Delusive Society von Gepo (Dritter Teil der DS-Reihe) ================================================================================ Kapitel 117: Geschlecht ----------------------- Ich sehe, ich war erfolgreich mit Andeutungen im letzten Kapitel :) Oder DS wird nur noch von sehr schlauen Leuten gelesen. Ja, Yugi ist transsexuell. Und hier die weitere Ausführung: ________________________________________________________________________________________________ „Aber wir haben Karten gespielt“ Ikar lehnte sich vor, die Ellbogen auf den Knien. „Er liebte Magic&Wizards.“ „Ja, hatten dich deine Eltern nicht gezwungen, das aufzugeben, weil er es so mochte?“ Katsuya, der zu seinem Verlobten gesehen hatte, wandte sich wieder zu Yami. „Das war … nun, ich kam mit dreizehn in die Pubertät. Yugi theoretisch auch. Ich fand das toll. Ich wollte schon lange größer werden. Und die Älteren hatten mir erzählt, was man mit gewissen Körperteilen so anfangen konnte, das klang sehr spannend in meinen Ohren.“ Shizuka kicherte erneut und bewegte dabei den Kopf, wodurch sie beinahe Yami eine Strähne aus der Hand zog. Katsuya grinste nur. Das klang definitiv nach Yami. „Yugi fand es schrecklich. Er hasste seinen Körper. Für die Mädchen war er zu jungenhaft und die Jungs nannten ihn alle Schwuchtel, weil er so weiblich war. Und jetzt kamen Hormone und ungewollte Erektionen und der restliche Mist dazu“ Yami atmete tief durch. „Mir ist das erst gestern klar geworden, als ich das alles nochmal erzählte, dass Yugi damals seinen ersten Selbstmordversuch gemacht hat.“ Shizuka zog scharf die Luft ein und sah auf, wodurch sie Yami wirklich die Haare aus den Händen riss. Sie entschuldigte sich schnell, als sie es bemerkte und saß wieder still. Mit ein wenig Suchen konnte Yami die Strähnen wieder aufnehmen und fuhr fort: „Er hat auch Tabletten genommen damals. Ritzen war in unserer Zeit praktisch unbekannt und Drogen wurden auch noch nicht auf dem Schulhof vertickt, demnach waren Tabletten das Mittel der Wahl. Natürlich hat er sich einfach nur ein paar Stunden ins Krankenhaus gebracht und unsere Eltern sind mit einer Rüge davon gekommen, den Kindern zu erklären, dass sie nicht an den Medikamentenschrank dürfen, das seien keine Süßigkeiten. Selbstmord bei einem Dreizehnjährigen schien für die meisten Ärzte undenkbar.“ „Das heißt, Yugi ist seit dreizehn Jahren chronisch suizidal?“, fragte Seto nach. Ja, Seto, Katsuya erkannte die Stimme sofort, sie war einen Hauch tiefer als die von Ikar. Außerdem hatte Seto einen weit emotionsloseren Tonfall als Ikar. Er warf einen Blick zum Sessel, um sich zu versichern. Jupp, überschlagene Beine, Hände, die sich nur an den Fingerspitzen berührten und ein angespanntes Gesicht. Hundert Prozent Seto. „Sieht so aus“ Yami beendete die Haarkrone und steckte die Enden unter das restliche Haar mangels eines Haargummis. Er setzte sich neben Katsuya auf die Sofalehne. „Ich habe das damals auch nicht verstanden, dass das ein Suizidversuch war, aber zumindest war mir klar, dass es Yugi schlecht geht. Also habe ich meinen Eltern gesagt, ich würde gern einen Job als Zeitungsträger annehmen, um von dem Geld meiner Freundin etwas schenken zu können.“ „Und in Wirklichkeit ...“, murmelte Noah leise. „Habe ich Yugi neue Kleider gekauft. Und Schmuck. Und Schminke. Und ich habe sie in meinem Zimmer versteckt. Ich würde eh den Ärger kriegen, wenn Mutter das Zeug finden würde. Also hoffte ich, dass ich so zumindest Yugi vor ihrem Zorn bewahren konnte. Ich habe Yugi die Sachen gezeigt, ich habe mein Zimmer immer offen gelassen und mich ansonsten mit meinen Freunden getroffen. Ich habe keine Ahnung, ob er die Sachen jemals angerührt hat. Aber er hat auf jeden Fall wieder am Leben teilgenommen.