Delusive Society von Gepo (Dritter Teil der DS-Reihe) ================================================================================ Kapitel 62: Unliebsame Wahrheit ------------------------------- Entschuldigt bitte die Verspätung. Mir ging es in letzter Zeit irgendwie nicht so überragend, aber jetzt ist alles wieder gut :) Voller Elan habe ich mich ins Schreiben gestürzt und das Kapitel für nächste Woche ist auch fast fertig (und da geht es heiß her...) Ich wünsche erst einmal viel Spaß mit diesem Kapitel ^.^ Erschreckt nicht über die Medikamentennamen, wenn ihr sie nicht kennt, umso besser. _________________________________________________________________________________ Katsuya blinzelte die verklebten Augen auf, als er eine Hand durch sein Haar fahren spürte. Mit einem Geräusch irgendwo zwischen Murren, Knurren und Stöhnen drehte er sich auf den Rücken und verfolgte die Hand über den Arm bis zu dem entsprechenden Gesicht. Seto roch ganz leicht nach Minze. „Hey … soll ich dich schlafen lassen? Unsere Gäste kommen bald.“ „Njei … nen“ Katsuya griff nach dessen Taille und zog sich auf seinen Schoß, „Bleib ...“ „Und wer begrüßt dann die Gäste?“, fragte der Andere mit Amüsement in der Stimme nach. „Keine Gäste“, murmelte er. „Jetzt vielleicht nicht, aber sie kommen in den nächsten Minuten“ Seto kraulte ihm trotzdem durchs Haar, „Soll ich dich schlafen lassen?“ „Nein“, erklärte er mit etwas festerer Stimme, „aber erst gleich.“ „Gleich schlafen lassen?“ Dafür drehte sich Katsuya auf dem Schoß und schnappte nach der Hand, die ihn kraulte. Natürlich erwischte er sie nicht, schließlich bewegte er sich in kaum mehr als Schneckentempo. Aber er fühlte sich unerwartet gut – was zwei, drei Stunden Schlaf doch ausmachen konnten. Er rieb mit der Wange an Setos Bauch. Dieser hob einfach nur seinen weiten Baumwollpullover und ließ ihn Katsuya aufs Gesicht fallen, der sich sofort gegen die warme Haut gedrückt hatte. Der Blonde atmete einfach nur tief ein und sog den warmen Geruch von Seto und Minze in sich auf. Die ganze Haut duftete danach … wahrscheinlich ein neues Duschgel. „Soll ich dich wachkitzeln?“ „Böse!“, maulte Katsuya von unter dem Pullover her. Er versuchte in Setos Bauch zu beißen, nur leider war der zu gut trainiert dafür. Mit ein bisschen Bewegung auf dessen Schoß schaffte er es, ihn zumindest in die Seite zu beißen. Irgendwie schien das nicht den gewünschten Effekt zu haben. Seto lachte nur. Katsuya zog die Umarmung zu, als wolle er Setos Bauch erwürgen – das machte aus dem Lachen zumindest ein Husten. Grinsend zog er den Kopf wieder unter dem Pullover hervor. „Na, langsam wach?“ „Langsam, sicher“ Dieses Gefühl von Angst, Unsicherheit und Anspannung, dass ihn seit Tagen zu begleiten schien, dimmte sein Lächeln, aber zum Glück nicht das Wohlgefühl, dass Seto wieder da war. „Legst du dich zu mir?“ Der Ältere griff unter seine Arme, zog ihn zu sich hoch und legte sie beide zurück auf das Bett. Mit Sorgfalt schlang er die Arme um Katsuya und zog ihn an sich, bevor er sagte: „Es tut mir Leid, dass ich dich vorhin einfach liegen gelassen habe.“ „Huh?“ Katsuya blinzelte. „Oh … ich kann mich nicht mehr so ganz dran erinnern. Ich glaube, ich war traurig. Aber ich bin kurz darauf eingeschlafen. Kann nicht so schlimm gewesen sein.“ „O... kay. Wenn du meinst“ Seto strich ihm über die Wange, bevor sein Blick nachdenklich in die Ferne schweifte. „Na, alles noch dran?“ Yami trat ein und umarmte Katsuya mit einem Arm. „Alles wieder dran“ Er schloss die Tür und nahm dem Anderen die Tasche ab. „Gestern war echt hart. Das will ich nie wieder. Das war … zu heftig.“ „Ja“ Yami schlüpfte aus seinen Schuhen und folgte ihm in die Küche. „Ich war auch etwas überrascht. So was Heftiges kenne ich bei dir sonst gar nicht. Ich bin froh, dass Seto sich so gut um dich kümmert.“ Katsuya lächelte nur und nickte. „Wie geht es dir jetzt?“ Er stellte den Kuchen in den Kühlschrank. „Setz' dich doch erstmal, bevor du mit Fragen ins Haus fällst“ Katsuya legte eine Hand auf Yamis Haar, welcher dieser heute ungestylt trug. Es sah … erstaunlich normal aus. Erstaunlich menschlich. „Du weißt doch, ich bin ein Sorgentier“ Der Andere zuckte mit den Schultern und ließ sich auf einen Stuhl nieder. „So, ich sitze.