Haunted Soul von MorgainePendragon (A world so hollow... (IshiHime, RenRuki, IchiHime und IchixOriginalCharakter/Yourself)) ================================================================================ Kapitel 4: Smashed - Zerschlagen -------------------------------- So, ihr Lieben, nach LAAANGER Wartezeit nun endlich mal das nächste Kapitel! GOMENE!!! Es hatte viele Gründe, warum das nun so gedauert hat und der wichtigste war wohl, dass ich umgezogen bin (umziehen musste). Das war alles ziemlich Holterdiepolter gegangen und hat sich ganz schön hingezogen. Dann hängt es natürlich nicht mehr nur allein noch von mir ab, wann ein Kapi fertig ist zum Hochladen. Denn ich habe ja jetzt eine geneigte Beta-Leserin (vielen, vielen Dank an dieser Stelle auch nochmal an meine Rogue37!), die EBENFALLS berufstätig ist und auch nicht immer so viel Zeit hat. Geht mir ja genauso. Vor Allem jetzt gerade, zur Urlaubszeit wieder...>.< Danke an alle Leser, die mir DENNOCH die Treue gehalten haben! Freut mich ungemein und ich strenge mich auch an, dass es dafür auch (hoffentlich) gute Unterhaltung gibt^^. Aber nun isses fertig und ich wünsche euch viel Spaß beim Schmökern! Freut euch, es kommen nun ein Paar mehr bekannte Gesichter hinzu! Urahara... RRRRRRRRENJIIII! Bin sehr gespannt auf eure Meinung! Eure Sado-Mado!^-^x ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~oOo~~~ 2. Smashed ~~~oOo~~~ Zerschlagen Familiar streets Familiar sites Places where friends meet It's been a while So much has changed since then The future seems so bleak Nothing stands All's been lost They silence our despair Keep your cool World is watching you Act as though you care Buildings fell Stealing people's dreams A way of life Guess we don't fit Fit their plan It's like I'm standing here With all of my past erased The man I have become Is not walking away It is the memories That makes the man you see Buildings fell Stealing people's dreams A way of life Guess we don't fit Fit the plan Our buildings burn Can't comprehend The loss surrounding me And does it end When no one's left to bleed? Ein kalter Wind kündete vom nahenden Herbst und trieb eine verloren wirkende, zerrissene Zeitungsseite vor sich her, wirbelte sie im Kreis und schien mit ihr zu spielen. Ein paar erste, schwere Tropfen fielen, zeigten an, dass es bald wieder anfangen würde zu regnen. Der Himmel war nicht heller geworden. Das tat er überhaupt nicht mehr, seit jenes Phänomen über Karakura aufgetaucht war, jene düstere, dräuende, brodelnde Wolke, die sich ständig auszudehnen schien. Der Hof wirkte nicht nur verlassen, sondern beinahe unwirklich und düster, als Ichigo Kurosaki ihn betrat. Eine ganze Weile lang stand er einfach nur da und schaute nachdenklich auf das heruntergekommene Gebäude vor sich, das jenen Hinterhof dominierte und vor dessen Tür die im Wind tanzende Zeitung raschelnd zum Liegen kam. Das Schild, welches das Haus als Uraharas Laden auswies, hing schräg über der zugezogenen Eingangstür. Überall nagte der Zahn der Zeit an der Fassade und Ichigo hatte das Gefühl, als hätte hier bereits lange Zeit nicht nur kein Verkauf mehr stattgefunden, sondern als sei auch länger niemand mehr hier gewesen. Es kam ihm unwirklich vor, dass hier noch jemand leben sollte. Seltsam. Es war so lange her, seit er das letzte Mal hier gewesen war. Und dieses Haus in einem so vollkommen anderen Zustand vorzufinden, als er es damals verlassen hatte, hielt ihm mit einem Mal überdeutlich vor Augen, dass er erwachsen geworden war, dass alles, was ihn als Teenager ausgemacht hatte, längst hinter ihm lag und er ganz vergessen hatte, was es bedeutete NICHT im Alltagstrott eines Berufstages dahinzuleben. Er erinnerte sich. Vielleicht zum ersten Mal nach so vielen Jahren. Hier war es gewesen. Hier hatte damals alles erst richtig begonnen. Sein ewiger Kampf gegen Hollows. Und sich selbst… Uraharas Laden für Waren und Dienstleistungen aller Art im Diesseits und im Jenseits, der Welt der Menschen und jener der Shinigami, war nicht mehr der belebte, offene, etwas skurrile und freundschaftlich anmutende Ort den er kannte. Hier hatte er so vieles gelernt, damals, vor scheinbar so langer Zeit. Urahara-san war es gewesen, der ihm den Umgang mit seinen neu gewonnenen Shinigami-Kräften beibrachte. Er war es auch gewesen, der ihn gelehrt hatte auf die Stimme seines Seelenschneiders, des Zanpakuto Zangetsu, zu hören und der mit ihm trainierte, bis er sein Schwert und die erste Entfesselung, Shikai, beherrschte. Und er lehrte ihn noch so vieles mehr. Urahara-san... Sein Mentor. Ehemals Taishou im Seireitei der Soul Society und kreativer Kopf der Abteilung für Forschung und Erfindungen dort. Urahara-san, der so viel auf sich genommen hatte, nur um am Ende durch die Schikanen des Verräters Aizen während des Hollowfikation-Skandals aus der Society ausgeschlossen zu werden. Ein Fensterladen schlug im Wind träge gegen die Hauswand. Ichigo, durch das Geräusch aus seinen Grübeleien gerissen, trat nach weiterem kurzem Zögern entschlossen vor und schob mit spitzen Fingern vorsichtig die Tür zum Vorraum des Ladens auf. Wie zu erwarten, nach dem äußeren Anschein des Hauses, war der Raum verwaist und wirkte heruntergekommen. Ein muffiger, abgestandener Geruch schlug ihm entgegen. Die hölzernen Dielen am Boden knarrten laut, als Ichigo langsam durch den Raum schritt, den Blick über leere Regale und Kisten am Boden schweifen ließ und sich fragte, wo sie wohl alle hin