Delusive Society von Gepo (Dritter Teil der DS-Reihe) ================================================================================ Kapitel 79: Zu viel ------------------- Huch? Ist es nicht Samstag? Warum ein neues Kapitel? Nun, ich würde ja gern sagen, weil mich eure Kommentare zum letzten Kapitel extrem begeistert haben (was natürlich stimmt), aber der wahre Grund ist, dass ich morgen Abend in Köln/Bonn und am Montag auf Zypern bin und wahrscheinlich kein Internet haben werde. Ich verabschiede mich also mit diesem Kapitel in den Urlaub ^.- Das nächste gibt es regulär wieder am Montag (übernächste Woche) :) Viel Spaß beim Lesen! _______________________________________________________________________________________________________ Katsuya schloss mit einem Seufzen die Lider wieder. Wollte er wirklich aufstehen? Seto hatte nur das Licht angeschaltet und war wieder gegangen. Er könnte es auch ignorieren. Er könnte einfach sagen, dass er sich krank fühlte. Mit einem Seufzen setzte er sich auf und betrachtete mit schlaftrunkenem Blick den Raum. Mokubas Zimmer. Mokuba … kein Wunder, dass er Drogen genommen hatte. Vielleicht war das der einzige Weg, Seto auf Dauer auszuhalten. Katsuya schüttelte den Kopf ob seiner morbiden Gedanken. Nein, er war harmlos. Krank, aber prinzipiell harmlos. Die Krankheit ließ einen nur völlig verzweifeln. Sein Blick wandte sich zur Tür. Andererseits machte sie Seto zu einem wirklich liebenswürdigen Kerl. Wie Yami gesagt hatte, er hatte sicher schon irgendwo eine Krankschreibung bereit liegen. Katsuya könnte einfach sagen, dass er sich scheiße fühlte und er dürfte zuhause bleiben. Aber das war auch nur wegrennen. Nur, weil er gerade das Gefühl hatte, dass ihm alle Probleme über den Kopf wuchsen, konnte er sich nicht einfach zusammen rollen und hoffen, dass sie vorbei gehen würden. Früher oder später müsste er sich seinen Mitklässlern stellen. Früher oder später musste er sich den Tests für seine Gesundheit stellen. Und dem Gedanken, irgendwann wieder richtigen Sex zuzulassen, davon mal ganz zu schweigen. Und irgendwann musste er sich Seto stellen. Er hatte verunsichert genug ausgesehen, als Katsuya gestern angekündigt hatte, in seinem eigenen Zimmer zu schlafen. Seto wusste einfach nicht, dass irgendetwas falsch war. Er konnte sich nicht daran erinnern. Mit einem weiteren tiefen Seufzen vergrub Katsuya sein Gesicht in seinen Händen. Seto war ein Problem, das er absolut nicht haben wollte. Seine Klassenkameraden waren okay. Das bekam er hin. Die Krankheiten, ja, das packte er. Selbst den Sex, wenn es denn sein musste. Aber Seto war zu viel. Klein-Seto gern, das TI, wenn es sein musste, aber nicht noch mehr. Okay, der schüchterne Seto war auch noch in Ordnung, aber nicht noch mehr. Nicht noch mehr Persönlichkeiten. Diese bettelnde Opfer-TI-Form war ihm schon zu viel gewesen. Was, wenn Seto wirklich noch mehr Persönlichkeiten hatte? Was, wenn er noch irgendetwas Gruseligeres als diese zwei TI-Formen zu bieten hatte? Er schnaubte und schüttelte den Kopf über sich selbst. Tja, schreiend wegrennen war gerade nicht drin. Musste er halt irgendeine Lösung finden. Vielleicht sollte er doch schon heute zu Yami gehen. Einfach, damit das weg war. Damit irgendwer ihm sagte, dass egal, was noch kommen würde, er das Schlimmste langsam hinter sich hatte. Selbst, wenn es eine Lüge war. Bei allen Göttern, warum war sein Leben so scheiße? Eine sarkastische Stimme in seinem Kopf meinte, weil alles Gute seinen Preis hatte. Katsuya grinste nur. Wenn