Eine Liebesgeschichte aus Edo von F ================================================================================ Kapitel 2: Herbstgedicht - Teil 2 - ----------------------------------- Es war bereits sehr spät, als Yukio sich endlich zurückziehen durfte. Der Sake, die aufdringlichen Fragen, die Scherze auf seine Kosten und das viele Essen, hatte ihm schlicht und ergreifend die Kraft geraubt. Der Kimono erschien ihm unglaublich schwer und wäre nicht Minoru dagewesen, um ihn wieder zurück in sein neues zu Hause zu bringen, hätte er den Weg sicherlich nicht gefunden. Der Kiesweg knirschte unter seinen Füßen, während er Minoru folgte. Er sehnte sich nach seinem Futon und Ruhe. Sie hatten gerade die Veranda erreicht, wo sich Yukio von Minoru verabschieden wollte, als ein paar Räume weiter, eine Shojitür aufgezogen wurde. Hinaustrat ein junger Mann. Er hatte sein Haar im Samuraistil hochgebunden, trug jedoch einen dunklen Kimono dessen Saum mit goldenen Fäden bestickt war. Seine Augen streiften sowohl Minoru, als auch Yukio. Er deutete nur eine kleine Verneigung an, bevor er mit seinem Diener Richtung Plast lenkte. „Wer war das?“, fragte Yukio überrascht und sah dem jungen Mann nach, der entschlossenen Schrittes und erhobenen Haupts, sich von ihnen entfernte. Fast mochte sein Weggang arrogant wirkten. Als Minoru nicht antwortete, sah Yukio überrascht zu diesem und erblickte eine tiefe Furche auf der Stirn des jungen Samurais, die alles andere als beruhigend wirkte. „Das war Ikomo Ryo. Er kommt aus der Provinz Harima und ist genauso eine Geisel wie du“, erklärte er schließlich und machte eine Handbewegung, dass Yukio endlich ins Zimmer gehen sollte. Der Diener hatte die Tür bereits aufgezogen und verneigte sich tief, während Yukio die Augen von dem andere kaum lassen konnte. Erst als ihn Minoru fast in den Raum drängte, fing sich Yukio wieder. „Ich dachte, dass man sich als Geisel nicht frei bewegen könnte“, sagte Yukio und legte die Hand auf die Shojitür, so als würde er nach dieser Frage auch tatsächlich eintreten wollen. „Ikomo-san, hat gewisse Privilegien erhalten“, antwortete Minoru kühle, was Yukio die Augenbrauen heben ließ. „Privilegien?“ fragte er überrascht und sah Minoru mit Unverständnis an. „Darf ich fragen wie er diese erhalten hat?“ wollte er wissen, doch ganz offensichtlich war Minoru nicht bereit ihm diese Information zu geben, denn er trat einen Schritt von Yukio fort und legte die Hand auf sein Schwert. „Das sollte nichts sein, was Ihr erstreben solltet, Matsumoto-san. Ich wünsche Euch eine gute Nacht.“ Mehr sagte der Samurai nicht, sondern verneigte sich sehr höflich vor Yukio und verließ ihn. Yukio blieb alleine zurück. Kumiko nahm ihn auch gleich in Empfang. Später als er befreit von dem schweren Staat auf seinem Futon lag und um Schlaf kämpfte, fragte er sich, warum Minoru sich wohl so kühl verhalten hatte und vor allem auch, was für Privilegien es genau waren die Ikomo sich da erobert hatte und eben so wie. Der nächste Morgen fing genauso irritierend an, wie der letzte aufgehört hatte. Stimmen weckten Yukio, der gerne noch ein bisschen weiter vor sich hin geschlummert hätte. Doch bevor noch überhaupt die Chance bestanden hätte die Stimmen zu identifizieren wurde die Shojitür zu einem Schlafgemach auch schon aufgestoßen. Vor Schreck setzte sich Yukio auf. In der Tür stand ein Kind von ungefähr sechs Jahren, vornehm gekleidet. Das Haar war im Samuraistil gebunden. Der Knabe starrte Yukio neugierig an, während Shiro sich verneigte und eine fremde Frau das Kind ergriff, dass sich strampelnd zur Wehr setzte. „Bitte verzeiht“, keuchte die Frau und versuchte den wilden Schlägen auszuweichen. „Kamaguchi-san wollte Euch unbedingt sehen und ließ sich nicht davon überzeugen zu warten, bis Ihr aufgestanden seid.