Delusive Society von Gepo (Dritter Teil der DS-Reihe) ================================================================================ Kapitel 67: Der wahre Seto -------------------------- Ich mag eure Weltuntergangsszenarien sehr :) Um zu spoilern, man kann diese Situationen auch entschärfen. Auch die hoffnungsloseste Situation lässt sich mit wenigen Worten retten. Das hat Seto schon ein paar mal getan und wir haben hier schließlich eine lerngierigen Jugendlichen, der noch jung genug ist, um seine Verhaltensweisen bei Bedarf zu ändern. Viel Spaß beim Lesen! _________________________________________________________________________________ Seto schluchzte leise. In sich selbst zusammen gerollt tat er nichts, als zu weinen. Hin und wieder durchbrach sein Atmen, sein Luft einziehen die Stille, aber keine Worte kamen über seine Lippen. Mit jeder weiteren Sekunde wuchs die aufgestaute Wut in Katsuya mehr und so war es wohl kein Wunder, dass er schrie, als Seto schließlich doch einen Satz mit „Es tut mi-“ begann: „Du verdammter Mistkerl! Wenn du so eine scheiß Angst hast, dann steh gefälligst dazu und verhalte dich auch so. Aber anständig und nicht mit diesem jämmerlichen Rumgeheule. Als du sauer warst, hattest du auch kein Problem, 'nen anderen Kerl in unserem Bett oben zu vögeln, also flenn' hier nicht rum, dass ich dich nicht verlassen soll. Du hast wieder und wieder dein Bestes getan, um mich loszuwerden und ich habe dich trotzdem nicht verlassen. Also kratz endlich ein bisschen von dem Ego zusammen, was du sonst an den Tag legst und vertrau' mir, dass ich dich liebe! Dann brauchst du mir weder mit Selbstmord zu drohen noch dazusitzen wie das letzte Häufchen Elend und mich anzubetteln, dass ich bleibe.“ Der braune Schopf hob sich langsam und blaue Augen sahen scheu über Setos Knie hinweg. Katsuya atmete tief durch, schloss für einen kurzen Moment die Augen und fragte dann sehr viel ruhiger: „Das ist ziemlich inkonsequent, oder? Dir zu sagen, dass du du selbst sein sollst und nicht ein ängstlicher Jammerlappen, wenn dein wahres Selbst wahrscheinlich dieser ängstliche Jammerlappen ist.“ Seto blinzelte nur. „Okay, ängstlicher Jammerlappen ist ziemlich scheiße von mir. Ich weiß ja, warum du so Angst hast. Ist ja auch irgendwie gerechtfertigt, wahrscheinlich wäre jeder andere dir schon längst davon gerannt“ Katsuya ließ sich mit einem Seufzen zurück auf das Sofa fallen. Er klopfte auf sein Knie und benutzte eine Stimme, als würde er einen Hund befehlen. „Komm her, Seto.“ Der Kopf zog sich zurück zwischen die hoch gezogenen Schultern. „Komm her, ich bin nicht mehr sauer“ Er streckte die Hand in Setos Richtung aus. „Na los. Ich will dich nur in den Arm nehmen.“ Die blauen Augen betrachteten ihn argwöhnisch. Er blieb einfach ruhig und erwiderte den Blick. Nach sicherlich einer halben Minute des gegenseitigen Anstarrens fiel Setos Blick auf die ausgestreckte Hand und er ließ sich nach vorne fallen, bis er kniete. Ganz langsam einen Arm oder ein Bein bewegend krabbelte er die Couch hinunter, die Augen dabei stets auf Katsuyas Gesicht gerichtet. Als er nah genug war, schloss Katsuya ebenso langsam – er wollte ihn bloß nicht erschrecken – die Arme um ihn und zog Seto auf seinen Schoß. Wieder einmal musste er bemerken, dass Kerle von über zwei Meter Stockmaß keine Fliegengewichte waren. Egal, er zog dessen Oberkörper an sich und