Delusive Society von Gepo (Dritter Teil der DS-Reihe) ================================================================================ Kapitel 54: Guter Rat --------------------- Erst einmal zur HIV-Vorsorgetherapie: Diese gibt es, es ist aber nicht bewiesen, dass sie überhaupt eine Auswirkung hat, deswegen wird sie von den Kassen nicht bezahlt. Seto als ewiger Privatpatient ist das sehr egal, der blecht das auch aus eigener Tasche, wenn er Katsuya damit helfen kann. Und die Therapie kostet um die tausend Euro. Ansonsten bin ich ab Mittwoch zum Kongress in Indien und komme erst eine Woche später wieder. Das heißt einmal, dass ich nicht antworten kann und zum anderen, dass es nächste Woche kein Kapitel gibt. Ab dann bin ich aber wieder bis Weihnachten erreichbar, also keine Ausfälle mehr, versprochen :) Und nun viel Spaß beim Lesen! _________________________________________________________________________________ Der Entscheidung folgten schnell Taten. Seto griff nach dem Handy, was auf dem Nachttisch lag – wobei Katsuya kurz auffiel, dass er jetzt ein Neues brauchte – und rief einfach an. Katsuya dachte kurz daran, dass Yami doch wahrscheinlich arbeitete, aber anscheinend hatte sich dessen Meinung über mögliche Notfallanrufe auch mit dem neuen Job nicht geändert. Er ging nach zweimal Klingeln ran. „Ihm geht es gut“ Nun … das war auch mal eine Begrüßung. Anscheinend war Yami entweder ein paranoides Huhn oder Seto hatte ihn über die Entführung informiert. Zumindest hier war Zweiteres wahrscheinlicher. „Schieb den besorgten Freund mal kurz zur Seite, ich brauche dein Wissen.“ Katsuya schloss ergeben die Augen. So etwas konnte auch nur Seto bringen. Soziale Kompetenz war echt nicht seine Stärke. „Er wurde vergewaltigt. Um noch einen draufzusetzen: Ohne Kondom. Von einem höchstwahrscheinlich positiven Kerl. Also, was machen wir jetzt?“ Sein Gesicht verzog sich in Schmerz. Es alles so ausgesprochen zu hören … es war wie ein Todesurteil. Es tat weh, ganz tief in ihm drin. Er zog die Decke über sie beide und wickelte sich darin etwas ein. „Yami fragt, wann du vergewaltigt wurdest“ Setos Stimme war um Längen sanfter, als er sich Katsuya zuwandte. Ein Daumen streichelte seine Wange. „Ich … das war … gestern kam ich her … Mittwoch wurde … wurde er … er … also Dienstag“, kam es gestammelt über Katsuyas Lippen. Noch etwas, an das er nicht denken wollte. Mittwoch hielt keine guten Erinnerungen. Donnerstag auch nicht. Dienstag auch nicht, wenn er schon dabei war. Ehrlich gesagt sollte man am besten die ganze Woche streichen. „Dienstag“ Seto drehte den Kopf wieder zu ihm. „Wann Dienstag?“ „Abend“, nuschelte Katsuya. „Dienstag Abend … hm-hm … hm“ Dieses Hm klang äußerst ernst. Es klang wie ein Hm, was einen sehr unerfreulichen Fakt quittierte. „Ich verstehe … ja, natürlich … nein, das braucht- … Yami, der Kerl ist tot … ja … ich bringe ihn hin. Wir treffen uns dort … ja, bis gleich“ Seto legte auf und wandte sich zu ihm. „Wir fahren in die Klinik. Der Arzt dort wird dir die nötigen Medikamente verschreiben. Yami kennt ihn gut, er sagt, er ist nett und du brauchst keine Angst haben.“ „Es gibt Medikamente, dass ich kein AIDS kriege?“ Katsuyas Lider weiteten sich. Bis zu diesem Punkt hatte er daran nicht wirklich geglaubt. Wenn so etwas ginge, müsste man sowas doch unterrichten, wenn man schon über HIV sprach! „Die gibt es sowieso, AIDS ist ein Endstadium, das viele Positive heute nicht mehr erreichen. Es sind die gleichen Medikamente, mit denen man versucht, das HI-Virus zu unterdrücken. In deinem Fall so sehr, dass er Körper sich ausreichend wehren kann, bevor es kein Zurück mehr gibt. Deswegen müssen wir auch sofort los, da man die so schnell wie möglich nehmen sollte.