“ Yukio verstand gar nichts, aber um Glück tauchte nur einen Moment später Kumiko auf und sah die Hilflosigkeit ihres Herrn. „Das ist nicht der rechte Moment, Matsumoto-san zu besuchen“, wies sie das Kind zurecht, welches unter den strengen Worten sich etwas beruhigte. „Ihr solltet Euch entschuldigen und dann gehen“, wie sie ihn weiter zurecht, was den Jungen heftig erröten ließ. Schließlich ließ er sich zu einer stammelnden Entschuldigung bringen und rauschte dann mit seinem Kindermädchen davon. Yukio sah den beiden Sprachlos nach, bevor sein Blick zu Kumiko wanderte, die nicht sonderlich aufgeregt wirkte. „Bitte verzeiht ihm. Er ist nur ein Kind und weiß nicht, was sich gehört. Außerdem wird er von seiner Kinderfrau verzogen“, erklärte sie und verneigte sich vor Yukio, der endlich seine Sprach wiederfand. „Wer war das Kind?“ Er hoffte wirklich, dass er nicht jeden Tag so geweckt werden würde, denn sonst würde er innerhalb von einem Monat vor Schreck sterben! Das war Kamaguchi Masahiro. Er ist von seinen Eltern nach Edo an den Hof geschickt worden, um erzogen zu werden. Er kommt aus der Provinz Musashi“, gab Kumiko bereitwillig zur Antwort. Yukio wusste schon was ihre Worte bedeuteten. Auch ihm hatte man weiß gemacht, dass eine Erziehung im Palast von Vorteil für ihn sein könnte. Das war die höfliche Umschreibung für Geiselhaft gewesen, weswegen er dazu nichts sagte. „Lass mir mein Frühstück bringen und hilf mir dann mich anzukleiden“, wies Yukio die Dienerin an und stand dann auf. Shiro eilte das Frühstück zu holen, während Kumiko Yukio einen Kimono rauslegte, der den Jungen die Stirn runzeln ließ. „Das ist nicht meine Kleidung“, wies er auf den bunten Stoff, der für einen Jungen in seinem Alter nicht ganz angemessen war. „Ich weiß. Doch hat Tokugawa-sama diese Sachen für Euch geschickt und wünscht, dass Ihr sie auch tragt.“ Während Kumiko sprach hielt sie den Blick gesenkt, weil sie schon zu ahnen schien, dass Yukio gleich wirklich böse werden würde. „Er wünscht, dass ich das da trage?“ empörte sich der Junge und presste die Lippen zusammen. Was für ein Spiel sollte das hier werden? Doch dann erinnerte er sich an die Worte seines Vaters, der ihm eingeschärft hatte auf gar keinen Fall unangenehm aufzufallen und sich allen Wünschen des Shoguns zu fügen. Es hing zuviel von ihm ab, als dass er sich über Kleidung echauffieren konnte. Mit einem tiefen Seufzer gab er nach und nickte Kumiko zu, dass sie ihm beim anziehen helfen sollte. Es war bereits Mittag, als Minoru mit einer Nachricht zu Yukio geschickt wurde. Er durchquerte den Palastgarten mit raschen und entschlossenen Schritten. Allerdings musste er diese verlangsam, als er die kleine Veranda ins Blickfeld bekam auf welcher Yukio saß und Shamisen übte. Sein Diener Shiro saß neben ihm. Der Jüngling wirkte überraschend gelassen und ahnte wohl noch nicht, was ihm für eine Ehre widerfahren war. Minoru presste die Lippen aufeinander und blieb vor der Veranda stehen, während Yukios Finger die letzten Töne dem Instrument entlockten. Die süße Melodie verklang und es entstand ein Moment der Stille, die sich wie ein Graben zwischen die beiden jungen Männer fraß, bevor Yukio endlich den Kopf drehte und zu Minoru blickte. In seinen Augen funkelte Stolz und vorsichtige Höflichkeit. „Guten Tag, Yoshida-san“, begrüßte er ihn und reichte das Instrument Shiro, der die Shamisen sofort zurück ins Zimmer brachte. „Ich habe nicht erwartet, Euch so rasch wieder zu sehen“, fügte Yukio hinzu und machte eine Handbewegung, dass Minoru zu ihm auf die Veranda kommen sollte. Ein wenig unwillig schlüpfte Minoru aus seinen Zori und stieg auf die Veranda. Shiro kam angelaufen und brachte ihm ein Sitzkissen, so dass er sich bequem hinsetzten konnte. „Ich habe ebenfalls nicht gedacht, Euch so schnell wieder aufsuchen zu müssen“, antwortete er und fischte den Brief aus seinem Ärml, dem man ihm übergeben hatte. Er reichte ihn an Yukio weiter. „Mir ist die Ehre zuteil geworden, Euch darüber informieren zu dürfen, dass Tokugawa-sama Euch heute Abend, als Gesellschaft beim Abendessen wünscht.