waren, was sie wohl gerade taten und wie es ihnen ergangen sein mochte: Urahara, mit seinem schrägen Humor und den manchmal schon unheimlich wirkenden, in ständigem Schatten liegenden Augen unter seiner Hutkrempe, der etwas seltsam anmutende und wortkarge Riese Tsukabishi Tessai, der seinem Arbeitgeber so gut wie nie von der Seite gewichen war, und die mit unglaublichem Reiatsu ausgestatteten Kinder (Kinder?), Jinta und Ururu. Plötzlich erklang im Hintergrund des Verkaufsraumes das Geräusch einer sich öffnenden Tür und eine Gestalt, nur als Schatten zu erkennen, trat ein. Ichigo kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können in dem Zwielicht, das hier herrschte, doch er konnte noch nicht erkennen, wer es sein mochte. Es konnte ein Bettler sein, der hier vor dem herbstlich kühlen Wetter Schutz gesucht hatte. Doch irgendetwas sagte Ichigo, dass dem nicht so war. Die Gestalt bewegte sich ein Stück zu kontrolliert, zu behutsam. Beinahe lauernd. Abwartend stand der Schatten plötzlich still und Ichigo konnte förmlich den Blick durchdringender Augen auf sich spüren, forschend und taxierend. "Wer ist da?", fragte der junge Mann laut, als er sich endlich dazu durchgerungen hatte und als ihm klar wurde, dass sein Gegenüber keine Anstalten machte auf ihn zuzukommen. Ein leises, irgendwie verloren wirkendes Lachen. "Sollte es eigentlich nicht ich sein der DICH das fragt, Kurosaki Ichigo?" Ichigo riss die Augen auf. Er KANNTE diese Stimme! Er wollte etwas sagen, doch er kam nicht dazu, denn nun trat die Gestalt aus den Schatten des Raumes auf ihn zu. Sein Eindruck hatte ihn nicht getäuscht. Es war Urahara Kisuke. Ganz eindeutig. Aber wie hatte er sich verändert. Ichigo stand ein Paar lange Sekunden lang einfach nur da und starrte seinen ehemaligen Mentor und Freund an. Der hochgewachsene Shinigami trug keinen Hut mehr, sein blondes Haar fiel ihm bis zu den Schultern und wirkte stumpf und glanzlos, seine Wangen waren eingefallen, unter seinen Augen prangten dunkle Ringe, die von schlaflosen Nächten kündeten, und seine gesamte Erscheinung wirkte beinahe gespenstisch und flüchtig, so als brauche man nur die Hand ausstrecken um ihn zu berühren, und Urahara würde dann verschwinden, sich einfach auflösen. An diesem ganzen verhärmten Eindruck konnte selbst der weiße Taishou-Mantel nichts ändern, den der Shinigami tatsächlich über seinem schwarzen Shihakusho, der Standard-Uniform, trug. Ichigo blinzelte. Ja, er hatte ganz richtig gesehen. Urahara Kisuke trug den Mantel eines Taishou des Seireitei. Aber wie war das möglich? Er war doch verstoßen worden? Gut, das mochte Jahrhunderte her sein. Doch war es wirklich möglich, dass ein einmal Verbannter rehabilitiert wurde? Und warum sah er so... krank aus? So viele Fragen. Zu viele. Ichigo kapitulierte und sagte zunächst einmal gar nichts. Aber seine Gedanken mussten sich deutlich auf seinem Gesicht widerspiegeln, denn Urahara schenkte ihm mit einem Mal den Anflug eines altbekannten, belustigten Lächelns - überschattet von etwas, das der junge Mann einfach nicht benennen konnte. Doch plötzlich hörte er wieder Rukias Stimme, als sie vorhin bei ihm gewesen war: "Yoruichi ist tot..." Und es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Es war ein offenes Geheimnis, dass die beiden mehr verbunden hatte, als nur Freundschaft. Und JETZT war das nur allzu offensichtlich. Urahara Kisuke war ein gebrochener Mann. Und das erzwungen belustigte Lächeln, das er nun zeigte, vertiefte nicht nur die Sorgenfalten, die sich um die Augen des Shinigami gebildet hatten, sondern auch und vor allem den Schrecken, den Ichigo jetzt empfand. Es war beinahe erschütternd, wie Urahara versuchte er selbst zu bleiben, obwohl das Leid seinen Blick deutlich überschattete. "Sei mir einmal mehr willkommen, Aushilfs-Shinigami.", sagte Urahara nun leise. Kurosaki überlegte immer noch fieberhaft, was er sagen sollte. Irgendetwas SOLLTE er sagen. Doch was nur? Linkisch blickte Ichigo auf seine Füße hinunter, nicht wie ein erwachsener junger Mann, sondern wie ein Teenager beim ersten Date. Soviel dazu, dass er wirklich ERWACHSEN geworden war… Dann nuschelte er: "Urahara-san... Ich wünschte ich könnte sagen, dass ich mich freue dich wiederzusehen. Doch die Umstände... machen dies etwas schwierig, nicht wahr?" Er lachte verlegen, kratzte sich im Nacken. Als sein Lachen verklang hinterließ es eine seltsame Art von Stille, die ihn beinahe zu erdrücken schien. Als keine Antwort erfolgte blickte er auf, schlagartig wieder ernst. Es gab wahrhaftig nichts mehr zu lachen in diesen Tagen. "Ich... Ich habe gehört was alles passiert ist. Und... es tut mir Leid. Es tut mir wirklich Leid, Urahara-san...." Seine Stimme zitterte leicht. Jetzt, einmal ausgesprochen, wurde es greifbarer. Der Schmerz schien auch ihn selbst für einen Moment beinahe niederzudrücken, denn auch er hatte Shihouhin Yoruichi sehr gemocht. Anstatt zu antworten trat der Shinigami auf ihn zu und legte eine Hand auf seine Schulter. Es war eine so warme, freundliche Geste, dass es Ichigo in Anbetracht der Trauer des offensichtlich wieder eingesetzten Taishous erschauerte. "Es ist schon gut. Ich... werde damit leben müssen. Es geht weiter. Das tut es immer. Ganz egal wie. Und ich bin froh, dass auch du endlich hier bist. Ich hatte jedoch auch nie daran gezweifelt. Du hast wahrscheinlich wie immer eine Menge Fragen." Ichigo stutzte. "Auch?", echote er. Sein Gegenüber nickte. "Du bist nicht der Erste, der