Delusive Society von Gepo (Dritter Teil der DS-Reihe) ================================================================================ Kapitel 94: Die andere Seite der Münze -------------------------------------- Deutsche Lande, kalte Lande. Ich war extrem dankbar für die Sonne auf der Dokomi. Lasst uns alle hoffen, dass Japantag genau so wird. Wenn ich das so mit Japan vergleiche ... andererseits, da ist es jetzt so warm, dass es schon zu warm für mich ist und Monsumzeit. Also ist Deutschland wohl doch nicht so schlimm. Und ab morgen gehe ich wieder arbeiten ^v^ Vorbei ist die lange Urlaubszeit. Sie war schön, aber jetzt freue ich mich mal wieder auf geregelten Alltag. Und euch wünsche ich nun viel Spaß beim Lesen! ________________________________________________________________________________________________ Katsuya fand seinen Verlobten in der Küche, als ihre Gruppe geendet hatte. Neben einer laufenden Kaffeemaschine wusch er seine Hände mit Spülmittel. „Bis nächste Woche“ Misa schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter und trat zu der jungen Frau, die immer noch leicht nach einem verängstigten Kaninchen aussah und jetzt an der Tür wartete. Sie musste also Eri sein. Er winkte ihr kurz nach, bevor er zu Seto trat, der sich nach einem Handtuch umsah. Er reichte es ihm wortlos, da er durch Leyla wusste, wo es versteckt war. „Danke.“ „Kein Problem“ Er lehnte sich gegen den massiven Holztisch, der im Raum stand. „Wie … geht es dir?“ „Frag nach dem Kaffee“ Seto schmiss das Handtuch achtlos auf die Theke, lehnte sich gegen diese und verschränkte die Arme. Katsuya stieß sich von dem Tisch ab und schlenderte zu seinem Freund hinüber. Er lehnte sich gegen dessen Seite, sodass dieser seine Arme wieder löste und einen um Katsuya legte. Nach einem Seufzen sagte Seto leise: „Du solltest das alles hier nicht mitmachen müssen.“ „Du solltest diese Krankheit gar nicht erst haben“, erwiderte Katsuya ebenso leise, „vieles sollte nicht so sein, wie es ist. Wir müssen trotzdem mit der Realität leben.“ „Wann bist du plötzlich erwachsen geworden?“ Setos Stimme war noch immer kaum lauter als ein Hauchen, das fast im Gurgeln der Kaffeemaschine unterging. „Ich bin nicht erwachsen“ Katsuya legte die Arme um Setos Taille. „Ich versuche verzweifelt gegen eine Flut anzusteuern.“ „Das klingt synonym“ Seto setzte einen Kuss auf das blonde Haar. „Nur habe ich das Gefühl, als wäre ich schon untergegangen. Und ich glaube, ich ziehe dich mit mir in die Tiefe.“ „Ganz objektiv kriegst du dein Leben besser auf die Reihe als ich“ Katsuya hob den Blick und sah in Setos blaugraue Augen. „Ich gehe noch zur Schule, obwohl ich damit längst hätte fertig sein sollen. Und … du hast dich nicht vergewaltigen lassen.“ „Wer weiß?“ Seto hob seinen Kopf und legte sein Kinn auf Katsuyas Schopf. „Vielleicht fehlt mir nur die Erinnerung daran. Wenn ich es wurde, dann kann ich dafür genau so viel wie du für deine.“ „Du warst ein Kind.“ „Du warst ebenso hilflos wie ich damals“ Seto drehte sich zu ihm und legte auch seinen anderen Arm um ihn. „Es war nicht deine Schuld.“ Katsuya fühlte ein Schluchzen aus seiner Kehle brechen. Bei allen Göttern, er war verdammt schwach. Er hatte Seto nach seinem Wohlbefinden fragen und nicht schon wieder in Tränen ausbrechen wollen. Er war echt jämmerlich. Konnte er nicht auch mal für seinen Freund da sein statt immer nur selbst Hilfe zu brauchen? Aber Eris Augen … dieser Blick purer, nackter Angst. Es war wie das, was er in sich spürte. Diese absolute Panik vor der Welt. Kein Funken gespielter Selbstsicherheit konnte davon ablenken, wie viel Angst er hatte. Wie viel Angst ihm all diese neuen Situationen machten. Er drückte sein Gesicht gegen Setos Oberteil und erlaubte sich einen Moment der Verzweiflung. „Es tut mir Leid, dass ich Klein-Seto verletzt habe“, murmelte er ein paar Momente später, als er sich wieder gefangen hatte. „Ja … das“ Seto räusperte sich und lockerte die Umarmung, um etwas Abstand zwischen sie zu bringen. „Bist du sauer?“ Katsuya schluckte und sah auf. „Natürlich bin ich sauer“ Die Arme verließen ihn ganz und die Hände ballten sich zu Fäusten. „Dieses verwöhnte, kleine Blag. Ich kann solche Kinder nicht ausstehen. Er hat nicht einen Funken Demut.