100 Storys - es lebe die 'Un'übersicht von Trollfrau ================================================================================ Kapitel 21: 49. Wieder ---------------------- Nach seinem eiligen Aufbruch vom Parkplatz der Raststätte, war er sofort auf die Autobahn gefahren und zwar mit dem Vorhaben, diese, auf der nächsten Abfahrt sofort wieder zu verlassen. Doch während er gezwungenermaßen an der dieser vorbeifahren musste, weil diese aus bautechnischen Gründen gesperrt war, überkam ihn dieses Déjà-vu-Gefühl. Wieder war er bei Nacht unterwegs und wieder hatte er eine Frau in Nöten aufgelesen. Und höchstwahrscheinlich würde er sich auch jetzt wieder dabei Ärger einhandeln. Irgendwie war er wohl der Typ, für derartige Fettnäpfchen. Nur schien es dieses Mal noch eine Spur schlimmer zu sein. Beim letzten Mal, als er sich in eine unschöne Sache einmischte, waren es zwar zwei Halbstarke gewesen, die dieser Frau an ihr Geld und womöglich auch die Wäsche wollten oder was auch immer sie geplant hatten, was so gesehen keineswegs harmlos war, doch jetzt waren sie wohl offensichtlich auf ihren Tod aus. Wenn diese Kerle so besessen darauf waren, würden sie bestimmt auch vor ihm nicht halt machen, aber wollte er wirklich sterben, wegen einer Unbekannten? Dazu noch einer, die ihn hier selbst mit einer Waffe bedroht hatte? In seinem eigenen Wagen? Die Antwort war ganz klar: NEIN! Er musste sie also schnellstens wieder loswerden. Marik warf einen Blick zu ihr hinüber. Wie apathisch hockte sie neben ihm, auf dem Beifahrersitz und starrte ins Dunkle hinaus. Er hatte einige Minuten auf sie einreden müssen, bis sie endlich aus dem Fußraum herauskletterte und sich setzte. Und jetzt starrte sie wie paralysiert vor sich hin. „Ist... alles in Ordnung soweit? Hat er dich angefasst?“ Marik startete einen zaghaften Versuch der Konversation. Nicht gerade die klügsten Fragen, aber besser als Nichts. Eine Antwort bekam er jedoch nicht und da das Radio nicht lief, herrsche sofort beklemmende Stille. Doch mit einem Mal riss sie den Kopf herum und sah zu ihm herüber. Aus dem Augenwinkel heraus sah er sofort, dass jetzt alles auch ihr herausbrach und sie zu weinen begonnen hatte. Alle Anspannung, die mit einem inneren Knall von ihr abfiel. Ihr Schluchzen brannte ihm förmlich in den Ohren. Es tat ihm leid, aber dann auch wieder nicht, wenn er dabei an sein eigenes Leben dachte, also konzentrierte er sich wieder auf die Straße vor ihm und hoffte auf eine baldige Abfahrt, welche jedoch noch auf sich warten ließ. Wenn es ihm nur nicht so schwer fallen würde, den Unnahbaren zu spielen. „Wie bist du überhaupt in meinen Wagen gekommen?“, fragte er schließlich und wartete abermals auf eine Antwort. Die Unbekannte legte die Arme um sich herum, ganz so als würde sie frieren. „Sie hatten Ihn beim Verlassen nicht abgeschlossen...“ Kurz dachte er über ihre Worte nach. Konnte das sein? War er so nachlässig gewesen? Wo er sonst eine Sache lieber einmal mehr kontrollierte, als zu wenig? „Die Förmlichkeiten können wir uns sparen denke ich“, war es schließlich, was er darauf entgegnete. Als sie ihn bedroht hatte, hatte sie ihn schließlich auch nicht gesiezt. „Hast du einen Namen?“ „Vera“, sagte sie schließlich kleinlaut. „Ist dir kalt?“ Er wartete jedoch nicht erst auf eine Antwort und drehte stattdessen die Klimaanlage wärmer. „Ich bin Marik.“ Doch dann vernahm er ein Geräusch, welches er zunächst seinen Hund unterstellen wollte. Ein Magenknurren der Sorte: für alle gut hörbar. Er blickte in den Rückspiegel, doch von Xerxes war dieses wohl nicht gekommen. Dennoch hatte auch er es gehört. Es kam also von der Frau neben ihm. Ohne zu zögern griff er nach dem Baguette im Fach der Fahrertür und reichte ihr dieses. Unsicher starrte sie kurz darauf. „Nimm schon. Ich habe das vorhin erst im Bistro gekauft.