Midsummernight-Princess von RhapsodosGenesis (Eine Dunkelheit im Herzen) ================================================================================ Kapitel 23: Unbekümmert ----------------------- „In der Mitte des Sommers, da gibt es eine Nacht, die kürzer ist, als im Rest des Jahres“, erzählte sie mir einmal voller Stolz. Ich war von Neid zerfressen, während diese Worte über ihre Lippen kamen. Shan kam nicht. Die ganze Zeit, die er auf sie gewartet hatte, blieb sie fort. Als er seine Augen kaum noch offen halten konnte, ließ er sich vom Schlaf umarmen, noch immer der Überzeugung, dass sie nachkommen würde. Als die Sonne seinen Platz erhellte und Licht auf seine Augenlider fiel, öffnete er diese schlagartig und blinzelte die Müdigkeit weg. Sechs Tage. Er setzte sich auf und gähnte auslassend, danach streckte er sich kurz und stieg langsam aus dem Bett. Er war noch immer bei Regena, in dem Zimmer, das sie ihm zugeteilt hatte. Er würde die Frau nach Proviant fragen und dann ein Stück zurückgehen. Vielleicht hatte Shan sich ja verlaufen? Es … war einfach seltsam, dass sie gestern nicht mehr gekommen war. Aber … hatte er überhaupt Zeit, sie zu suchen? Schließlich hatte er den gestrigen Tag noch zum Ausruhen verwendet. In sechs Tagen war das Fest. Er wusste in etwa, wo der Ort lag, von dem Regenas Enkelin gesprochen hatte, doch er hatte keine Ahnung, wie lange er dafür brauchen würde. Außerdem kannte er den Weg nicht. Er wusste nicht, ob er zu Fuß gehen musste, oder ob er Epona nehmen durfte. Er würde es herausfinden. Langsam zog er sich seine Stiefel, die neben seinem Bett lagen, wieder an. Danach ging er zum Tischchen, das gegenüber seinem Nachtlager stand und nahm von dort das Hemd, das darauf lag. Regena lieh ihm eines, ließ aber nicht verlauten, woher sie ein Männerhemd hatte. Sein altes hatte er ihr mitgegeben, sodass sie sich darum kümmern konnte. Sie sagte, sie würde es mit zu Ilyas Fest nehmen. Dort konnten sie dann einen Hemdentausch vollführen. … Vermutlich würde er es vergessen. An dem Tag musste er die Königin schließlich davon überzeugen, dass … dass …? Dass Ganondorf noch immer eine Gefahr war? Dass er ihre Hilfe brauchte? Dass es zu spät war? War es zu spät? Die Geister musste ihm wohl gesinnt sein … ansonsten … Eine bestimmte Hoffnungslosigkeit breitete sich in ihm aus, als er auch noch seine grüne Kappe an sich nahm und auf seinem Kopf platzierte. Sein Schwert schnallte er sich danach um den Rücken und scheinbar kampfbereit öffnete er die alte Holztür, um aus seinem Raum zu treten. Aber er war nicht kampfbereit. Er war … einfach hoffnungslos. Es war zu viel Glück, zu viel Schicksal, von dem seine Erfolge abhingen. Einfach nur … zu viel, das er nicht selbst in die Hand nehmen konnte. Aber er war kein Schicksalskind. Und auch niemand an seiner Seite war eines davon. Ganondorf dafür hatte vermutlich ein lebendiges. Aber … vielleicht irrte sich Shan wirklich. Erneut klammerte er sich an den Gedanken, dass Ilya noch nicht zu Ganondorfs Seite gehörte. Sie musste eine gute sein. Schließlich war sie gut. Da war er sich sicher. Jemand, der sich so für sein Volk einsetzte und ihnen auch in solch schlimmen Zeiten ein bestmögliches Leben ermöglichen wollte … so jemand konnte doch unmöglich schlecht sein. Egal, was Ganondorf ihm anbieten würde. Oder Ganondorfs Diener, von dem er noch immer keine Spur hatte. Wenn er diesen finden würde … wäre das Problem gelöst. Doch derjenige würde klug genug sein, nicht auf denjenigen zuzugehen, der es geschafft hatte, seinen Meister zu erledigen. Vermutlich versteckte dieser Diener sich irgendwo und erweckte Ganondorf ruhig und gelassen. Link entrann ein Seufzen. Wieso konnte es nicht besser laufen? Warum …? „Mit dieser Aura schaffst du es garantiert, Ganondorf umzubringen. Oder du steckst ihn mit deinem Trübsal an, sodass er anfängt zu weinen und nicht mehr auferstehen will. Guter Plan.