Seto Persönlichkeiten haben durfte, durfte er auch sarkastische Stimmen haben, die erstaunlich nach Seto klangen. Mit einem Lächeln stand er auf und ging duschen. Seto war wirklich wie immer. Sogar fröhlicher als sonst. Er servierte Katsuya lächelnd einen Kakao und packte die Frühstücksbox selbst in Katsuyas Tasche. Vielleicht wusste er irgendwo ganz tief im Hinterkopf doch noch, dass er Mist gebaut hatte, auch wenn sein Bewusstsein das nicht mehr wusste. Katsuya sah dem Ganzen lächelnd zu. Er ließ sich küssen, jedes Mal, wenn Seto an seinem Stuhl vorbei kam. Alles in allem war alles wie immer, hätten sie keine Probleme. Aber wann hatten sie mal keine Probleme? Ehrlich, war dieses „wie immer“ nicht nur seine Wunschvorstellung, wie es wäre, wären da keine Probleme? Katsuya seufzte tief. „Lässt dich der Gedanke an deine Klassenkameraden so seufzen?“, fragte Seto nach, der auf der anderen Seite des Frühstückstisches saß. „Ach was“ Katsuya schloss die Lider und nahm einen Schluck Kakao. „Das wird schon. Haben wir heute einen Arzttermin?“ „Eigentlich nicht, wieso?“ Ganz leichte Fältchen legten sich zwischen Setos Augenbrauen. „Mach bitte einen aus. Ich bin gestern irgendwie mit der Hand falsch aufgekommen und es tut immer noch weh“ Und war das nicht traurig, wie leicht ihm diese Lüge von den Lippen ging? „Und wenn wir sowieso unterwegs sind, können wir einkaufen gehen. Unsere Vorräte neigen sich mal wieder. Schreibst du eine Einkaufsliste?“ „Während ich das alles gern tue, oh du mein Schatz, mag ich dich daran erinnern, dass du vor mir aus hast und eher hier bist als ich“ Und wie Seto gar nicht nachfragte, was mit seiner Hand war … interessant, was für Kleinigkeiten einem auffielen, wenn man darauf achtete. Setos Unterbewusstsein steuerte sein komplettes Handeln. In jeder anderen Situation hätte er nachgefragt. „Ja, aber ich habe Hausaufgaben“ Katsuya seufzte. „Und Schreiben und Kunst wird mit der schmerzenden Hand schlimm genug. Ich hoffe, bis heute Nachmittag lässt das langsam nach.“ Seto nickte nur und schlug die Zeitung auf. Katsuya ließ seinen Blick zum Fenster schweifen. Über Nacht schien es geschneit zu haben, denn ihm strahlte jede Menge Weiß entgegen. Ein Glück, dass er mit der U-Bahn fahren konnte. Der restliche Verkehr würde bestimmt ein einziger Horror sein. Er nahm sein Brot mit der Linken und biss etwas lustlos hinein. Welch eine paradoxe Idylle. Ein Frühstückstisch voller Köstlichkeiten, ein glücklicher Freund, weißes Neujahr und er konnte nicht einmal lächeln. Und Seto, dem sonst jede kleinste Regung auffiel, würde nicht nachfragen. Sein Unterbewusstsein befahl es ihm. Und natürlich konnte er sich dagegen nicht wehren. Vielleicht würde er es nicht einmal bemerken, würde Katsuya den Tränen freien Lauf lassen, die er aufwellen spürte. Er atmete tief durch und biss ein weiteres Stück Brot ab. Katsuyas Mundwinkel zuckte in die Höhe. Ging er nicht mittlerweile zur Oberschule? Er schüttelte den Kopf über die drei Schüler, die sich eine Schneeballschlacht lieferten. Na ja – andererseits war das Problem, das ihn erwartete, ja auch eine Horde Schüler, die ihn mit Fragen zu seiner Beziehung mit Seto bestürmen würden. Den Begriff erwachsen sollte man da wohl eher relativ nehmen. Das leichte Heben seiner Mundwinkel wurde zu einem echten Lächeln, als er den Gang entlang ging. In jeder Klasse saßen Schüler in kleinen Gruppen zusammen und berichteten begeistert über ihre Ferien. Die einen über Ausflüge, die anderen über Einkäufe, ein paar über schmutzige Details ihrer Weihnachtsfestivitäten. Katsuya seufzte. Sein Weihnachten war auch ziemlich schmutzig gewesen. Nur leider nicht ansatzweise angenehm. Das Lächeln war aus seinem Gesicht gewichen, als er sein eigenes Klassenzimmer betrat. Es sprang jedoch wieder ansatzweise auf seine Züge, als er Ryou bei den vier Mädchen sitzen sah. Hatte er sich also doch getraut. Katsuya ging zu ihnen hinüber. „Guten Morgen, allerseits.