Delusive Society von Gepo (Dritter Teil der DS-Reihe) ================================================================================ Kapitel 25: Telefon ------------------- Ferien. Gott sei gepriesen für diese Erfindung. Seit jeher wurde der Sabbat geheiligt und nun auch Weihnachten. Ich weiß, manche haben etwas gegen den religiösen Hintergrund - ich empfinde das alles als schöne Traditionen. Ich wünsche allen am Samstag eine frohe Weihnacht. ACHTUNG!!! Innerhalb der nächsten Tage wird "Tote Gesellschaft" erscheinen. Es sollte schon lange da sein, aber die Druckerei stresst -.- Neue Infos gibt es stets in meinem Weblog! Over ^.- _________________________________________________________________________________ „Also, wirklich Probleme habe ich jetzt nicht ... es ist nur ... klingt es zu weibisch, wenn ich sage, dass du mir fehlst?“, begann Yami. „Ich? Wir haben ... na ja, stimmt schon, wir haben uns eine Woche lang nicht gesehen. Sonst bin ich zwei- oder dreimal die Woche bei dir aufgeschlagen. Aber die Schulferien waren auch nie groß anders, nicht?“ Katsuya rutschte auf der Couch hinab, legte den Kopf auf eine Lehne und rückte sich die Kissen zurecht. „Nun ... gewissermaßen ... weißt du, ich kenne da halt niemanden. Ich habe noch nie in einem Team gearbeitet. Ich bin völlig unsicher, wie ich mich überhaupt verhalten soll. Alle erwarten von mir, dass ich weiß, wen ich wie zu grüßen habe, wen wie anzusprechen, wie viele Pausen ich machen soll, was dringend ist und was weniger ... aber mir ist das alles völlig neu. Ich hatte noch nie eine Arbeitsstelle, ich war immer selbstständig. Aber die glauben natürlich alle, dass ich mit sechsundzwanzig schon massig gearbeitet habe. Und ich will denen auch nicht sagen, dass ich mich prostituiert habe. Ich weiß nicht mal, was ich genau sagen soll. Bisher konnte ich der Frage gut ausweichen, aber jetzt glauben alle, dass ich über mich nichts erzählen will und fremdle. Die Arbeit ist super einfach, aber die anderen Leute machen mich echt fertig. Ich bin niemand, der einfach ganz natürlich Teil eines Teams wird ... mir macht das echt Angst. Ich will nichts falsch machen. Aber egal, was ich mache, es scheint einfach alles immer schlimmer zu machen. Ich glaube, ich werde noch drei oder vier Anläufe brauchen, um wirklich von Anfang an einen guten Eindruck zu hinterlassen. Nur habe ich so viele Möglichkeiten für Praktika dann auch wieder nicht ...“ Yami atmete tief durch. „Und ich weiß immer noch nicht, was ich überhaupt mal machen will. Ich bin jetzt im Design, das ist schon lustig und ich kann sogar mitreden, aber dieser Druck dort ist echt unangenehm. Wer nicht kreativ genug ist, darf wieder gehen. Ich habe mal nachgefragt, ein Angestellter hält dort durchschnittlich zwei Jahre, dann wird er ersetzt. Ehrlich, die haben mehr Durchgang als ein Bordell. Und jetzt habe ich morgen ein Gespräch mit Noah und ich habe schreckliche Angst, dass er mir sagt, dass das Team mich nicht aushält, weil ich mich so bescheuert anstelle. Was soll ich machen, wenn er sagt, dass ich nicht wiederkommen soll? Was, wenn ich morgen einfach ohne jede Arbeit dastehe? Ich habe all meinen Freiern mitgeteilt, dass ich nicht mehr in die Prostitution zurückkehre. Aber wenn ich arbeitslos wäre, dann könnte ich mir diese Wohnung nicht leisten. Und ich würde völlig durchdrehen, ich weiß jetzt ja schon nicht, was ich mit mir anfangen soll. Ich komme abends nach Hause und habe nichts zu tun. So viele Bücher kann ich dann auch nicht lesen. Ich überlege, ob ich nicht vielleicht einen Nebenjob als Kellner nehmen soll oder so. Aber ich kann ja auch nicht ewig weiter Praktikum machen. Erst recht nicht, wenn ich mich so blöd anstelle“ Erneut atmete Yami tief durch. „Katsuya?