Delusive Society von Gepo (Dritter Teil der DS-Reihe) ================================================================================ Kapitel 24: Ein langer Tag -------------------------- Ich lebe noch *v* Der Stress neigt sich dem Ende, die letzte Woche Uni, bevor ich Weihnachten fröhnen darf ^.- Die Uni ist derzeit echt eine Scheußlichkeit, ich hasse mein Studium, aber das Leben geht wohl weiter ... na ja, nicht meckern, hinnehmen. Ich hoffe, ihr habt Spaß mit dem Kapitel und dass es euch besser geht als mir ^.- _________________________________________________________________________________ „Und jetzt?“, wandte sich Katsuya an den Arzt. „Jetzt ... bin ich verwirrt. Ich gebe zu, es war hoch dosiert, aber so schnell tritt normalerweise keine Wirkung ein. Ich würde ihn wirklich gern in einer Klinik sehen gerade“ Der Arzt legte eine Hand an sein Kinn. „Aber ich vertraue anderen Ärzten gern. Sie werden schon wissen, was sie da tun“ Er drehte sich zu Katsuya. „Wie geht es dir?“ „Mir?“ Dieser blinzelte verwirrt. „Gut. So ... im Allgemeinen. Ja, doch. Die letzte Woche hat es hier ziemlich gekriselt, deswegen Setos Rückfall, aber sonst ... ich denke, es hat sich geklärt. Jetzt geht es wieder bergauf.“ „Hm“ Der Arzt legte eine Hand auf seine Schulter. „Lassen wir ihn etwas ruhen“ Er deutete mit einer Hand auf die Tür und sie verließen das Zimmer, um zurück in die Küche zu gehen. „Ich kann mir vorstellen, dass es nicht leicht ist, mit Herrn Kaiba zu leben.“ „Och, das geht schon in Ordnung. Es ist wahrscheinlich auch nicht leicht, mit mir zu leben“ Katsuya zuckte mit den Schultern und überprüfte kurz den Herd – zum Glück hatte er ihn vorhin noch nicht angestellt. Er wusch sich die Hände und begab sich zur Schüssel mit Hackfleisch. „Es gibt Tage, da ist es echt schwer mit ihm. Aber es gibt auch Tage, da würde ich nirgendwo anders sein wollen. Das hält sich die Waage.“ „Bist du zufrieden mit dem Leben, was du jetzt hast?“ Der Arzt nahm am Tisch Platz. „Ich denke“ Er warf ein Lächeln über die Schulter. „Gerade bin ich glücklich und erschöpft. Glücklich, weil Seto mir verziehen hat und erschöpft, weil er plötzlich diese Attacke hatte. Aber so ist das meistens. Freudig und ängstlich, geborgen und verzweifelt ... wie nannte Seto das? Ein dichotomes Gefühlserleben oder so.“ „Diese negativen Gefühle machen mir etwas Sorgen. Ich will ehrlich sein, Katsuya. Ich weiß nicht, ob du bei Herrn Kaiba gut aufgehoben bist“ Der Herr verschränkte die Finger und legte sie vor sich auf den Tisch. „Ich gebe zu, ich habe noch nie gesehen, dass sich Herr Kaiba so um jemanden gekümmert hat wie um dich, nur ... ich komme nicht umhin, Angst um dich zu haben.“ „Was soll denn das heißen?“ Katsuya warf ihm einen feindseligen Blick zu. „Natürlich ist Seto nicht perfekt, aber er ist besser als ein Großteil der Menschheit.“ „Das war kein Angriff, Katsuya. Ich wollte nur sagen, dass ich jedes Mal, wenn ich euch beide zusammen sehe, ein ungutes Gefühl habe. Wie eine Vorahnung. Ich sehe ja, dass ihr sehr gut miteinander zurecht kommt, nur ... ich weiß nicht einmal, wie ich es beschreiben soll. Solltest du jemals mit jemandem sprechen wollen oder Hilfe brauchen, kannst du dich gern an mich wenden, das wollte ich damit nur sagen.“ „Oh ... okay. Danke“ Er blinzelte und konzentrierte sich wieder auf das Essen. „Da wäre ... nein ... also, mal eine Frage. Es geht nicht um mich, keine Sorge. Da macht mir nur etwas Gedanken“ Er schmiss kleine Fleischkugeln in die Pfanne. „Wenn zu ihnen ein junger Mensch kommt und sie stellen fest, dass er vergewaltigt wurde ... was machen sie dann?“ „Ist dir das passiert, Katsuya?“, fragte der Arzt ruhig. „Nein“ Er schickte ihm einen etwas genervten Blick. „Es geht wirklich um einen Freund und nicht um mich. Bitte antworten Sie einfach nur.