“ „Morgen!“, grüßten sie ihn im Chor, als hätten sie es einstudiert. „Ich entschuldige mich sehr, dass ich euch vor zwei Wochen habe sitzen lassen“ Er zog sich einen Stuhl ran. „Können wir das mit dem Karaoke nachholen?“ „Sicher“ Ayumi grinste. „Ryou erzählt, du lagst die Ferien erkältet im Bett. Stimmt das oder willst du uns nur irgendwelche interessanten Details verschweigen?“ Katsuya schluckte. Danke für den Versuch, Ryou … er seufzte. Natürlich wollte er etwas verschweigen. Aber das waren sicher keine Details über Seto. Er antwortete mit müder Stimme: „Nein, ich war krank. Ich fühle mich immer noch nicht wieder ganz auf der Höhe.“ „Oh … sorry“ Ayumi seufzte. „Wäre auch zu schön gewesen. Keine tolle Weihnachtsfeier?“ Was hatte er eigentlich für ein Glück heute? Er schluckte die Wut und antwortete stattdessen: „Nein, keine tolle Weihnachtsfeier. Wie waren denn eure Ferien?“ Wenigstens waren sie ablenkbar. Und weiblich. Das Vorurteil stimmte, Frauen konnten sehr viel mehr reden als Männer. Er ließ sich mit einem Halblächeln ein Ohr abkauen über Blind Dates, neue Schminke und Festessen, bis ihre Lehrerin ihn erlöste. Nun ja, es war selten genug, dass er froh über Lehrer war. Und Unterricht. Man konnte so schön abschalten. Er schlürfte zu seinem Platz und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Nachdem er Heft und Schreibzeug raus gekramt hatte, bemerkte er etwas Weißes in seinem Pultfach. Während die Lehrerin vorne den Unterricht begann, zog er einen Zettel hervor und faltete diesen auf. „Du wirst bluten, Schwuchtel!“ Katsuya seufzte. Na super. Auf der einen Seite begeisterte Mädchen, die ihm jetzt wenigstens glaubten, dass er nicht zu haben war und auf der anderen Seite irgendwelche homophoben Idioten. Katsuya sah über die Schulter und richtete seinen Blick auf Hijiri. Hatten sie sich nicht ausgesprochen nach der letzten Aktion? Reichte es ihm nicht im Krankenhaus gelandet zu sein? Hijiri, der den Blick bemerkt zu haben schien, runzelte die Stirn und wechselte den Blick zwischen Tafel und Katsuya hin und her. Er hob nur den Zettel, den der andere eigentlich von seinem Platz aus noch müsste lesen können. Nach nur einer Sekunde weiteten sich Hijiris Lider, er sah auf und schüttelte vehement den Kopf. Gut. Er hatte also doch ein Gehirn gefunden. Katsuya nickte und wandte sich selbst der Tafel zu. Wen ließ das übrig? Die anderen in der Klasse waren eher Mitläufer gewesen. Einer hatte mal diesen Kommentar Le-Long gegenüber gegeben, aber das wirkte nicht feindselig genug, um so eine Aktion zu bringen. Das ließ nur die Schüler anderer Klassen. Zum Beispiel seine alte Klasse. Nein … das würde sich keiner trauen. Aber die, die ihn nicht kannten, vielleicht. Die oberste Klassenstufe. Ja, die könnten blöd genug sein. Er griff in die Hintertasche seiner Hose. Gut, sein Messer war da. Drei oder vier würde er in Schach halten können. Mehr, wenn sie unerfahren waren. Allerdings gab es auch gangähnliche Verbünde an der Schule. Keine in seiner Preisklasse, aber immer noch lästig genug. Er musste den Anführer dieser Aktion finden und