“ Die Stimme klang weinerlich. Der größtenteils Schweigende brummte zustimmend. „Ich hätte nie gedacht, dass normal sein so schwierig ist. Die Umstellung hat mir schon immer Angst gemacht, weil es einfach etwas völlig Neues ist und finanziell auch nicht ganz so sicher, aber ... ich hätte nie gedacht, dass es so furchteinflößend ist. Ich habe echt jeden Morgen eine Panikattacke, ob nicht vielleicht doch irgendwer sagen wird, dass ich nicht da rein passe und verschwinden soll“ Yami seufzte. „Weißt du, in der Prostitution ist es relativ klar, was du tun sollst. Du fragst deinen Kunden nach seinen Wünschen und passt dich dementsprechend an. Die meisten sagen dir sogar ins Gesicht, was sie haben wollen. Jetzt muss ich nachdenken, wie ich mich zu verhalten habe, wie die Hierarchien sind und wie die einzelnen zueinander stehen. Und wie die Arbeitsmoral überhaupt aussieht. Früher hatte ich einfach Abrechnungen nach Stunden, also war eine Nummer eine oder zwei Stunden und die habe ich terminlich hintereinander gelegt. Jetzt will ich gern nützlich sein, also arbeite ich mich völlig ab, aber das finden die anderen komisch. Die wollen, dass ich einfach eins nach dem anderen erledige und mich freue, wenn es nichts zu tun gibt. Das ist völlig verquer für mich. Jede Minute, wo ich früher keinen Freier hatte, war vergeudete Zeit. Das ist eine völlig andere Art zu leben. Ich ... das ist einfach echt schwer für mich.“ „Ich hätte nie gedacht, dass du solche Schwierigkeiten haben würdest“ Katsuya legte sich ein Kissen unter den Kopf, da sein Hals durch das verkrümmte Liegen etwas wehtat. „Ich hab‘ mir noch nie so viele Gedanken gemacht. Ich habe einfach alles genommen, wie es gekommen ist. Sowohl im Sixth Heaven als auch in der Kaiba Corp. ... na ja, ich hatte auch immer jemanden, der mich eingearbeitet hat. Die Person habe ich dann alles Wichtige gefragt und fertig.“ „Das macht wahrscheinlich einen Heidenunterschied. Noah hat mich vorgestellt und dann stand ich mit dem Team allein da. Ich klappere immer nur alle ab und frage, ob es was gibt, ob ich etwas tun kann, an was ich teilnehmen darf ... ich habe keine Aufgaben und keinen Ansprechpartner.“ „Dann ist es auch kein Wunder, dass das nicht läuft“ Katsuya drehte sich auf die Seite und legte das Handy auf eine Wange. „Ich mein‘, ich hab‘ ja jetzt auch nicht die super Erfahrung, aber zu wissen, was man tun soll oder jemanden zu haben, an den man sich hängt, ist schon echt hilfreich. Bei deinem nächsten Praktikum solltest du auf jeden Fall gucken, dass das da ist. Dann läuft das sicher viel besser. Und dann weißt du auch schon halbwegs, wie der Hase läuft.“ „Wenn ich ein nächstes Praktikum habe ...“ Der Andere seufzte. „Dass ich jetzt morgen ein Gespräch mit Noah habe, macht mir echt Sorgen. Freitag meinte der Abteilungsleiter plötzlich, dass der Chef mich morgen früh sehen wolle. Was soll ich mir denn jetzt denken?“ „Nichts. Vielleicht will er einfach nur fragen, wie es so läuft. Vielleicht macht er sich Sorgen. Vielleicht hat er wirklich gehört, dass es Probleme gibt und will wissen, wieso – und darauf weißt du ja jetzt die Antwort.“ Außerdem war Noah nicht der Typ Mensch, der rücksichtslos mit anderen umging. Selbst jetzt, wo er wahrscheinlich von der Sache mit dem Betrug wusste, hatte er Yami nicht einfach zum Teufel gejagt. Die beiden hatten sich nie wirklich verstanden, aber Noah hatte trotzdem sofort ja gesagt, als Yami ihn nach einem Praktikum gefragt hatte. Selbst wenn er Yami nicht mochte, er war ihm so weit wichtig, dass er ihn dabei unterstützen wollte, die Prostitution hinter sich zu lassen. Also würde er ihn morgen nicht gnadenlos feuern, das konnte sich Katsuya nicht vorstellen. „Na gut. Und selbst wenn, ich werde ja wohl hoffentlich irgendwo ein Praktikum kriegen. Ich weiß eh nicht, was ich will, also kann ich mich auch überall bewerben. Irgendwann finde ich schon meine Leidenschaft.