“ Ah … das war also das Hm gewesen. Dienstag Abend war mit Sicherheit zu lange her, aber Seto wollte ihm nicht die Hoffnung nehmen. Vielleicht wollte er auch sich selbst nicht die Hoffnung nehmen. Katsuya sah ihn einen Moment lang schweigend an. An welcher Stelle hatte er selbst akzeptiert, dass eine sehr reale Chance bestand, dass er nun positiv war? Und das nichts, was sie verzweifelt versuchten, etwas daran ändern würde? Es schien nur Sekunden zu dauern, bis sie fertig angezogen im Auto saßen und auf dem Weg in die Klinik waren. Katsuya betrachtete es einfach mit einer recht stoischen Ruhe. Ob jetzt oder ein paar Minuten später … wahrscheinlich machte es schon lange keinen Unterschied mehr. Aber wenn es Setos Nerven half, würde er auch dreißig Tabletten schlucken und wie ein Irrer durch die Notaufnahme hetzen. Zweiteres blieb ihm auf jeden Fall erspart. Yami war schon da, als sie ankamen – was an dem Motorrad liegen dürfte, das einfach um Längen schneller war als ihr Auto – und begrüßte sie mit völliger Ruhe. Dass er auch nicht gerade wenig mitgenommen war, merkte Katsuya nur daran, dass die Umarmung einen Tick länger war als sonst. Ansonsten schien Yami völlig auf Seto zu hören und steckte den besorgten Freund gerade in irgendeine Seitengasse seines Hirns, um die verlässliche Stütze und einzig rationale Person zu spielen. Auch wenn Katsuya wusste, dass es nur eine Maske war, war sie gerade äußerst beruhigend. Es war gut zu glauben, dass sich irgendwer mit Ahnung um ihn kümmerte. „Dr. Tatsumi kenne ich schon seit sechs Jahren. Das ist eine lange Geschichte. Heutzutage ist er auf jeden Fall Spezialist für … nun ja, die etwas dunkleren Seiten des Lebens und deren medizinischer Versorgung. Ich habe ihm schon gesagt, dass er keine Bestandsaufnahme für die Polizei machen muss. Er wird sich also nur um dein Wohl kümmern“ Katsuya ging einfach schweigend neben ihm her und ließ den Redefluss auf sich wirken. Seto blieb ein paar Schritte hinter ihnen. „Ich mag ihn sehr. Du weißt ja, wie die Polizei Vergewaltigungen von Männern behandelt, das hatte ich dir ja mal erzählt … nun, ein paar Ärzte sind da auch nicht anders. Aber er schon. Er weiß, was er tut. Und er urteilt nicht. Er stellt keine dummen Fragen. Ich hoffe, du kannst dich bei ihm entspannen“ Eigentlich fühlte er sich sehr entspannt. Diese Wolke des Ist-doch-auch-egal-Seins nahm ihn völlig ein. „Ich habe dich angekündigt, er wartet bereits auf uns. Das da ist sein Büro. Warte kurz.“ Katsuya blieb einfach stehen und bewegte sich nicht weiter. Befehle ausführen klang verführerisch einfach. Yami passte auf ihn auf, Seto passte auf ihn auf, was wollte er mehr? Hm … einen gutaussehenden Arzt mit einem sehr freundlichen Lächeln. Dr. Tatsumi reichte ihm die Hand, stellte sich noch einmal selbst vor und bat ihn, ihm zu folgen. Neuer Befehl, perfekt. Er führte sie in ein Untersuchungszimmer am Ende des Ganges. Nicht gerade groß, aber lichtdurchflutet und ordentlich. In einem hübschen Gelb mit Wandbemalungen gehalten. Doch, das war ganz nett. Während er noch den Raum betrachtete, bekam er vage mit, dass eine Frage gestellt wurde. „Wie bitte?“ Er wandte dem Arzt seine Aufmerksamkeit zu. „Ich fragte, ob du möchtest, dass jemand mit dir hier bleibt.“ Hier? Katsuyas Arm schnellte zur Seite und packte Yamis Handgelenk. Er würde ganz sicher nicht mit dem Kerl allein bleiben. Wenn er gut aussehend sagte, dann meinte er das auch. Und das bezog ein gutes Stück Muskelmasse mit ein. Ob nun Arzt oder nicht, er würde Yami hier behalten, Punkt. „Dürfte ich Sie bitten, draußen zu warten?