Delusive Society von Gepo (Dritter Teil der DS-Reihe) ================================================================================ Kapitel 29: Das Opfer --------------------- Erste Tierschutzgesetze finden sich bereits im alten Testament. Die erste offizielle Übernahme geschah 1822 in England, wo Tiermisshandlung verboten wurde. Der erste Kinderschutzverband wurde auch in England gegründet – im achtzehnten Jahrhundert als eine Untergruppe des englischen Tierschutzes. Darüber möge man denken, was man will -.- Allerdings gibt es einmal vorher schon eine Erwägung des Kinderschutzes in der Geschichte. Mein hochverehrter Platon philosophierte, dass die beste Art des Kinderschutzes die Enteignung der Familie wäre – Kinder haben in Kinderzentren aufzuwachsen und nicht in Familien. Jedes Kind müsse von seinen Eltern getrennt werden, um seine Sicherheit zu ermöglichen. Ab von all dem: Viel Spaß beim Lesen ^.^ _________________________________________________________________________________ Tja, zwanzig nach elf … was sollte er jetzt mit sich anfangen? Zur Schule? Wenn er jetzt nach Hause fuhr und seine Sachen einsammelte, konnte er zur letzten Doppelstunde Englisch wieder da sein. Und er könnte schauen, ob Ryou da war und mit ihm reden … würde er das schaffen? Ehrlich, Seto heute morgen war echt kompliziert gewesen. Und nach Natsuki fühlte er sich wahrlich wie einmal durch den Fleischwolf. Konnte er jetzt mit seinen Schuldgefühlen und Ryou fertig werden? Halt. War das überhaupt eine Frage? Er war schuld, dass Ryou das passiert war. Es war das Mindeste, jetzt für ihn da zu sein. Egal, ob er es konnte oder nicht, er schuldete es Ryou, oder? Also musste er zur Schule. Die Taxifahrt über ging er verschiedene Szenarien durch, wie er Ryou antreffen könnte. Was dieser denken und sagen könnte, wie er selbst darauf reagieren würde. Im Endeffekt würde er wohl alles einfach auf sich zukommen lassen und spontan reagieren, aber geholfen hatte es auf jeden Fall. Im Haus – was wirklich unheimlich leer und still ohne Seto wirkte – nahm er sich schnell seine Tasche und etwas Obst für den Weg und machte sich los. Schade, dass er heute Kunst verpasst hatte, wenn er so darüber nachdachte. Er mochte die Lehrerin und ihre Aufgaben. Andererseits hätte er sich sicher nicht konzentrieren können. Während er gerade die letzten Bissen seines Apfels nahm, erreichte er das Schulgelände. Er hatte richtig gerechnet, er kam zur Mittagspause. Ryou würde er wahrscheinlich auf irgendeiner Treppe mit einer Melonenschnitte oder einem frittierten Brötchen finden. Er sah sich um und suchte das Erdgeschoss ab, allerdings konnte er keinen weißen Schopf entdecken. Wo konnte er noch sein? Im Klassenzimmer? Er erklomm die Treppen und ging hinüber zu ihrem Raum. Ja, da war er. Katsuya atmete tief durch. Vor ihm lag die Lunchbox, die er sich manchmal machte, allerdings sah sie unangerührt aus. Sein Blick war aus dem Fenster gelengt. Katsuya betrat den Klassenraum leise, schloss die Tür hinter sich und ging zu ihm hinüber. Gut, niemand hier außer ihnen. Ryou? Langsam musste er ihn bemerken, oder? Der Blonde stellte seine Schultasche ab und räusperte sich. Der Andere zuckte heftigst zusammen und schnellte herum. „Oh, äh … entschuldige … ich wollte dich nicht erschrecken“ Sehr eloquent, Katsuya, minus zwanzig Punkte. „Ryou?