo-Typ", stand auf dem Schild, dass der Panda daraufhin hochhob. Neugierig, was wohl in dem Brief, addressiert an seinen Sohn, stehen mochte, zwängte er seine winzige Brille auf seine große Pandaschnauze und begann zu lesen. Hallo Ranma, du möchtest dies wahrscheinlich nicht hören und vielleicht ist es auch nicht gerade klug, dein Ego aufzuplustern, aber ich muss mir einfach ein paar Dinge von der Seele reden. Ich mag dein Ego. Ich schätze, es ist eigentlich süß wie du dich aufführst. Ich mag es, dass du mit Beleidigungen um dich wirfst, wenn du verunsichert bist. Ich mag, dass du dich mit allem, was nicht schnell genug verschwindet, anlegen musst. Und ... Naja, eigentlich fällt mir gar nicht soviel über dich ein, was ich mag. Aber ich wollte nur sagen, dass ich nicht dankbarer sein könnte, würde ich dich nochmal sehen. Ich liebe dich. Wie? Nicht signiert? Keine Gnade. Der Junge wurde von seiner Schlafmatte gezerrt. "Was?", fauchte er den Panda an. "Was willst du?" Prompt wurde er über die Schulter geworfen wie ein nasser Sack Kartoffeln. "Paps, du dummer Bär! Sag's mir!", kreischte er und drückte dem Panda einen Filzstift unter die Nase, während er sich mit Händen und Füßen wehrte. Seine Zehen versuchten den Panda unter den Achseln zu kitzeln. Dies schlug fehl, weil sein Fell viel zu dicht war für diesen eher untrainierten Teil Ranmas Körpers. Dann versuchte er dem Panda seinen rechten Zeigefinger in die Nase zu stecken, sodass er sein Gesicht zu sich ziehen konnte. Als Antwort erhielt er ein Schild in die Fresse. "Zurück nach Japen." "Akane, Papa!" rief Kasumi. "ratet, wen ich beim Einkaufen getroffen habe?" Sie stellte den Eimer Tofu auf die Anrichte und führte einen Panda in das Wohnzimmer. Soun Tendo, alleinerziehender Vater dreier Töchter, stand freudestrahlend und doch zögernd auf. "Genma, du hier? Was verschlägt dich hierher?" Noch eine Sekunde stand er erwartungsvoll vor dem Panda bis dieser ein Grölen von sich gab. "Ach ja" Er schlug sich gegen die Stirn und gab dem Panda Papier und einen Stift. "Ranma Akane heiraten." Soun sah nachdenklich über die Schulter des Pandas auf das Blatt Papier. "Du und dein Sohn kommen zurück aus China, um meine Tochter zu heiraten?" Der Panda nickte heftig. "Wie aufregend!", bemerkte Kasumi und tischte ein paar Leckereien auf. "Nun ja, eigentlich kommt mir die Situation sehr bekannt vor", bekannte Soun. "Aber Ranma und Akane sind doch schon verheiratet. Schließlich hat dein Sohn die Scheidungspapiere nicht unterschrieben ... " Fast schon beschämend senkte der Panda den Schädel. "Hmm ... ", machte Soun, doch da wurde ihm die Entscheidung auch schon abgenommen. "Aber natürlich!", rief Nabiki und schlenderte wie zufällig ins Zimmer. "Au ja ... ", schwärmte Kasumi. "Diesmal backe ich zwei Torten, damit wir auch genug für die ganzen Gäste haben, die Nabiki ungebeten zusätzlich einladen wird." "Super Idee", lobte Nabiki und verzog sich so schnell wie sie gekommen war. Kasumi tat dasselbe, um in der Küche das Abendessen vorzubereiten und im Wohnzimmer blieben ein Familienvater und Panda zurück, die zusammen Go spielten. "He, Akane", rief Nabiki sanft. "Hast du Kasumi nicht gehört?" Verschlafen sah Akane von ihrem Schulheft auf, auf dessen Matheformeln sie