“ „Das klingt schon eher nach dir“ Ein Grinsen legte sich auf Katsuyas Züge. „Es tat gut, mit dir zu reden. Irgendwer musste mich wohl mal wieder auf den Boden der Tatsachen holen. Die Woche war echt hart ... zwischenmenschlich gesehen wurde mir der Lernstoff echt eingedroschen“ Ein Glucksen erklang. „Ich habe mich den ganzen Tag aufgeregt, aber jetzt bin ich wieder ruhig.“ „Weißt du, du kannst auch anrufen, wenn was ist, okay?“ „Werde ich“ In Yamis Stimme schwang so viel Zuneigung mit, dass Katsuya unwillkürlich mitlächeln musste. „Okay, was ist dein Problem?“ „Meins ... ist etwas komplizierter“ Er atmete tief durch, setzte sich auf und beugte sich nach vorne, wobei er seinen Blick aus dem Fenster wandte. „Ich bin vorgestern festgenommen word-“ „Was?“, unterbrach Yami ihn entsetzt, „Und das sagst du erst jetzt? Geht es dir gut?“ „Ja, ich bin nur wenige Stunden in der Wache gewesen. Es war ... weißt du, ich habe ihnen Bakura als meinen Verwandten angegeben, der mich rausholen würde.“ „Warst du von allen guten Geistern verlassen?“ Das Entsetzen in Yamis Stimme klang nicht minder als bei seinem letzten Satz. „So ziemlich“ Katsuya seufzte und fuhr sich durchs Haar. „Seto hatte ich gerade erst vor Isis Augen auf nimmer Wiedersehen gesagt und bei dir wusste ich nicht, ob sie dich nicht kennen und wie das mit deinem Ausweis ist. Also ... habe ich halt Bakura genannt. Und der ist auch prompt gekommen und hat mich rausgeholt.“ „Einfach so?“ „Einfach so“ Wenn er jetzt darüber nachdachte, es war schon verwunderlich ... „Er hat mich mit zu sich genommen und ich durfte da bleiben. Er hat Seto informiert, aber genaue Grenzen gesetzt, was er erwartet, bevor er mich rausrücken würde.“ „Das ist ... untypisch. Aber er hat eine Schwäche für missbrauchte Kinder. Vielleicht erschienst du ihm in dem Moment so“ Yamis Stimme klang irgendwie zurückhaltend und vorsichtig. Er ahnte wahrscheinlich, dass das Ende nicht gut sein würde. „Seto ist völlig betrunken aufgetaucht. Bakura hat ihn abgewiesen, aber er wurde immer aggressiver. Also hat Kura einen Warnschuss abgefeuert und die Tür zugesperrt.“ „M- Moment mal ... ich hatte es schon richtig verstanden, dass du jetzt bei Seto bist, oder?“ Es schwang ein Hauch von Panik in der Stimme mit. „Tja ... ich war halt erstmal weiter bei Bakura. Nur ... dann habe ich ihn wütend gemacht“ Vom anderen Ende der Leitung kam ein kurzes Jaulen, was sofort unterdrückt wurde – ob Bakura auch Yami schonmal geschlagen hatte? „Ryou ist dazwischen gegangen, als Bakura auf mich einschlug“ War das echt erst gestern gewesen? Es erschien Jahre entfernt. „Darauf hat Bakura ihn mitgenommen und ... ich ...“ „Katsuya?“ Er atmete tief durch. Es war seine verdammte Schuld. Seine. Er fuhr fort: „Er hat ihn vergewaltigt. Und ich bin weggerannt.“ „Du schämst dich“ Das war keine Frage. Das war eine Feststellung. Direkt und ohne eine Sekunde des Überlegens. „Das würde ich auch. Aber ich bin froh, dass du es getan hast.“ „Weil ich noch lebe?“ Eine Hand schien sich um Katsuyas Hals zu legen und zuzudrücken. „Und Ryou? Ich weiß nicht einmal, ob ... ob er noch ...“ „Er lebt noch. Ganz bestimmt. Bakura ist ein Monster, wenn er in Rage gerät, aber er würde seinen Bruder nicht töten. Da bin ich ganz sicher“ Das hatte Seto auch gesagt. Dass er ihm wahrscheinlich nur das Bewusstsein genommen hatte. „Du wirst ihn morgen in der Schule sehen“ Yami atmete tief durch. „So was wie die Scorpions und Bakura sind zwei ganz andere Kaliber. Ich gebe zu, die vier bewaffneten Kerle anzugreifen, die mich vergewaltigt haben, war auch schon waghalsig, aber bei Bakura wäre es tödlich gewesen. Es war richtig, sich in Sicherheit zu bringen.