“ Der halbe Hof zerriss sich darüber schon das Maul, was Minorus Laune, dass gerade er diese Nachricht überbringen musste, stark gedrückt hatte. Yukio dagegen schien nicht zu verstehen, denn er nahm den Brief an sich, las ihn und ließ die Hände gelassen sinken. Sein Gesicht zeigte weder besondere Freude, noch Sorge, was nur bedeuten konnte, dass er seine Gefühle hervorragend unter Kontrolle halten konnte, oder schlicht nicht verstand, was diese Einladung bedeutete. „Bitte richtet meinen Dank aus, wenngleich ich nicht verstehe, warum dazu eine schriftliche Einladung nötig gewesen wäre“, sagte er und begann den Brief sorgfällig zu falten, während Minoru ihn mit gerunzelter Stirn anstarte. Hatte er etwa nicht verstanden? Die Frage lag Minoru auf der Zunge, aber er schluckte sie hinunter. „Man wird Euch angemessene Kleidung bringen. Bitte seid dieses Mal pünktlich“, ermahnte er Yukio und rückte sein Schwert zurecht, um aufzustehen. „Werdet Ihr sonst kommen, um mich wie ein Kind begleiten?“ wollte Yukio amüsiert wissen, was in Minoru seinen Geduldsfaden reißen ließ. „Ich bin nicht dazu da, um Kinder zu ihren Stelldichein zu begleiten“, antwortete er heftig und bereute es sofort. Ein echter Samurai sollte sich nicht so gehen lassen. Er sah, dass er Yukio mit dieser Antwort verärgert hatte, da er die Lippen aufeinandergepresst hatte und ihn ärgerlich anfunkelte. Minoru blieb nichts anderes übrig, als sich zu verabschieden und zu gehen. Es ließ ihn den ganzen Tag nicht mehr los. Je mehr Gedanken er sich zu dem ganzen Vorfall machte, desto ärgerlicher wurde er. Es hatte ihm nie gefallen, sich um diese Art von Gästen zu kümmern. Ryo Ikomo war ein sehr intriganter Kerl, der es schnell verstanden hatte sich einen Status im Palast zu sichern. In Minorus Augen war die Wahl, es über das Bett des Shoguns zu tun, vollkommen ehrlos und dennoch durfte er seine Abscheu dem jungen Mann nicht zeigen. Masahiro Kamaguchi war dagegen noch ein Kind, das von seinem Kindermädchen viel zu sehr verzogen wurde. Minoru hoffte, dass man bald einen Lehrer für ihn finden würde, der ihn als Schüler aufnahm und Minoru damit von der Pflicht befreite, ständig einen sechsjährigen zu suchen, der alles nur für ein Spiel hielt. Und nun war jetzt noch Yukio Matsumoto dazu gekommen. So naiv konnte kein Mensch sein! Zumindest hatte Mironu das angenommen. Eine andere Erklärung gab es nicht, weswegen er so gelassen auf die Einladung hätte reagieren sollen, auf die jeder anderer im Palast mit höchster Aufregung beantwortet hätte. Also hatte man ihm vor seiner Ankunft entsprechend geschult und eingetrichtert, was ihn hier erwarten würde. Ob die Verkleidung bei der Ankunft nicht vielleicht doch ein Trick gewesen war, um im Shogun Gelüste zu wecken? Falls ja, dann war diese Idee grandios geglückt und hatte schneller Früchte als wahrscheinlich erhofft. Mit seinem hübschen Gesicht, dem gespielt zurückhaltendem Verhalten, würde Yukio Ryo schon bald von seinem Thron stürzen und dann hätte der Palast einen neuen Favoriten, der es verstehen würde seiner Familie Einfluss zu verschaffen. „Yoshida-san?