Delusive Society von Gepo (Dritter Teil der DS-Reihe) ================================================================================ Kapitel 82: Eine Lösung ----------------------- Anderthalb Wochen Grippe, man erstickt fast, freut sich, dass sie endlich weg ist, fährt zurück nach Hause und dort ist was? Allergieanfall wegen Pollen -.- Ey, Leute, meine Nase macht mich feddisch. Ab davon genieße ich mein Leben ^.^ Nächste Woche Samstag geht es nach Amerika! Ich weiß noch nicht, wie es da mit Internet wird, aber ich werde mein Bestes geben ^.- (gerade jetzt, was? Ja, gerade jetzt...) Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und danke noch einmal für die anregenden Kommentare! P.S.: Das Gespräch mit Yami ist für Dienstag Abend vorgesehen, da, wo Seto trainieren geht - das heißt in time ist das morgen Abend :) ________________________________________________________________________________________________ „Kuss?“, fragte Seto leise. Katsuya lächelte, griff faul nach dessen Hand und zog den Handrücken an seine Lippen. Mit einem Seufzen erhob er sich einen Moment später aber doch und murmelte: „Kleinen Moment, bitte.“ Mit schon fast routinierten Handgriffen zog er das Kondom ab, machte sich mit Tüchern sauber und wandte sich Seto mit ein paar frischen zu. Während er diesen abtupfte, bekam der auch seinen gewünschten Kuss. Umso größer war das Murren, als Katsuya es wirklich wagte, aufzustehen und das Bett zu verlassen. „Bin ja sofort wieder da“ Er schüttelte lächelnd den Kopf und zog eine Schlafhose aus Setos Schrank, deren Bund man zuziehen konnte. „So ... bitte.“ Seto rollte sich sofort zur Seite und kroch in seine geöffneten Arme. Mit einem dunklen Glucksen bettete Katsuya dessen Kopf auf seiner Brust und wehrte sich nicht, als ein Arm und ein Bein sich um ihn schlang. Er zog die Decke unter ihnen beiden her und über sie. „Danke“ Setos Stimme klang müde und äußerst zufrieden. Fast wie das glückliche Grummeln eines Drachen. Oder so, wie Katsuya sich das vorstellte. Es vergingen Minuten des Schweigens, die ihn vermuten ließen, dass sein Freund eingeschlafen war. „Katsuya?“ Dieser schloss die Lider. Seto brauchte eigentlich gar nicht weiter sprechen. Die Stimme war viel dunkler und kälter. Der Ton ernst. Spätestens die plötzliche Anspannung, die Setos ganzen Körper erfasste, verriet Katsuya, dass er es hier nicht mehr mit dem jugendlichen Seto zu tun hatte. Das war ANP-Seto. Katsuya seufzte, drückte den Größeren von sich und setzte sich auf. „Du ... bist immer noch sauer?“, fragte der Andere vorsichtig, wenn auch nicht ängstlich oder schüchtern, wie der jugendliche Seto es getan hätte. „Was ist deine letzte Erinnerung?“ „Wie?“ Setos Stirn legte sich in Falten und ein Mundwinkel hob sich. „Sex natürlich. Als würde ich das vergessen.“ „Ehrlich?“ Katsuya sah mit plötzlicher Müdigkeit auf seinen Freund hinab. Bei allen Göttern, fing er jetzt auch schon an, wie Seto plötzlich umzuschalten? Seto schluckte und wandte den Blick ab. Er schien bemerkt zu haben, dass das hier nicht ziehen würde. Nicht noch einmal. Mit einem Seufzen griff er nach einem Kissen, lehnte es gegen die Rückwand und setzte sich auch auf, bevor er sprach: „Ja, ehrlich. Ich erinnere mich an den kompletten Tag. Ich stand neben mir selbst und konnte mein Verhalten überhaupt nicht beeinflussen, aber ich erinnere mich an alles.“ „Seto, wer war das?“ Katsuya ließ den Kopf nach hinten gegen die Wand sacken. „Mit wem habe ich den heutigen Tag verbracht?“ „Mit mir“, antwortete er sofort, bevor seine Stimme unsicherer wurde, „mit ... einem meiner mirs.“ „Seto, wie viele mirs gibt es? Ehrliche Antwort, bitte.