“ Hm ... sie hatten wohl Recht. Seto, Yami, der Arzt ... er atmete tief durch. Er hatte das Richtige getan. Auch wenn er Bakura von Anfang an nicht hätte wütend machen sollen. Das war verdammt dumm gewesen. Er hauchte eine Zustimmung ins Handy. „Obwohl ich mir eher über diese Sicherheit Sorgen mache“, sprach Yami weiter, der Ton wieder etwas ruhiger, „bist du zu Seto gerannt?“ Bämm. Schlag vor der Kopf. Ehrlich – das hörte sich wie der größte Mist an. Nach den Ereignissen war er zu Seto gerannt? War er noch ganz klar im Kopf? Zu neunzig Prozent Wahrscheinlichkeit wäre der Kerl besoffen und aggressiv gewesen. Wie musste das bloß jetzt bei Yami ankommen? „Ja, bin ich. Ich ... ich wusste irgendwie, dass er nach Bakuras Aktion wieder normal sein würde. Ich weiß, das war schon gefährlich. Aber ... es ist halt Seto ... ähm“ Irgendwie verbesserte das alles seine Situation nicht gerade, oder? „Macht das Sinn?“ „Nein“ Yami seufzte. „Du bist auf gut Glück zu Seto gerannt. So wie du sonst immer auf gut Glück zu mir rennst. Nur ist der Unterschied, dass mein Problem ist, manchmal nicht da zu sein – Setos Problem ist etwas gefährlicher.“ „Na ja ... aber trotzdem ...“ „Katsuya, bitte komm bei so etwas zu mir. Ehrlich ... übrigens kannst du mich auch anrufen, solltest du bei der Polizei sitzen. Ich habe einen gültigen Ausweis – mittlerweile“ Er konnte Yami am anderen Ende der Leitung praktisch den Kopf schütteln sehen. „Aber Seto war zurechnungsfähig?“ „Ja. Er hatte sich ausgenüchtert und mich gerade abholen wollen. Es-“ Katsuya atmete tief durch. „Weißt du, es ist einfach unglaublich, wie ... wie umwerfend Seto ist, wenn er sich anstrengt. Wenn er nicht labil oder betrunken oder sauer ist, dann ... verdammt, ich liebe ihn.“ „Schon klar“ Der Andere seufzte. „Trotzdem ... pass bitte auf dich auf. Ich vermute, darauf hin habt ihr euch ausgesprochen?“ „Uhm ... nein, das haben wir heute morgen. Aber ich habe das Gefühl, dass das jetzt erstmal halten wird. Ich glaube nicht, dass Seto seine Meinung plötzlich ändert. Er ist auf kaltem Entzug ... obwohl ich vermute, dass der Psychiater das morgen umstellt. Anscheinend gibt es da Medikamente ... oder? Yami, wie macht man einen Entzug?“ „Mit Medikamenten und einem kurzen Aufenthalt von wenigen Tagen“ Yami atmete tief in den Hörer. „Ich vermute mal, dass sie Seto diesmal wirklich da behalten. Zumindest bis Donnerstag oder Freitag. Wird das ein Problem für dich?“ „Hm ... ich denke nicht. Nachdem ich Seto heute erlebt habe, bin ich, glaub‘ ich, froh, wenn er den Entzug dort macht. Es ist etwas erschreckend, wenn er zittert und sich andauernd mit weit aufgerissenen Augen umschaut.“ „Ich habe das bei Seto zum Glück noch nie gesehen. Wenn ich an die Leute zurück denke, die ich erlebt habe, dann kannte ich sie meist nur als betrunkene Wracks oder mit Entzugserscheinungen. Ich habe nie einen nicht oder nur leicht betrunken gesehen. Ich kann mir Seto nicht einmal wirklich betrunken vorstellen ... ich gebe zu, ich kenne ihn aggressiv, aber ... ich glaube, ich will ihn nie so erleben. Nun, wenn er morgen in Therapie geht, werde ich das wohl auch nicht“ Eine Türklingel war zu hören – da Katsuya sie kannte, war es wohl Yamis und nicht seine eigene. „Huh? Wer ist das denn?“ „Besuch. Dann kümmer‘ dich mal um deine Gäste.“ „Mach‘ ich. Halt die Ohren steif, ja?“ „Unter anderem“ Katsuya grinste. „Ich will von deinem Sexleben nichts wissen“ Das Lächeln war dennoch durchs Telefon zu hören. „Ta-ta!“ „Ja, du Tunte“ Die Antwort war das Besetztzeichen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)