“ Link schaute auf. War sie es wirklich? Shan stand neben Regena, welche – beide Augen zusammengekniffen – glücklich lächelte. Shan trug derweil einen Flechtkorb, aus dem nasse Wäsche quoll. „Shan! Du bist da!“, rief er erfreut aus, „Du bist … Wo warst du so lange?!“ Er schloss den Abstand zu ihr beinahe und schaute zur großen Frau auf. Sie lächelte ihn feixend an und schloss die Augen. „Ich musste zu Fuß gehen, das weißt du doch, Dummerchen“, erklärte sie ihm und ging an ihm vorbei. „Wohin kommt die Wäsche?“ „Einfach ein Zimmer weiter! Danke, Fräulein!“, meinte Regena und folgte ihr, wobei sie auf der anderen Seite an Link vorbeiging und an Shan anschloss, welche die Wäsche ins besagte Zimmer brachte. Link trat ebenfalls zurück und lehnte sich zufrieden an den Türrahmen. Seine Hoffnungslosigkeit war wie weggewischt. Shan war hier. Das bedeutete, dass sie weiterkonnten! Mit ihrer Hilfe würde er die Geister finden! „Shan, ich muss dir etwas erzählen, wir- …“ Er wurde barsch von Regena unterbrochen. „Erst brav essen, dann reden!“, befahl die Frau, was Shan zum Kichern brachte. „Aber wir müssen weiter …!“, bestand Link. „Nein, du isst etwas“, bestimmte die Alte, keinen Widerspruch duldend, wandte sich dann zu Shan um und fuhr mit einer liebenswürdigen Stimme fort: „Liebes, könntest du mir die Wäsche hier sortieren? Nach Hemden, Röcken und Hosen, wenn es genehm wäre. Damit würdest du mir einen großen Gefallen tun.“ „Dafür, dass Ihr mich so gut versorgt habt, helfe ich Euch doch gerne, meine Dame“, antwortete Shan freundlich und machte sich an die Arbeit. Dabei fiel Link etwas auf: Sie trug ihr Kleid gar nicht mehr, sondern einen schwarzen Umhang, der teils auch ihr Gesicht verdeckte. Scheinbar kam sie zu dem Schluss, dass Regena noch nicht entdeckt hatte, dass sie keine Hyrulanerin war und verdeckte ihre Haut dementsprechend. „Link, iss dich ruhig satt“, erlaubte ihm Shan dann und drehte sich kurz zu ihm, „Sonst verhungerst du uns ja noch.“ Sie lächelte und wandte sich dann wieder der Arbeit zu. Regena packte ihn unvermittelt am Arm und zog ihn in die Küche, wo ein reichhaltiges Mahl zubereitet war. Einen Blick zur Ablage werfend, erkannte er, dass hier bereits zwei Personen gegessen hatten. Die Frau brachte Link zu einem Stuhl und drückte ihn darauf. Er ließ sie gewähren. Sie meinte es nur gut. „Und, mein Junge, brauchst du noch etwas?“ „Nein, ich denke, es ist alles da“, lehnte er dankend ab. Dann nahm er sich ein Brot. Regena setzte sich auf den Stuhl neben ihn und sah ihn eindringlich an – zumindest kam es ihm so vor. „Seit wann ist sie schon hier?“, wollte er wissen, nachdem er den ersten Bissen hinuntergeschluckt hatte. „Kurz bevor die Sonne wieder erschienen ist, kam sie. Erstaunlich, dass sie dieses Haus so einfach gefunden hatte.“ „Epona wird ihr schon verdeutlicht haben, dass ich hier sein muss.“ „Und der Weg …? Kennt sie sich hier so gut aus?