Delusive Society von Gepo (Dritter Teil der DS-Reihe) ================================================================================ Kapitel 13: Schwarzer Kater --------------------------- Willkommen zu einem neuen Kapitel ^.^ Ich nage derzeit ziemlich am Zahnfleisch, weil ich Ferien brauche. Und die kriege ich nächste Woche (Freitag bis Sonntag der darauf folgenden). Daher wird es nächstes Wochenende kein Kapitel geben. Ich hoffe, dass ich aus den Ferien in alter Frische zurückkehre und mich wieder voller Enthusiasmus allem widmen kann :) Ich wünsche viel Spaß mit diesem Kapitel, warne aber vor, dass es nicht für ganz leichte Gemüter ist! _________________________________________________________________________________ Katsuya stellte lächelnd das Essen auf den Tisch und rief: „Fertig!“ Eine zweite Chance ... Seto gab ihm echt eine zweite Chance! Er hatte die Designerteller gedeckt, das Besteck akkurat auf Servietten platziert und die Spagetthi mit der Sauce angerichtet. Ob er noch ein paar Kerzen anmachen sollte? Oder war das zu viel? Ja, wahrscheinlich zu viel. Seto wollte mit ihm ja erst einmal Regeln besprechen. So, wie er Seto kannte, würde das eine Verhandlung werden. Keine Romantik. Nur eine nüchterne Diskussion. Aber das war völlig okay. Das Setting war perfekt. Ob Seto ihm vergeben hatte? Oder zumindest entschieden hatte, dass es für sie beide leichter war, wenn sie es noch einmal versuchten? Verdammt, er war aufgeregt ... er sollte aufpassen, dass er nicht unwillentlich zu allem ja sagte, nur weil er Seto unbedingt zurück haben wollte. Das würde diesem auch nicht gefallen und auf Langzeit nicht funktionieren. Aber er war bereit, Seto wortwörtlich die Sterne vom Himmel zu holen, wenn er es wünschte. Ah, endlich. Schritte auf der Treppe. Er hatte ja nur zur Toilette gehen wollen. War wohl länger geworden. Wahrscheinlich hatte er sich die passenden Worte zurecht gelegt. Katsuya wandte sich lächelnd zur Küchentür. Seine Mundwinkel fielen. Seine Lider weiteten sich. Sein Körper erzitterte. Seine Kehle zog sich zusammen, sodass er nicht sprechen, nicht einmal atmen konnte. Mit dem Ausdruck des Entsetzens wandte sich sein Kopf von rechts nach links, ließ dabei den Blick stets auf Seto ruhen. Die knappe Sekunde, die er im Vorbeigehen zu sehen war, streckte sich wie eine Ewigkeit. Wie in Zeitlupe schien er die anderthalb Schritte zu machen, die ihn durch das Sichtfeld der Küchentür brachten, bevor er zur Haustüre verschwand. „Ich habe keinen Hunger mehr. Iss allein“, warf dieser in den Raum, ohne sich noch einmal zu zeigen. Es folgte das Geräusch von Polyester auf Baumwolle, als er seinen Mantel überzog und von Sohlen auf Holz bei den Schuhen. „S- Seto ... deine Wange ...“ Katsuya wusste nicht, ob diese Worte laut oder leise seiner Kehle entwichen. Er wusste nicht einmal, ob er sie überhaupt aussprach. Der Schock saß noch immer in seinen Knochen, ließ ihn wie paralysiert in der Küche stehen. „Ein Malheur. Warte nicht auf meine Rückkehr“ Das Klimpern des Schlüssels. „Au revoir.“ „Nein!“ Der Jüngere gab sich einen Ruck und rannte zum Flur. „Du kannst jetzt nicht gehen!“ „Und warum, wenn ich fragen darf, du Schlaumeier?“ Seto verschränkte die Arme und sah auf ihn hinab. „Weil ... weil du getrunken hast ... du kannst jetzt nicht Auto fahren ...“, erwiderte er schwach. Scheiße. Was sollte er denn sagen? Er konnte ja kaum einen klaren Gedanken fassen bei diesem Anblick. Er schien ja ganz normal bis auf all dieses Blut ... dieses Blut auf Wange, Hals, im Hemd ... „Das ist lang genug her.“ „Du blutest“ Es war mehr eine Feststellung als ein Argument. Katsuya konnte den Blick nicht davon wenden. Warum war die Wunde wieder aufgerissen? War Seto das selbst gewesen? Nur warum ... warum sie aufreißen, warum wieder kalt werden, warum wieder alles von vorne ... hatte er es nicht durchgestanden? Waren sie nicht endlich an dem Punkt angekommen, wo sie versuchten, wieder glücklich zu sein? Tränen schossen in Katsuyas Augen und ihm fehlte die Kraft, sie zu unterdrücken. „Erinnerst du dich an deine erste Nacht hier? Da habe ich dir gesagt, dass du mir nichts zu befehlen hast. Stell dir vor, daran hat sich nichts geändert“ Seto rümpfte die Nase und schüttelte den Kopf. „Du bist unbelehrbar. Aber das habe ich ja schon als Lehrer gewusst. Bei dir ist Hopfen und Malz verloren. Geh zurück in die Welt, in die du gehörst.“ Er drehte sich um und verließ das Haus. „Heilige Guan Yin!