“ Seine Stirn legte sich in Falten und er hockte sich neben den Sitz des Jungen, der ihn mit einem ähnlichen Blick ansah wie dem, den Natsuki gehabt hatte, als die von dem schwarzen Mann sprach. „Du bist hier?“, hauchte der Andere. „Ja, ich … es tut mir Leid“ Katsuya schluckte. „Es tut mir Leid, dass ich weggerannt bin und dich mit Bakura allein gelassen habe. Es tut mir Leid, dass ich ihn wütend gemacht habe und er das an dir ausgelassen hat. Es tut mir Leid, dass … es tut mir einfach alles Leid. Die ganze Sache“ Sein Hals schnürte sich immer mehr zu, während er sprach. Bei allen Göttern, wie entschuldigte man sich für so etwas? Der Junge vor ihm war vergewaltigt worden – wegen ihm. Wie machte man so etwas je wieder gut? „Du konntest wegrennen?“ Ein Lächeln legte sich auf Ryou Lippen, worauf er die Augen schloss und erleichtert seufzte. „Ich wusste nicht … Bakura meinte zwar, dass du gegangen seist, aber ich wusste nicht, ob er dich nicht noch weiter verletzt hat. Bitte sei nicht sauer auf ihn. Ihm ging es echt nicht gut, nachdem er Herrn Kaiba so gesehen hatte.“ Wie? Was? Katsuya blinzelte verwirrt und schüttelte den Kopf. „Bakura … du willst ihn nach dieser Sache echt verteidigen? Selbst jetzt noch?“ Er sprang auf. „Ryou, er hat …“ „Ich weiß“ Der Junge sank in sich zusammen. „Er hätte dich nicht schlagen dürfen. Das war falsch. Besonders, weil er dich eigentlich schützen wollte. Nur … er kann sich nicht immer kontrollieren, okay? Bitte sei ihm nicht böse deswegen. Bitte, Katsuya.“ „Mir ist egal, was er mir tut“ Katsuya griff die Hand, die sich in seinen Pullover gekrallt hatte und löste die kleinen Finger, um sie zwischen seinen warmen Händen zu halten. „Okay, es tat weh, aber ich weiß, dass Bakura dazu neigt überzureagieren. Aber es ist nicht okay, was er dir angetan hat.“ „Mir?“ Er legte den Kopf schief. „Mir hat er nichts angetan. Bakura würde mir nie weh tun.“ „Wie kannst du-“ Katsuya stoppte sich selbst. Er kannte diese Situation. Yami hatte ihn gefragt, was er von Seto hielt, nachdem er diesen in dessen Bett gefunden hatte. Er hatte keinen Schmerz spüren können. Die Sache war zu schrecklich gewesen, als dass er seine Gefühle hätte zulassen können. Er beruhigte den Sturm, der in ihm hatte aufbrausen wollen. Ryous hellblaue Augen funkelten ihn voll Unsicherheit entgegen. Er seufzte und zog den Kleineren an dessen Hand hoch und schloss ihn in seine Arme. Er hatte auch Zeit gebraucht. Zeit, um zu spüren, wie tief verletzt er war. Zeit, um zu realisieren, wie sehr man ihm weh getan hatte. Zeit, um sich einzugestehen, dass das eigene Vertrauen gebrochen worden war. Ryou hatte völlig verdrängt, was ihm angetan worden war. Und was, wenn er sich verhört hatte? Wenn er das alles missverstanden hatte? Er schnaubte innerlich. Nein. Das war sehr unmissverständlich gewesen. Er hatte sich ganz sicher nichts eingebildet. Die Szene hatte sich in seinen Kopf gebrannt. „Alles okay?“, fragte Ryou vorsichtig. „Alles okay“, bestätigte er, „ich bin froh, dass es dir gut geht.