vorhin noch ihren Kopf gebettet hatte. "Huh? Nein, nicht wirklich ... " "Der fette Panda ist wieder da ... " Nabiki sprach abfällig, aber beiläufig und ging dabei gemächlich durch Akanes Zimmer. "Genma? Ranmas Vater?" "Nein", machte Nabiki ironisch. "Der andere fette Panda, der bei uns bis vor einem Jahr ein und aus gegangen ist wie's ihm passte." Aber Akane war schon fort und zurück blieb eine schelmisch lächelnde Nabiki, während sie ein paar Yen, die Akane in ihrer Hast aus ihrer Ttasche verloren hatte, aufhob. "Botenlohn." "Kasumi!" Das ältere Mädchen streifte die Schürze über ihren Kopf und löste die Schleife um ihre schlanke Taille. "Hm?" "Stimmt es? Genma ist hier?" "Aber natürlich", lächelte sie. "Er ist im Wohnzimmer mit deinem Vater." "Ach ... so ... " Akane schien verwirrt und setzte sich verdrossen auf einen Stuhl. "Ach ... Idiot." "Hat Ranma dich das nicht immer genannt?", fragte Kasumi, während sie gegenüber von ihrer Schwester Platz nahm. Akane nickte unglücklich. "Aber es kam nicht einmal in dem Brief vor ... Er kann nicht von Ranma sein." Während Akane die Tischplatte eingehend studierte, studierte Kasumi eindringlich das Antlitz ihrer Schwester. Bleich war sie mit großen dunklen Augen und Haar so schwarz wie Pech. Die ein oder andere Strähne stibitzte sich immer auf eine ihrer sahneweichen Wangen. "Aber er ist hier in Japan mit seinem Vater ... " Kasumi schwieg kurz und fügte dann hinzu: "Das ist doch ein merkwürdiger Zufall, oder?" Akane wiegte unschlüssig den Kopf hin und her. "Ranma ... und ein Liebesbrief?" "Warum nicht?" Kasumi hob die Brauen. "Er ist nicht unbedingt poetisch. Seine Flirts bestehen aus äh, ähh, ähhm und ehh ... ", erläuterte Nabiki. "und dabei kratzt er immer – immer! - seinen Hinterkopf." "Hmm", überlegte Kasumi. "Da könntest du Recht haben ... Ach, Nabiki?" "Ja?" "Ich habe vergessen etwas extra Fisch zu kaufen für den Fall, dass wir heute Abend Gäste haben." Sie ruckte ihr Kinn in Richtung Wohnzimmer. "Könntest du ihn für mich besorgen? Du kriegst auch ein bisschen Geld dafür." Nabiki überlegte nur kurz und kam dann zu dem Schluss, dass alles besser war als Akane zuzuhören wie sie über Ranma klagte, egal wie schlecht bezahlt. Obwohl Ranma schon vor einem Jahr zu einer Trainingsreise nach China aufgebrochen war, hatte sie nie aufgehört sich über ihn zu beschweren. "Wäre Ranma hier, hätte er jetzt bestimmt die Zunge herausgestreckt, der Manierlose." "Ranma, der Raufbold, hätte sich jetzt bestimmt mit dir angelegt." "Wäre Ranma es gewesen, der da gerade in den kalten Pool geschubst wurde, hätte ich ihn ausgelacht ... weil er so doof ist." "Ranma ist so ein Perversling. Er hat mich ganz traumatisiert. Gestern wollte ich baden und hatte dann diese schreckliche Rückblende von unserem zweiten Zusammentreffen!" Selbst auf der Hochzeit einer entfernten Cousine konnte sie es nicht lassen: "Wäre dies hier noch eine von Ranmas und meinen Hochzeiten gewesen, wäre ihr Kleid jetzt zerissen, der Kuchen zertrampelt und hier liefen viel mehr Menschen in Tiergestalt herum. Alles nur Ranmas Schuld gewesen!" Und so hatte sie es ein ganzes Jahr lang gehalten. "Weißt du, Akane ... Manchmal können sich Männer nicht richtig ausdrücken. Sie sind so hilflos angesichts der