“ Vera zögerte noch immer, ganz so, als würde er ihr Gift andrehen. „Wenn du mir nicht vertraust: Warum bist du dann wieder hier eingestiegen?“ Ein Argument, welches kaum plausibler sein konnte.. „Vielen Dank.“ Ziemlich rasch hatte sie die erste Hälfte herunter geschlungen. Zwei Fliegen mit einer Klappe, dachte sich Marik nur. Er war das Baguette losgeworden und hatte dabei noch jemandem einen Gefallen getan. „Du solltest schnellstens die Polizei davon in Kenntnis setzen“, sagte er schließlich und sah bereits die nächste Abfahrt. Mit einem gewissen Maß an Erleichterung wechselte er auf die rechte Spur. Ihr Blick hatte bei Mariks Worten jedoch einen überaus entsetzten angenommen. „Keine Polizei!“ Hastig wischte sie sich das Gesicht trocken. „Auf keinen Fall! Ich will meinen Bruder nicht in Gefahr bringen.“ Marik glaubte sich verhört zu haben und zog verärgert die Stirn in Falten. „Hör mal. Die wollten dich eben erschießen. Seinetwegen. Dein Bruder hat dir die Sache doch erst eingebrockt. Was glaubst du, wie sicher du jetzt noch bist? Wenn das ein größerer Verein ist, haben die sicherlich überall ihre Leute und...“ „Keine Polizei...“ Seufzend gab er auf. Erst einmal zumindest. Er war nicht in Stimmung zu streiten. Das konnte doch nicht wahr sein! Er musste sie loswerden. Er musste! Wenn die Sonne aufging, würde sie wissen, was mit ihm los war. Beim letzten Mal hatte das auch nur Probleme gegeben. In Form von zwei Frauen, aus denen er nicht schlau geworden war und einer Wohnung, die man ihm für eine Woche aufzwingen wollte. Warum zum Geier waren Frauen so kompliziert? Vera ließ seufzend die Schultern hängen und starrte aus dem Seitenfenster. „Er ist der einzige, den ich noch habe, verstehst du? Meine ganze Familie...“ Marik schwieg. Eine weitere Debatte mit ihr würde wohl zu nicht viel führen. Ein anderer Plan musste also her. Er hielt sich rechts und bog schließlich auf einem Parkplatz ein. Dieser war ziemlich groß und zu seiner Erleichterung komplett leer. Die sich nicht weit davon befindliche Halle hatte den Charme einer großen Diskothek. Heute schien sie geschlossen zu sein. Er hielt den Wagen irgendwo in der Mitte der Parkfläche und schaltete den Motor ab. Mit verschränkten Armen lehnte er sich anschließend zurück. Vera blinzelte in seine Richtung. „Was jetzt?“, fragte sie unsicher. „Das frage ich dich.“ Marik sah zu ihr hinüber. „Ich... Ich weiß auch nicht.“ Xerxis steckte den Kopf zwischen den Sitzen hindurch und brachte die junge Frau erneut zum zusammenzucken. Marik schenkte seinen vierbeinigen Freund ein Lächeln und kraulte ihn kurz, während er überlegte. „Dann solltest du vielleicht zumindest deinen Bruder anrufen und ihm Bescheid geben, dass es dir gut geht.“ Ohne Umschweife hatte er auch bereits sein Handy zur Hand und hielt es ihr entgegen. Nur zaghaft fasste sie danach und versuchte eine Nummer zu wählen, doch das Display blieb dunkel. Sie drehte es hin und her und kam schließlich nicht umhin, ihren Retter fragend anzusehen. „Scheint kaputt zu sein.“ Marik nahm es ihr mit einem Ruck aus der Hand. Es war nicht kaputt. Nur eben ohne Displaybeleuchtung. Er hatte nicht daran gedacht. Diese hatte er stets abgestellt und hier, auf einem Parkplatz, auf dem nicht eine Straßenlampe brannte, waren die Zahlen für die junge Frau nicht zu lesen. Zumal er ja nicht einmal die Wagenbeleuchtung angeschaltet hatte. Alles war finster, nur für ihn eben nicht. Einmal mehr hatte er nicht daran gedacht. „Einen Augenblick.“ Er änderte schnell die Einstellungen und reichte es ihr erneut. „Versuch es noch einmal.“ Unsicher griff sie erneut danach. Und tatsächlich. Das Telefon war nicht defekt. Lediglich verstellt gewesen. Vera wählte eine Nummer und lauschte konzentriert. Eine Sache, welcher auch Marik nachging. Seine Vermutung, sie habe überhaupt keine Nummer gewählt, bestätigte sich nicht, soweit er es hören konnte. Der Teilnehmer ist nicht zu erreichen, hörte er die Computerstimme murmeln. „Oh komm schon! Geh ran!