“ „Ich bin auch froh, dass es dir gut geht“ Der Kleinere strahlte ihn an. „Danke, dass du mir geholfen hast“ Er drückte einmal zu und löste sich schließlich von dem Anderen. „Aber Ryou? Wenn Bakura jemals etwas tut, was du nicht möchtest, wenn du Angst vor ihm bekommst oder nicht mehr weißt, ob du das mit ihm wirklich willst, sprich mit mir, ja? Ich werde mein Bestes tun, dir zu helfen.“ „Sicher“ Ryou lächelte, jedoch war es halb gezwungen. Katsuya konnte das Unverständnis aus seinen Zügen lesen. Er zweifelte nicht mit einem Gedanken an seinem Bruder. Zu diesem Zeitpunkt konnte er Katsuya nicht verstehen. „Lass uns was essen, ja?“ Hm … und was machte er jetzt? Schule war aus, er hatte Ryou zur Bahn gebracht und Yami arbeitete sicher noch. Wie lange wohl? Noah wüsste das … aber Noah arbeitete auch. Ob er ihn besuchen könnte? Isamu würde bei ihm sein, oder? Und dann konnte er Yami von der Arbeit abholen. Ob er Noah einfach so anrufen konnte? Nun, er würde es nicht wissen, solange er es nicht versuchte. Er zog sein Handy hervor, aktivierte das Display und sah es einen Moment lang einfach nur an. Seine Logik hatte einen kleinen, aber feinen Haken. Seto hatte Noahs Privatnummer – er selbst nicht. Wie konnte er Noah erreichen? Könnte er Seto anrufen und ihn um die Nummer bitten? Aber … die Chance, dass er den störte, war schon ziemlich hoch … seine Schwester könnte er anrufen, die hatte die Nummer sicher auch. Aber wenn sie in der Schule war, würde ihre Lehrerin ihr die Ohren lang ziehen, wenn ihr Handy klingelte. Im Endeffekt rief er die Auskunft an und bat dort, zum Firmenchef der Kaiba Corp. durchgestellt zu werden. Klang selbst in seinen Ohren reichlich blöd, aber nach zwei Nachfragen wurde er wirklich verbunden. Ihn begrüßte eine freundliche Stimme einer Sekretärin im besten Alter, der er sich als Noahs Neffe vorstellte und bat, verbunden zu werden. Das fühlte sich ähnlich schräg an wie Seto Papa zu nennen, aber rechtlich gesehen war es wohl wahr. Nach einem Moment, wo sie bei ihrem Chef nachgefragt hatte, hatte er plötzlich wirklich Noah am Apparat. Mission gelungen! „Katsuya?“ „Hi, Noah“ Der Blonde lächelte unwillkürlich. Noah hatte diesen Effekt irgendwie. „Störe ich gerade?“ „Nein, nur Papierkram. Was kann ich für dich tun? Ist etwas mit Seto?“ „Nun … ja, der ist stationär. In der Klinik, wo er auch früher schonmal war. Für voraussichtlich drei Tage“ Hoffentlich hatte Seto nicht vorgehabt, das vor seinem Bruder geheim zu halten. Erzählt hatte er es ihm aber sicher noch nicht. Daran hatte Katsuya irgendwie gar nicht gedacht. „Er macht einen kurzen Entzug.“ „Das ist beruhigend zu hören“ Noah seufzte erleichtert. „Ich werde ihn in den nächsten Tagen dort besuchen, ich muss dringend mit ihm reden. Ist es dieselbe Klinik wie früher?“ „Ja, Station A2. Er bleibt bis Donnerstag.“ „Dann besuche ich ihn Mittwoch“ Es entstand eine kurze Pause, in der sich Besorgnis in Noahs Stimme mischte. „Wie geht es dir damit?“ „Tja … passt schon. Seto meint, ich soll die Zeit bei Yami verbringen, damit ich nicht allein bin. Ich wollte fragen, ob ich dich besuchen kann, um ihn direkt bei der Arbeit abzuholen“ Das war jetzt nicht zu direkt, oder? Andererseits, störte es Noah wohl, wenn er direkt war? „Das wäre äußerst erwünscht. Ich habe gleich ein Meeting und dachte gerade darüber nach, wem ich Isamu für die halbe Stunde anvertrauen kann. Kannst du in fünfundzwanzig Minuten hier sein?