bettete Setos Kopf auf seine Schulter. Der Körper unter seinen Händen war zutiefst angespannt, jeden Moment bereit zur Flucht. Daher legte er einfach nur die Arme locker um Setos Taille und hielt ihn, bis er sich langsam entspannte. Das dauerte zwar einige Minuten, aber diesmal wollte er sich Zeit lassen. Er hatte diese Situationen mit Seto heute oft genug verkackt, wenigstens diese hier sollte er richtig machen. Die komplett angespannten Muskeln schmiegten sich nach und nach an seine Haut und das Gewicht auf ihm wurde schwerer. Setos Atem, den er auf seiner Haut spüren konnte, wurde tiefer und langsam und der Herzschlag, den er mit dem Arm an Setos Bauchdecke spüren konnte, beruhigte sich nach und nach. Er setzte einen Kuss auf das braune Haar. „Hör zu“ Er holte tief Luft und raste noch einmal durch die Worte, die er sich zurecht gelegt hatte. „Ich möchte, dass du ehrlich bist. Ich möchte, dass du du selbst bist. Auch wenn ich diesen Menschen vielleicht weniger mag. Aber ich will nicht angelogen werden.“ Seto nickte an seiner Schulter. Natürlich hatte er sich mit dem ersten Wort wieder angespannt, doch zum Glück nicht so schlimm. „Ich ziehe jedoch eine Linie“ Er ließ eine Pause, um Setos Reaktion zu beobachten. Da er sich nicht total verspannte, fuhr er fort. „Ich möchte, dass du dich nie wieder für den Menschen entschuldigst, der du bist. Ja, du hast ein Recht, dich scheiße zu finden, aber nein, das brauchst du mir nicht sagen. Ich liebe diesen Menschen nämlich und deine Worte machen mich wütend“ Seto atmete tief aus und die Verspannung wich sogar wieder ein Stück. „Auch will ich nie wieder hören, dass du alles tun würdest, damit ich bei dir bleibe. Das erweckt in mir nur die Lust, auf dich einzuschlagen, weil ich das jämmerlich finde. Und weil es mir Angst macht, dass du mir nie sagen würdest, wenn dich etwas an mir stört. Wir sind gleichberechtigte Partner. Alles andere will ich nicht. Stell dich nie wieder unter mich“ Ein weiteres Nicken. Anscheinend hörte Seto ihm wirklich aufmerksam zu. „Und drittens wirst du mir nie wieder mit Selbstmord drohen oder sagen, dass du ohne mich nicht leben kannst. Ich bin freiwillig hier und das will ich auch bleiben. Nicht, weil ich mich gezwungen fühle, bei dir zu bleiben, weil du dir sonst etwas antust. Denn dafür würde ich dich nur hassen.“ Diesmal brauchte es einen Moment, bis Seto nickte, doch er tat es. „Gut. Wiederhole, was du verstanden hast“, befahl Katsuya. Irgendwie war das hier verkehrte Welt. Er hörte sich an, wie Seto sonst und Seto so wie er. Nein, schlimmer als er je gewesen war. „Ich sage nie wieder, dass ich scheiße bin oder entschuldige mich für mich. Nur für meine Handlungen, nicht für meinen Charakter. Ich sage nie wieder, dass ich alles tue, damit du bei mir bleibst. Ich versuche, mir selbst zu sagen, dass wir gleichberechtigt sind und ich nicht alles irgendwie Mögliche tun muss, damit ich deine Gefühle wert bin“ - wow, das zeugte ja wirklich von Verständnis … das hatte er gedacht? - „Ich drohe dir nie wieder mit Selbstverletzung, um dich an mich zu binden. Und ich versuche weiterhin, mich wirklich nicht zu verletzen.“ Katsuya hob Setos Gesicht und küsste ihn als Belohnung. Drachendressur gelungen. Oder Prinzessinnendressur, wenn er an vorhin dachte. Lächelnd umarmte er den anderen richtig und zog ihn fest an sich. „Katsuya?