“ Vera wurde unruhig. Sollte sie etwas auf die Mailbox sprechen? Zu verunsichert ließ sie es bleiben und legte auf. Mariks Vorhaben, einfach zu verschwinden, verpuffte wie heiße Luft. Das war also die letzte Möglichkeit gewesen, erneutem Ärger aus dem Weg zu gehen. Wieder einmal lief nichts, wie geplant. Aber warum wunderte er sich darüber überhaupt noch? Mit festem Griff fasste er das Lenkrad, ganz so, als wollte er es zerdrücken. „Prima!“, entwich es ihm murrend. Dass sie nicht länger erwünscht war, war aus diesem Wort mehr als deutlich herauszuhören. „Es tut mir leid“, flüsterte Vera kleinlaut. „Aber ich kann die Polizei nicht anrufen.“ „Es gibt noch mehr Sachen, die er verbrochen hat?“, schlussfolgerte Marik prompt. Die junge Frau senkte daraufhin nur den Kopf. Bestätigung genug, für einen Mann, der eins und eins zusammenzählen kann. „Ein wirklich toller Bruder.“ Mit diesen Worten riss er die Fahrertür auf und stieg hastig aus. Erschrocken blickte ihm Vera nach, doch der Kerl in Schwarz hatte lediglich angefangen, genervt hin und her zu laufen. Ihr misstrauischer Blick fiel auf den schwarzen Hund, der sie noch immer hechelnd musterte. Ihn anzufassen wagte sie nicht. „Meinst du, er ist arg sauer?“ Xerxes Ohren zuckten, als er von ihr Aufmerksamkeit bekam und er versuchte erneut die fremde Frau abzuschlecken, doch diese wich ihm geschickt aus und verließ ebenfalls den Wagen. Als die Tür zuschlug, hob Marik den Blick. Zerknirscht sah die junge Frau aus, als sie ihm folgte. Mit um den Körper geschlungenen Armen trat sie heran. Ohne zu zögern trennte sich Marik von seiner Lederjacke und reichte sie ihr. Als sie ihm diese abgenommen und sich übergezogen hatte, wand er sich von ihr ab. „Dann werden wir wohl ein Zimmer nehmen und du wirst es später noch einmal versuchen.“ Wie ihm diese Worte doch widerstrebten. Er wollte nicht bleiben, erst recht nicht bei ihr und schon gar nicht unter den im Augenblick herrschenden Umständen. Vera nickte, als er sie wieder ansah. „Dann muss die Polizei eben noch warten.“ Vera wollte protestieren, doch Marik ließ sie mit erhobenem Zeigefinger gar nicht zu Wort kommen. „Du wirst ihnen sagen, was passiert ist. Dieser Mistkerl hat dich entführt und festgehalten und wollte dich erschießen. Dabei spielt es keine Rolle, was dein Bruder angestellt hat! Einzig dein Leben zählt!“ Der plötzliche Befehlston in seiner Stimme ließ es nicht zu, dass sie erneut widersprach. Schweigend sah sie zu ihm auf. Der Sichelmond spiegelte sich in seinen Brillengläsern und sein grimmiger Blick gefiel ihr gar nicht. Aber sich jetzt einfach von ihm verabschieden? Einfach verschwinden und selbst sehen, wie sie klar kam? Dazu fehlte ihr der Mut. Sie wollte jetzt nicht allein sein. Nicht schon wieder. Ganz bestimmt würde sie dabei schneller wieder eingefangen werden, als ihr lieb war und das wäre dann ihr Ende, da war sie sich sicher. „Ich gehe dir auf die Nerven, richtig?“ Mariks grimmiger Blick legte sich rasch. Stattdessen sah er nun betroffen auf sie herab. „Nein“, gab er ihr zu verstehen. „Es liegt nicht an dir.“ So nah wie er jetzt neben ihr stand, kam sich Vera augenblicklich klein und nichtig vor. „Ich bin nur nicht gerne unter Menschen, verstehst du?“ Ihr unruhiger Blick hing erneut an seiner Brille. Sie wusste nicht mehr, was sie denken geschweige denn tun sollte. Und die Gegenwart ihres menschenscheuen Retters war ihr auch mittlerweile alles andere als recht. Marik seufzte tief und versuchte anschließend seine, die junge Frau verwirrende, Miene abzulegen. „An einer der Straßen, an der wir hier her vorbei gekommen sind, habe ich ein Schild gesehen, welches ein Motel ausgewiesen hat. Lass uns von hier verschwinden, bevor sie uns doch wieder aufspüren können.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)