Agonie von WhiteLady (Todesqual) ================================================================================ Kapitel 2: Ein Abschied und ein Neubeginn ----------------------------------------- ~~~~6 Monate später~~~~~~~~~~ Tsubasa lief eilig durch die Straßen der Stadt, denn es schüttete wie aus Kannen. Der Himmel war stahlgrau und es wehte ein starker Wind. Eigentlich wollte er nur so schnell wie möglich nach Hause, doch als er am Friedhof vorbeiging zögerte er. Obwohl das Wetter ja nicht gerade zum Verweilen einlud zog es ihn irgendwie dorthin. Achselzuckend gab er dem Drang nach, schließlich war es eine Weile her dass er das Grab besucht hatte. Tsubasa folgte dem Hauptweg bis zu der kleinen Kapelle wo der Weg sich gabelte, und schlug den Pfad ein der in den hinteren Teil des Friedhofes führte. Es war mitten am Tag aber er fühlte sich trotzdem nicht ganz Wohl in seiner Haut. An Gespenster und so einen Quatsch glaubte er natürlich nicht aber konnte man es ihm verdenken dass er einen menschenleeren Friedhof etwas unheimlich fand? Jetzt kam das Grab in Sichtweite. Der Silberhaarige war nicht überrascht das Nile am Grab kniete. Der junge Ägypter besuchte es ja praktisch jeden Tag und das selbst bei einem Mistwetter wie diesem. Ein metallisches Aufblitzen riss ihn aus seinen Gedanken. Tsubasa war noch zu weit weg um zu erkennen was es war doch wenn ihn sein Gefühl nicht trog war es nichts Gutes… Nile war glücklich, zum ersten Mal seitdem er Kyoya verloren hatte. Gleich würde er ihn wiedersehen und nichts würde sie dann mehr trennen. Tränen liefen ihm übers Gesicht und vermischten sich mit dem Regen während er die Klinge in seiner Hand betrachtete. So etwas Ausgefallenes wie eine Spiegelscherbe hatte er nicht, doch ein simples Taschenmesser tat es auch. Die vergangenen sechs Monate waren eine einzige Qual gewesen und er hielt es einfach nicht mehr aus. Außerdem hatte er das Gefühl das Kyoya vielleicht nicht ewig auf ihn warten würde. Den letzten Schritt zu gehen würde ihm nicht schwerfallen. Hier hielt ihn nichts mehr. Nile lächelte als er an die Szene vor einem knappen Jahr dachte. Als Alles begonnen hatte… „Ich liebe dich.“ diese Worte kamen Nile so leicht über die Lippen als hätte er sie wochenlang vor dem Spiegel eingeübt. Erst Kyoyas entsetzter Blick verriet ihm dass er das gerade laut gesagt hatte. Wieso hatte er das getan? Fragte er sich und gab sich die Antwort gleich selbst: weil es stimmte. Kyoya hatte sich umgedreht als er Nile hereinkommen hörte. Seine blauen Augen funkelten im Licht der Lampe, seine Haare fielen ihm offen wie grünblaue Seide über den Rücken. Der Satz war ihm wie so oft schon durch den Kopf geschossen aber nie hatte er dieses Gefühl so intensiv empfunden wie in diesem Moment. Kyoya war total perplex. Gänzlich überraschend war das zwar nicht, er hatte schon seit einiger Zeit einen Verdacht was Niles Gefühle anging. Es dann jedoch wirklich ins Gesicht gesagt zu bekommen war etwas völlig anderes. Sein hoffnungsvolles Lächeln schnitt ihm ins Herz. Er wollte ihm nicht wehtun doch wenn er es jetzt nicht tat würde er den jungen Ägypter nur unglücklich machen. Also tat er das was er eh meistens tat: seine Gefühle hinten anstellen und versuchen die Situation zu meistern. Kyoya verschränkte die Arme vor der Brust und sah Nile direkt in die Augen. „Und wie kommst du auf die Idee dass das auf Gegenseitigkeit beruht?“ Er erschrak ein wenig, seine Stimme hatte eiskalt und völlig emotionslos geklungen, hatte nichts von dem Aufruhr verraten der in ihm tobte. Am liebsten hätte er sich selbst eine Ohrfeige gegeben. Ihre Gefühle beruhten ja auf Gegenseitigkeit! Er liebte diesen grünäugigen, sanften Engel über alles! Aber er durfte es nicht zeigen sonst wäre die Katastrophe vorprogrammiert. Nile starrte ihn fassungslos an „Kyoya…ich…ich dachte…“ „Tja, falsch gedacht. Und jetzt geh zur Seite, du stehst mir im Weg.