“ Die Worte weckten Minoru aus seinen ärgerlichen Gedanken und er sah zum Hauptmann, der hinter seinem Schreibtisch kniete und Minoru nachdenklich betrachtete. „Du scheinst mit heute sehr in Gedanken versunken zu sein, Yoshida-kun“, sagte er mit einem freundlichen Lächeln, was Minoru leicht erröten ließ. Manch einer sagte, dass er Fukuwaras Liebling war, doch dem war nicht ganz so. Tatsächlich erwartete Fukuwara von Minoru mehr, als von jedem anderen in seinem Alter, wobei er auch ein väterliches Auge auf Minoru hatte, was den jungen Samurai oft in den Fokus seines Vorgesetzten schob. „Verzeiht mir, Fukuwara-san“, entschuldigte sich Minoru und verneigte sich leicht. „Ich… war in Gedanken.“ Niemals hätte er gesagt, was ihm wirklich durch den Kopf ging, bei Dingen die ihn nichts angingen. Doch wie sooft erriet Saburo Minorus Gedanken mühelos und faltete die Hände. „Du dachtest an die Einladung, die der Shogun ausgesprochen hat und welche Auswirkungen sie auf die Ruhe des Palastes haben wird, nicht wahr?“ Minorus Erröten war Antwort genug, weswegen Saburo auch weiter sprach. „Nun, es steht uns nicht zu, über die Entscheidungen unseres Herrn zu urteilen, aber wir sollten bereit sein, wenn die Dinge in Bewegung geraten werden. Ich befürchte, dass Ikomo-san, es nicht einfach hinnehmen würde, wenn er in der Gunst unseres Herrn sinken würde.“ Minoru nickte leicht und dachte an die vielen Vorfälle, die begonnen hatten einzutreten, seit Ryo Tokugawas Favorit geworden war. Wer es sich mit Ryo verscherzte, dessen Karriere vermochte rasch einen Knick zu erleiden. Das hatte nicht nur dazu geführt, dass Ryo sich mittlerweile relativ frei im Palast bewegen durfte, sondern auch dazu, dass selbst höhergestellte guten Kontakt zu ihm zu pflegen begonnen hatten. Minoru empfand so etwas als ehrlos und dankte den Göttern, dass der Hauptmann nicht zu dieser Sorte von Männern gehörte. Tatsächlich stand Saburo Fukuwara in so hoher Gunst, dass er es nicht nötig hatte, diese durch eine Freundschaft mit Ryo stärken zu müssen. Außerdem hielt er sich weitestgehend aus den politischen Ränken raus. Für ihn zählte nur die Pflicht, weswegen ihm Minoru auch so sehr nacheiferte. „Aber wir sollten uns nicht mit Möglichkeiten beschäftigen die nicht Gegenwart geworden sind. Wenn man ständig nur der Zukunft hinterher läuft, wird man die Gegenwart nie richtig einschätzen können.“ Das waren sehr weise Worte, die sich Minoru zu Herzen nehmen wollte. Als Samurai sollte er im hier und jetzt leben und sich nicht um die Zukunft oder Vergangenheit sorgen. Wer konnte schon wissen, was Morgen geschehen würde. „Ihr habt recht, Herr. Ich werde euren Rat beherzigen.“ Er hatte die letzte Silbe gerade ausgesprochen, als er im Flur schon dumpfe Schritte hörte, die eilig Richtung Schreibstube rannten. Minoru wandte sich zur Tür, sein Körper spannte sich, bereit jeden Augenblick aufzuspringen und sein Schwert zu ziehen. Vor der Tür wurden die Schritte langsamer und durch den Schatten auf der Shojibespannung sah man einen Schatten sich hinknien, ehe die Tür endlich aufgezogen wurde. Es war eine Wache, die ganz außer Atem war. „Verzeiht Herr, aber es hat einen Vorfall im Gästehaus am Garten gegeben. Matsumoto-san ist dabei verletzt worden.“ Der Mann hatte nicht einmal Gelegenheit weitere Worte zu sprechen, da Saburo schon aufsprang und Minoru es gleich tat. Sie legten den Weg im Laufschritt zurück. Wie es aussah, hatte jemand beschlossen, dass die Gunst die der Shogun Yukio entgegengebracht hatte, schon zuviel gewesen war. Minoru schlug das Herz bis zum Halse, als er sich fragte was wohl genau passiert sein musste. Er hatte Yukio erst vor ein paar Stunden gesehen und war es dem Jungen hervorragend gegangen. Auf der Veranda hatten sich einige Diener versammelt, wobei die Tür zu Yukios Räumen geschlossen war. Saburo drängte sich zwischen den Dienern und zufälligen Besuchern des Gartens hindurch und betrat gemeinsam mit Minoru, das Zimmer, in welchem die beiden Diener waren, sowie eine Wache. Im Schlafgemach lag Yukio auf seinem Futon, während ein Arzt über ihn gebeugt war. Saburo zögerte nicht, sondern ging in den zweiten Raum, wohin ihm auch Minoru folgte. Yukios Gesicht war blass. Sein Haar war ein wenig feucht, ebenso wie der Körper, da die dünne Yukata an seinen Gliedern zu kleben schien. „Was ist geschehen?