mich heute aufsucht." Mit einer einladenden Geste bedeutete der Shinigami ihm, durch die Tür in die hinteren Räume des Ladens zu gehen. Ichigo sah ihn noch einen Moment lang fragend an, dann trat er an ihm vorbei, ging voran und hinein in die damaligen Wohnräume hinter dem Geschäft. Hier konnte man deutlich sehen, dass bis vor kurzem doch noch jemand hier gelebt haben musste oder noch immer lebte. Doch der Laden selbst war wohl schon länger nicht mehr bedient worden. Als Ichigo durch die Tür in den kleinen, ihm so bekannten Flur trat, in dem noch immer das Licht nicht ausreichte um weiter als zwei, drei Schritte zu sehen, da hörte er plötzlich gedämpfte Stimmen mindestens zweier Personen. Der Klang kam ihm auch hier vertraut vor. Mit gemischten Gefühlen schritt er auf die Stimmen zu und wurde zum Schluss immer langsamer. Er blieb sogar stehen, als er die Tür erreicht hatte, die zum Aufenthaltsraum des Hauses führte. Seine Freunde. Er hörte Ishidas Stimme. Mit einem Mal hatte er wieder Angst. Dieses Mal nicht vor sich selbst oder dem, was in ihm lauerte, verborgen unter Schuldgefühlen und alltäglich erlerntem Gleichmut, sondern es war die Reaktion dieser seiner Freunde die er fürchtete, mehr als er es sich jemals eingestehen würde. Seit damals war so viel Zeit vergangen. Sie ALLE waren keine Kinder mehr. Sie alle hatten sich inzwischen ein Leben aufgebaut und das, was damals passiert war, hinter sich gelassen – mit mehr oder weniger großem Erfolg. Wie würden seine damaligen Freunde reagieren ihn wiederzusehen? Ihn, der ihnen damals so viel Leid zugefügt hatte? Ichigo hob die Hand, langsam, zögernd. Seine zitternden Finger legten sich auf das kühle Holz der Schiebetür. Er schloss die Augen. Würden sie ihn verurteilen? Auch jetzt noch, nach all der Zeit? Nachdem er damals vollends zum Hollow geworden war und so viele Menschen und Shinigami umgebracht hatte, waren sie auseinandergegangen ohne miteinander zu sprechen. JETZT wusste er, dass das ein Fehler gewesen war. Es hatte ihn verfolgt, hatte in ihm weiterexistiert wie eine schwärende Wunde, die niemals ganz verheilt war, und die auch sein Vater, der sich damals aufopferungsvoll seiner annahm, nicht schließen konnte. Vielleicht hätte er tatsächlich auch in seinem Leben, in seinem neuen Alltag und Beruf, Frieden finden können, wenn sie alle damals nach dem Vorfall miteinander gesprochen hätten. Es waren immer seine Freunde gewesen, die ihn wieder aufgebaut hatten, die den Funken in ihm zum Lodern brachten und ihn wieder Freude am Leben lehrten. Doch verletzt, verängstigt und vollkommen verstört hatte er sich damals ganz in sich selbst zurückgezogen. Und sie waren nicht weiter in ihn gedrungen. In all den Jahren war er weder auf sie, noch sie auf ihn zugekommen. Er wusste, welche Gründe ER gehabt hatte, um so zu handeln. Feigheit. Angst. Aber aus welchen Gründen hatten SIE sich nie wieder bei ihm gemeldet? Das KONNTE doch nur eines bedeuten: Dass sie es ihm nachtrugen, dass sie nie verwunden hatten, was aus ihm geworden war. Oder, und das war das Allerschlimmste, es bedeutete, das sie ihn fürchteten… Der Schmerz saß tief. Aber es würde nicht besser werden, ganz sicher nicht, wenn er hier weiter herumstand und auch jetzt wieder den ersten Schritt vermied. Er MUSSTE dort hineingehen. Schon um ihrer alten Freundschaft willen. Und für all das, was sie für ihn getan hatten, was sie ihm bedeuteten. Ja. Für alles, was sie ihm auch und gerade jetzt noch bedeuteten. Er schluckte. Plötzlich fühlte er, wie sich eine Hand auf seine Schulter legte, warm, zuversichtlich. Als Ichigo den Kopf drehte erkannte er Urahara hinter sich. Er lächelte leicht. „Mach dir keine Sorgen, Ichigo. Sie lieben dich. Das haben sie immer getan. Und sie wissen, dass es nicht du gewesen bist, damals…“ Urahara… Er war nach wie vor ein Zauberer der Worte. Ohne große Mühe hatte er auch jetzt wieder, wie schon früher, in sein Herz gesehen. Er wusste, was Ichigo umtrieb. Und obwohl er zur Zeit mehr als allen Grund hatte selbst zu trauern, brachte er es noch fertig anderen Mut zuzusprechen. Dieser Mann war einzigartig. Auch unter den Shinigami. Kurosaki presste die Lippen aufeinander und nickte dann leicht. Ja, es war Zeit der Vergangenheit gegenüberzutreten und verloren Geglaubtes wiederzugewinnen. Er schob die Tür zum Aufenthaltsraum mit dem ihm altbekannten runden, niedrigen Tisch am Boden und den grünen Wänden auf - und blieb wie angewurzelt stehen. Sicher, wirklich überrascht war er nicht, nachdem er nun schon ihre Stimmen durch die papierne Wand vernommen hatte. Doch auch sie hatten sich verändert, waren… reifer und erwachsener geworden. Ishidas Gesicht wirkte noch schmaler und härter als vormals, wurde jedoch nach wie vor von glänzend schwarzen Haarsträhnen umrahmt. Sorgenfalten zeichneten seine Stirn. Nach wie vor war er ein gutaussehender Mann, doch nun hatte er nichts Jungenhaftes mehr an sich, das von seinem ernsten Blick aus eisblauen Augen ablenken konnte. "Ishida.", sagte Kurosaki leise. Es war eine einfache Feststellung. Es lag keine Frage oder Überraschung in diesem Wort. Der Angesprochene hatte bei seinem Eintreten den Kopf gedreht und nickte jetzt leicht. Auch er wirkte nicht überrascht, nur sehr ernst. Sein Blick schien für einen kurzen Moment zu flackern, eine Frage formulierend, welche Lippen nicht auszusprechen vermochten. Doch der Moment verging. Ichigos Blick glitt weiter und blieb an der atemberaubend hübschen jungen Frau mit