“ „Sie ist ein Naturtalent darin, Leute zu finden“, meinte Link schlicht. Vermutlich hatte sie ihren Ring dazu benutzt. Vielleicht konnte sie damit zu Personen finden … vielleicht hatte sie sich einfach gewünscht, Regenas Haus zu finden … Er wusste es nicht. Aber genau genommen, war es nicht wichtig. Wichtig war nur, dass sie wieder hier war. Und dass sie erfuhr, was er gesagt bekommen hatte. Link erschrak, als die alte Frau aufsprang und sich dann zu ihm beugte. Seine Ohren verspürten ein Kitzeln, als die Frau sich so nahe an diese lehnte, dass er ihren Atem spüren konnte. Beunruhigend … „Wir sind die Familie der Geisterwächter …“, flüsterte sie ihm zu, „Meine Enkelin hat nichts davon gesagt, weil sie sich dagegen entschieden hatte, solch eine zu werden. Sie wollte lieber die Theorie studieren, während die andere Freundin die Praxis mit den Geistern studiert. Ihre Freundin, die bereits als Teil der Familie betrachtet wird, hat ihre Aufgabe übernommen und beschützt diese Wesen nun. Das Königreich dieser Wesen. Weil du bereits einmal das Vertrauen derer gewonnen hast, hat sie dir preisgegeben, was sie weiß. Aber nur dir, Link.“ Hieß das etwa …? „Ich darf Shan nichts verraten?“, schloss er leise daraus und sah die Frau eindringlich an, wodurch er etwas Abstand zwischen seinem Ohr und ihrem Mund gewann – was ihn aus irgendeinem Grund beruhigte. Die Frau nickte. „Wenn wir das Geheimnis jedem verrieten, wären die Geister in Gefahr. So haben wir uns geschworen, nur die einzuweihen, die bereits eingeweiht sind. Und sie hat noch nie einen Geist gesehen, nicht wahr?“, wisperte sie weiter. Midna hätte die Lichtgeister ebenso gesehen, wäre sogar schon von ihrer Macht berührt worden. Shan nicht, soweit er wusste. Und dass die Geister der Dunkelheit, die wohl eindeutig über ihr Reich wachten, mit ihr Kontakt aufgenommen hatten, bezweifelte er ebenso. …Aber er vertraute Shan. Er wollte es ihr mitteilen. Sie zogen die Sache zusammen durch, sie musste es wissen. „Es fällt dir schwer“, fuhr die Alte fort, „Aber … es muss sein. Bitte schwöre mir, dass niemand von dem Gespräch gestern erfährt. Nicht sie, nicht die Prinzessin und auch niemand sonst.“ Schwermütig nickte er. Aber … Allerdings wandte er nichts ein. Regeln mussten sein. Ohne Ordnung wäre die Welt ein Chaos. Und die Geister mussten beschützt werden – auch wenn sie egoistische Wesen waren. Sie waren für die Welt wichtig. Zwar bezweifelte er, dass Shan es an die große Glocke hängen würde oder den Geistern Schaden zufügen würde, aber … Regena bat ihn darum. „Ich schwöre es dir …“, fügte er leise hinzu. Seine Zufriedenheit war verschwunden. „Wie erkläre ich ihr jetzt den Wechsel, des Bestimmungsortes?“ „Ein Gesetz der Geister lautet – nach dem Gesetz, dass keiner das Königreich derer betreten darf, der nicht heilig genug ist, ihnen zu begegnen, was keinen Menschen ausschließt - … dass immer nur ein Bittsteller hinein darf.“ „Das Gesetz ist sinnlos“, kommentierte Link, „Niemand darf sie sehen, niemand sieht sie und keiner darf zu ihnen – wie soll da nur einer zu ihnen?“ „Sieh auf deine Hand, Link, auf deinen linken Handrücken.“ Er trug keine Handschuhe und das Triforce zeichnete sich gut sichtbar ab. Er brauchte dringend wieder welche. Die anderen lagen samt dem Hemd in der Wäsche. „Dies ist ein heiliges Zeichen“, erklärte die Frau, „Meine Enkelin hat es bemerkt. Sie hätte die Geister nicht erwähnt, wenn sie sich nicht sicher gewesen wäre, dass du es schaffen würdest, das Reich zu betreten. Du bist heilig genug, durch den Segen der Göttinnen.