Delusive Society von Gepo (Dritter Teil der DS-Reihe) ================================================================================ Kapitel 63: Täterintrojekt -------------------------- Willkommen zurück aus dem Sommerloch ^.^ Ich sehe, das neue Semester hat bei den meisten begonnen. Vielen Dank für die tollen (auch nachgeholten) Kommentare. In diesem Kapitel erwartet euch, was im Titel steht, macht euch also auf eine emotionale Achterbahnfahrt gefasst. Without further ado - viel Spaß beim Lesen :) _________________________________________________________________________________ Seto schloss die Lider und atmete tief aus. Er verharrte einen Moment, bevor er sich aufrichtete und erneut tief durchatmete. Als er die Lider wieder hob, war sein Blick kalt. Abwehr, versteckte Wut, vielleicht sogar Hass. Katsuya begann bei dem Anblick zu zittern, obwohl dieser Blick nicht einmal auf ihn gerichtet war. „Seto, ich will dir nichts Böses. Ich bin nicht dein Feind. Ich mache mir Sorgen. Benzos sind nicht gut für dich und das weißt du. Diese Tabletten sind gefährlich. Bitte gib sie mir, bevor damit noch ein Unglück geschieht, ja?“ Yami redete fast mit Engelszungen, auch wenn er noch einen halben Schritt zurück gegangen war. Was für ein Unglück? Bisher war doch auch nichts Schlimmes damit passiert, oder? Okay, wenn Seto eine Tablettensucht hätte, wäre das schlecht, aber wenn er die nicht mehr nahm, dann hatte er keine, oder? Und irgendwo für hatte er sie schließlich genommen. Vielleicht brauchte seine Krankheit manchmal Hilfe. Verdammt, er nahm jeden Morgen Tabletten, warum sich über die einen, aber nicht über die anderen aufregen? Nur, weil sie mehr Abhängigkeitspotential hatten? Seto wusste sicher, was er tat. Und ihm hatten die schließlich auch gut getan. „Ich weiß nicht, ob ich das hinkriege“, flüsterte Seto und ließ eine lange Pause, „Ich weiß rein logisch, dass du Recht hast. Ich nehme die Lorazepam nur im Notfall. Wenn ich starke Dissos kommen spüre oder wenn ich Panik kriege ...“ „Und wie oft ist für dich so ein Notfall?“ „Ein paar Mal in der Woche“ Seto wandte den Blick wieder ab. „Katsuya kriegt nur die Anfälle mit, wo ich es nicht mehr schaffe.“ Katsuya schluckte. Das klang schlecht. Seto unterdrückte seine Anfälle mit Medikamenten? „Aber früher hast du die doch auch durchgestanden … ich dachte, du seist auf einem guten Weg“ Yami trat näher und strich über Setos Oberarme. „Was ist denn passiert?“ Seto schwieg dazu. Wie konnte er das nicht bemerkt haben? Dass Seto mehrmals die Woche Tabletten nahm, die er gar nicht einnehmen sollte? Warum hatte er damit angefangen, wenn er früher seine Attacken einfach ausgestanden hatte? Das war sicher nicht gut, wenn man seine Anfälle mit Tabletten abblockte. Besonders nicht mit illegalen Beruhigungsmitteln. Jetzt verstand er Yami … Seto machte sich süchtig mit Mitteln, die seine Psyche veränderten. Er war so tief in Gedanken, dass er fast gar nicht bemerkte, dass Yami eine Kopfbewegung in seine Richtung machte und Seto darauf leicht nickte. Katsuyas Lider weiteten sich. Nein … nein … er schüttelte den Kopf. Das konnte, das durfte nicht wahr sein. Seto konnte nicht wegen ihm … er kniff die Lider zusammen und drückte sein Gesicht zwischen seine Knie. Seto unterdrückte seine Anfälle mit Medikamenten, um ihn weniger zu belasten. „Es tut mir Leid ...“ Katsuya sah auf. Seto saß mit einem Ausdruck schierer Verzweiflung vor ihm, biss auf seine Lippe und hatte die Hände in seine Richtung gehoben, ohne ihn jedoch zu berühren. Er wiederholte: „Es tut mir Leid … wirklich. Ich wollte nur … ich wollte dich nicht belasten. Ich wollte einfach nur, dass du mich liebst. Dass du nicht abhaust, weil … weil ich unerträglich bin.“ Bei allen Göttern. Bei allen verdammten Göttern. Katsuya ballte die Hände zu Fäusten. „Es tut mir Leid!“ Seto packte seine Knöchel und legte seine Stirn gegen Katsuyas Schienbeine. „Es tut mir Leid … bitte … bitte verlass mich nicht. Ich höre auf. Ich schwöre es. Ich lerne, ohne Tabletten auszukommen. Ich werde dir nicht zur Last fallen. Bitte ...