“ Es half, dass sie sich nicht ansahen. Katsuya hatte keine Ahnung, was Seto für einen Gesichtsausdruck hatte, aber zumindest war seine Stimme ernst und ruhig. Wenn sich auch ein leichtes Zittern hinein gemischt hatte, als er erwiderte: „Ich weiß es nicht.“ Katsuya schloss die Lider. Na wunderbar. Zumindest verneinte Seto nicht, dass da noch mehr waren. Also mindestens vier verschiedene Persönlichkeiten. Auf, auf, der Zähler lief – mal sehen, bei wie viel sie am Ende ankommen würden. „Wie wahrscheinlich ist es, dass es noch mehr gibt?“ „Ich ... weiß nicht“ Die Stimme klang den Tränen nahe. Obwohl es ANP-Seto war. Der, der fast nie weinte. Der, der fast immer stark war. Wahrscheinlich überlastete Katsuya ihn. Er sollte irgendwie einlenken, bevor die Angst ins TI umschlug. „Na gut“ Er griff nach Setos Hand und schloss seine fest darum. „Wir werden es wohl nach und nach heraus finden.“ „Du ... du bleibst bei mir?“ Aus Setos Stimme sprach absolute Verwunderung. Hatte er erwartet, dass das ihr Trennungsgespräch werden würde? Kein Wunder, dass er den Tränen nahe war! Für die Angst hatte er sich formidabel gehalten. Er hatte Katsuya nicht ansatzweise angefleht, ja bei ihm zu bleiben. Hatte er das TI also wirklich früh genug gestoppt. „Sicher“ Katsuya hob die Hand und küsste den Handrücken, wie er es vorhin beim jugendlichen Seto gemacht hatte. „Keine Sorge, mich wirst du nicht mehr los. Zumindest, wenn ich noch ein paar ehrliche Antworten kriege.“ „Jederzeit“ Seto zog die ineinander verschlungenen Hände auf seinen Schoß und legte seine zweite darüber. „Warst ... warst du sauer, weil ich so viele Persönlichkeiten habe?“ „Warum zur Hölle sollte mich das sauer machen?“ Katsuya legte lächelnd die Stirn in Falten und sah zu dem Anderen hinüber. „Warum glaubst du überhaupt, dass ich sauer war?“ „Weil ... du hast ja letzte Nacht drüben geschlafen. Ich dachte, das sei vielleicht wegen der Sache mit Bakura. Mit meiner EP. Vielleicht hat es dich geschockt, dass ich mich irgendwie nicht unter Kontrolle zu haben scheine und ... und dann war dir das zu viel. Dachte ich.“ „Du hast dir eine Menge Gedanken gemacht, was?“ Katsuya lächelte sanft und beließ seinen Blick auf Seto, welcher eher sporadisch zu ihm hinüber sah. „Nein, der Grund war ein ganz anderer. Meine Hand hast du mir verletzt“ Katsuya hob besagte, die mittlerweile nur noch dumpf schmerzte. „Aber du hast das vergessen. Und nachdem wir darüber sprachen, hast du es erneut vergessen.“ „Oh“ Das war alles, was Seto im ersten Moment hervor brachte. Er legte seinen Blick auf Katsuya und sah diesen mit geweiteten Lidern an. Man konnte die Rädchen in seinem Kopf praktisch rattern sehen. „Oh! Oh shit ... ich ... ich habe dir weh getan?“ Katsuya nickte nur stumm. „Das ... oh Hilfe, das tut mir unglaublich Leid. Nicht schon wieder. Ich ... ich dachte, zumindest das hätte ich langsam unter Kontrolle ... der Arzt sagte, es sei alles in Ordnung, oder? Ich habe dir nichts gebrochen?“ „Alles heile, tut nur weh“ Irgendwie war er ja schon süß, oder? Auch wenn er sich wirklich wie der Mittvierziger anhörte, den er als sein Alter angab. „Und du hast dich schon mehrfach entschuldigt. Das ist längst vergeben und vergessen.“ „Gut“ Die Luft wich aus seiner Lunge. „Dann ... was hat dich denn dann sauer gemacht?“ „Ich war nicht sauer, ich war vollkommen fertig. Ich wusste, dass du dissoziativ bist. Ich wusste, dass das manchmal zu Amnesie führt. An dem Abend, wo du dich von mir getrennt hast“ Katsuya unterbrach sich selbst, indem er tief schluckte. „Bei unserem Streit ... da wusstest du am nächsten Morgen auch nicht mehr, was geschehen war. Woher die Narbe auf deiner Wange kam. Aber das war auch wirklich eine ziemlich extreme Situation. Ich dachte, wenn du amnestisch wirst, dann nur bei diesen wirklich extremen Situationen. Nicht ... nicht einfach so.