langem, haselnussbraunem Haar und großen, dunklen Augen hängen. Inoue Orihime... Er wollte auch ihr etwas zur Begrüßung sagen, doch er kam nicht dazu. Denn ungeachtet der Tatsache, dass sie schon längst kein Kind mehr war, war die junge Frau jetzt aufgesprungen und lief auf ihn zu. Ohne viel Federlesens fiel sie Kurosaki um den Hals und Ichigo erwartete beinahe übertrieben lange Bandsätze zu hören, bei denen sie sich selbst verhaspelte, oder einfach nur ein glückliches Lachen. Doch nichts dergleichen. Sie hielt ihn einfach nur fest umschlungen. Es war ein ganz warmes, wunderbares Gefühl, das er mit einem Mal empfand. Ein dankbares Gefühl. Gerade vor Orihimes Reaktion hatte er Angst gehabt. Alles hatte er sich vorgestellt, dass sie ihn voller Angst ansah, dass sie den Raum verließ, wenn er hereinkam, dass sie niemals wieder auch nur in seine Richtung blicken konnte ohne jedes Mal IHN zu sehen, jenen gehörnten Dämon, der in seinem Blutrausch nicht einmal vor seinen Freunden Halt gemacht hatte. Dies alles und noch ganz andere Dinge hatte er erwartet. Doch nicht diese warme, freundliche Begrüßung, so vollkommen jenseits aller Angst und Ablehnung, dass es ihm die Kehle zuschnürte. Ja. Er wusste wieder, warum er dieses Mädchen (Mädchen?) so sehr schätzte. Und er spürte plötzlich ihre heißen Tränen auf seiner Haut… DAS war neu. Nie zuvor hatte sie ihm so deutlich ihre Zuneigung zeigen können. Auch sie war wohl ernster und erwachsener geworden. Das registrierte er nicht nur aufgrund ihres Schweigens, sondern auch wegen anderer... Begebenheiten. Er bekam heiße Ohren, als Orihime sich heftig an ihn presste… "Orihime...", sagte er leise und registrierte beiläufig den vertrauten Geruch ihres Haares. Es war fünfzehn Jahre her. Aber alles, einfach alles war sofort wieder da. Auch die Tatsache, dass ihn ihre Gegenwart immer ein wenig irritierte. Und beinahe augenblicklich fiel er wieder in seine Angewohnheit zurück, ihr, mehr als jedem anderen gegenüber, einen Beschützerinstinkt zu entwickeln, der alles überstieg und rational nicht zu erklären war. Er schüttelte den Kopf, wie um den Gedanken loszuwerden. Ja, es WAR lange her. Und einfach ALLES hatte sich geändert. Das erkannte er auch an dem beinahe eifersüchtigen Blick der tiefblauen Augen Ishidas, der unverwandt auf ihm und Orihime ruhte. Endlich trat die junge Frau zurück und betrachtete hingebungsvoll sein Gesicht. "Kurosaki-kun, es ist so schön dich endlich wiederzusehen! Es geht dir gut! Ich bin so froh!" Er sah sie mit einem schiefen Lächeln an. "Wenn ich mich richtig erinnere, dann waren wir am Schluss doch schon bei "Ichigo-kun", oder täusche ich mich?" Orihime errötete leicht. Es gab Dinge die änderten sich wohl doch nie. Gut. "Ichigo.", sagte sie leise und er glaubte einen Nachhall all der Gefühle in diesem einen einzigen Wort zu vernehmen, die sie vor langer Zeit so intensiv für ihn gehegt hatte. Dies schien auch Ishida nicht zu entgehen. Der schwarzhaarige, große, schlanke junge Mann erhob sich fließend und kam Ichigo kurzerhand mit entschlossen vorgestreckter Hand entgegen, um dem ohnehin recht sinnfreien Gespräch ein Ende zu bereiten, das seine Freunde da führten. Ichigo griff beinahe dankbar zu und schüttelte die Hand des Quincy. "Uryu! Es… freut mich, dich wohlauf zu sehen…" Ichigo versuchte ein erfreutes Gesicht zu machen, doch es fiel ihm in Anbetracht all dessen, was er in der letzten Zeit erfahren hatte, doch recht schwer. Zudem hatte er beinahe Angst vor Ishidas nächsten Worten, vor allem nach dem Blick, den er ihm beim Eintreten zugeworfen hatte. Ishida blickte den jungen Mann schräg über seine akkuraten Brillengläser hinweg an und Ichigo ERWARTETE beinahe eine Erwiderung im Sinne von „Was aber nicht unbedingt dein Verdienst ist.“. Doch Ishida sah ihn nur von oben bis unten taxierend an und sagte dann in völlig unbeteiligtem Tonfall: "Du bist ganz schön groß und... kräftig geworden, Ichigo. Was treibst du, Kampfsport oder so etwas in der Art? Ich könnte an dieser Stelle anmerken, dass ich selbst auch einmal..." Ichigo hatte mit einem Mal das heftige Bedürfnis die Augen zu verdrehen. Warum hatte er sich überhaupt Sorgen gemacht? Die Zeit schien stehengeblieben zu sein und die vergangengen Jahre nie gewesen. "Danke, Uryuu, aber vielleicht besprechen wir ein anderes Mal, welche Kampfsportarten du in den letzten Jahren so ausprobiert hast. Wir haben andere Dinge zu besprechen, die jetzt wichtiger sind, oder?", unterbrach in Ichigo geflissentlich. Er konnte sich jedoch ein Lächeln nicht ganz verkneifen, das Erste, das er heute zustande brachte. Auch DAS hatte sich wohl nicht geändert. Ishida redete gern. Hinter ihnen trat Urahara ein, der scheinbar taktvoll bisher in der Tür gewartet hatte. "Oh, ja, die gibt es wirklich.", griff der Taishou die letzte Aussage Ichigos auf. "Es tut mir sehr Leid, dass ich eure Begrüßung unterbrechen muss. Aber vielleicht sollten wir beginnen.