“ Mit Tränen in den Augen machte er ihm Platz und Kyoya rauschte an ihm vorbei ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen. Dann hörte er die Haustür zuschlagen. Jetzt konnte er sich nicht mehr beherrschen. Nile rannte in sein Zimmer, schloss die Tür ab und warf sich aufs Bett. Heftig schluchzend vergrub er den Kopf im Kissen. //Wieso? Wieso war ich so dämlich und hab es ihm gesagt? Ich habe unsere Freundschaft sicher endgültig kaputtgemacht! Ich bin so ein Idiot! // Von solchen Gedanken gequält schlief er schließlich erschöpft ein… Kyoya stapfte mit gesenktem Kopf am Flussufer entlang. Die Szene eben hatte ihm mehr zugesetzt als er sich eingestehen wollte. Bei dem Gedanken daran das Nile geweint hatte, wegen ihm geweint hatte, krampfte sich sein Herz zusammen. Falls er etwas vergleichbares überhaupt noch besaß. Mittlerweile war er bei der alten Brücke angekommen, wo er sich auf einen Mauervorsprung setzte. Mit einem Seufzen zog er die Beine an die Brust und schlang die Arme darum. Liebe…Was war das überhaupt für ein dämliches Gefühl? Entweder man tat dem Anderen weh oder einem wurde selbst wehgetan, was brachte das einem? In der Hinsicht sprach er aus Erfahrung. Seine längste Beziehung hatte zwei Wochen gedauert, bis sein Partner bemerkt hatte wie kaputt er hinter der coolen Fassade war. Wenige schöne Tage die Wärme in sein erfrorenes Inneres brachten. Und dann Wochen, Monate der Verzweiflung. Er hatte damals nur einen Blick auf Kyoyas nackte Beine geworfen und dann sofort Schluss gemacht. Die anderen Male war es genauso gewesen. Irgendwann hatte er sich von diesen Gefühlen abgeschottet, hatte sich geschworen sich nie wieder zu verlieben. Leider hatte er nicht mit Nile gerechnet…Und schon wieder machte ihm sein verdammtes Herz einen Strich durch die Rechnung! Wütend bohrte er seine Fingernägel so fest er konnte in seine Oberschenkel, bis-endlich-Blut über seine Finger floss. Der Schmerz klärte seinen Kopf. //So eine Chance bekomm ich vielleicht nie wieder…Und ich will sie nicht nutzen weil ich so ein verdammter Feigling bin!// Entschlossen stand er auf. Jetzt wusste er was er tun musste… Nile öffnete verschlafen ein Auge. Draußen dämmerte es bereits, er musste mehrere Stunden geschlafen haben. Was hatte ihn überhaupt geweckt? Das Rauschen der Dusche beantwortete seine Frage. Kyoya war wohl wieder da. Er wollte sich gerade wieder die Decke über den Kopf ziehen als sich sein Magen meldete. Unschlüssig blickte er zur Tür. Eigentlich wollte er nicht aus seinem Zimmer raus und riskieren das er ihm begegnete. Nile konnte sich seinen verächtlichen Blick nur zu gut ausmalen. Aber sie wohnten zusammen in einer Wohnung die nicht gerade riesig war, also mussten sie sich zwangsläufig irgendwann über den Weg laufen. Beherzt sprang er auf und wäre fast hingeknallt. Das Zimmer drehte sich vor seinen Augen und er hatte Kopfschmerzen. Rasch warf er einen Blick in den Spiegel. Zum Anbeißen sah er grade echt nicht aus. Sein Gesicht war noch ganz verquollen, die Haare zerzaust und die Orange Schminke ganz verschmiert. Achselzuckend machte er sich auf den Weg in die Küche. Kyoya ließ sich nicht blicken, wofür er dankbar war. Doch als er wieder in sein Zimmer kam erwartete ihn eine Überraschung. Auf seinem Schreibtisch lag ein kleines schwarzes Kästchen, das er mit zitternden Fingern öffnete. Ihm fielen fast die Augen aus dem Kopf. In dem Kästchen lag ein kleiner goldener Anhänger, ein Anch-Kreuz mit einem Lapislazuli in der Mitte das an einer relativ langen Kette hing. Jetzt entdeckte er den Zettel der unter dem Kästchen gelegen hatte. Darauf standen in Kyoya großer, steiler Handschrift nur zwei Worte: Verzeih mir. „Und?“ Nile zuckte zusammen. Kyoya stand in der Tür, die Arme lässig verschränkt und im Gesicht ein sanftes Lächeln „Wie stehen meine Chancen?“ Der Ägypter sparte sich die Antwort und fiel ihm um den Hals. Kyoya strich Nile sacht übers Haar und küsste ihn auf die Stirn „Ich kann meinen Engel doch nicht weinen sehen…“ Ab diesem Moment riss der Film vor Niles geistigem Auge ab. Er war nicht mehr geborgen in Kyoyas Armen sondern kniete im Regen vor dessen Grab. Das war doch auch zum Heulen! Er hatte gesagt er könnte ihn nicht weinen sehen, doch daran hätte er denken müssen bevor er sich die Pulsadern aufschnitt! Nile schloss die Augen und setzte die Klinge an seinem rechten Unterarm an //Gleich bin ich bei dir…// Da riss ihm jemand das Messer aus der Hand und verpasste ihm gleichzeitig eine Ohrfeige die sich gewaschen hatte. Tsubasa stand mit zornblitzenden Augen vor ihm„ SAG MAL SPINNST DU?!?