“ „Du hast ihm das Leben gerettet“ Noahs Aussage klang nicht einen Deut unsicher. Es klang eher vollkommen überzeugt. „Vielleicht“ Yami seufzte. „Magic&Wizards war sein erstes großes Hobby danach. Er hat sogar beim Sport mitgemacht und wieder gegessen. Er … hatte gehungert, damit sein Körper weniger Testosteron herstellt und nicht wächst“ Er sank auf die Couch neben Katsuya und legte seinen Kopf auf dessen Schulter. „Shit … hätte ich ihn im Oktober nicht so behandelt, wäre er jetzt vielleicht nicht in der Psychiatrie.“ „Yami, du warst sauer“ Katsuya legte einen Arm um ihn. „Du darfst sauer sein, weißt du? Trotz all dem redet er, als sei das Wort eurer Eltern heilig. Da wäre ich auch sauer. Du hast nicht ein einziges Wort gegen ihn gesagt damals. Du hast nur über eure Eltern geschimpft und dass er sich jetzt genau so verhält. Du hast recht, das sollte er eigentlich besser wissen.“ „Andererseits hättest du ihm auch einfach ein Kleid vor die Nase halten können statt zu versuchen, ihn mit Worten zu überzeugen“ Setos Blick schien irgendwo ins Nirgendwo gerichtet. „Seto, nicht hilfreich“, ermahnte Katsuya und legte seine Arme um Yami. Dieser drückte sein Gesicht in dessen Schulter, als könnte er damit die böse Welt um sich herum einfach vergessen. Wie ein Kind, dass sich die Augen zuhielt und glaubte, dadurch könnte man es nicht mehr sehen. „Nun ja, wenn er wirklich transgender ist – und so hört sich das an – dann wird er irgendwann seinen Selbstmord schaffen, wenn er nicht anfängt, seine eigenen Wünsche zuzulassen. Und dazu gehören anscheinend Kleider und Schminke“ Die blauen Augen richteten sich auf Yami. „Hat der Doc schon etwas dazu gesagt? Sollen wir ihm ein Regal Kleider in die Abteilung schicken?“ Yami schien nicht mitbekommen zu haben, dass man ihn angesprochen hatte. Vielleicht hatte er es wirklich geschafft, die Welt um sich herum auszuschalten. Normalerweise hatte er nur dissoziative Zustände nach einer Vergewaltigung, aber er hatte noch nie vorher wirklich von seiner Familie erzählt. Das könnte ein zweiter solcher Fall sein. „Hey, Yami“ Katsuya schüttelte sanft dessen Schulter. „Yami?“ Er drückte den anderen ein Stück von sich, sah in dessen Augen und lehnte ihn wieder gegen sich. „Dissos.“ „Kein Wunder“ Seto seufzte und erhob sich. Mit ein paar Schritten war er bei Katsuya und hob Yami hoch, als wäre er ein kleines Kind. Ehrlich gesagt sah Yami – zusammengerollt wie er war – in Setos Armen auch aus wie ein kleines Kind. Der Brünette kehrte zu seinem Sessel zurück und drapierte Yami auf sich so, dass es ansatzweise komfortabel aussah. „Diesen … Zustand“ Noah nickte in Yamis Richtung. „Das habe ich außer bei euch noch nie bei einem Menschen gesehen. Aber bei euch scheint das … häufiger.“ „Derealisierung“ Seto hatte wie immer kein Problem auf Lehrermodus umzuschalten. „Es ist der stärkste psychische Abwehrmechanismus des Körpers gegen alles, was keinen physischen Schmerz zufügt“ Shizuka sah verunsichert zu Katsuya, während Seto sprach. Plötzlich wirkte sie ganz verloren allein auf dem Stuhl. Katsuya winkte sie zu sich und setzte sie auf seinen Schoß. „Depersonalisation, das hast du bestimmt schon oft gesehen und selbst erlebt. Es ist die Fähigkeit des Kopfes, die Empfindungen des Körpers zu minimieren oder sogar abzuschalten. Jedes mal, wenn du dich verletzt, dann wird der Schmerz nach ein paar Momenten weniger. Das ist Depersonalisation. Es reguliert den menschlichen Sinn des Fühlens. Derealisation reguliert alle anderen. Sicht und Gehör setzen als erstes aus, dann Geschmack und Geruch.“ „Das verstehe ich“ Noah nickte. „Das habt ihr mir jetzt mehrfach erklärt und ich habe es mehrfach gesehen. Aber warum sehe ich das nur bei euch?“ „Würdest du einem Autounfall zusehen oder bei einem Banküberfall dabei sein, würdest du es öfter sehen“ Seto strich mit einer Hand Yamis Rücken auf und ab. „Es ist die Reaktion, wenn einem Menschen die Realität absolut zu viel wird. Die meisten verlassen vorher den Raum oder schreien die Personen an, um die auslösende Situation zu beenden. Oder wenn sie geübt sind, dann bitten sie vorher, ein gewisses Thema zu vermeiden. Sie weinen oder halten sich die Ohren zu oder irgendetwas anderes. Das hier ist wirklich die letztmögliche Reaktion des Körpers auf Überlastung.