fremden Emotionen in ihrem Körper, dass sie völlig ihren Verstand verlieren." Gebannt lauschte Akane Kasumis Worten. In der Regel hörte sie ihre Schwester nicht oft über Männer reden. Sie war eher das Thema Blaubeermuffins oder perfekte Teriyaki gewöhnt. "Red weiter", forderte sie sie daher auf. "Nun ja, sie können nichts dafür. Denn sie können meistens viel schlechter damit umgehen. Daher musst du die Erwachsenere in einer Beziehung sein und versuchen ihn zu verstehen. Sagt er "Idiot" meint er in Wirklichkeit "Mein Schatz" und so weiter ... Verstehst du?" Unsicheres Nicken. "Und die Erwachsenere zu sein bedeutet auch, den ersten Schritt zu machen." "Oh, nein!" Da stapfte Akane mit dem Fuß unter dem Tisch. "Auf keinen Fall!" "Aber ... ", wandte Kasumi verzweifelt ein. "Ihr seid doch aus ganz unsinnigen Gründen auseinander gegangen." "Unsinnig?!", kreischte Akane, bevor sie sich mit einem Hüsteln mäßigte. "Ich wurde mit Okonomiyakis beworfen ... eine halbblinde Ente hat versucht mich zu küssen und nannte mich andauernd "Shampoo". Man hat mir angeboten eine Doppelhochzeit zu veranstalten, in der ich mir Kuno als Ehemann mit dem "Mädchen mit dem Zopf" teilen sollte und ... " Akane hob drohend den Zeigefinger. "Das Schlimmste: Ein uralter, kleiner, hässlicher, perverser Gnom hat mir direkt auf mein Kleid gekotzt ... Und rate 'mal, wer Schuld war? - Ranma! Wegen seinem dämlichen Wasser, das der ekelige Happosai getrunken hatte!" Mit einem Lächeln auf den Lippen dachte Kasumi daran zurück. "Ja, das war lustig ... Hach ... " "Lustig?" An Akanes Schläfe pochte eine Ader bedrohlich heftig. "Jetzt sag' bloß du hattest keinen Spaß?", fragte Kasumi erstaunt. Verstört und verzweifelt schüttelte Akane den Kopf. "Kasumi .. du bist ... unglaublich." Diese lächelte nur und stand von ihrem Platz auf, um die Schürze wieder aufzunehmen. "Naja, es würde auf jeden Fall nicht schaden, wenn du Ranma einfach fragst, ob der Brief von ihm ist und dann die Antwort aus ihm herausprügelst. Das macht dir bestimmt Spaß." Da leuchteten Akanes Augen auf. "Du hast Recht. Ich habe ein Recht es zu erfahren! Außerdem sind wir verheiratet! Ich kann ihn alles Mögliche fragen!" Mit den Worten wollte sie davon steben, aber sie kehrte noch einmal zurück und lehnte verlegen am Türrahmen. "Ja?" "Kasumi ... Danke für deine ... Ratschläge." Das Küchentalent winkte ab. "Wozu bin ich denn sonst da? Etwa nur zum Kochen?" Kasumi lachte als hätte sie einen guten Witz gemacht, aber Akane musste sich beschämt eingestehen, dass ihr erster Impuls gewesen wäre "Ja klar" zu antworten. "Aha. Und weshalb darfst du nicht hinausgehen?", fragte die nette Hotelbesitzerin den jungen Mann. Er trug chinesische Kleidung und war noch ein junger Bursche. Das gefiel der verschrumpelten Frau recht gut. "Ach, das ist wegen meinen ganzen Verlobten. Nachdem ich geheiratet hab', waren die sehr sauer auf mich ... und die Schreckschraube, die ich geheirartet hab', die hasst mich jetzt auch." "Aha? Na, da muss wohl jemand noch an seiner Bettakrobatik feilen, damit er das Mädchen überzeugen kann." Angeekelt, aber auch ein wenig verwirrt blickte Ranma der Alten ins faltige Gesicht. Einer Antwort würdigte er diese Mutmaßung nicht. "Ich glaub, es hatte eher 'was mit diesem