“ Es rang Katsuya ein müdes Lächeln ab, bevor er antwortete: „Ich weiß auch nicht. Alles ist so wirr. Ich hatte unendlich viele Alpträume diese Nacht. Dann war ich sauer und gereizt und jetzt … jetzt geht es mir fast gut. Okay, Seto hat mir eine Tablette gegeben, kann daran liegen, aber … gerade will ich einfach nur, dass es genau so bleibt. Ich will nicht wieder absacken.“ „Was würde dich wieder absacken lassen?“ In Yamis Stimme klang die Sorge in jedem Wort mit. Während er bei Seto fast emotionslos sprach, war er bei ihm immer sehr gefühlvoll. Irgendwie war das schöner. „Keine Ahnung. Alles. Die Erinnerung. Bakura. Ryou. Ich weiß es nicht … ich habe das Gefühl, ich stehe auf einem Seil und könnte jederzeit fallen.“ „Was passiert, wenn du fällst?“ Katsuya, der sich auch gesetzt hatte, stand wieder auf und begann, auf und ab zu gehen. Er durfte sich nicht entspannen. Wenn er sich entspannte, war da dieses schwarze Loch, was ihn einsaugen wollte. Das wäre, sich fallen zu lassen. Los zu lassen. Sich einsaugen zu lassen. Er erwiderte: „Schlimmes. Anspannung. Angst. Wut. Tränen und Dissoziationen. Ich weiß es nicht. Ich will da nicht hin. Ich will nicht daran denken. Ich will nicht darüber reden.“ „Früher oder später wirst du dahin müssen“ Yami erhob sich und ging zum Türrahmen hinüber. „Schaffst du den Besuch von Bakura und Ryou?“ Bakura und Ryou? Ja, das Kaffeetrinken. Sie waren eingeladen. Sie würden gleich kommen. Katsuya wollte nicken, aber es kam keine Bewegung zustande. Er schluckte, schloss die Lider, atmete tief durch und nickte schließlich doch. „Wenn es dir zu viel wird, kannst du dich entschuldigen und etwas hinlegen. Das wird dir keiner übel nehmen“ Yami beobachtete ihn von der Tür aus, obwohl er mit dem Körper dem Flur zugewandt war. „Ich-“ Brauche das nicht? Bin nicht zerbrechlich? Katsuya schloss den Mund einfach wieder. Am liebsten wollte er wegrennen und weinen, dabei war noch nicht einmal etwas passiert. Ob er wohl noch so eine Tablette bekommen konnte? Noch vor fünf Minuten hatte er sich viel besser gefühlt. „Hi, Yami“ Seto drückte sich an diesem vorbei in die Küche. „Habe ich was verpasst?“ „Ich habe nur festgestellt, dass Katsuya sehr angespannt ist“ Yami lächelte, drehte sich um und lehnte sich gegen den Türrahmen. „Was hattest du ihm heute morgen gegeben?“ „Äh … Midazolam“ Seto bereitete die Kaffeemaschine vor. „Midazolam … warte mal … ist das nicht Dormicum?“ Yamis Stirn hatte sich in Falten gelegt. „Ist es?“ Seto gab keine Antwort. „Seto?“ Er stieß sich vom Türrahmen ab. „Hast du Katsuya Dormicum gegeben?“ „Es ging ihm wirklich schlecht, weil er nicht schlafen konnte“ Seto stützte einen Arm gegen seine Hüfte und wandte sich halb zu dem Anderen um. „Die Situation heute morgen war … ein wenig gefährlich.“ „Seto, ihn mit Drogen abzuschießen, ist keine Lösung“, zischte Yami und sah zu Katsuya, „Kats, würdest du uns bitte einen Moment allein lassen? Ich muss mit Seto reden.“ „Die Tablette tat gut. Mittlerweile ist die Wirkung zwar verflogen, aber vorhin ging es mir gut“, erklärte er und machte mit den Händen eine Bewegung nach unten, um Yami zu beruhigen. „Katsuya, diese Tabletten sind illegal. Sie werden nur von Anästhesisten vor Operationen benutzt. Sie machen einen zwar schön ruhig und lassen einen schlafen, aber sie haben so verdammt hohes Abhängigkeitspotential, das schon das zweite oder dritte Mal fatal sein könnte. Besonders, wenn man sie in einer akut ängstlichen Phase benutzt“ Der scharfe Blick wechselte zu Seto. „Und ich wüsste sehr gern, warum so etwas überhaupt hier zu finden ist.“ Dieser richtete seine blauen Augen gen Fußboden. „Ich bin nicht abhängig, Yami. Ich hätte zwar gern noch eine, aber ich hänge kaum oben im Bad rum und schleiche vor dem Medikamentenschrank hin und her. Und ich werde auch keine mehr nehmen, wenn ich nicht wieder so scheiße schlafe.“ „Du wirst keine mehr nehmen, egal, was die Umstände sind. Sich in Medikamente zu flüchten ist dasselbe wie sich in Dissoziationen zu flüchten. Nur noch schädlicher“ Yami trat zu Seto und griff nach dessen Unterarm. „Und wir beide werden jetzt hoch gehen und den Medikamentenschrank ausräumen. Alle Benzodiazepine verschwinden, ist das klar?