“ forderte Saburo zu wissen und kniete sich auf die andere Seite des Futons, um den Arzt bei seinen Untersuchungen nicht zu behindern. Der Mann sah auf und neigte höflich den Kopf, bevor er antwortete. „Matsumoto-san ist von einer Schlange gebissen worden. Einer Habu“, erklärte er und zupfte den Yukatasaum auseinander, um eine kleine Bissstelle an Yukios Knöchel zu zeigen. Die zwei Einstiche waren nahezu winzig, bluteten jedoch noch immer. Minoru hatte sich neben Subaru hingesetzt und starrte auf die helle Haut, die von zwei roten, sehr dünnen Rinnsalen Blut geziert wurde. Der Arzt verband die Wunde langsam und sehr sorfälltig. „Wo ist es geschehen?“ Saburos Stimme hatte sich verändert, hatte einen harten, kalten Klang bekommen, der Augenblicklich Antworten forderte. Das war der Moment, in welchem sich Kumiko aus dem Nebenraum zu ihnen gesellte. Sie verneigte sich und gab die gewünschte Antwort: „Matsumoto-san wünschte noch zu baden, bevor er sich für den Abend vorbereiten würde und so begleitete ich ihn ins Badehaus. Ich half im beim auskleiden und wollte gerade den Masseur holen, als ich einen Schrei hörte und sofort in den Baderaum zurück lief. Matsumoto-san saß da schon blass auf dem Badezuber, während durch die Holzgitter des Bodens sich eine Schlange wand. Ich rief sofort um Hilfe, woraufhin die Wachen und andere Diener herbeigelaufen kamen, die Schlange töteten und Matsumoto-san in sein Zimmer brachten.“ Während die Frau sprach waren die Furchen auf Saburos Stirn sehr tief geworden und auch Minoru fühlte sich schuldig. Er hatte niemals geglaubt, dass ein solcher Vorfall im Palast geschehen könnte, wo es immerhin keine Schlagen gab. Sicherlich, an den Stadträndern, oder in den Hütten der Bauern, kam es ab und zu vor, dass sich eine Schlange verirrte und auch jemanden biss, aber doch nicht in Edo! Es war also kein Zufall gewesen, nicht zuletzt, weil das feuchtwarme Klima eines Badehauses für die Schlange gewiss nichts gewesen wäre. Man hatte sie also dorthin gebracht. „Habt Ihr jemand Verdächtigen gesehen, der sich in der Nähe des Badehauses aufgehalten hat und dorthin nicht gehört hätte?“ bohrte Saburo weiter, doch die Frau schüttelte nur den Kopf. „Wird der Junge durchkommen?“ Die Frage ging an den Arzt der Yukio gerade eine Medizin eingeflößt hatte. Erst nachdem er die Schale fortgestellt hatte, sah er zu Saburo. „Er ist jung und stark und die Schlange war klein gewesen. Wenn er die ersten zwölf Stunden übersteht, wird er überleben. Allerdings werden wir erst nach zwei Tagen wissen, ob er irgendwelche Schäden zurückbehalten wird“, teilte er dem Hauptmann mit, der lediglich nickte. „Ich werde den Shogun informieren“, verkündete Saburo endlich seine Entscheidung. Um diese Ehre würde sich niemand mit ihm streiten wollen, da alle wussten, was für ein zweifelhaftes Vergnügen es war, schlechte Nachrichten zu überbringen. Tokugawa neigte zu beträchtlichen Wutanfällen, wenn man ihm schlechte Nachrichten brauchte, die alles andere als angenehm zu ertragen waren. „Yoshida-san wird hier bleiben und über Matsumoto-san wachen. Sollte sich sein Zustand verschlechtern, werdet Ihr mich sofort benachrichtigen. Ich werde noch zwei Wachen hierher schicken, die vor der Tür Posten beziehen werden.