“ Setos Stimme klang wieder nach seinem normalen Selbst, wenn auch unsicherer als sonst. „Ich … ich weiß, das ist vielleicht etwas dreist und viel zu schnell, aber für den Fall, dass es dir vielleicht doch nichts ausmacht, also … das ist nur eine Frage, keine Aufforderung-“ „Seto, du brabbelst“, in Katsuyas Stimme schwang Amüsement mit. Ihre vertauschten Rollen waren irgendwie interessant. „Ja, aber ich habe Angst, dass die Frage dich ausflippen lässt“ Das klang schon eher nach dem normalen Seto. „Würdest du mit mir schlafen?“ Katsuya verlor sein Lächeln mit einem Schlag. Das war doch wohl nicht sein Ernst, oder? „Ich, ich meine, ich dachte … wenn du oben liegst, vielleicht macht dir das dann nichts. Nur ein Gedanke. Ich weiß nicht, wie das ist … ich wollte es nur vorschlagen. Wenn es eine dumme Idee war, sag es einfach.“ Wenn er oben lag … Katsuya schluckte die Übelkeit wieder runter, die in ihm aufgestiegen war. Okay. Seto hatte nicht vorgeschlagen, es einfach auszuprobieren. Er hatte nur vorgeschlagen, dass sie es in einer Position machten, die Katsuya nicht an seine … nicht daran erinnerte. Er atmete tief durch. Sex … aber oben liegend … Sex … Seto brauchte das jetzt, aber wenn er da versagte, wäre das doch um so schlimmer, oder? Er wusste wirklich nicht, ob er das konnte. Andererseits hätte er am Freitag kein Problem gehabt, wenn er sich nicht an die … scheiße. „Was ist mit den Infektionen? Ich will dich nicht anstecken.“ „Dafür gibt es Kondome“ Die Angst, die vorher Furchen in sein Gesicht gezeichnet hatte, wurde durch verhaltene Hoffnung ersetzt. „Das klappt schon. Wir können vorsichtig sein“ Er biss doch wieder auf seine Unterlippe. „Hast du heute morgen an deine Tabletten gedacht?“ „Ja“ Katsuya schloss die Augen und seufzte. „Sie stehen im Bad. Da denke ich dran.“ Die Unterlippe schnellte unter Setos Zähnen hervor und schmiegte sich wieder an ihr Gegenstück. So schöne, küssbare Lippen. Seto war wirklich schön, aber ob er bei dem Anblick wirklich einen hoch bekam? Er wusste es ehrlich nicht. Gerade regte sich gar nichts. Vielleicht war es zu früh. „Ich … ich weiß nicht, ob ich es hinkriege. Bist du mir böse, wenn es dann doch nichts wird?“ Seto schüttelte fast wild den Kopf und lächelte. „Sag mal … könnte es sein, dass nicht nur deine Ängste und Wut stärker sind, wenn du die Tabletten nicht nimmst, sondern auch deine Freude?“ Ein Nicken mit demselben strahlenden Lächeln. „Nimm mir das nie wieder weg“, murmelte Katsuya und zog Seto an sich, um ihn zu küssen. Sein ehrliches Lächeln war schön. Seine strahlenden Augen, wenn er sich freute. Und irgendwie war es cool, mal der erwachsene, dominante Part zu sein. Oder so. Seto in seinen Armen, der mit Hoffnung zu ihm aufsah … scheiß auf seine Angst, er wollte es zumindest ausprobieren. Wenn Seto ihn so ansah, wer könnte denn da schon nein sagen? Er leckte über dessen Lippen, gab ihm einen tiefen Zungenkuss und flüsterte, nachdem er sich wieder ein Stück gelöst hatte: „Nach oben?