“ Katsuya unterdrückte den Drang, angeekelt seine Füße wegzuziehen. Zusammenreißen. Irgendetwas hier war völlig falsch. Nur nicht falsch reagieren. Er wandte seinen Blick von Seto – war das wirklich Seto? – der da wimmernd zu seinen Füßen lag. Seine braunen Augen richteten sich auf Yami. Dieser schrieb erst den Buchstaben T, dann I in die Luft. Bitte was? TI? Katsuya kniff die Augenbrauen zusammen. TI … halt, das Täterintrojekt? Setos dritte Persönlichkeit? Mit schockgeweiteten Augen sah er wieder auf dieses Wesen hinab, was da zu seinen Füßen kauerte. Das war das TI? Aber … sollte das TI nicht aggressiv sein? Das da war ein jämmerlicher Haufen Scheiße, selbst wenn er eine freundliche Beschreibung wählte. Das da war absolut anwidernd. Das hatte nicht den geringsten Hauch von Selbstwert, Stolz oder … Bei allen Göttern. Das da war das TI. Das da war alles, was Setos Persönlichkeit noch fehlte und sonst nur unterschwellig zu spüren war. Setos TI war sein Selbsthass, seine Angst, seine Schuldgefühle und alles andere, was er sonst zutiefst unterdrückte. Das TI war Setos tiefster Abgrund und sie hatte gerade jeden anderen Teil seiner Persönlichkeit verdrängt. „Bitte verlass mich nicht. Bitte verlass mich nicht. Bitte verlass mich nicht“, wiederholte dieses … Ding … wie ein Mantra. Dass es aussah wie Seto, half gar nichts. Es weckte in Katsuya nur das Bedürfnis, zuzutreten und es auszulachen. Es war alles, was Katsuya in einem Menschen als schwach ansah. Nie im Leben würde er das da lieben können. Katsuya atmete tief durch. Ruhe … das da war nur eine von Setos Persönlichkeiten. Das da war nur ein kleiner Teil von ihm. Das da war normalerweise tief versteckt und kam nicht ansatzweise raus. Katsuya schloss die Augen. Aber das da kam nicht raus, weil Seto es ihre komplette Beziehung lang mit Tabletten unterdrückt hatte. Das da hatte die ganze Zeit in Seto existiert, er hatte es nur so gut wie möglich unterdrückt. Warum? Tja, einfach. Katsuya schnaubte innerlich. Die Antwort war simpel: Weil er das da nie lieben könnte. „Lass mich los.“ „Nein!“ Die Arme des Dings schlangen sich um Katsuyas Unterschenkel. „Bitte nicht! Ich tue alles! Verlass mich nicht. Oh bitte, verlass mich nicht ...“ Ach scheiße … selbst, wenn das nicht ansatzweise nach seinem Freund klang, da steckte auch sein Freund irgendwo drin. Genau genommen war das ein Teil seines Freundes. Vielleicht einer, den er nicht gerade mochte, aber auch ein Teil. Er konnte nicht nur die positiven Seiten lieben, er musste dieses Ding zumindest akzeptieren. Er schluckte und sagte mit aller Selbstbeherrschung, die er aufbringen konnte: „Ich verlasse dich nicht. Aber ich möchte, dass du mich jetzt los lässt und dich auf einen Stuhl setzt. Tust du das für mich?“ Bei allen Göttern. Katsuya sog scharf die Luft ein, als Seto aufsah. Ja, es war Seto. Eine Seite von Seto, die fremd war, aber Seto. Er schluckte und versuchte, sein eigenes Zittern unter Kontrolle zu kriegen. Die Augen, die ihn ansahen, waren strahlend blau. Das Erschreckende jedoch war die Pupille, die kaum größer als ein Stecknadelkopf war. Dieses skurrile Wesen, das ansatzweise nach Seto aussah, legte den Kopf zur Seite. „Du hasst mich.“ Oh scheiße. Es sprach. Okay, es hatte vorher gesprochen, aber das war mehr wie das Jaulen eines gequälten Tieres gewesen. Das hier war eher wie ein tiefes Grollen, ein schier unendlicher Bass. Das war ganz fraglos angsteinflößend – das TI war also doch auch die Aggression. Wie konnte das eine einzelne Persönlichkeit sein, die gerade von heftigster Angst in extreme Abwehr umschlug? „Ich hasse dich nicht. Ich mag den gesamten Seto. Ich liebe ihn“ Wie war das? Niemals die Persönlichkeiten auftrennen, auch wenn es schwer war. „Ich liebe dich.“ „Du lügst.“ Tja, kein Wunder, dieses Ding vor ihm liebte er bestimmt nicht. Hatte er gerade noch angewidert die Beine wegziehen wollte, wollte er sich jetzt eher in Sicherheit bringen. Aber Seto hielt noch immer seine Knöchel fest. „Ich liebe dich, Seto. Gerade machst du mir allerdings Angst.