“ „Nun, dann … ehrlich gesagt verstehe ich es dann noch weniger“ Noah schüttelte den Kopf. „Bei dir ist das wie ein Kippschalter. Du springst von Unwohlsein sofort zu diesen … Zuständen. Katsuya das eine mal auch, das ich miterlebt habe. Und Yami jetzt auch.“ „Ich auch“, murmelte Ryou leise. Katsuya zuckte fast zusammen. Ryou hatte die ganze Zeit neben ihm gesessen, aber er hatte seine Anwesenheit vollkommen vergessen. Ryou schien einfach mit dem Möbelstück verschmolzen zu sein, so wenig Präsenz hatte er. „Nun“ Seto schluckte und wandte den Blick ab. „Das kommt daher, dass wir vier alle wiederholt in Situationen waren, wo wir körperlich und seelisch in Todesangst waren und nicht entkommen konnten. Es … es trainiert diesen Abwehrmechanismus ein wenig an.“ „Ich hatte länger keine Dissos mehr“, fiel Katsuya auf, „und Yami hat auch sehr selten welche.“ „Ja, ihr seid beide etwas stabiler“ Seto sah auf den jungen Mann in seinem Arm. „Es sind über vier Monate vergangen, seit du hier wohnst und knapp drei seit der Verhandlung. Dein Geist gewöhnt sich daran, etwas mehr Frieden zu haben.“ Bamm. Katsuya blinzelte. Natürlich! Was war er für ein Idiot! Der beste Beweis, dass Seto ihm nicht über den Kopf wuchs, war ganz einfach: Weder nahm er Drogen noch hatte er Dissoziationen. Er hatte kein Bedürfnis, aus der Realität zu flüchten. „Und Yamis auch“, fuhr Seto fort, der von Katsuyas Erkenntnis natürlich nichts mitbekommen hatte, „Spätestens mit dem Umzug hat er einen Strich unter das Leben gesetzt, in dem die Realität regelmäßig unerträglich war.“ „Das heißt, bei Katsuya wird das gar nicht mehr passieren und bei Yami könnte das auch das letzte mal sein?“, fragte Noah interessiert nach. „Man sollte niemals nie sagen“ Seto seufzte. „Man weiß nie, was das Leben einem entgegen wirft“ Sein Blick kam auf Katsuya zu liegen. Der Blonde überlegte einen Moment, aber der Blick schien zu sagen, dass Seto etwas Bestimmtes meinte. Hm … wenn er raten müsste, würde er sagen, Seto spielte auf die Testergebnisse an. Ihm machten die Diagnosen mehr Angst als Katsuya selbst, so viel hatte er schon mitbekommen. „Aber ja, es besteht die Möglichkeit, dass es nicht wieder passiert.“ „Nun, dann freut es mich sehr, dass es euch beiden anscheinend besser geht“ Noah warf Katsuya ein Lächeln zu, das dieser erwiderte. Shizuka legte ihre Arme um ihn und lächelte ebenfalls. „Und können wir Yami gerade irgendwie helfen?“ „Sollen wir dir helfen?“, fragte Seto mit einem eher amüsierten Lächeln und hob Yamis Kopf mit einer Hand unter dessen Kinn. „Nein“, flüsterte dieser und sah sich etwas verwirrt um, „warum sitze ich bei dir?“ „Weil ich ein eifersüchtiger Mensch bin und du dich um meinen Freund geschlungen hast“, erwiderte Seto ohne einen Funken Scham in der Stimme, „Dissoziationen oder nicht, das mag ich nicht.“ „Entschuldige“ Yamis Blick sank zu Boden. „Mann, Seto, jag' ihn nicht gleich in die nächste Phase“ Katsuya schubse Shizuka etwas grob von seinem Schoß an seine Seite, stand auf und brachte Yami seinen halb leeren Becher Kakao. „Hier, trink etwas. Das belebt.“ „Das war ein sehr erwachsener Umgang“, lobte Noah währenddessen Seto. „Vielleicht sollte ich doch lieber eine Szene machen. Katsuya kriegt das nicht ansatzweise mit. Übertreibe ich?“, fragte dieser zurück. „Ein bisschen“ Noah lehnte sich zur Seite und legte eine Hand auf die Schulter seines Bruders. „Du kannst ja eine Szene machen, wenn die Situation etwas weniger angespannt ist.“ Seto schnaubte nur. „Was ist?“, fragte Katsuya etwas verwirrt. „Nichts. Geh ihm doch noch einen Kakao kochen und dann löffel es ihm in den Mund statt ihm ganz unpersönlich einen Becher zu reichen“ Setos Gesicht blieb abgewandt. „Seto, keine Szene“, wies Noah ihn zurecht. „Schon gut“ Yami gab Katsuya den Becher und erhob sich vorsichtig, da seine Beine wackelig schienen. „Ich koche welchen. Das bringt auf andere Gedanken.