“ An Seto gab es verschiedene Dinge, die ihn anmachten. Vor allen Dingen seine Augen. Wenn er erregt war, war da ein Brennen in seinem Blick, das einen in Flammen setzte. Die Bewegungen seiner Zunge ließen Katsuya auch öfter mal an Dinge denken, die nicht immer zur Situation passten. Das Spiel seiner Muskeln unter seiner Haut, besonders die seiner Schultern und seiner Beine waren auch mindestens eine Sünde wert. Aber das Heftigste war normalerweise seine Stimme, wenn er Sex wollte. Sie war tief und schien bis in seine Knochen zu dringen und sie vibrieren zu lassen. Diesmal war das alles anders. Setos Stimme hatte etwas Schüchternes und Aufgeregtes. Katsuya hatte keine Ahnung, wie sich Leute bei ihrem ersten Mal anhörten, aber ungefähr so hätte er sich das vorgestellt. So hätte er selbst sich angehört, wenn sie damals gesprochen hätten. Seine Lippen zeigten ein ebenso unsicheres Lächeln und seine Augen hatten zwar ein inneres Scheinen, aber eher so, als könnte er noch nicht glauben, dass er etwas bekam, was er sich sehr gewünscht hatte. Eigentlich hätte es Katsuya abschrecken müssen. Eigentlich hätte das nicht erregend wirken sollen. Aber irgendwie … das war einfach so völlig anders. Fast in Endlosspule fragte sein Kopf, ob er das wirklich wollte, ob ihn der Gedanke an Sex nicht ekelte, ob er nicht erschrocken, ängstlich oder ablehnend sein sollte, aber irgendwie … es war halt so verdammt anders. Das war ihr Schlafzimmer. Das hier war sein Freund – irgendeine neue und andere Version seines Freunds, aber immer noch sein Freund. Und er schien nicht den Hauch irgendeiner Erwartung zu haben. Eher schien er vorfreudig auf alles, was kommen würde und konnte. Die komplette Selbstsicherheit, die er sonst immer in dieser Angelegenheit gehabt hatte, schien völlig weggeblasen, aber das war irgendwie … es war anders, aber es war gut. Es war ein gutes Anders. Irgendwie. Scheiße, er konnte es nicht erklären, aber er wollte mit diesem Seto schlafen. Vielleicht wollte er nicht einmal mit ihm schlafen, aber er wollte, dass er sich gut fühlte. Er wollte ihn küssen und streicheln und im Arm halten. Seto hatte in ihm sonst immer den Wunsch ausgelöst, sich an seine Brust zu drücken und dort für immer zu bleiben. Dieser Seto … der löste eher den Wunsch aus, ihn hier einzusperren und nie wieder rauszulassen. Nicht in einem bösen Sinne. Eher in einem beschützenden Sinne. Es war komisch, aber es war gut. Katsuya hatte schon manchmal für Seto stark sein müssen, aber dieser Seto ließ ihn einfach stark fühlen. Es war komisch, weil das gar nicht der Seto war, den er liebte. Aber mit diesem Seto fühlte er sich noch verbundener, obwohl er ihn erst ein paar Stunden kannte. Eher sogar ein paar Minuten. Der Unterschied war, dass dieser Seto Unsicherheit zuließ und das wirkte zutiefst menschlich. Diesen Seto konnte er zwar sicher nicht bewundern, aber dieser Seto … der fühlte sich wie seiner an. Sein Seto. Ein Seto, der ihn brauchte. Und zwar wirklich brauchte. Wo es sich auch so anfühlte. Das Gefühl war scheiße gut. Er zog den Größeren an sich und küsste ihn lang und tief. Und vor allen Dingen langsam. Aber zu wem sollte er jetzt gehen, wenn er Angst hatte? Ihre Zungen spielten miteinander. Konnte dieser Seto noch für ihn da sein? Lächelnd lösten sie ihre Münder voneinander und rieben ihre Nasen aneinander. Würde dieser Seto noch in der Lage sein, sich emotional auf seine Bedürfnisse einzustellen oder würde er nur noch brauchen? Sie lösten sich ein Stück voneinander und Katsuya blickte erneut in die graublauen, hoffnungsschimmernden Augen. So offen, so gutgläubig, so liebevoll. Katsuya spürte, wie sein Hals sich verkrampfte und kein Atemzug mehr durch seine Kehle wollte. War dieser Mensch noch in der Lage, ihn zu stützen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)