ausschalten. Er hatte keine Lust auf Überraschungsangriffe. Er hatte keine Lust, Angst zu haben. Erst recht nicht vor Kindern. Der Tag war ein halbes Desaster, aber irgendwie meinte es jeder gut. Seiner Kunstlehrerin musste er gestehen, dass er all seine Kunstsachen – und damit auch ihre Hausaufgabe – verloren und noch nicht einmal neue gekauft hatte. Aber statt sauer zu werden, seufzte sie nur tief und fragte ihn, ob es etwas Künstlerisches gab, was er schon immer machen wollte. Er bat um Kohle und bekam diese auch, sodass er die Doppelstunde extrem gut gelaunt verbrachte. Kohlezeichnen war nicht einfach, aber es bot eine Menge Möglichkeiten, die ihm sehr gefielen. In der Mittagspause fragte eine schüchterne, weibliche Stimme, ob sie sich zu ihnen setzen durfte. Es war sogar Mina, die fragte. Ayumi hatte sich einfach einen Stuhl ran gezogen und sich gesetzt. Sie hatten zwar noch nie zusammen gegessen, aber anscheinend sah die junge Chinesin in der ganzen Sache gar kein Problem. Allerdings tat er das auch nicht und lud die drei anderen Mädchen ein, sich zu setzen. Es war schon irgendwie spannend, wie sowohl Karin, Mitsuki als auch Ryou allesamt den Boden anstarrten, als alle Platz nahmen. „Guten Appetit“, wünschte Katsuya und machte sich über seine Lunchbox her. „Guten Appetit“ Minas Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Katsuya?“ Er sah mit vollem Mund auf. „Macht dir Herr Kaiba das Essen?“ Ah ja. Los ging es also. Er nickte und aß weiter, als wäre das nichts Großes. Ja, sein Freund machte ihm Frühstück und Essen zum Mitnehmen. Dafür kochte er Abendessen. So war das Leben, wenn man zusammen lebte. Aber das war wahrscheinlich meilenweit von dem entfernt, was sich diese Mädchen vorstellen konnten. Ihre Realität waren Händchenhalten und verbotene Küsse in aller Heimlichkeit. Liebesbriefe waren schön und gut, aber leider nur das Produkt jugendlicher Übermütigkeit. Auch wenn ein Liebesbrief von Seto schon etwas hätte … „Uhm … heißt das, ihr lebt zusammen?“ Mina war hochrot und ihre Stimme ein halbes Stottern, aber ihre Neugier schien weit größer als ihre Scham zu sein. Irgendwie brachte ihn das zum Lächeln. Vielleicht sollte er ihnen einfach die Wahrheit sagen statt sich alles aus der Nase ziehen zu lassen. Er antwortete: „Ich bin zuhause nicht so schrecklich gut behandelt worden. Er war der erste Mensch, dem ich seit langer Zeit wieder vertraut habe. Ich habe ihm erzählt, was damals geschah und er war einverstanden, mich aufzunehmen. Er hat das Jugendamt informiert und war bei mir bei der Verhandlung gegen meinen Vater. Und irgendwo dazwischen haben wir uns ineinander verliebt.“ Das zog selbst den Blick der schüchternen Mitsuki auf ihn. Auf den Gesichtern der Mädchen mischte sich Unglaube, Schrecken und Unsicherheit. Damit hatten sie augenscheinlich nicht gerechnet. Katsuya seufzte leise. Hatte er es übertrieben? „Die … die blauen Flecken … und …“, stotterte Mina leise. „Sind von meinem Vater. Ja“ Er strich den mittlerweile fast bis zum Kinn reichenden Pony zur Seite, sodass seine Narbe kurz sichtbar wurde. Er musste wirklich zum Frisör. Andererseits würde man sie dann immer sehen. „Alle.“ „A- aber … welche Eltern würden so etwas tun?“ Karins Blick hatte vom vorherigen Schwanken in Unglauben gewechselt. Katsuya seufzte. Bei allen Göttern, wie er das hasste. Natürlich, wie sollten sie sich das auch vorstellen können? Sie lebten in einer schönen Welt. Der guten Welt. Wie er diese Gören hasste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)