alten Lüstling zu tun, der ihr auf's Kleid gekotzt hat." "Wie schrecklich!", rief die Frau aus. "Ja, das stimmt. Andauernd klaut er Unterwäsche und so." "Ich hatte eigentlich das Kleid ge- ... " "Nein, Kleider klaut er nicht. Nur Unterwäsche. Mädchenunterwäsche.... ", erklärte Ranma wie ein Experte. "Ranma!" Donnernd krachte ein Wirbelsturm durch die Tür. "Aha, wer ist das? Eine der Verlobten?" "Nein", schluckte Ranma. "Das ist die Schreckschraube." Er wischte sich nur schnell den Schweiß von der Stirn und versteckte sich dann hinter seiner Gastgeberin. "Hallo, Frau Saotome." Die Alte lächelte willkommend und winkte Akane herein. "Tendo. Ich trage noch meinen Mädchennamen. Außerdem lass ich mich wahrscheinlich scheiden." Mit einem bösen Seitenblick auf den Schützling der Hotelbesitzerin fügte sie hinzu. "Aber ein bestimmter Idiot will einfach nicht die Papiere unterschreiben." Die Alte winkte ab, nahm Akane beim Arm und zog sie neben sich auf die Lehne eines alten Sessels. "Was soll man schon machen? Ach, die Liebe ... ", schwämte sie, aber Akane stieß nur verächtlich die Luft aus. "Der da liebt niemanden außer sich selbst. Sein Ego ist größer als die Bevölkerungswachstumsrate von China." "Oh", machte das Großmütterchen. "Stimmt gar nicht", brummelte Ranma fast unverständlich und wollte sich davonschleichen. Aber Akanes unermüdlicher Griff packte ihn am Kragen und zerrte den verzweifelt hechelnden Ranma zu ihren Füen vor den Sessel. "Nicht so schnell. Wir haben hier 'was zu klären ... Hast du den Brief geschrieben?", begann sie ihre Interrogation und schob ihre Nasenspitze ganz nah an seine heran. "Brief?" "Jetzt stell dich nicht dumm!", verlangte Akane mit Tränen in den Augen. "Warum reden plötzlich alle von irgendwelchen Briefen? Soweit ich weiß, bin ich wegen eines Briefes hierher gekommen!" Ranma runzelte die Stirn und schrie zurück. "Nur wegen eines Briefs! Den ganzen Weg zurück nach Japan!" Erschrocken zuckte Akane zurück und die kurze Pause des Schweigens nutzte die alte Frau, um sich von Dannen zu machen, denn ein wenig beängstigend fand sie das junge Paar doch. "Du bist nur wegen des Briefes zurückgekommen?", fragte sie fassungslos. Wegen meines Liebesbriefes? "Ja, was glaubst denn du?", fragte er patzig. Sein Gegenüber legte die Hände zusammen gefaltet in den Schoß und senkte betreten den Kopf. Dabei fiel ihre wuschelige Haarpracht vor ihre Augen und es kribbelte in Ranmas Fingerspitzen. Dieses Kribbeln breitete sich auf seiner Handinnenfläche aus und kroch seinen ganzen muskulösen Arm hoch. Dann zuckten seine Finger hoch und berührten federleicht ihre Wange, dann ihr Haar und strichen es ihr schlussendlich aus der Stirn. "Danke", murmelte die ihm angetraute Frau. Ein ganz zartes Lächeln lag auf ihren Lippen. Da fragte sie leise: "Warum hast du die Papiere nicht einfach signiert?" Nun eigentlich sollte dies ein ganz romantischer Moment werden, aber Ranma hat nicht das nötige Fingerspitzengefühl für solcherlei Momente. Daher hätte er beinahe geantwortet, dass er keinen Stift finden konnte und es dann vergessen habe, als die Hotelinhaberin in der Küche ein Stück Schinken aus dem Kühlschrank hervorzauberte. "Hier, Kätzchen! Komm, komm! Fressi, Fressi!", rief sie durch das ganze