“ Katsuya sah ihm besorgt nach und schoss einen kurzen wütenden Blick zu Seto, bevor er sich auf den Stuhl setzte, der durch Shizuka frei war. „Und was genau heißt das jetzt für Yamis Bruder?“, fragte Shizuka, die sich über Ryou beugte und Isamu von Ryous Schoß nahm. Der schien mittlerweile zu schlafen und war sehr unbeeindruckt davon, von einem Arm in den nächsten zu wechseln. „Transgender?“ Seto wartete auf ihr vorsichtiges Nicken, bevor er weiter sprach. „Man weiß nicht genau, woher das kommt. Es scheint nach derzeitigen Erkenntnissen eine Entwicklungsstörung im Mutterleib zu sein. Das Gehirn bildet sich sozusagen mit einem falschen Geschlecht aus. Wir lernen unser Geschlecht und einige Verhaltensweisen nicht mit der Zeit sondern sie sind angeboren. Im Fall einer Person, die transgender oder bekannterweise als transsexuell bezeichnet wird, stimmt das Geschlechtsverständnis des Gehirns nicht mit dem angeborenen äußeren Geschlecht überein. Meistens bemerkt man das schon in der frühen Kindheit, einige Kinder äußern sogar ganz klar, welchem Geschlecht sie angehören und dass sie ihre Geschlechtsteile nicht haben wollen. Yugi scheint überzeugend eine Frau sein zu wollen“ Seto zuckte mit den Schultern. „Mir ist es egal, welches Geschlecht er oder sie hat, solange er damit glücklich ist. Ob er jetzt Frauenkleider trägt, Hormone nimmt oder sich umoperiert, ist mir eigentlich gleich. Er soll nur aufhören, sich töten zu wollen.“ „Umoperieren?“, piepste Katsuya und spürte eine Art Phantomschmerz in seiner unteren Region. Sich die Geschlechtsteile abschneiden? Wer zur Hölle war so verrückt? Und was bekam er stattdessen? Eine Gebärmutter? Ging so etwas? „Soll ich dir die Technik erklären?“ Ein böses Lächeln legte sich auf Setos Züge. „Ich verzichte“ Katsuya drückte die Beine zusammen. „Ich will das auch nicht hören“, gab Noah zu und versuchte seine entgleisten Gesichtszüge wieder unter Kontrolle zu kriegen. „Mich interessiert das schon. Erklärst du es mir?“, fragte Shizuka nach. „Aber sicherlich“ Seto lächelte und sah mit einer Intensität zu ihr, als wäre sie die einzige im Raum. „Die Hoden werden natürlich vollständig entfernt. Aus den Hodensäcken werden die großen Labien moduliert-“ „Ich muss dringend Kakao kochen!“ Katsuya sprang auf und raste in die Küche. Wenige Schritte hinter ihm folgte Noah, der auch direkt die Wohnzimmertür hinter sich zuzog. Im Flur sahen sie sich einen Moment mit geteiltem Entsetzen an, bevor sie sich zu Yami drehten, der in die Küchentür getreten war. „Alles in Ordnung mit euch?“ „Seto- Seto- er … ich will nicht drüber nachdenken“ Katsuya schüttelte den Kopf, was in ein Schütteln des ganzen Körpers überging. „Mein Bruder erklärt meinem Zögling, wie man sich von einem Mann in eine Frau umoperiert“, brachte Noah mit Ekel in der Stimme hervor. „Äh … und?“ Yami sah zwischen ihnen beiden hin und her. „Das ist krank!“ Katsuya sah mit geweiteten Lidern auf. „Wer macht denn so etwas?“ „Jemand, der von seinem eigenen Körper angeekelt ist“, erwiderte Yami mit völliger Ruhe. „Kann man nicht … kann man das nicht irgendwie behandeln, dass er seinen eigenen Körper akzeptiert?“ Katsuya lehnte sich etwas an die Wand neben sich. „Muss er sich gleich verstümmeln?“ „Besser verstümmeln als töten“ Yami hob nur eine Augenbraue. „Ich habe lieber eine infertile Schwester als einen toten Bruder“ Er verschränkte die Arme. „Und wie viel Behandlung brauchst du, um nur noch Frauen hübsch zu finden und dich vor Geschlechtsverkehr mit Männern zu ekeln?“ „Das … das hat doch gar nichts miteinander zu tun“, murmelte Katsuya und sank etwas in sich zusammen. „Doch, das ist genau dasselbe. Du wurdest bisexuell oder schwul geboren, das ist ein Teil von dir. Meine Schwester wurde in einem Männerkörper geboren. Ich werde Yugi deswegen nicht ausreden, ein Mädchen zu sein, das haben unsere Eltern zur Genüge getan.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)