“ „Ich … verstehe … Shan soll also einfach draußen warten?“ „Sie könnte sich derweil auch nützlich machen und euren alten Plan umsetzen. Für etwas seit ihr doch losgegangen.“ Link nickte. Ja, das war möglich … Sie konnte derweil die Goronen aufsuchen und über Boro befragen. Mit dem Umhang würden sie nicht bemerken, dass Shan anders war. Also sollte es kein Problem darstellen. Wobei … in den Bergen der Goronen war es ziemlich heiß. Ob sie das unter dem Umhang wohl aushalten würde …? Er würde sie darum bitten und seinen Plan nach ihrer Antwort gestalten. „Danke, Regena, für alles.“ Er aß ein weiteres Brot, während er sich erhob. „Euer Proviant ist bereits auf dein Pferd geladen“, meinte Regena. Link lächelte. „Vielen, vielen Dank.“ „Wir sehen uns beim Mittsommernachtsfest?“, fragte die alte Frau. „In sechs Tagen – beim Fest“, versprach Link. Und damit konnte die Weiterreise beginnen. Bekanntlich ist der Schluss am schwersten. Die Endzutat … Es bedarf enormer Fähigkeiten, an diese zu gelangen. Ob ich das schaffen kann? Seit dieser seltsam peinlichen Situation an Deck waren weitere drei Tage vergangen, die sie in Richtung des Zielortes Zorasien weitergesegelt waren. Terra stand an Deck, die Sonne schien auf ihre Haut und sie hatte eine Karte ausgebreitet in der Hand, um nachzuprüfen, ob sie sich geirrt hatte. Schließlich konnten sich die Pläne der Handelsschiffe immer wieder ändern. Und das würden sie, wenn man die Piraten auch in diesen Gewässern vermutete. Sie war sich sicher, dass Azur die Gewässer von Marine Umkreis nach Zorasien geändert hatte, weil sie die Schiffe nicht mehr vorausahnen konnte, da „Käpt’n Retro“ so Furcht einflößend war, dass sie sämtliche Routen geändert hatten. „Vielleicht sollte ich öfter während der Raubzüge erscheinen, dann würden sie mir meinen Titel nicht aberkennen“, ertönte eine nachdenkliche Stimme hinter ihr. Und ehe sie sich versah, stand Kapitän Azur neben ihr und schaute die Karte an. „Oder Ihr schlagt den Matrosen vor, nicht vor den Überlebenden – und alle überleben – meinen Namen zu nennen, sondern Euren.“ „Wenn sie sich vor den Opfern doch so gerne über dein Geschick äußern, Retro. Dir will ich dein Lob nicht nehmen.“ „Und ich Euch Euren Titel nicht“, wandte sie ein. Als sie in sein Gesicht sah, schaute er sie lächelnd an, sagte aber nichts dazu. Danach wandte er sich wieder dem Papier in ihrer Hand zu. „Kapitän, Schiff gesichtet!“, rief Schach, der das Fernrohr am Ausguck betätigte. „Wir befinden uns hier“, murmelte Azur und deutete mit seinem Finger auf eine leere Stelle. Terra sah zu Schach hoch, der in eine bestimmte Richtung deutete. Azur fand dann auf der Karte die richtige Stelle und das dazugehörige Schiff. „Ziegen“, las er Terras Notiz vor, „Eine Ziege haben wir schon. Brauchen wir noch eine Ziege, Retro?“ „… Hm. Solange die Ziege noch Milch gibt, brauchen wir keine zweite. Aber wir brauchen Heu, das wir der Ziege geben können. Also würde ich dem Schiff etwas Heu abluchsen. Aber nicht zu viel, ansonsten verhungern die anderen Ziegen. Falls aber einer nahe genug an eine zutrauliche Ziege kommt, können wir schon noch eine zweite, Milch gebende gebrauchen. Man kann nie genug Milch haben.