“ Als Minoru das hörte sah er seinen Herrn überrascht an. Fast hätte er protestiert, doch er hielt dann doch den Mund. Er neigte den Kopf zustimmend und sah dann zu, wie Saburo die Gemächer verließ. Auch der Arzt suchte seine Sachen zusammen, trug der Dienerin Kamuko auf wie sie sich um ihren Herrn kümmern musste und ging ebenfalls. Es war später Abend, als Yukio sich zu regen begann. Seine Augen öffneten sich flatternd. Sein Gesicht schimmerte vom Schweiß, auch wenn Kumiko sich unermüdlich bemühte, ihm diesen mit einem feuchten Tuch abzuwischen. Die Lippen des Jünglings bewegten sich ein wenig, doch er vermochte keinen Ton zu sprechen. „Bitte bleibt ruhig liegen, Matsumoto-san. Ihr seid von einer Schlange gebissen worden“, erklärte Kumiko und sah besorgt zu Minoru, der nicht wusste was er tun oder sagen sollte. Er hatte über Stunden hinweg neben dem Futon des Jungen gesessen, ihn angestarrt und sich Vorwürfe gemacht, dass er mit einem solchen Anschlag nicht gerechnet hatte. „Trinkt das, das wird Euch gut tun“, sprach Kumiko weiter und hob eine Schale mit Kräutertee an Yukios Lippen. Doch dieser nahm nur einen Schluck, verzog das Gesicht und drehte den Kopf dann fort. „Wasser…“, murmelte er erschöpft und wurde sich offenbar erst da bewusst, dass Minoru auch im Zimmer saß. Während die Dienerin sich entfernte, um das gewünschte Wasser zu holen, lagen Yukios müde Augen auf Minoru. Nein, er fühlte sich gar nicht wohl unter diesem dunklen Blick, in dem nur Schwäche zu sehen war. „Seid Ihr gekommen, um mich abzuholen?“ fragte Yukio schließlich und leckte sich über die trockenen Lippen. Auch Minoru hatte plötzlich das Gefühl, als würde sein Mund ganz trocken werden. „Nein, ich bin hier, um über Euch zu wachen, Matsumoto-san. Es ist bereits spät in der Nacht und ihr werdet die nächsten Tage das Bett hüten müssen“, informierte er Yukio und verspürte Schuld in sich. Hätte er Yukio doch gewarnt, oder ihm zumindest nah gelegt Augen und Ohren offen zu halten! Stattdessen hatte er es unterlassen, in der falschen Annahme, dass Yukio all diese Dinge von selbst tun würde. „Und das Abendessen?“ Nun wirkte Yukio doch ein wenig erschrocken. Er versuchte sich aufzusetzen, doch Minoru war schneller, denn er beugte sich vor und drückte Yukio zurück auf den Futon. „Das ist schon längst vorbei und Tokugawa-sama ist bereits über eure Unpässlichkeit informiert worden. Ihr braucht also keinen Tadel zu fürchten, falls es das ist, was Euch beunruhigt.“ Minrou hätte fast seufzen können, als er das sagte. Wie konnte man nachdem man gerade dem Tod von der Schippe gesprungen war, nun an solche Dinge denken, anstatt den Göttern zu danken, dass man noch weiteratmen durfte! „Und Euch hat man also dazu abkommandiert auf ein Kind aufzupassen?“ Es war unglaublich, aber in Yukios Worten war milder Spott zu hören, sowie der Hauch von einem Lächeln auf den blassen Lippen. Minoru straffte die Gestalt, bevor er antwortete. „Da Ihr ein Gast des Palastes seid und ich zur Palastwache gehöre, ist es nicht verwunderlich, dass ich nun hier bin“, antwortete er ziemlich steif und versuchte gefasst wie irgend möglich zu klingen. „Aber Ihr würdet lieber wo anders“, wisperte Yukio ohne Minoru aus den Augen zu lassen, was diesen schwitzen ließ. „Ihr sollte euch besser ausruhen“, unterband Minoru schließlich dieses Gespräch, das ihn nervös werden ließ und griff nach dem feuchten Tuch mit welchem er über Yukios Stirn tupfte. Hätte man ihn noch am Morgen gefragt, wo er sein wollte, wäre Yukios Futon sicher der letzte Ort gewesen, an dem er gerne gewesen wäre. Doch nun, nach diesem Anschlag, wo die Schuld an ihm nagte, fühlte er sich verpflichtet hier sitzen zu bleiben. Während er seinen Gedanken nachhing hob Yukio die heiße Hand und legte sie auf Minorus, was diesen innehalten ließ. „Ich danke Euch, dass Ihr über mich wacht“, wisperte er dann erschöpft, ließ die Hand sinken und versank wieder in Schlaf, noch bevor Kumiko überhaupt mit dem Wasser zurückgekommen wäre. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)