“ Nile hielt sich verdutzt die brennende Wange, dann erst realisierte er was gerade passiert war. „Was sollte das?“ fragte er eher verwirrt als sauer. Der Silberhaarige schnaubte „Ich musste doch verhindern dass du dich umbringst!“ „Wieso? Warum hast du mich nicht einfach sterben lassen…“ Er schluchzte leise auf. Tsubasa betrachtete ihn besorgt. Der Kleine sah wirklich nicht gut aus, er war viel zu blass und hatte tiefe Ringe unter den Augen. „Komm mit. Wir müssen erst mal ins Trockene.“ Bereitwillig ließ sich Nile hochziehen und Tsubasa hakte ihn unter. Er hatte das Gefühl dass das nötig war, denn der grünäugige Ägypter sah so aus als würde er gleich umkippen. Wie betäubt stolperte er neben dem Größeren her, der zum Glück nicht weit weg wohnte. Zwanzig Minuten später saß Nile mit trockenen Klamotten versehen auf Tsubasas Couch, der sich jetzt auf den Platz neben ihm plumpsen ließ. „wie geht’s dir?“ fragte er vorsichtig weil er sich nicht sicher war wie er mit ihm umgehen sollte. „Es geht mir echt super. Und weil mein Leben absolut perfekt ist hab ich auch versucht mich umzubringen!“ Nile lachte, aber es war kein schönes Lachen sondern rau und verzweifelt. „Mein Leben ist ein einziger Scherbenhaufen!“ Er zog seine Kette aus dem Ausschnitt und umklammerte den Anhänger wie einen Rettungsanker. Jetzt war seine Stimme ein heiseres Flüstern. „Wieso? Wieso hat er das getan? Hat er mich nicht geliebt?“ Tsubasa brach es das Herz ihn so zu sehen. Überrascht sah Nile hoch. Der Größere war aufgesprungen und zog ein dickes Fotoalbum aus dem Regal. Er blätterte kurz und legte es dann vor ihm auf den Tisch. Auf der Seite die er aufgeschlagen hatte prangte nur eine Aufnahme. Er und Kyoya. Nile hatte einen Arm um Kyoyas Hüfte geschlungen und dieser wiederum hielt ihn an der Taille fest. Aber das Erstaunlichste: Kyoya lächelte! Und damit meinte er nicht sein gewohntes, das nur in den Mundwinkeln hing und die Augen nicht erreichte. Auf dem Bild strahlten seine Augen saphierblau auf, er sah richtig glücklich aus. „Siehst du?“ Nile zuckte zusammen. Er war so in das Bild vertieft gewesen das er ganz vergessen hatte das Tsubasa ja auch noch da war. „Dieses Strahlen. Das hab ich bei ihm nur erlebt wenn ihr zusammen wart. Kyoya hat dich geliebt. Von ganzem Herzen.“ Er nahm den perplexen Ägypter in die Arme. „Und ich kann durchaus verstehen warum er dich geliebt hat.“ Flüsterte er ihm ins Ohr. Nile wurde rot. Er hatte das Gefühl dass er das nicht tun sollte, aber es fühlte sich zu schön an. Mit einem leisen Aufseufzen schmiegte er sich dicht an Tsubasa…und war im nächsten Moment eingeschlafen. Verwundert betrachtete Tsubasa das ruhig atmende Bündel in seinen Armen. Der Kleine musste wohl wirklich erschöpft gewesen sein. Vorsichtig hob er ihn hoch und legte ihn auf sein Bett. Nach kurzem Überlegen legte er sich auf die andere Seite des Doppelbettes. Eine Weile betrachtete er noch Nile, der jetzt im Schlaf lächelte, dann schlief er auch ein. „Wach auf, ich muss dir was zeigen.“ Tsubasas Stimme drang durch seine Traumwelt und er öffnete die Augen. „Hm?“ murmelte er verschlafen. Der Größere nahm ihn einfach am Handgelenk und zog ihn mit sich. Als sie auf dem Balkon angekommen waren deutete er nach oben. „Sieh mal nach oben.“ Es war eine Sternenklare Nacht, aber das war es nicht was sie so verblüffte. Direkt über ihnen leuchtete das Sternbild Löwe in seiner ganzen Pracht. Als Nile das sah wurde ihm warm ums Herz. Das zerrissene Band zu Kyoya wurde neu geknüpft, die Wunde heilte und anstelle des quälenden Schmerzes trat eine leichte Wehmut. Er würde ihn nie vergessen. Doch dieses Zeichen sagte ihm das er auch offen sein konnte für eine neue Liebe. Er legte einen Arm um Tsubasas Taille und dieser einen um Niles Schultern. Sie hatten ihren Frieden gefunden. Alle drei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)