“ Katsuya blinzelte verwundert. Seto war sauer auf … sich selbst? Nicht auf ihn? „Er ist völlig verzogen. Ich würde ihn am liebsten mit Angst zusammen stecken, um ihm Manieren beizubringen“ Seto wandte schnaubte und setzte sich auf einen Stuhl am Tisch. „Er ist erst fünf“ Katsuya trat hinter ihn, legte seine Hände auf dessen Schultern und massierte sie. „Er … er ist Strafen nicht gewöhnt. Ich vermute, die hat Angst eingesteckt. Und Ikar.“ „Umso schlimmer“ Seto legte den Kopf in den Nacken. „Ich habe keine Lust zu verschwinden. Aber dieses Kind will ich verschwinden lassen. Sogar Angst stört mich weniger als dieses kleine, egoistische Mistvieh.“ „Seto!“ Katsuya wich erschrocken zurück. „Ich kann glückliche Menschen nicht ausstehen“ Er senkte den Kopf wieder, sodass er Katsuya nicht mehr sehen konnte. „So ein naives Kind ohne jede Erinnerung an Schmerz in meinem Kopf zu haben … ich würde es am liebsten schlagen, um ihm zu zeigen, wie die Welt wirklich ist.“ „Das kannst du nicht meinen!“ Katsuya trat neben seinen … was auch immer. „Reicht es nicht, dass all deine Persönlichkeiten auf die eine oder andere Art verstört sind? Kannst du dir nicht einen Kern zugestehen, den ihr vor Schmerz schützt?“ „Warum sollte ich?“ Seto erhob sich und drehte sich zu Katsuya. „Warum sollte ich für ein Kind leiden? Warum sollte ich für irgendwen leiden? Warum sollte ich mich einfach damit abfinden, dafür da zu sein, damit es anderen besser geht? Ich habe auch ein Recht zu leben!“ Okay. Durchatmen. Hier ging es nicht um Klein-Seto. Hier ging es darum, dass die Persönlichkeit Seth seine Rolle als der, der die Realität auszuhalten hatte, verachtete. Schien, als hätte Klein-Seto ihn nur daran erinnert. Wahrscheinlich meinte er das alles, was er über Klein-Seto sagte, nicht wirklich so. Zumindest hoffte Katsuya das inständig. „Das hast du, Seto. Aber du hast kein Recht, anderen die Schmerzen zuzufügen, die du fühlst. Du darfst andere nicht verletzen“, erwiderte Katsuya mit ruhiger und ernster Stimme. Seto seufzte tief und wandte den Kopf ab. Katsuya wartete einige Sekunden, ob er noch etwas sagen wollte, aber es schien nicht so. Mit einem Kopfschütteln wandte er sich ab, zog einen Becher aus einem Regal und schenkte seinem Freund Kaffee ein. Er reichte ihm das Gefäß wortlos. Statt eines Danks nickte Seto nur und setzte sich wieder. „Dürfen wir herein kommen?“, fragte Leyla vorsichtig, die im Türrahmen stand. Seto wandte den Kopf zu ihr, was sie zusammen zucken und einen Schritt zurück machen ließ. „Seto ...“, moserte Katsuya, griff dessen Ohr und zog daran, „sei lieb.“ „Ich bin kein Kind, ich muss nicht auf dich hören“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Knurren. Er legte seinen Blick trotzdem auf seinen Becher und massakrierte stattdessen den Kaffee mit Blicken. „Ich behandle dich wie ein Kind, wenn du dich wie eins benimmst. Das schließt alle Arten von Beleidigungen und Einschüchterungsaktionen mit ein. Du bist nicht so böse, wie du andere glauben lassen willst.“ Leyla trat wieder vor, blieb aber trotzdem lieber am Eingang der Küche stehen. Eine der Frauen, die vorhin im Stuhlkreis gesessen hatte, trat hinter sie und drückte sich an ihre Seite. Wahrscheinlich Nene, ihre Schwester. „Was sollte es mich interessieren, was andere über mich denken?“, murmelte Seto nur. „Lässt du gerade Ikar sprechen? Das klingt nämlich ziemlich nach einem schmollenden Jugendlichen. Du weißt, dass dein Job, unser Zusammenleben und unser Freundeskreis davon abhängen, was andere über dich denken.“ „Ich hab' keine Lust, mir das von dir anzuhören“ Seto nahm einen tiefen Schluck von seinem Kaffee, während er aufstand. Er ließ den Becher stehen und verließ die Küche. Die zwei Frauen wichen ihm ängstlich aus. Katsuya seufzte nur tief und schloss die Lider. Das blendete leider nicht das Zuschlagen der Tür aus, die ankündigte, dass Seto gegangen war. Er atmete tief durch. Was zur Hölle war jetzt wieder in ihn gefahren? So schlimm war er – mit Ausnahme der kurzen Trennung – seit Beginn ihrer Beziehung nicht gewesen. So hatte er sich Isis gegenüber verhalten. Einmal sogar Yugi gegenüber. Yami auch mal, wenn er sich richtig erinnerte. So war Seto drauf, wenn er extrem angespannt war. Katsuya seufzte tief. Die Gruppe hatte ihn wahrscheinlich mitgenommen und er hatte zu sehr gebohrt. Er hätte schweigen sollen, nachdem Seto gesagt hatte, dass er nicht über sein Befinden reden wollte. Er öffnete die Lider wieder und sah zu Leyla und Nene herüber. Waren die beiden geblieben, um mit ihm zu sprechen? Leyla schien die erfahrenste hier zu sein … vielleicht wollte sie ihn ausschimpfen? Verdient hätte er es wahrscheinlich. Er stählte sich innerlich für die kommende Tirade. „War das dieselbe Persönlichkeit, die vorhin nach der Kinderpersönlichkeit raus gekommen ist?