“ Azur nickte augenscheinlich zufrieden. Hatte er diese Antwort von ihr erwartet? Er legte eine Hand auf ihre Schulter. „Gut erkannt“, lobte er sie und rief seinen Leuten sogleich ruhig den nächsten Schritt zu. Gestern hatten sie wieder Rubine von einem Schiff stehlen müssen, sodass sie im Hafen von Zorasien genug kaufen konnten. Sie ging derweil unter Deck. Ihre Aufgabe war erledigt. Sie wusste, dass die Piraten gute Menschen waren, die alle anderen überleben ließen. Es war gefährlich, das war ihr klar. Und genau das machte diese Leute so mutig und edel. Sie waren irgendwie keine richtigen Piraten. Sie griffen nicht mit Kanonenfeuer an, sie schlachteten nicht ab, obwohl sie Waffen dabei hatten und sie stahlen nur, was sie brauchten. Es schien nicht, dass sie Piraten wurden, um reich zu werden, auch nicht, um Abenteuer zu erleben. Aber weshalb dann? Was hatte diese ehrenvollen Leute dazu gebracht, sich eine schwarze Flagge auf den Mast zu hängen und loszusegeln? Azur hatte ihr gesagt, dass sie schon viele Orte aufgesucht hatten, um etwas Bestimmtes zu finden. Doch er wollte nicht erwähnen, was es war. Sein Blick hatte sich verfinstert, als er davon sprach und sie bemerkte, dass das darauf folgende Lächeln, das zu ihrer Beruhigung galt, aufgesetzt war, aber nicht falsch. „Was nur …?“, murmelte sie, als sie zum letzten der Räume ging. Ein riesiges Schiff hatten sie auch. Riesig, schnell, leicht lenkbar … Beinahe ein Wunderschiff. Die Schiffe ihres Vaters hatten auf den Karten viel weniger Räume und schienen viel kleiner. Ob sie nur Glück hatte, auf so einem riesigen Kahn zu landen? Sie öffnete die Tür und der Geruch von Fell und Heu stieg in ihre Nase. Es war immer wieder seltsam, diesen Raum zu betreten, indem Cavallya und die Ziege standen. Schließlich waren sie mitten am Meer. Sie ging an der Ziege vorbei, wobei sie ihr kurz über den Kopf streichelte und ging dann zu ihrem geliebten Pferd. Es lag im Heu und kaute auf einem Stück herum. „Ja, bald sind wir wieder an Land“, beruhigte sie das Tier, als sie sich daneben setzte und es liebkoste, „Dann reite ich dich aus“, versprach sie leise und kuschelte sich an das Pferd. Sie war froh, dass Azur nichts dagegen hatte, neben der Ziege noch ein anderes Tier zu behalten. Vielleicht war Cavallya ihm ja irgendwann einmal zunütze? „Du bist ein Schatz …“, lobte sie es. Der Ritt gestaltete sich als anstrengend. Erst musste er Epona durch den Wald quälen, danach ging es steil bergauf, über einen ziemlich unsicher wirkenden Weg. Eineinhalb Tage brauchten sie, um die Bäume hinter sich zu lassen, und der dritte Tag war heute angebrochen. Epona ließ den Kopf hängen. Er musste ihr jetzt beinahe stündlich Wasser geben, dass sie weiterkam. Aber ohne sie würden sie noch langsamer sein …! Shan hatte sich Epona zu liebe dazu entschieden, in den Schatten einzutreten. Aber Link konnte es nicht mehr. Er konnte es nicht mehr ertragen, sein Pferd so leiden zu sehen. An einer – nach langer Zeit – geraden Stelle, stieg er ab. Epona nütze die Chance und legte sich hin, ließ den Kopf von sich gestreckt und atmete heftig. Was hatte er diesem Tier nur angetan …? Er streichelte ihr zärtlich über den Bauch. „Danke, dass du so lange durchgehalten hast …“, flüsterte er ihr zu. Außerdem waren sie zahlreichen Monstern begegnet. Er wollte nicht für jedes absteigen, weshalb er hin und wieder von Epona aus den Monstern den Gar aus machte, manchmal nutzte er auch Eponas Geschwindigkeit und Hufe dafür, die Monster zu töten, oder zumindest außer Gefecht zu setzen … Das musste das Tier auch sehr mitnehmen … Dann stellte