“, wandte sich Dr. Tatsumi an Seto. Katsuya zuckte zusammen. Warum hatte er nach Yami gegriffen? Warum nicht nach Seto? Eigentlich war doch Seto immer mit ihm beim Arzt, er wusste alle Befunde und kannte sicher noch den unwichtigsten Laborwert auswendig. Er schluckte. Aber … wollte er Seto hier haben? „Ich gehe mir dann wohl mal einen Kaffee holen“, sagte dieser mit recht leiser, ausdrucksloser Stimme, „ich bin auf dem Gang, wenn Sie mich brauchen.“ Katsuya wagte es nicht, in Setos Richtung zu sehen. Er hatte keine Ahnung, was Setos Augen ihm zeigen würden, aber er wusste, dass er es nicht sehen wollte. Er müsste das nachher erklären … was auch immer das überhaupt war, was ihn gerade so handeln ließ. „Setzt euch doch“ Dr. Tatsumi wies auf zwei Stühle und zog sich selbst einen rollbaren Hocker unter der Liege hervor. „Mir wurde gesagt, dass ich keine Bestandsaufnahme für die Polizei machen soll. Ist das ganz sicher?“ Katsuya nickte. Anscheinend hatte Yami nicht weiter erzählt, dass der Kerl tot war. Auch Yami bestätigte es noch einmal. „Die Polizei hat sich geändert, Yami. Ich gebe seit zwei Jahren dort Kurse, wie mit Vergewaltigungsopfern umzugehen ist – auch männlichen. Heutzutage kann man ruhig zur Polizei gehen.“ „Gut zu wissen. In diesem Fall aber wirklich nicht“, erwiderte sein bester Freund ruhig. „Nun gut. Stört es dich, wenn ich mir ein paar Notizen mache?“, fragte der Arzt an Katsuya gewandt. Er schüttelte nur müde den Kopf. „Gut“ Er nahm sich ein Klemmbrett vom nahe liegenden Schreibtisch. „Ich werde dir jetzt eine Menge Fragen stellen und einige davon werden sehr genau sein. Wenn dir etwas zu nahe geht, kannst du das jederzeit sagen. Okay?“ Er nickte. „Wie ist dein Name?“ Oh … ja, er hatte sich nicht vorgestellt. Sie klapperten ein paar allgemeine Daten ab, bei der Katsuyas Stimme an Kraft gewann. „Yami hat mir erzählt, dass jemand dich sexuell missbraucht hat. Wann war das?“ „Dienstag Abend“ Der Zeitpunkt schien wirklich wichtig zu sein. „So gegen … acht Uhr vielleicht.“ „War das einmalig oder geschah das mehrfach?“ „Einmal. Danach kam sein Kumpel zurück und … ehrlich gesagt kann ich mich bis an den folgenden Morgen an nichts erinnern. Ich glaube, es war nur einmal“ Allein der Gedanke … was war, wenn er es mehrfach getan hatte? Obwohl – würde es einen Unterschied machen? „Hat dieser Kumpel sich auch an dir vergriffen?“ „Nein, es war nur der eine Kerl“ Allein die Vorstellung … wenn einer seine Ekelhaftigkeit in dich pumpte, aber zwei? Oder noch mehr? Katsuya verzog das Gesicht. „Ganz bestimmt. Der andere ist homophob.“ „Wie bist du in die Situation gekommen?“ Katsuya schluckte. Was durfte er sagen? „Waren Drogen im Spiel? Oder Gewalt?“ „Ich war mit Handschellen an einen Stahlbalken gekettet … für ein paar Stunden“ Tage traf es wohl eher. „Vorher hat man mich mit einem Schlag auf den Hinterkopf ausgeschaltet.“ „Hast du noch weitere Verletzungen erlitten?“ „Ähm … ich würde ins Gesicht geschlagen“ Was man ganz bestimmt noch sehen konnte. „Und in den Magen. Ansonsten … weiß ich nicht mehr.“ „Mit Fäusten?“ Katsuya nickte. „Jetzt kommen ein paar Fragen zur Tat selbst. Was hat der Kerl mit dir gemacht?“ Na super … genau der Teil, an den er nicht denken wollte. Er atmete tief durch und setzte zu einer Antwort an: „Er … nun ja, das Übliche halt. Nichts besonders.“ „Hat er dich penetriert?“ „Häh?“ „Hat er seinen Penis in dich gesteckt?“ „Irrgh … ja, klar“ Sonst wäre es ja wohl keine Vergewaltigung, oder? Idiot. „In deinen Hintern, deinen Mund oder noch anderen Stellen?