“ Orihime wischte sich verstohlen die Tränen aus den Augenwinkeln und setzte sich an den Tisch am Boden, wo sie auch zuvor schon bei seinem Eintreten gesessen hatte. Ishida folgte ihrem Beispiel. Ichigo blieb wo er war und blickte verwirrt. "Beginnen? Ich bin hier, weil..." "... du dich nicht mehr verwandeln und deinen Kaizu Konpaku nicht nutzen kannst?", schloss Urahara den Satz für ihn und ein weiteres Mal hielt Kurosaki verblüfft inne. "Tja,... ah, das stimmt...", gab der junge Mann dann gedehnt zu. "Siehst du, es ist wie früher, deine Gedanken sind für mich in deinem Gesicht zu lesen wie in einem offenen Buch, Kurosaki-san." Urahara lächelte leicht. "In diesem Fall habe ich jedoch einfach nur gesehen, dass du Kon dabei hast." Er deutete mit einer Kopfbewegung auf den Rucksack, den Ichigo über einer Schulter trug. Er zwinkerte ihm wohlwollend zu. "Aber setzen wir uns doch ersteinmal. Es gibt viel zu besprechen." In der Tat hatten sie viel zu besprechen. Ichigo selbst wusste überhaupt nicht wo er anfangen sollte, so viele Gedanken spukten gleichzeitig in seinem Kopf herum. Und auch die Trauer um den Verlust wertvoller Freunde und Verbündeter machte ihm nach wie vor zu schaffen. Mehr als er es selbst wahr haben wollte. Yoruichi... Das Gespräch schien sich nun schon seit einer geraumen Weile im Kreis zu drehen. Wieso saßen sie hier plötzlich alle und plauderten wie in alten Zeiten, obwohl sich doch eine Sache so grundlegend geändert hatte wie niemals zuvor? Es gab OPFER zu beklagen! Seit Ichigo seine Shinigami-Freunde kannte war das eigentlich noch niemals wirklich vorgekommen. Es war so unglaublich, dass der Gedanke daran sich einfach noch nicht verfestigen wollte in ihm. Doch der Schmerz blieb der Gleiche. Denn sein Herz war schneller, als es sein Geist beim Empfinden und Erfassen von Verlust und Trauer je sein konnte. Wie durch einen wattierten Nebel hindurch hörte er Orihimes leises, sanftes Lachen, als sie Kon an sich drückte, Ishidas selbstbewusste Theorien über die unbekannte Bedrohung und Uraharas ruhige, nachdenklich antwortende Stimme. Mit einer plötzlichen, heftigen Bewegung schlug Ichigo mit der flachen Hand auf den Tisch, starrte durch dicht herabfallende Ponysträhnen auf die Tischplatte und stieß dann, als es endlich ruhig wurde und ihn alle erschrocken ansahen, die Luft, die er unwillkürlich angehalten hatte, in einem langen, fast schon gequälten Atemzug aus. "Leute... Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, aber... Findet ihr nicht, das wir um den heißen Brei herumreden - sofern wir denn über die Bedrohung sprechen?" Er warf Orihime einen scharfen Seitenblick zu und die junge Frau wirkte ertappt. Sie presste Kon nur noch fester an sich und ihren vollen Busen. Irritiert wandte Ichigo den Blick wieder ab und sah Urahara direkt an. "Es gab schwere Verluste, so schwere, wie in all den Jahrhunderten zuvor kaum, habe ich nicht recht? Freunde von uns, wertvolle Verbündete, sind nicht mehr. Das allein zu glauben, fällt mir schon unendlich schwer. Aber was um Himmels Willen hat ihre Leben gefordert? Mir DAS vorzustellen fehlt mir noch viel mehr die Fantasie. Genau genommen... war mir niemals klar, dass es überhaupt etwas geben könnte, was in dieser oder der anderen Welt einem Shinigami wirklich den Tod bringen könnte, außer einem Hollow - und diese sind seit Jahren erfolgreich zurückgetrieben worden. Sogar die Arrancar haben wir besiegen können! Was in allen Welten kann es also sein, das wie Armageddon selbst über unsere Stadt gekommen ist? Warum hier, warum jetzt? Und warum... kann ich meine Kräfte nicht einsetzen?" Alles schwieg. "Ichigo...", meinte Uryu in leicht irritiertem Ton. "Wo in den letzten Jahren hast du gelernt dich so detailliert auszudrücken?" Ichigo ignorierte ihn. Ihm war nun wirklich nicht mehr nach Albernheiten – obwohl er bei Ishida eindeutig nicht sicher war, ob dieser es nicht bitterernst gemeint hatte. Am liebsten wollte er schreien. Merkte das eigentlich überhaupt irgendjemand hier? Urahara Kisuke schien es zu tun. "Sehr viele Fragen, ganz wie ich es erwartet hatte, Kurosaki-san. Und keine einzige davon ohne Sinn. Doch kann weder ich noch irgendjemand sonst beim Seireitei momentan deine Neugier befriedigen. Wenn wir wüssten, womit genau wir es zu tun haben, würden wir wahrscheinlich auch schon eine Lösung dafür präsentieren können - und müssten nicht auf die Hilfe unseres Aushilfs-Shinigami zurückgreifen..." "..., der momentan wie gesagt nicht einmal seine Kräfte besitzt.", schoss Ichigo bitter zurück. "Oh, da täuschst du dich aber.", meinte Kisuke leise lächelnd. "Du trägst es in dir, das Erbe deiner Eltern. Das deines Vaters und auch das deiner Mutter, die von einem Hollow getötet wurde. In dir sind beide Kräfte vorhanden, Ichigo, doch damals wurde dein innerer Hollow derart stark, dass du dich nun intuitiv vor BEIDEN Seiten deines Erbes verschließt." Ichigo schwieg erschüttert. Konnte das sein? War er selbst daran Schuld, dass er nicht mehr auf seine Shinigami-Kräfte zurückgreifen konnte? Er horchte in sich hinein. Und ja, er glaubte eine Art Echo auf die Worte Uraharas in sich zu spüren. Er versuchte ganz bewusst nach der Tür zu greifen, sie zu öffnen, wieder in seine innere Welt einzutauchen, dort mit Shirosaki zusammenzutreffen - doch selbst davor schrak er zurück, zog die geistige Hand wieder an sich, als hätte er sich verbrannt. "Ich... Ich möchte helfen... Wie kann ich...?" Orihime legte ihm federleicht eine warme Hand auf den Unterarm. Eine warme, vertrauensvolle Geste, die ihn tröstete. "Lass mich versuchen dir deine Angst etwas zu nehmen, Ichigo. Ich... habe vieles gelernt, seit wir uns... nicht mehr gesehen haben..." Er war fast sicher, dass sie ursprünglich etwas anderes hatte sagen wollen. Doch im Augenblick war das nicht wichtig. Orihime hob Kon hoch. "Und Urahara kann mit Sicherheit auch helfen." Sie blickte zu dem Taishou hinüber und lächelte verschwörerisch. Kisuke nickte leicht. „Was ich dazu beitragen kann, werde ich tun.