Haus. Erstaunlich elegant zwängten sich auch sofort fünf übermäßig dicke, pelzige Katzen durch die Katzenklappe und spazierten gemütlich an dem Paar vorbei, das augenblicklich erstarrte. Ranma flog geradezu an die Wand und presste sich so sehr mit seinem Körper dagegen, dass man meinen könnte, er wolle sie einreißen. Ausgerechnet dieses auffällige Verhalten zog die Aufmerksamkeit eines grauen Katers auf sich, der sich gemütlich dem zitternden Jungen widmete. Mit jedem trägen Schritt, den der Kater ihm entgegentrat, schrumpfte Ranma ein Stück in sich zusammen bis er schließlich auf allen Vieren zusammengekauert ein klammes, schweißnassses Knäuel des Elends ergab. Der Kater schnüffelte an dem Bündel, beschaute es und wandte sich dann ab. Aber die Anspannung war zuviel für Ranma gewesen. "Miau!", formten seine Lippen. "Miau, miau!" "Ohje", seufzte Akane. Sofort kam der Katzenranma angeschlichen und umgarnte ihre Knöchel und rieb sich daran. "Na toll", murmelte sie, hob unter Ächzern den Ranma auf ihre Arme und stapfte zur Küche. "Ich nehm meinen Mann dann 'mal kurz mit." "Alles klar", rief ihnen die Frau lächelnd nach. Was niemand ahnen konnte war, dass zufällig jemand auf der anderern Straßenseite stand und die beiden beobachtete wie sie aus dem Hotel schritten. Und so kam es, dass das Gerücht die Runde machte, Ranma sei wieder da. Dies zog leider Gottes sofort die Reaktion nach sich, dass ein wütender Mädchenmob (und ein äußerst verwirrter Mann, der immerzu "Wo soll das Mädchen mit dem Zopf sein?" schrie) das Anwesen der Tendos stürmte, sozusagen als Präventivschlag gegen Akane, die als Gattin Ranmas natürlich einen Vorteil hatte. Und nun sind wir am Anfang unserer Geschichte angelangt. Kasumi summte, Akane weinte in ihrem Zimmer ob des ganzen Hasses, welchen die eifersüchtigen Mädchen ihr immer zuteil werden ließen, Ranma kam wieder zu sich, hatte außnahmsweise ein ungewöhnliches Schuldgefühl und scharte deshalb betreten mit den Füßen und Nabiki zählte mysteriös erworbenes Geld. Souna und Genma spielten Go. "Wirklich schrecklich!", stand auf einem Schild. Als Akane das Knirschen ihrer Tür hörte, fuhr sie erbost auf und wischte sich hastig mit ihrem Ärmel über das Gesicht. "Geh bitte!" Dann sah sie, dass es nur Ranma war und veränderte ihre Aufforderung zu "Veschwinde!". "Aber ... " Hilflos hob er die Hände. Er hasste es, wenn Mädchen weinten. Insbesonders, wenn dieses Mädchen weinte. "Alles deine Schuld", schluchzte seine geheime Herzdame. "Kaum bist du wieder hier, passiert so etwas!" Akane spuckte regelrecht Feuerfontänen. "Du ziehst immer so etwas hinter dich! Ich kann mir niemanden vorstellen, der mit dir verheiratet sein wollen würde!" "Jetzt mach aber 'mal einen Punkt!", meldetet sich Ranmas unantastbares Ego zu Worte, wurde aber sofort unterbrochen. "Ich glaube, der Zustand dieses Hauses ist der beste Beweis dafür, dass wir uns sehr gut vorstellen können, wer Ranma heiraten möchte", stellte Nabiki die Stimme der Vernunft und der Logik dar. Ihre Segel dem Wind beraubt, sank Akane auf ihrem Bett in sich zusammen. Wie konnte ihre eigene Schwester es wagen, ihr in den Rücken zu fallen? "Jetzt krieg dich ein Schwesterchen", grinste Nabiki. "Weißt du, wieviel Geld ich bekommen habe für die