“ „Nur Hintern“ Was der Arzt mit Letzterem meinte, wollte er lieber erst gar nicht wissen. „Bis er gekommen ist?“ Katsuya nickte. „Hat er dabei Gleitgel oder etwas anderes benutzt?“ Kopfschütteln. „Hat er ein Kondom benutzt?“ Katsuya seufzte und wandte den Blick ab, bevor er murmelte: „Sonst wäre ich nicht hier.“ „Hast du dich da unten schon betrachtet oder betastet?“ „Alles heile“ Ein Wunder, wenn er so darüber nachdachte. Weder Kondom noch irgendein Gleitmittel … eigentlich war das einzige, was als Gleitmittel übrig blieb, sein eigenes Blut. „Denke ich.“ „Ich werde mir das nachher einmal ansehen“, kündigte der Arzt an, „Es ist möglich, dass du dort schwere Verletzungen hast. Besonders in deinem Körper.“ „Muss das sein?“ Katsuya hob zum ersten Mal den Blick und klang äußerst weinerlich. „Ich kann auch eine weibliche Kollegin dafür rufen, wenn dir das lieber ist.“ „Nein!“ Katsuyas Lider weiteten sich. „Bloß nicht noch mehr Leute.“ „Wie du wünscht. Wurde an deinen Geschlechtsteilen Gewalt angewendet?“ Kopfschütteln. Auch hier wollte er nicht genau wissen, was dieser Arzt wohl schon alles gesehen hatte. „Waren noch irgendwelche Gegenstände mit ihm Spiel?“ Wieder Kopfschütteln – langsam wollte er wirklich nicht mehr wissen, was diesem Arzt meist so unterkam. „Hast du geblutet?“ „Keine Ahnung“ Katsuya zog den Kopf etwas ein. „Ab dem Punkt, wo er in mich eindrang, fehlt mir die Erinnerung. Am nächsten Morgen hatte mich ein anderer Kerl wieder angezogen. Da war Sperma und … ich glaube, da war auch Blut. Aber ich weiß es ehrlich nicht“ Er spürte Tränen in seinen Augen und atmete tief durch, damit sie nicht hervor traten. „Ich will nicht dran denken.“ „Wurdest du schon einmal vergewaltigt?“ Kopfschütteln. „Hast du regelmäßig Analverkehr?“ Katsuya schluckte. Hatte er? Er sah kurz zu Yami und der nickte für ihn. „Warum bist du da unsicher?“ „Was ist denn regelmäßig?“, fragte Katsuya nach. „Nun, mindestens einmal die Woche“ Nun nickte er auch – das übertraf er ganz fraglos. „Verläuft das mit oder ohne Kondom?“ „Mit. Mit Kondom, mit Gleitgel und ganz klar ohne Schmerzen“ Und mit einem fantastischen Kerl, der vor der Tür saß und wahrscheinlich Panikattacken hatte, weil er sich nicht mit im Zimmer befand. „Mit demselben Kerl oder verschiedenen?“ „Demselben. Meinem einzigen. Und er hat keine Krankheiten, garantiert.“ Der Arzt sah überrascht auf und blinzelte. Sein Blick glitt zwischen Yami und Katsuya hin und her. Yami erbarmte sich einer Antwort: „Nein, er ist nicht mein Freund, er ist auch kein Prostituierter und ich habe übrigens aufgehört.“ „Herzlichen Glückwunsch“ Ein breites Lächeln legte sich auf die Lippen des Arztes. „Das ist eine grandiose Neuigkeit. Ich wünsche dir alles Gute“ Er wandte sich wieder zu Katsuya. „Der Täter war also nicht dein Freund?“ „Nein!“ Erschrocken blinzelte nun Katsuya. „Seto würde so etwas niemals tun. Der Kerl war Amerikaner. Er sprach kein Wort Japanisch.“ „Weißt du etwas über diesen Mann? Aus medizinischer Sicht? Ist dir etwas an ihm aufgefallen?“, fragte der Arzt weiter. Katsuya schüttelte nur den Kopf. „Die Wahrscheinlichkeit, dass er mehrere Geschlechtskrankheiten hatte, ist hoch“, warf Yami ein, „Er war ein Serienvergewaltiger.“ „War?“, rutschte es dem Arzt heraus, doch er schüttelte den Kopf, „nicht mein Gebiet.“ Yami lächelte nur. „Ich würde dich nun gern untersuchen, Kaiba“, kündigte der Arzt an, „Das wird normalerweise allein gemacht. Möchtest du, dass Yami hier bleibt?“ „Nein“, murmelte er leise, „aber ich möchte gern Seto dabei haben.“ Der Arzt stockte kurz, sah zu Yami und zurück und fragte: „Sicher?“ Katsuya nickte nur. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)