“ Seto schluckte hörbar. Sein Blick blieb starr auf die gegenüber liegende Wand gerichtet. Nach einigen Momenten schloss er die Lider und atmete tief durch. So verharrte er einen Moment, bevor er erstaunlich ruhig erwiderte: „Du hast recht, ich kann mich absolut nicht erinnern. Aber ich habe dir anscheinend weh getan und die Situation zweifach verdrängt. Also war sie für mich wirklich extrem, sonst hätte ich nicht so heftig reagiert. Auch, wenn ich gerade selbst etwas zweifle, ich bin sicher, dass ich mich zumindest so weit unter Kontrolle habe, dass mein TI nicht frei herum rennt.“ Katsuya nickte. Ja, in Endeffekt stimmte das schon. Auch wenn vielleicht nicht ANP-Seto diese Kontrolle war. Die Sache mit der dissoziativen Identitätsstörung hatte ihn so aufgeregt. Andererseits sprach er jetzt ganz ruhig darüber, dass da vielleicht noch mehr Persönlichkeiten waren. Vielleicht war es gar nicht die Sache mit der Krankheit, die ihn aufgeregt hatte? Vielleicht war es etwas ganz anderes gewesen. Etwas Unscheinbareres. Etwas ganz anderes. Er konnte ja kaum behaupten, dass er bereits alle Macken von Seto kannte. Katsuya nickte langsam und meinte: „Ja ... ja, das macht Sinn. Ich weiß nur nicht, was dich aufgeregt hat. Es hat mich geschockt. In meinen Augen bist du aus dem Nichts heraus gewaltätig geworden und hattest von einer Sekunde auf die andere alles vergessen. Das ... das war ein bisschen gruselig.“ „Tut mir Leid“, flüsterte Seto und ließ erneut eine längere Pause, „weißt du ... manchmal sind es auch die Halluzinationen. Manchmal sehe, spüre, höre, schmecke oder rieche ich Dinge, die eigentlich gar nicht da sind und es wirft mich in Flashbacks. Gerade jetzt, wo die Tabletten das nicht mehr unterdrücken. Vielleicht war es so etwas. Vielleicht habe ich plötzlich etwas gesehen, das ... das mich verstört hat.“ Scheiße. Die Halluzinationen und Flashbacks. Das hatte er ja vollkommen vergessen! Seto sah alle paar Minuten irgendwie erschreckende, verängstigende Erinnerungen. Immer mehr, je weiter weg er von den Tablettenwirkungen war. War es wirklich sinnvoll gewesen, ihm die weg zu nehmen? „Kann man da nichts gegen machen?“ Katsuya festigte den Griff um Setos Hand. „Irgendwelche Tabletten ... irgendwelche, die dir nicht schaden? Die nicht gefährlich sind?“ „Hah!“ Seto lachte trocken. „So etwas gibt es nicht. Alle Tabletten sind gefährlich. Die Dosis macht das Gift, Katsuya. Erinnerst du dich noch an Natsuki aus der Psychiatrie? Oder Herrn Yagutsi?“ Er nickte nur. Natsuki war das Mädchen mit den Vergiftungsängsten. Herr Yagutsi der nette Herr, der seine Frau mit einer Kettensäge bedroht hatte. Die beiden hielt er immer noch für weit verrückter als Seto. „Die haben auch beide Hallzuniationen. Einige Schizophrene – wenn auch bei weitem nicht alle – haben solche Sinnestäuschungen. Auch sie sehen, hören, schmecken, riechen und fühlen Sachen, die gar nicht da sind. Bei ihnen kommt das durch Fehlschaltungen im Hirn und falsch feuernde Neurone. Bei mir sind das Vorboten meiner Flashbacks. Produkte meiner Angst. Daher wirken die Medikamente, die bei Schizophrenen diese Sinnestäuschungen unterdrücken, bei mir nicht. Denn meine haben einen ganz anderen Grund“ Seto wagte es, den Blick etwas länger auf Katsuya zu legen. Ähnlich wie bei Yami schienen fachliche Themen ihm Stärke zu geben. „Es gibt Medikamente gegen Schizophrenie, die gegen diese Sinnestäuschungen extrem wirksam sind. Wenn man die mir gibt, drehe ich dagegen völlig ab. Sie schalten nämlich als allererstes die Kontrolle über meine inneren Persönlichkeiten aus. Wutausbrüche des TIs wechseln mit Heulattacken meiner EP und ich kann nichts mehr steuern. In den Momenten, wo ich ich selbst bin, versuche ich mich umzubringen, um dem ein Ende zu machen“ Seto ließ eine kleine Pause. „Das passiert, wenn man mir Medikamente gegen Halluzinationen gibt.