“, sagte er schlicht. Orihime lächelte ihren Freund zuversichtlich an. "Wir schaffen das, Ichigo. Wie immer. Gemeinsam." "Gemeinsam...", murmelte der junge Mann leise. Ja. Apropos gemeinsam... Er hob den Kopf und sah die junge Frau mit einem Mal fragend an. "Wo steckt eigentlich Chad? Der lässt sich doch bestimmt nicht die Gelegenheit entgehen, seinen Teufelsarm auf übermächtige Gegner loszulassen?" Orihime sank zusehends in sich zusammen, das Lächeln schwand aus ihrem Blick, als würde es langsam ausgeblendet werden und die Trauer hielt nun auch in ihre wunderschönen Augen Einzug. Stärker und umfassender, als er es je zuvor gesehen hatte bei ihr. Sein Blick glitt zu Ishida hinüber. Dieser war sehr blass geworden. Er presste die Lippen so fest zusammen, dass sie einem dünnen, blutleeren Strich glichen. Sekundenlang war nur das Rauschen des wieder einsetzenden Regens auf dem Dach über ihnen zu hören. Alle saßen wie erstarrt. Noch bevor Kurosaki seinen zunehmend entsetzteren Blick weitergleiten lassen konnte hörte er ganz, ganz leise, wie einen Hauch nur, jene Worte aus Uraharas Mund, vor denen er sich auf der ganzen Welt mit am meisten gefürchtet hatte. Und er schloss die Augen, als ihn jedes Einzelne davon wie dumpfe Schläge mitten ins Herz trafen. "Chad... Sado Yasutora... ist gefallen. Bei einem Zwischenfall im Stadtzentrum vor ein Paar Tagen. Es gab Augenzeugen die gesehen haben wollen, dass er ganz allein gegen einen übermächtigen Feind angetreten ist. Er hat es nicht überlebt... Es tut mir Leid..." Und Ichigo fühlte wie sein Mut, seine Entschlossenheit, alles, was ihn überhaupt hierher geführt hatte, wieder zu bröckeln und zu schwinden drohte. Seine Hände hatten so sehr zu zittern gegonnen, dass er sie hilflos in seinem Schoß barg. Die schwarze, saugende Leere von damals kam wieder. Lautlos. Ohne Vorwarnung schlug sie über ihm zusammen. Und dieses Mal… wusste er nicht, ob er noch die Kraft haben würde wieder aus ihr zu entkommen. ~~~oOo~~~ Kommandant Abarai stand am Eingang der Pagode im Stadtpark von Karakura. Mit einer Hand zog er den blutdurchtränkten Verband an seinem linken Oberarm zurecht. Es war keine tiefe Wunde. Doch sie schmerzte mehr, als er es sich einzugestehen bereit war. Der verdammte, unsichtbare Feind war eine Herausforderung, der selbst Renji nicht leichtfertig gegenübertreten sollte. Er würde es niemals offen zugeben, aber er machte sich ein wenig Sorgen um Rukia. Sein stechender Blick schweifte über den nahen Rand des Stadtwaldes, versuchte den Regen zu durchdringen. Renji trug sein rotes Haar wie gewohnt zu einem hohen, nun jedoch recht langen Zopf gebunden und durch ein Bandana gebändigt. Allerdings zeichnete ihn der weiße Mantel über seinem schwarzen Shihakusho nun als Kommandanten einer Einheit des Seireitei aus. Er war im Amt aufgestiegen und nahm nun den Platz des verstorbenen Tosen Kaname als Captain der neunten Division ein. An seine Stelle als Vize-Kommandant der sechsten Division unter Byakuya Kuchiki war dessen Schwester getreten, Rukia. Doch dass sie nun Vize-Kommandantin war berechtigte die Kleine noch lange nicht dazu, einfach zu tun was ihr beliebte. Renjis Blick verdüsterte sich. Er schnippte die Zigarette, die er geraucht hatte, hinaus in die Dunkelheit. Die Menschen hatten auch einige Laster an sich, mit denen sich der junge Shinigami durchaus anfreunden konnte. Wenn sie zurückkam würde Rukia sich etwas anhören können… Ihr Bruder schwieg ja meistens nur. Leider. Er fand, dass Rukia durchaus eine strenge Hand benötigte. Von Zeit zu Zeit… All diese Gedanken konnten Renji jedoch keineswegs von seiner Sorge um die junge Frau ablenken. Sie war der Grund, warum er überhaupt atmete. Es war früher so gewesen und es war heute mehr denn je so. Sie waren ein Paar geworden. Das, worauf Renji so lange gewartet und auf das er doch niemals offen zu hoffen gewagt hatte. Sie liebte ihn, so wie er sie liebte. Und er konnte das Ausmaß dieses Glücks noch nicht einmal ansatzweise auskosten, als diese namenlose Bedrohung plötzlich und ohne Vorwarnung über dem Seireitei hereingebrochen war. Hoffentlich konnte Rukia Kurosaki dazu bewegen, sich ihnen erneut anzuschließen. Abarai Renji hatte eigentlich gar nicht Taishou werden wollen. Doch nach dem Arrancar-Krieg und als Aizen endlich besiegt wurde, war alles anders gekommen, als er sich das jemals gedacht hätte. Der junge, rothaarige Shinigami hatte oft an seinen Freund aus der Menschenwelt zurückgedacht. Unzählige Male hatte er sich vorgenommen, Ichigo zu besuchen – oder sich zumindest davon zu überzeugen, ob es seinem Freund auch wirklich gut ging nach jenem… schrecklichen Vorfall. Abarais Wut auf das Seireitei und den Generalkommandanten Yamamoto war damals ins Unermessliche gestiegen, waren sie es doch gewesen, die Ichigos Verwandlung zum Vasto Lorde unterstützt und sogar forciert hatten, nur um Aizen besiegen zu können. Als Kurosaki die Kontrolle über sich verloren und keinen Unterschied mehr zwischen Freund und Feind gemacht hatte, als er alles tötete und zerstörte, was sich ihm in den Weg stellte, in jenem einen Moment, in welchem Ichigo vielleicht zum allerersten Mal WIRKLICH Hilfe von außen benötigt hatte, da ließen sie ihn fallen. Der Generalkommandant, unter der Jurisdiktion des Senats, hatte den Befehl zum Rückzug gegeben, um den tobenden, verzweifelten jungen Mann, der an seinem inneren Hollow langsam zu Grunde ging, im Stich zu lassen. Schadensbegrenzung nannten sie