er sich auf. Von hier aus konnte er zum Goronenberg blicken. Dementsprechend war es auch ziemlich heiß. Die Sonne brannte her. „Leg dich in den Schatten, wenn es dir etwas besser geht“, schlug er dem Pferd vor. Ein Felsvorsprung spendete Schatten, aber das Pferd jetzt zu bewegen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Er schnallte die Lebensmittel von Epona ab und lud sie auf sich selbst. Einen Kübel füllte er mit kühlem Wasser und stellte ihn in den Schatten. Damit sollte Epona für eine Weile genug haben. Und länger als zwei Tage durften sie nicht brauchen. In diesen zwei Tagen musste Epona fit werden. Denn dann würde er sie ein letzten Mal hetzen müssen – nach Hyrule, um sein Versprechen zu halten. Aber sein anderes Versprechen … konnte er einfach nicht halten. Er hatte Shan nicht wegschicken können. Nicht zu der Hitze der Goronen. Außerdem glaubte er zu wissen, dass sie nicht mit sich reden ließen. Und vielleicht wussten sie gar nichts über Boro … Aber er konnte sie auch nicht zu den Geistern schleifen. Die Geister wollten nichts mit ihr zu tun haben, wie ihm Regena verdeutlicht hatte. Wieso quälte er dann auch sie nach oben? Diese Tortur hätte er ihr ersparen können. Womit verdiente sie es? Er war ein schlechter Freund. Er wollte … einfach nicht alleine sein. Und er konnte mit ihr gut reden. Zwar nicht, wenn sie gerade im Schatten war … „Shan?“, fragte er, als er sich erhob. Vielleicht schlief sie ja und hatte darum noch nicht bemerkt, dass er angehalten hatte. Nach einigen Momenten erschien sie und sah in den Himmel. „Uh, heiß hier …“, stellte sie fest, „Am Meer wäre es jetzt bestimmt kühler“, fügte sie hinzu und lächelte ihn an. „Vermutlich wäre es das …“, gab er ihr Recht, „Ich muss jetzt zu Fuß weiter. Epona kann nicht mehr.“ Sie nickte. „Ich verstehe … Ich habe nur eine Frage: Bist du sicher, dass du hier richtig bist?“ Er nickte. Sie schien leicht verunsichert. „Na gut … Ganz sicher, dass wir nicht Richtung kühle Meeresbrise müssen?“ „Nicht so heikel, meine Dame“, ermahnte er sie scherzend und begann dann, weiterzugehen. Shan folgte ihm – schwebend. „Ich würde dich ja hochheben, aber dann wird es schwer für mich. Aber … wenn du es auch nicht mehr packst, dann werde ich mein Bestes geben, dich hochzuschleifen“, versprach sie entschuldigend. „Danke für dein Mitgefühl“, erwiderte er lächelnd. Sie schwebte neben ihm her. Sie wirkte besonders nachdenklich. „Macht dir diese Hitze hier wirklich nichts aus?“, fragte er. Die Mittagssonne brannte direkt auf den Berg. „Keine Sorge, ich bin stark genug“, tat sie seine Bedenken ab. Am Goronenberg wäre es noch heißer, führte er sich vor Augen. Dort waren heiße Quellen, Feuer, fliegende, brennende Kometen, rollende Goronen … Hier war es wenigstens nur die Sonne. Moment. Woher wusste er, was ihn am Berg erwartete? War er dort schon einmal? Er war verwirrt. Und diese Erinnerung pochte erneut auf. Doch er verdrängte sie sofort wieder – mit einem Gedanken an Midna. Als er dann einen Blick auf Shan warf, bemerkte er, dass sie sich die Kapuze abgelegt hatte, und den Umhang entfernte. Darunter trug sie einen leichten, rockähnlichen Stoff, der für ihr Reich üblich war, Handschuhe und … Moment. Diese Bekleidung kannte er doch. „Das hast du doch auch getragen, als du zu mir gekommen bist. Danach etwas anderes“, stellte er fest. Sie lächelte kurz, dann verschwand das Lächeln wieder. „Blitzmerker.