“ „Nun gut“, erwiderte der Arzt nach einer längeren Pause, in der er den Jugendlichen prüfend angesehen hatte, „dann werde ich einfach nur antworten. Zuerst einmal ist wichtig, wie ich das mit der Vergewaltigung festgestellt habe. Hat der junge Mann es mir erzählt? Oder kam er wegen der Verletzungen, die ich dann behandle?“ „Uhm ... sagen wir, er sagt es. Oder der, der ihn hinbringt, sagt es.“ „Das macht wieder einen großen Unterschied. Wenn er mir es selbst sagt, dann ist ihm klar, dass ihm eine unrechte Gewalt angetan wurde. Wenn ein anderer es sagt oder ich es selbst feststellen muss, kann es sein, dass die Person das völlig herunterspielt. Wenn der Junge es herunter spielt, dann kann ich nur etwas tun, wenn ich glaube, dass er in akuter Lebensgefahr ist, wenn ich ihn gehen lasse. Und dann auch nur, wenn er jünger als sechzehn ist. Ansonsten kann ich ihn nur behandeln und mit ihm reden.“ Gut. Ryou war erst fünfzehn. Und er war auf jeden Fall in Lebensgefahr. „Und wenn er nun jünger als sechzehn und in Lebensgefahr ist?“ „Rufe ich das Jugendamt und die Polizei an. Er wird in Obhut genommen, so der Täter in der Familie zu vermuten ist, und der Täter – so feststellbar – festgenommen. Die Staatsanwaltschaft klagt den Täter an, es wird ermittelt und ein Gerichtsverfahren eingeleitet“ Ein Moment des Schweigens verging. „Möchtest du mir vielleicht erzählen, was die Umstände deines Freundes sind?“ Wollte er? Der Doktor konnte eh nichts tun. Bakura festnehmen zu lassen und die beiden zu trennen, das war keine Option. Ryou würde völlig eingehen. Das hielt er nicht aus. Andererseits, wer wusste, was Bakura ihm alles antat ... „Er ... er lebt bei seinem Bruder. Der ist alles, was er hat. Er hängt extrem an ihm. So sehr, dass ... dass er sich wahrscheinlich töten würde, würde man sie trennen. Aber der Bruder ist unglaublich gewalttätig und er ... er hat halt vor meinen Augen ...“ Das restliche Fleisch in seiner rechten Hand quoll zwischen seinen Fingern hervor, als er die Hände zu Fäusten ballte. „Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Aber alles, was mir einfällt, würde dafür sorgen, dass ihm etwas passiert.“ „Hm-mh“ Der Arzt nickte. „Das Gefühl kenne ich gut. Ich bin Allgemeinarzt. Ich behandle die Großmutter, den Vater, Kinder und Enkel. Ich bin nicht blind. Ich sehe, dass viele Familien nicht so laufen, wie sie es sollten. Aber ich stehe vor demselben Problem – was ich auch tue, es würde das Leben meist nicht verbessern. Ich kann mit den Eltern reden, ihnen Hilfe anbieten, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen nennen, ich kann den Kindern die Nummer des Jugendamts geben, aber selbst kann ich doch nichts tun. Ich darf erst einschreiten, wenn die Verletzungen das Kind wirklich zutiefst gefährden“ Katsuya klatschte den Rest des Fleisches in die Pfanne, wusch seine Hände und setzte sich zum Arzt an den Tisch, während dieser sprach. „Wenn die Eltern von mir keine Hilfe annehmen, nehmen sie die auch nicht von Jugendamt. Das heißt, irgendwann kommt es zur Entscheidung, ob das Kind bei den Eltern oder in den Alternativen dazu besser lebt – und traurigerweise ist die Missbrauchssituation meist die bessere Lösung. Das zu akzeptieren, fällt oft schwer.“ „Ich könnte das nicht aushalten“, erwiderte Katsuya in vollem Ernst. „Es ist schwer, das gebe ich gern zu. Dein Freund kann sich aus seiner Situation nur selbst befreien, indem er sich von seinem Bruder löst. Sollte er natürlich in ernsthafter Lebensgefahr schweben, ist zu überlegen, ob nicht trotzdem Anzeige erstattet werden sollte. Ich schlage vor, dass du dich da mit Herrn Kaiba berätst. Er kann das sicher auch gut einschätzen“ Der Herr beugte sich vor und legte eine Hand auf Katsuyas Schulter. „Allerdings hat er bis heute überlebt. Missbrauchssituationen tendieren dazu, nicht unbedingt schlimmer zu werden.