das. Unglaublich. Abarai hatte niemals verstanden, wie man so sehr Regeln und Vorschriften verschrieben sein konnte, dass es einem Verbot FREUNDEN zu helfen, wenn sie in höchster Not waren. Wer war er, dass er so etwas zulassen würde, so etwas zulassen KONNTE? Und entgegen seiner Befehle, auch entgegen des Befehls seines eigenen Vorgesetzten Kuchiki Byakuya, entschied sich Renji damals zu bleiben und trat Ichigo allein gegenüber. Bis heute wusste er nicht genau, was er sich dabei gedacht hatte. Zurückblickend würde er meinen, er hatte ÜBERHAUPT nicht nachgedacht in jenen Momenten, als die schrecklich verzerrte Maske, die blutbesudelte, gehörnte Gestalt auf ihn zukam. Alles was er gewollt hatte war ihm zu helfen, seinem Freund, Ichigo, jenem Großmaul, das es geschafft hatte damals seine Rukia zu retten. Noch heute verfolgte ihn das Bild des schreienden, tobenden Vasto Lordes bis in seine Träume hinein. Doch auch bis heute konnte er den Kummer und die Qual in diesen Schreien hören. Es war keine Einbildung gewesen. Renji hatte gekämpft wie ein Löwe. Doch wie kämpfte man gegen einen Feind, den man eigentlich gar nicht verletzen WOLLTE? Blutüberströmt und völlig am Ende ihrer Kräfte hatten sich die Kontrahenten am Ende gegenüber gestanden, Auge in Auge, die Schwerter fest ineinander verkeilt, ihrer beider Atem rasselnd und stöhnend. Der Dämon hätte ihn jederzeit töten können. Was hatte Renji einem entfesselten Vasto Lorde, einem Hollow in seiner vollkommensten und stärksten Form, schon entgegenzusetzen? Er hätte Abarai mit Sicherheit vernichten können, ohne dass auch nur ein Staubkorn von ihm zurückblieb. Doch… er hatte es nicht getan. Und als sie sich so gegenüber gestanden hatten, eigentlich nur noch auf den Beinen, weil einer den anderen verbissen stützte, da sah Renji das Flehen in den Augen hinter der furchtbaren Maske. Und Angst. Eine so allumfassende, alles verschlingende Angst, dass es ihm selbst die Kehle zuschnürte. „Töte… mich…“, hörte er eine verzerrte, leise Karikatur der Stimme seines ehemaligen Freundes – und sie Drang bis ins Innerste seiner Seele. „Bitte… töte mich!“ Und Renji stand wie erstarrt mit weit aufgerissenen Augen. Nein. NEIN! Er konnte das nicht. Er WOLLTE das nicht! Und doch fragte ein winziger Teil in Abarai sich bis heute, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, hätte er es getan in jenem Moment. Er hatte sie dort liegen sehen. Inmitten der anderen Leichen. Die leblosen Körper der beiden Mädchen. JENER beiden Mädchen. Und der Anblick war schon für ihn mehr als er ertragen konnte. Doch für Kurosaki… Was nun kommen sollte und auch die folgenden Monate und Jahre, das würde eine solch große Qual für den jungen Shinigami sein, dass man sich später einheitlich dazu entschloss, seine Erinnerungen daran auszulöschen, damit er überhaupt lebensfähig blieb. Renji erinnerte sich, das jener Moment, als Ichigo ihn bat, ihm das Leben zu nehmen, einer jener wenigen Augenblicke in seinem Leben gewesen war, in welchem er geweint hatte. Es war ihm gar nicht bewusst gewesen, bis er die heißen Tränen registrierte, die tiefe Spuren in dem verkrusteten Blut auf seinen Wangen hinterließen. Er weinte um den Freund, den er in jenen Augenblicken für immer verloren zu haben glaubte. Doch noch mehr weinte er um die Bilder, die sich in seine Netzhaut unwiderruflich eingebrannt hatten, die er niemals wieder vergessen würde, solange er auch lebte. Vielleicht würden es diese unfassbaren Bilder sein, die sich auch in Zukunft (sollte ihnen denn eine vergönnt sein) zwischen sie drängten, wenn er für seinen Freund da sein sollte, da sein MUSSTE. Vielleicht würden es diese Erinnerungen sein, die sie einander entfremdeten, sie trennten und diese Freundschaft zum Tode verurteilten. Und weil er nicht wusste ob er die Kraft haben würde DENNOCH für Kurosaki da zu sein, weil er es HASSTE, dass all das passiert war und weil es so ungerecht war, was man diesem jungen Mann angetan hatte… Aufgrund all dieser Dinge weinte Abarai Renji damals. Er wusste nicht, was er anderes tun sollte als bei ihm zu sein in seiner dunkelsten Stunde. Er HATTE Ichigo nicht getötet. Er hatte es nicht tun können. Stattdessen hatte Renji dieses furchtbare und doch so verzweifelte Wesen vor sich in seinen unverletzten Arm gezogen, presste sein heißes Gesicht in die lange, wallende, von Blut verkrustete Mähne des Hollow und hielt ihn einfach nur fest, ganz fest, bis das Zittern und die rasselnden Atemzüge aufhörten, bis er in seinen Armen ruhiger wurde. Er hielt den zitternden Körper seines Freundes fest umschlungen, um zumindest körperlich jener Fels in der Brandung sein zu können, den Ichigo nun so sehr brauchte. Und dann… stieß er ihm sein wieder versiegeltes Zanpakuto in den Leib. Er war lange genug Shinigami um zu wissen, welche Art von Wunden tödlich waren und welche überlebt werden konnten. Und während der Vasto Lorde aus seinem Arm heraus und zu Boden glitt, leblos und nun endlich in seiner Raserei aufgehalten, da wusste Abarai, dass er seinen Freud hatte verletzen müssen, um ihn zu retten. Er würde es überleben. Doch was würde es für ein Leben sein, das auf ihn wartete? Abarai sah es noch genau vor sich. Jenes Bild, als der leblose Körper zu seinen Füßen zu Boden gefallen war und zur Seite rollte. Die Maske… war verschwunden. Und zu sehen war nur noch der geschundene, gemarterte Leib eines jungen Mannes, der einen Kampf gefochten hatte, der im Grunde nicht einmal sein eigener war. Ichigos