“ „Aber dieses goldene Diadem … von Midna … das hast du immer durch getragen. Seit ich dich kenne … Verbindet es dich mit ihr?“ „Und das fragst du nach über einem Monat des Zusammenseins?“, fragte sie amüsiert. „Zu dem Kleid hat es toll gepasst … dann konnten wir dank Terra uns eine Weile nur im Dunklen sehen, du warst verletzt … und … dann waren wir wieder zu konzentriert auf den Schwan, als dass ich es beachtet hätte …“ „Und jetzt sind wir nicht konzentriert auf die Goronen?“ Geister, verbesserte er sie wortlos. „Nein, jetzt, wenn es so in der Mittagssonne glänzt … erinnert es mich irgendwie an Midna. Kann auch daran liegen, dass ich gerade an sie gedacht … Shan?“ Während dieser beiden Sätze, vollführte sie ein ziemlich seltsames Mienenspiel. Bis zum Glänzen lächelte sie glücklich, danach verdunkelte sich ihre Miene, danach schenkte sie ihm einen beinahe bösen Blick und zum Ende sah sie ihn gar nicht mehr an. Was war jetzt los? „Was ist ein Gorone?“, fragte sie danach mit leiser Stimme. „So ein gelbes Wesen, das sich rollen kann …sie haben einen Panzer am Rücken …“, erklärte er. „Ich weiß nicht, ob du sie auch sehen kannst … aber auf dem Berg da drüben rollen ein paar gelbe Wesen hinunter …“, meinte sie, als sie stehen blieb und darauf zeigte. Link erkannte wirklich nur die Staubwolken, die sie dabei hinterließen. Es waren bestimmt viele. „Oh …“, machte er nur. „Machte mich … ja schon stutzig, dass … wir noch keinem begegnet sind …“, murmelte er leise lügend. „Sind wir … doch am falschen Berg?“, schloss Shan daraus. „Scheint so“, gab Link zu, „Aber … innerhalb von zwei Tagen kommen wir da nie rüber …!“ „Zwei Tage?“, fragte sie und sah Link verwirrt an. Aber irgendwie auch … griesgrämig. Ahnte sie etwas? „… Oh, habe ich das noch gar nicht erzählt? Wir treffen Regena am Mittsommernachtsfest. Und das findet in drei Tagen statt.“ „… Darauf kommst du bemerkenswert früh. Hast du wirklich vor, daran teilzunehmen?“, fragte sie düster, den Kopf wieder von ihm abwendend. „Ja. Ich möchte mit Ilya sprechen, sie überzeugen.“ „Im Kerker landen, das Schwert dort spüren, wo du es nicht spüren möchtest – oder scheinbar doch“, fuhr sie fort und wiederholte somit die Worte von Prinzessin Ilya. „Es ist seltsam, Shan. Ich fühle mich so zu ihr hingezogen …“, erklärte er. „Was bringt es dir, dieses Fest aufzusuchen? Um dich erneut vor allen Leuten als irrer Verräter hinstellen zu lassen? Dafür willst du hin?“ „Nein … Um Ilya davon zu überzeugen, dass sie … dass sie …“ „Dass sie? Ich höre.“ „Ich weiß es nicht. Aber um das herauszufinden, bin ich doch hier“, meinte er. „Aber die Erinnerung wird nicht aufscheinen, wenn du sie zu sehr drängst“, wies Shan ihn darauf hin. Also sie zu ihm schaute, lächelte sie freundlich, „Lass ihr die Zeit, die sie braucht. Wenn es dich nicht mehr schmerzt, an sie zu denken, wird es besser gehen. Also – gehen wir zu den Goronen?“ „Jetzt haben wir uns diesen Berg soweit hoch gekämpft … Vielleicht gibt es weiter oben einen Verbindungsgang?“, fragte er hoffnungsvoll, „Vielleicht müssen wir gar nicht zurück?“ „… Wenn du daran glaubst, will ich es auch tun“, meinte Shan und schwebte weiter. … Glück gehabt. „Danke, Shan“, murmelte er leise und lächelte vor sich hin, während er ihr folgte. Ob er an mich glaubt? Ob er mir viel zutraut? Ich weiß es nicht. Aber zumindest vertraut er mir. Zumindest vertraut er mir wichtige Dinge an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)