“ „Auf dem Weg“ Hieß, er musste sich beeilen. Er steuerte zurück in die U-Bahn-Station. „Bis gleich!“ „Ja, danke, bis gleich.“ Das Gefühl, die Auskunft anzurufen, um nach der Nummer eines Firmenchefs zu fragen, war ein ähnliches Gefühl wie in seiner Schuluniform in eben dessen Firma zu marschieren und von den Blicken der Leute verfolgt zu werden. Ja, natürlich sah er nicht so aus, als gehöre er hierher. Tat er ja auch nicht. Im Aufzug neben den zwei Miteingestiegenen auf die Taste für die Chefetage zu drücken, machte die Sache wahrlich nicht besser. Das hier war nicht seine Welt. Seto könnte das wahrscheinlich bei jeder Firma ohne jeglichen Gedanken, aber er sicher nicht. Er wäre am liebsten zu jeder Person gelaufen und hätte ihr erzählt, dass er nur hier war, um Babysitter für das Pflegekind des Chefs zu sein. Hatte er Minderwertigkeitskomplexe oder war das Gefühl wohl normal? Mit Seto hier durchzurennen war voll in Ordnung gewesen – allein was total anderes. Wenigstens kannte er den Weg und musste nicht fragen. Er grüßte die Sekretärin, die ihn nun doch wiederzuerkennen schien und sich entschuldigte, dass sie seine Stimme am Telefon nicht erkannt hatte. Irgendwie wollte sie partout nicht hören, dass das komplett in Ordnung war, wo sie ihn doch erst einmal gesehen hatte. Sie ließ ihn ohne weitere Umschweife zum Chef vor. „Katsuya“ Noah erhob sich lächelnd. „Gerade rechtzeitig. Ich muss los. Falls mit Isamu etwas ist, hier ist meine Handynummer“ Er gab ihm im Vorbeigehen einen Zettel. „Ich bin in spätestens fünfzig Minuten wieder da. Lass dich nicht fressen!“ Huh? Der Blonde sah blinzelnd auf die hinter ihm zufallende Tür. Wie … wie jetzt? Einfach so? Er rührte sich für einige Sekunden nicht. Er sollte sich um seinen Neffen kümmern? Jetzt? Hier? Sofort? Ohne eine Erklärung? Katsuya sah sich im Raum um. Hoffentlich schlief er … das Babyquieken zerstörte seine Hoffnung. Er schluckte, atmete tief durch und setzte sich zur Babyspielwiese, die auf dem Boden ausgebreitet war. Isamu lag dort und kaute gerade auf einem Stoffwürfel herum, der anderthalb mal so groß wie sein eigener Kopf war. In einer kleinen Pause quietschte er noch einmal auf, strahlte Katsuya an und biss wieder in sein Spielzeug. Lächelnd strich der Jugendliche mit seinem Zeigefinger über den Kopf des Kindes. Schien, als wäre er in guten Händen. Auch wenn Noah hier gerade so raus gerauscht war und ihn einfach im Regen hatte stehen lassen, konnte sich Katsuya nicht vorstellen, dass er nicht doch sehr verantwortungsvoll mit Isamu umging. Und mit seiner Schwester? Wann hatte er sie eigentlich das letzte Mal gesprochen? Als er sie her gebracht hatte? Nein, er hatte ihr von der Trennung erzählt … irgendwie schien das alles Jahre weg. Dabei war es letzte oder vorletzte Woche gewesen. Manchmal war das Leben schon etwas komisch. Aber wenn man vom Teufel sprach, nicht wahr? Katsuya begann breit zu grinsen, als er sah, wer gerade das Büro betreten hatte. „Großer Bruder!“ Shizuka grinste ebenso, schmiss ihre Tasche zur Seite und sank vor ihm auf die Knie, um ihm die Arme um die Schultern zu werfen. „Guten Nachmittag, Schwesterchen“ Er hielt sie mit einem Arm und stützte sich mit dem anderen. „Na, wie war dein Tag?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)