“ „Das hast du nicht zu bestimmen“ Seto zog ruppig seinen Arm weg und drehte sich wieder zur Kaffeemaschine. „Meine Sachen bleiben, wo sie sind.“ „Seto, du darfst sie sowieso nicht nehmen. Und Katsuya gefährdest du damit. Warum hast du diese Tabletten? Was soll das?“ Yami packte ihn erneut und zog ihn zu sich herum. „Antworte.“ „Lass mich in Ruhe! Hör auf, dich in meine Sachen einzumischen!“ Mit einem Mal zog Seto die Arme zurück und stieß sie gegen Yamis Brust. „Das hat nichts mit dir zu tun.“ Yami blinzelte und ging von selbst noch einen weiteren Schritt zurück, bevor er fragte: „Seto, ich möchte die Wahrheit: Nimmst du irgendwelche Benzos?“ Stille. Katsuya beobachtete seinen Freund. Dieser schien erstarrt. Nein, nicht ganz. Er wandte den Blick ab. Er leckte sich kurz über die Lippen. Jedoch verharrte er schließlich so. „Danke für die Wahrheit“ Yami atmete tief durch. „Was nimmst du?“ Seto nahm Drogen? Also, nein, Tabletten … aber diese Tabletten, die er eigentlich nicht nehmen durfte? Warum? Immer noch? Katsuya schlang die Arme um sich. Wie konnte es sein, dass er nie etwas davon mitbekommen hatte? Natürlich, Seto nahm jeden Morgen Tabletten, aber die waren doch vom Arzt verschrieben, oder? Das konnte doch alles nicht wahr sein. Nicht auch noch das. „Nichts mehr. Ehrlich“ Seto atmete tief durch. „Ich weiß, Junkies sollte man das nie glauben, aber ich schwöre, ich nehme nichts mehr. Ich … ich habe Midazolam genommen, wenn ich schlafen wollte. Oder vergessen. Dann manchmal auch Flunitrazepam. Aber … das habe ich meist eher anderen gegeben. Früher. Manchmal“ Er brach ab, aber Yami schwieg einfach, sodass er nach mehreren Sekunden doch weiter sprach. „Und Lorazepam. Das haben sie mir bei meinem ersten Aufenthalt gegeben und … manchmal habe ich mir das besorgt. Wenn es zu schwer wurde.“ Katsuya schüttelte den Kopf. Das war nicht wahr. Das war alles nicht wahr. Seto war tablettenabhängig? Auch noch? Warum? „Lass mich kurz sehen, ob ich das richtig verstehe … du nimmst Antabus, Seroquel und nebenher diese Latte an Benzos?“ Wieder keine Antwort. „Bist du noch ganz bei Sinnen, Seto?“ „Ich schwöre, ich nehme es nicht mehr. Flunitrazepam und Ecstasy war auf Partys, das war nur bis letztes Jahr. Und Midazolam habe ich nur im September genommen, weil ich nicht mehr schlafen konnte. Ich nehme das nicht mehr. Versprochen.“ „Mhm“ Yami wartete einen Moment, bis er nickte. „Da ich weiß, was Versprechen für dich bedeuten, glaube ich dir das. Auch wenn ich nicht fassen kann, dass du Flunies eingesetzt hast. Gerade du … habe ich dir nicht gereicht?“ „Es gab ein paar Dinge, die wollte ich dir nicht antun“, flüsterte Seto. „Also benutzt du Drogen, die deine Opfer vergessen lassen, was du mit ihnen gemacht hast? Seto … das nennt man-“ Yami warf einen schnellen Blick zu Katsuya. „Du weißt, was ich meine. Hast du ihm jemals was gegeben?“ „Natürlich nicht!“ Setos Faust landete zum Glück nur auf dem Kühlschrank hinter sich. „Ruhig“ Yami hob beide Hände. „Ein Schlag gestern hat mir gereicht. Ich will dich nicht provozieren.“ „Dann halt endlich die Fresse“ Setos Augen funkelten. „Ich habe das seit Jahren nicht mehr gemacht, okay? Ich bin sicher nicht stolz drauf.“ „Ist gut, ist gut“ Der Andere machte eine beschwichtigende Bewegung. „Ich mache mir nur Sorgen um Katsuya, okay? Du bist leider nicht immer ganz zuverlässig.“ „Ich würde Katsuya nie etwas gegen seinen Willen antun!“, schrie Seto. Katsuya ließ sich an der Schrankwand, gegen die er lehnte, herunter rutschen. Hieß das, Seto hatte Leute vergewaltigt? Seto? Früher … warum? Wie hatte er … nein, das hatte er nicht. Das konnte er nicht. Das konnte Seto nicht getan haben. „Das war alles früher, ist okay, ich habe verstanden“ Yami nickte langsam. „Alles vorbei, richtig?“ Seto schnaubte nur und funkelte den Anderen mit seinem eiskalten Blick an. „Dann macht es dir auch nichts, wenn diese Tabletten jetzt verschwinden, richtig?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)