“ „Also ... soll ich einfach gar nichts tun?“ Die Stirn unter dem blonden Haar legte sich in tiefe Falten. „Du solltest mit ihm reden. Vielleicht sagt er dir ja auch, dass er in Wirklichkeit aus der Situation entkommen möchte. Auch du konntest dich ja von deinem Vater lösen.“ „Ich habe ihn auch gehasst“ In seine Stimme mischte sich Aggression. „Und dennoch hast du erst mit neunzehn Anzeige gegen ihn erstattet“ Der Arzt lehnte sich zurück. „Solche Dinge brauchen Zeit, auch wenn sie von außen unaushaltbar erscheinen.“ Katsuya seufzte. Erneut. Wenn er genau darüber nachdachte, tat er das ungefähr alle dreißig Sekunden. Jedes Mal, wenn er sich an die Worte erinnerte, dass er nichts tun konnte, als einfach nur abzuwarten und zuzusehen. Ryou gut zusprechen und bangen und hoffen. Einfach nur daneben stehen und sich Sorgen machen. Klasse. Vielleicht konnten Frauen so etwas, aber er war ein Kerl. Er wollte irgendwem in die Fresse schlagen und das Problem damit gelöst wissen. Und am liebsten Bakura ... wenn er nicht unbedingt so eine scheiß Angst vor den Konsequenzen hätte. Bei allen Göttern, was er dafür geben würde, wenn Seto einfach ein paar Stunden stabil wäre. Der hätte sicher eine Lösung und würde auf magische Weise alle Probleme lösen. Seto konnte so etwas. Seto konnte alles. Seto hatte keine Angst davor, Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, um sein Ziel zu erreichen. Er sah niemals etwas als hoffnungslos an, bis er es nicht ausprobiert hatte. Seto gab es einfach nicht in verzweifelt. Seto wusste immer, was zu tun war. Zumindest, so lange er psychisch auf der Höhe war. Nicht so wie jetzt. Jetzt brauchte Seto mal Beistand. Und er war der einzige, der helfen konnte. Mokuba war nicht mehr da. Yugi war nicht mehr da. Yami war nicht mehr da. Nur Noah und Yumi konnten ihm ansonsten noch irgendetwas sagen. Doch beide hatten ein eigenes Leben. Sie würden nur im schlimmsten Notfall da sein. Also hing es an ihm. Was auch immer den großen Seto neben dem Alkohol und dem Betrug aus der Bahn warf, er musste es richten. Oder zumindest da sein, damit Seto es selber richten konnte. Beginnend mit einer Portion Spagetthi mit Fleischklößchen. Wenn Klein-Seto Alkoholentzugssymptomatiken einfach wegknipsen konnte, konnte der das mit Psychopharmaka vielleicht auch. Wenn Seto wieder ansprechbar war, würde er bei dessen Psychiater einen Termin für morgen ausmachen. Er würde den Brief mit der Krankschreibung ans Schulamt und den an seine Schule fertig machen. Und er sollte mal raussuchen, wie sie morgen zu dieser Klinik kommen würden, wenn Seto nicht Auto fahren durfte. Er sollte dringend einen Führerschein machen. Das nur ganz nebenbei. Wenn er auch mal die Lösung jedes Notfalls werden wollte, musste er alles beherrschen und tun dürfen. Auto fahren war da ja wohl eine Grundvoraussetzung. Nur wäre das noch etwas, was er auf Setos Kosten tun würde ... andererseits tat er das auch für Seto. Also wenn der einverstanden war, sollte er das machen. Er füllte einen tiefen Teller mit einer Portion Spagetthi und kippte die Sauce darüber. Bewaffnet mit Löffel und Gabel – europäische Gerichte pflegte Seto auch mit europäischem Besteck zu sich zu nehmen – begab er sich nach oben und klopfte vorsichtig. Er trat ein, obwohl er keine Antwort erhalten hatte. „Seto?“ Er kam näher. „Bist du wach?