Gesicht glich einer Landschaft aus hellen und dunklen Flächen und Striemen, Blut und Haut. Und diese Haut war bleich, nicht einfach nur blass, sondern bleich gewesen. Der Shihakusho war zerrissen, gab mehr von der misshandelten Haut preis, als er bedeckte. Das lange Haar umrahmte das beinahe verloren wirkende, schmale Gesicht und die Schultern wie eine bizarre und dennoch irgendwie faszinierend anzusehende Art von Leichentuch. Wunderschön, sodass es weh tat. Und vollkommen zerstört. Und überall war Blut… SEIN Blut. Abarai trat nun einen Schritt vor, hinaus in den Regen und hob das Gesicht zum Himmel. Die kühle Nässe wirkte angenehm auf seiner Haut. Dass er erneut mit den Tränen kämpfte allein bei der ERINNERUNG an diese Begebenheit, hätte er niemals zugegeben. Das Seireitei hatte einen riesigen Aufstand gemacht, nachdem der Hollow endlich besiegt war. Sie hatten Ichigo inhaftieren wollen. Schlimmer noch, sie hatten ihn Kurotsuchi-Taishou für Experimente und Forschung überlassen wollen. Doch hier nun, und dafür würde Renji ihm auf immer dankbar sein, hier nun hatte Kuchiki Bayakuya, sein Taishou und Oberhaupt eines der mächtigsten Clans im Seireitei, für seinen Fuku gesprochen, sich für ihn und Ichigo eingesetzt und tatsächlich dafür gesorgt, dass dieser in seine Welt zurückkehren konnte. Unter der Aufsicht seines Vaters Isshin. Monate später dann, als sich alles ein wenig beruhigt hatte und klar gewesen war, dass der Junge sich NIEMALS von den Schrecken erholen würde, die er durchlebt und über andere gebracht hatte, wurde dann beschlossen sein Gedächtnis zu manipulieren und bestimmte Dinge daraus zu löschen. Dies war ein ganz besonderes Vergnügen Kurotsuchis gewesen. Doch Abarai und Rukia waren ihrem Freund während des Eingriffes nicht von der Seite gewichen, damit der Taishou in seinem Eifer nicht vielleicht ein wenig zu weit ging… Der Arrancar-Krieg hatte viele Opfer gefordert. Und so waren einige Stellen in der Goteijusantai neu zu besetzen gewesen. Und es war Kuchiki Byakuya höchstpersönlich, der ihn für die Stelle des neuen Taishou der neunten Division empfohlen hatte. Renji war außer sich gewesen. Erstens hatte er nicht die geringsten Ambitionen den Kommandanten in einer Organisation zu mimen, die seinen besten Freund so schändlich auf dem Schlachtfeld im Stich gelassen hatte, und zweitens… warum? Wollte sein Taishou ihn womöglich loswerden? Ganz ehrlich – letztendlich war es eine Art Trotzreaktion seinerseits gewesen, dass er tatsächlich Taishou geworden war. Wenn Byakuya es so haben wollte, bitteschön. Wenn er ihn auf diese Weise irgendwie auf die Probe stellen wollte, so würde er sein blaues Wunder erleben. Abarai Renji war durchaus fähig eine Division anzuführen. Außerdem hatte er dabei auch im Hinterkopf, dass er in diesem Fall ja nun wirklich etwas zu sagen hätte und sein Urteil auch viel mehr Gewicht haben würde. Nein, seine BEFEHLE würden sehr viel mehr Gewicht haben. Er würde den ganzen, verstaubten Sauhaufen ersteinmal ordentlich auf Vordermann bringen. Und Dinge wie die, einen Freund im Kampf zurückzulassen, würden unter SEINEM Kommando NIEMALS mehr vorkommen. Das Allerbeste jedoch an seiner neuen Stellung war wie gesagt sie, Rukia. Denn jetzt, endlich, schien es ihrem prominenten Bruder nicht mehr zuwider zu sein, dass er sie offen umwarb. Und Rukia hatte ihn endlich erhört. Nicht, dass sie ihn nicht schon früher geliebt hätte, davon war Renji überzeugt. Aber sie hatte einfach ihren Bruder niemals erzürnen wollen. Und jetzt… JETZT war alles offen für sie beide. Endlich konnten sie zusammen sein. Nun ja. Bis heute. Er würde den Teufel tun und die Hände in den Schoß legen, während irgend so ein dahergelaufener, größenwahnsinniger Feind seine Träume demontierte. Ha! Da kannten sie Abarai Renji schlecht. Abarai-TAISHOU Renji. Er straffte entschlossen die Schultern. Er würde herausfinden, was es mit dieser neuen Bedrohung auf sich hatte. Und er würde sie bekämpfen. Mit allen Mitteln die ihm zur Verfügung standen. Und an der Seite seines besten Freundes. Wenn alles gut ging. Wenn SIE nur endlich wieder auftauchen würde. Er musste sich nicht mehr allzu lange gedulden. Plötzlich teilte sich der Regen. Rukia kam zurück. Renji – ganz entgegen seiner vorherigen Überlegungen, was er ihr alles vorhalten würde – trat auf sie zu und drückte sie einfach nur wortlos und ungeachtet seiner schmerzenden Wunde ganz fest an sich. „Du leichtsinniges, dummes…“, flüsterte er mit zusammengebissenen Zähnen in ihr Haar. Rukia stand einfach nur da und trat dann einen Schritt zurück, als er die Umarmung löste. „Was…?“, wollte Renji fragen, als er in ihr Gesicht blickte, in dem sich Besorgnis, Angst und eine zaghafte, keimende Hoffnung zeigten. Sie schüttelte nur den Kopf. „Warte es ab, Renji. Ich denke… er wird zurückkommen.“ Er vernahm dies mit gemischten Gefühlen. Wie würde Kurosaki reagieren, wenn sie sich nach all der Zeit wiedersahen? Würde er sich an ihn, Renji, erinnern? Doch NOCH wichtiger: Wie würde er SELBST reagieren? Er schob den Gedanken beiseite. Wichtig war nur, DASS Ichigo zurückkehrte. Alles andere… würde sich finden. Ohne ein weiteres Wort zu sagen schritt Rukia an ihm vorbei in die weitläufigen Hallen der Pagode, die seit Neuestem nicht nur irdische Mönche, sondern, von ihnen vollkommen unbemerkt, auch unsichtbare Geister, die Shinigami, beherbergten. Abarai blickte ihr nachdenklich hinterher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)