Information, dass Ranma wieder in der Stadt ist? Shampoo wusste es schon vorher, weil sie euch gesehen hat, aber mit irgendwas erpress ich sie noch und dann bekomm ich auch Geld von ihr", versicherte sie dem Paar. "Und was euch beide angeht: Ich hab' die Briefe geschrieben, hab' mich von Papa dafür bezahlen lassen", eröffnete sie ihnen und lächelte unschuldig. "Damit ihr wieder zueinander findet." Alle beide vergaßen den Mund zu schließen und Akane sagte sogar nichts als Ranma sich verdutzt neben sie auf ihre Bettkante fallen ließ. "Aber ... ", stammelte Akane. Aber er hatte doch gesaght, er wäre nur für sie zurück gekommen. Nein, er meinte, es wäre wegen des Briefes gewesen. Hatte Nabiki ihm auch einen geschickt? Sie empfand Angst vor der Antwort, aber sie wollte die Frage trotzdem laut stellen. "Ja, aber schon auf halbem Weg fiel mir nichts mehr Positives über ihn ein", lachte Nabiki abschätzend und ging fröhlich geldzählend fort. "Grrrr", grollte Ranma. "Irgendwann ... ", schwor er sich. "Deine Aufopferungsgabe ... ", flüsterte Akane. "Hmm?", fragte Ranma aus seinen Racheplänen für Nabiki herausgerissen. "Du kannst dich für eine Sache total aufopfern und lässt nicht locker", wiederholte Akane noch einmal etwas lauter. Sie klang heiser. Ranma zuckte mit der Schulter. "Was ist damit?" "Würde ich dir einen Liebesbrief schreiben, würde das auf jeden Fall darin vorkommen." Es herrschte einen Augenblick unbehagliche Stille. "Würde ich dir – rein hypothetisch – tatsächlich aus irgendeinem absurden Grund einen Liebesbrief schreiben, würde ich dir sagen, dass du die stärkste Frau bist, die ich kenne. Stark in jeder Hinsicht, egal wie man es betrachtet." Er meinte nicht, dass sie stark war, weil es ihm wehtat, wenn sie ihn schlug oder dass sie mit schwierigen emotionalen Situationen besser klarkam als er. Er meinte auch nicht, dass sie immer den Überblick behielt oder zu ihrer Meinung stand. Er meinte auch nicht, dass sie sich von niemandem einschüchtern ließ, sondern vielmehr von allem ein wenig. Vorsichtig wie ein zaghafter Vorschlag kribbelten ihrer beiden Fingerspitzen, sodass Ranma seine schwieligen großen Finger über Akanes zierlichereren legte. "Mein arroganter Ranma, ich gelobe, dir immer treu zu sein, dich nie bei deinen absurden Hirngespinsten zu unterstützen und dich zu lieben und ehren bis dass der Tod uns scheide. Ich mag dich, weil ich weiß, dass du dich notfalls für mich aufopferst. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil wir ganz heimlich noch einmal heiraten, aber das muss sein. Ich mag deine Haare und deine dunklen Augen. Ich mag deine lächerliche Angst vor Katzen und deine nicht ganz so lächerliche Angst vor kaltem Wasser und gelobe daher unser Leben lang, dir heißes Wasser zu kochen, sollte ein Mallheur passieren. Ich mag wie du nie die richtigen Worte findest, sondern immer nur stammelst. Ranma, ich liebe dich." "A-A-Akane ... , i-ich ... stammele zwar nicht, aber ich gelobe dich mein Leben lang zu ehren und darauf zu vertrauen, dass du mich mit deiner Stärke vor meinen Verlobten schützt. I-Ich ... bis in den Tod. Ähh, bis zur Totenscheide ... Nein, bis ... Ach, verdammt! Akane: Ich l-l-l-ie ... Du Idiot." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)