“ Oh scheiße, scheiße – Katsuyas Atem kam zittrig. Ein bestialisches Lächeln gepaart mit diesen hellblauen, riesigen Augen war einfach nur gruselig. Dieses Wesen genoss es, ihm Angst zu machen. Dieses Wesen liebte seine Antwort gerade. „Du willst mir weh tun“ Seto beugte sich vor, sodass er gegen Katsuyas Knie lehnte und sein Gesicht nur Zentimeter entfernt war. „Ich lasse mir nicht weh tun. Ich werde dich zerquetschen.“ Katsuya versuchte dem Blick zu entkommen, aber er wagte es nicht, weg zu sehen. Er wagte gar nichts mehr. Er atmete nicht einmal mehr. Er zitterte am ganzen Körper. „Ich hasse dich. Ich lasse mir nicht weh tun. Verschwinde.“ Bei allen Göttern. Katsuya schloss die Augen. Er war nicht hier. Er war sicher. Seto war sein geliebter, liebevoller Freund. Sein Ein und Alles, seine Stütze im Leben. Das da war nicht Seto. Aber es war Seto. Setos innerstes Selbst. Setos Angst. Setos tiefste Wünsche. Katsuya öffnete die Augen. Das alles saß vor ihm. Er atmete tief ein, hob eine zittrige Hand und legte sie auf Setos Wange. Die Wange war kalt. Dennoch strich er darüber und erwiderte mit fast brechender Stimme: „Ich liebe dich. Ich verlasse dich nicht. Ich bleibe bei dir.“ Die Stille wurde vom Klingeln der Haustür unterbrochen. Die Reaktion hätte heftiger nicht sein können. Das TI schrie. Ein kurzer, schnell erstickender, aber ein von tiefstem Terror erfüllter Schrei, bevor es sich in die Ecke drückte, wo eine Küchenzeile auf die andere traf. Katsuya währenddessen schmiss sich von diesem Wesen weg. Er sprang auf seine Beine und nahm einen meterweiten Abstand. Egal, ob Seto oder nicht, ob verletzt und und hilflos oder nicht, das Ding machte ihm eine Scheißangst und er wollte einfach nur weg davon. „Ich denke, wir sollten uns alle beruhigen“, warf Yami ein und trat zwischen sie, „Katsuya, sag doch bitte Ryou und Bakura, dass sie sich noch einen Moment gedulden müssen. Ich spreche währenddessen mit Seto, ja?“ Zu gerne. Katsuya machte auf der Stelle kehrt und verließ die Küche. Er machte ja jeden Scheiß mit. Die Dissoziationen, egal welche verdammte Form sie bekamen, die ganzen Süchte, die umschlagende Persönlichkeit und auch die Ängste und die Aggressionen – aber die nur, wenn Setos Persönlichkeit noch dazwischen stand. Es war, wie er lange befürchtet hatte: Setos TI war zu heftig für ihn. Damit wollte er nichts zu tun haben. Er öffnete die Tür, trat nach draußen und schloss sie hinter sich. „Werdet ihr abgehört?“, flüsterte Bakura und suchte mit dem Blick den Türrahmen nach etwas ab. „Nein, Seto ist völlig ausgetickt“ Katsuya trat auf den Rasen, um mehr Abstand zu dem Kerl zu kriegen, der ihn trotz allem mit einem mulmigen Gefühl erfüllte. „Ich habe Yami drin gelassen. Er macht das schon … hoffe ich.“ Bakura hatte dieselben Augen wie das TI. Dasselbe Blau. Dieses unglaubliche helle Blau mit dem stechenden Blick. Auch seine Pupillen schienen eher klein. Und sie fixierten Katsuya gerade. Vielleicht hätte er doch drinnen bleiben sollen? Traurig, aber wahr, Bakura war sehr viel beherrschter als Setos TI. Hier draußen war er sicherer. An welcher Stelle hatte Bakura begonnen, ihm weniger Angst als Seto zu machen? Die Welt war voll verkehrt. Bizarr. Ein heftiges Scheppern war aus dem Haus zu hören. Katsuya zuckte zusammen und drehte sich um die eigene Achse, um zum Küchenfenster zu sehen. Es hatte sich groß und gläsern angehört. Eine Schüssel? Ihr Glastisch? Oh scheiße, Yami … seine Hand fuhr zu seiner Hosentasche. „Scheiße!“ Fanatisch klopfte er seine Taschen ab. Bakura verdrehte nur die Augen, zog etwas aus seiner Mantelinnentasche und stellte sich vor die Haustür. Aus seinen Murmeln war etwas zu hören, was ungefähr „inkompetenter Idiot“ entsprach. Doch noch bevor er etwas hatte tun können, wurde die Tür bereits aufgerissen. Yami stieß in ihn, drückte ihn nach hinten und zog dabei die Tür wieder hinter sich zu. Sein Atem ging schwer und mit fast irren, geweiteten Augen starrte er das weiß lackierte Holz an. Er trat nach hinten, wobei er Bakura zwischen sich und die Tür zog. Dieser fragte nur mit einer gehobenen Augenbraue: „Kam das wirklich unerwartet?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)