“ „Shit“, murmelte Katsuya nur. „Haldol ist das einzige, das halbwegs normal wirkt. Das ist eigentlich auch eines dieser Medikamente gegen Halluzinationen und zur Beruhigung. Aber bei mir wirkt es ganz normal, so wie es sollte. Allerdings hast du mich schonmal unter Haldol gesehen ... bevor ich in die Psychiatrie kam.“ „Das, was dir unser Hausarzt gespritzt hat?“ Seto nickte und fuhr fort: „Unter Haldol kann ich nichts mehr außer Rumliegen. Okay, ich kann mich noch minimal bewegen, aber denken oder arbeiten ist einfach nicht mehr möglich. Es gibt mir zwar Ruhe, aber der Preis ist zu hoch.“ Katsuya nickte nur stumm. „Die ganzen anderen Tabletten, die ich genommen habe, die waren größtenteils angstlösend. Denn wenn ich wenig Angst habe, dann kommen auch nicht so viele Flashbacks. Aber ... sie machen halt abhängig und verändern die Persönlichkeit.“ Einen weiteren Moment herrschte Schweigen, in dem Katsuya darauf wartete, ob Seto noch etwas hinzufügen wollte. Da dem nicht so schien, fragte er schließlich: „Bist du Yami böse, dass er sie mitgenommen hat?“ Setos Blick wandte sich wieder zur Wand und er seufzte leise. Sein Kopf sackte in Richtung seiner rechten Schulter, bis er in fünfundvierzig Grad gehalten wurde. Nach einem tiefen Einatmen antwortete er: „Nein ... nein, ich glaube, es ist besser so. Aber wenn es dir zu viel wird, halte ich mich lieber mit illegalen Tabletten stabil, als dass ich dich verliere.“ Katsuya schluckte. „Bitte versteh doch“ Seto wandte sich ihm ruckartig zu, zog sogar die Beine an und drehte sich komplett zu ihm. „Ich ... das ist auch für mich nicht einfach. Das macht mich auch fertig. Andauernd irgendwelche Erinnerungen, die ich nicht haben will. Bilder, von denen ich nicht einmal weiß, ob sie wahr sind oder ob sie nur ein Produkt von zu viel Angst und einer blühenden Phantasie sind. Was ich sehe, macht mir Angst. Es verstört mich. Ich halte das nur aus, weil du bei mir bist. Aber wenn du nicht da wärst ... ich würde sowieso direkt wieder alle Tabletten in mich pumpen, die ich finden kann, denn allein halte ich das nicht aus. Also, wenn es zu viel wird, dann sag das bitte. Vielleicht muss ich erst stabiler werden, bevor ich mit all dem umgehen kann. Vielleicht brauche ich die Betäubung einfach noch etwas länger. Wenn ich jetzt absolut außer Kontrolle laufe, dann kann das nicht der richtige Weg sein. Und dann ist es besser, wenn ich die Tabletten wieder nehme.“ Bei allen Göttern. Was jetzt? Seto durfte die Tabletten nicht wieder nehmen. Aber wenn er sonst völlig abdrehte ... was wusste er denn schon davon? Er konnte das doch gar nicht beurteilen! Er war doch kein Arzt. Katsuya blinzelte. Aber natürlich! Das war die Lösung! „Wenn du völlig aus dem Ruder läufst, dann gehen wir zu deinem Arzt und du erzählst ihm all deine Tabletteneskapaden. Und wenn er dann sagt, dass du dann diese oder jene Tablette doch nehmen sollst, dann nimmst du sie auch. Aber wenn nicht, dann nicht.“ Seto betrachtete ihn stumm. Katsuya wich dem Blick nicht aus. Er wusste nicht, wie lange es dauerte, ob Minuten oder Stunden, aber schließlich nickte Seto. Erleichtert zog Katsuya ihn in seine Arme. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)