“ Keine Reaktion. Er stellte das Essen zur Seite und prüfte zuerst einmal Setos Atmung. Okay, war da. Bewusstsein? Er rüttelte an dem Liegenden, was nur ein undefiniertes Geräusch hervor rief. Gut ... der große Seto war abgeschossen. Wie bekam er jetzt den Kleinen raus? Stets half der erfinderische Geist. Seto durchzukitzeln hatte ihm einen recht müde wirkenden, aber geistig anwesenden kleinen Seto beschert, der brav und mit Freude seine Spagetthi aß. Der konnte ihm zwar nicht sagen, wie die Klinik hieß, in der er gewesen war, aber zumindest den Namen des Arztes. Vielleicht konnte man den ja im Internet finden. Nachdem er Seto also wieder eingepackt hatte, setzte er sich an den PC und begann zu suchen. Arzt und Klinik waren schnell gefunden, einen Termin für morgen konnte er auch ausmachen, sobald bei der Dame im Dienst der Name Kaiba gefallen war. Nur gab es absolut keine Möglichkeit außer einem Taxi dahin zu kommen ... er musste morgen mal Seto fragen, wie das geplant war. Morgen früh würde das Zeug jawohl halbwegs aus seinem System sein, oder? Er seufzte und fuhr den PC wieder runter. Und jetzt? Was machte er jetzt? Er atmete tief durch. Hinter ihm schien sich ein schwarzes Loch zu öffnen, das wie ein großes Maul versuchte, ihn zu verschlingen. Dissos? Wahrscheinlich ... Seto würde ihm kaum helfen können. Wenn, dann musste er sie selbst abhalten. Er ging runter ins Wohnzimmer und sah sich um. Konsole spielen? Für die Woche vorkochen? Fernsehen? Er warf einen Blick nach draußen. Was könnte er ... ah! Er zog sein Handy heraus und wählte den dritten Eintrag im Telefonbuch. Nach viermal klingeln meldete sich eine leise, vorsichtige Stimme: „Katsuya?“ „N‘Abend“ Der Blonde setzte sich aufs Sofa. „Na, wie war deine erste Woche?“ „Gut, danke“ Ein Glucksen folgte. „Und deine? Irgendwelche Besserungen?“ „Wir sind wieder zusammen“ Katsuya lächelte, bevor sich seine Stirn in Falten legte. „Glaube ich. Man kann nie wissen. Heute Morgen war er bereit, sich wieder auf mich einzulassen. Dann wurde er zu Klein-Seto, hatte einen Krampfanfall wegen Dissoziationen und wurde vom Arzt mit irgendetwas abgeschossen, weswegen er jetzt nicht mehr ansprechbar ist. Also ... ich glaube, wir sind zusammen.“ „Das klingt nach einem anstrengenden Tag“, erwiderte Yami mit Mitgefühl in der Stimme, „und nicht so schrecklich rückversichernd. Aber es erleichtert mich sehr, dass er sich wieder eingekriegt hat.“ „Wir haben trotzdem Mist gebaut“ Katsuya wurde leiser. „Ich weiß, ich wollte dir nur einen Anstoß geben, dass du endlich mit der Prostitution aufhörst. Hat ja auch funktioniert. Aber wir haben Seto trotzdem ziemlich weh getan damit. Er dachte, er wäre nicht genug und dass ich ihn satt bin und noch viel mehr Blödsinn.“ „Du findest wirklich nichts an mir, oder?“ War das Trauer in Yamis Stimme? Hatte er ihm nicht klar gemacht, dass da nichts ... ja, hatte er, aber Gefühle stellte man nicht einfach ab. Yami war zwei Jahre in ihn verliebt gewesen. Wenn das ungefähr so war wie das, was er für Seto empfand, wäre das die absolute Hölle. Er war ja nach einer Woche ohne seinen Freund völlig am Ende. „Yami, du bist mein bester Freund. Du bist immer für mich da und verflucht attraktiv. Das ist nicht nichts. Das ist nicht das, was ich als meinen festen Freund möchte, aber das, was mir als Mensch super wichtig ist. Okay?“ War das jetzt gut ausgedrückt? Er hatte das schonmal im Kopf formuliert, irgendwann vorletzte Woche mal, weil er schon ahnte, dass das nochmal Thema sein würde. Ein Hoch auf Vorausdenken. „Danke ... weißt du ... ach, nein, nicht so wichtig. Wie geht es dir jetzt?“ „Was ist los, Yami?“ „Du hast genug am Hals. Ich brauch‘ dir nicht auch noch meine Probleme dazu schmeißen“ Ja, ja, so wie immer – Yami opferte sich für ihn auf. Genug damit, das Spiel hatten sie zwei Jahre gespielt. Das hatte sie erst in die Situation gebracht, in der sie jetzt waren. „Schmeiß mal. Ich habe auch noch welche im Gegenzug.“ „‘Kay ... magst du anfangen?“ „Yami ...“ Er versuchte den besten genervten Ton, den er draufhatte. Viel schauspielern musste er nicht. „Okay, okay, ich erzähl ja schon!“ Hosted by Animexx e.V. 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