“, fragte Leyla vorsichtig, während sie die Küche betrat. „Ja“ Katsuyas Stimme klang erschöpft. Wenn er genau darüber nachdachte, war nicht nur seine Stimme fast am Ende. Er sank tiefer in den Stuhl. „Das ist Seth, seine … nun, die Persönlichkeit, die den Alltag bewältigt. Will aber Seto genannt werden.“ „Ist er eine eigene Person oder ist er eine Strukturpersönlichkeit?“ Sie nahm den Stuhl, von dem Seto aufgesprungen war. Nene hielt sich hinter ihr und fixierte Katsuya, ohne zu blinzeln. „Mir wurde beschrieben, dass er lange Zeit wie eine Leinwand für alle anderen war. Er hat erst in den letzten Monaten eine eigene Persönlichkeit entwickelt.“ „Hm … er ist überraschend inkonsistent. Als er diese Frau berührt hat, war ich wirklich zutiefst beeindruckt. Ein so fürsorgender Charakter … aber das gerade war ja sehr abwehrend“ Ihr Blick lag auf dem stehen gelassenen Becher. „Er ist gemein und sarkastisch und nur denen gegenüber nett, die er für würdig hält. Darunter fallen vor allem misshandelte Kinder. Der fürsorgende Teil könnte aber auch eine andere Persönlichkeit sein, die durch ihn gehandelt hat.“ Imalia. Seine ganze Fürsorge könnte Imalia sein. Der sarkastische Seto war nur so lange lustig, wie man wusste, dass sich die spitze Zunge nicht gegen einen selbst richten würde. Katsuya liebte ihn vor allem für seine unvergleichliche Fürsorge … was, wenn das alles Imalia gewesen war? Was, wenn er eigentlich die Mischung aus Seth und Imalia liebte? Was, wenn ein Monster unter dem Tisch lauerte? Er schüttelte den Kopf über sich selbst. Er dachte zu viel nach. Wenn er schon seine Gedanken um etwas kreisen lassen wollte, könnte er sich vielleicht mal darauf konzentrieren, dass er Seto beinahe geschlagen hatte. Was war in ihn gefahren? Es war eine wie automatische Reaktion gewesen. Begann er jetzt, wie sein Vater zu werden? Jetzt, wo Seto eine immer schwächere Position in seinen Augen bekam? Würde er ihn irgendwann mit Gewalt unter Kontrolle halten? „Danke“, sagte eine fremde, weibliche Stimme. Er sah auf. Leyla sah zu Nene. Nene sah noch immer ihn an. Hatte sie gesprochen? Wahrscheinlich, nicht wahr? Er waren nur noch sie drei da. „Für was?“, fragte er sie etwas überrascht. „Dass du ihn nicht geschlagen hast.“ „Das ist kein Grund mir zu danken, das ist selbstverständlich“ Er schnaubte. „Ich fasse es nicht, dass ich es fast getan hätte. Ich benehme mich wie meine Mutter.“ Er presste die Lippen zusammen. Er … was? Wie seine Mutter? Sein Vater schlug doch immer zu … aber ja, sie auch. Sein Vater schlug grundlos zu. Seine Mutter schlug ihn, wenn er in ihren Augen nicht manierlich war. Hatte ihn geschlagen. Vergangenheitsform. Wie konnte ihn das heute noch beeinflussen? Das war doch zehn Jahre her! „Du solltest mit Kimi sprechen“ Leyla lächelte traurig. „Ihre ganze Familie ist … etwas gestört. Sie beklagt sich auch immer, dass sie ihren eigenen Eltern immer ähnlicher wird, obwohl sie es nie wollte. Tomoko hatte gute Eltern. Die beiden unterhalten sich oft über ihre Kinder.“ „Tomoko hat Kinder?“ Katsuya sah auf. „Von Hayato?“ „Ein elfjähriger und eine fünfjährige“ Leyla lächelte, aber ihr Lächeln war von Schmerz durchzogen. „Sie hat die beiden vor zwei Jahren mitgebracht, nachdem sie sich von Hayato geschieden hatte. Wir haben den beiden erklärt, an was ihr Vater leidet und warum sie ihn erstmal nicht wiedersehen können.“ Er betrachtete sie schweigend. Er hatte eine vage Ahnung, dass hinter dieser Geschichte noch mehr steckte, aber er wollte ehrlich gesagt nicht nachfragen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)