“ Ayumi entgleisten die Gesichtszüge, während sie geschockt vor ihm stehen blieb. „Ins Krankenzimmer. Sofort“ Sie packte seinen Arm und zog an diesem, jedoch blieb er stehen. Nach ihrem bösen Blick über die Schulter gab er jedoch nach und ließ sich mitziehen. Sie schleppte ihn die zwei Etagen nach unten, bevor sie an der großen, offen stehenden Tür klopfte und ihn hinein schob. „Jesus!“ Isis sprang auf und bekreuzigte sich. „Was ist passiert?“ Katsuya schnaubte nur und wandte lasch den Kopf in Richtung des Spiegels. Hey, corpse paint ... ohne Schminke. Scheiße, er war echt zu. Er atmete tief durch und seufzte. Er brauchte Koks und sei es nur, damit er danach roch. Wenn er wenigstens sagen könnte, er hätte irgendetwas genommen. Er schmiss sich auf die Liege, schloss die Augen und bewegte sich einfach nicht mehr. „Was ist passiert?“, wandte sich Isis etwas leiser an Ayumi. „Keine Ahnung. Ich habe ihn so gesehen und sofort hergeschleppt. Ich weiß nicht, was mit ihm los ist ... soll ich Ryou holen?“ „Hm ... nein. Nein. Ich danke dir, dass du ihn hergebracht hast. Ich werde mit ihm reden.“ „Kriegen Sie ihn wieder hin?“ Ayumi klang wie ein kleines Mädchen, das den Teddy genäht haben wollte. „Mal sehen. Wenn nicht ich, dann Herr Kaiba. Die beiden haben einen guten Draht.“ Er hatte zwar die Augen geschlossen, aber er konnte das Lächeln praktisch hören. Blöde Kuh. Die hatte doch keine Ahnung. Seto und er einen guten Draht? Lachhaft. Zweite Chance? Eine einzige Farce. Sie hatten alle keine Ahnung. Sie wussten alle nichts. Sie konnten es nicht verstehen. Keiner wusste, wie es war, in seiner Lage zu sein. „Katsuya? Hörst du mich?“ Natürlich hörte er sie, war sie doof? „Würdest du mich bitte ansehen, wenn ich mit dir rede?“ „Wozu? Kommt doch eh nur blödes Psychogelaber, dass ich an meine Zukunft denken sollte und ob es mir nicht wehtut, anderen so vor den Kopf zu stoßen und wie ach-wie-scheiße ich mal wieder aussehe“ Er öffnete die Lider und sah zu ihr. „Was vergessen?“ „Was ist passiert?“ Sie zog sich ihren Stuhl heran und setzte sich darauf. „Geht Sie nichts an“ Er wandte den Blick ab. „Wie du willst. Dann werde ich Herrn Kaiba anrufen“ Sie drehte sich in Richtung ihres Schreibtisches. „Nein!“ Er fuhr hoch, griff nach ihren Arm und zog so fest, dass sie gegen die Liege schmetterte. Scheiße. „Tut ... tut mir Leid“ Er atmete tief durch und ließ sie los. „Ich sollte gehen. Ich will dir nicht weh tun.“ Isis, die einen Schritt zurück getreten war, um außer Reichweite zu sein, schluckte und betrachtete ihn mit zitterndem Blick. Sie schien einen Moment mit sich zu ringen, bevor sie fragte: „Was hat er getan?“ Hm ... Katsuya atmete tief durch und leckte sich über die Lippen. Tja ... was hatte er getan? Nichts, nicht wahr? Sich die Wunde wieder aufgerissen. Ihn allein gelassen. Ihm Hoffnung gegeben und genommen. Scheiße. Warum war er so abhängig von dem Kerl? Er ließ sich zurück auf die Liege fallen, drückte die Handballen gegen seine Augen und atmete tief durch. „Katsuya ...?“ Das Geräusch eines Schrittes. „Fass mich nicht an!“ Klack. Klack. Sie war mit beiden Beinen zurückgewichen. Er konnte ihren zittrigen Atem hören. Ebenso ihr Schlucken. Es war totenstill im Raum. Er drehte sich zur Seite, zog die Beine an und murmelte: „Lass mich einfach hier liegen ...“ Einen Moment lang passierte nichts. Doch nur wenig später zog sie den Stuhl zurück an ihren Schreibtisch und nahm dort Platz. Sie schwieg. Das Öffnen der Tür riss Katsuya aus seinen Gedanken. Er ließ die Lider trotzdem geschlossen. Wehe, jemand wollte ihn stören. Allein schon, weil er Gefahr lief, die Person zu verletzen. „Guten Morgen“, grüßte Ryou freundlich, „wie geht es ihm? Was hat er?“ Isis seufzte nur. Wahrscheinlich schüttelte sie den Kopf. Das hatte er letztes Schuljahr oft genug gesehen. Ihre Stirn würde in leichten Falten liegen, die Augenbrauen zusammen gezogen, den Blick auf ihn hinab – brennendes Mitleid. Aber sie konnte nicht mitleiden. Sie hatte keine Ahnung, was er mitmachte. Was er fühlte. Dieser Schmerz ... das konnte sie nicht verstehen. Das konnte keiner verstehen. „Katsuya?“ Die Stimme war ganz nah. Hatte sie ihn wirklich in seine Nähe gelassen? „Antworte, bitte.“ „Ich bin gerade ohne Leine. Ich könnte dir an den Hals springen“, gab Katsuya trocken zurück. „Hat Herr Kaiba dich heraus geworfen?“ In der Stimme lag ehrliche Besorgnis. Warum hatte ein Stück Scheiße wie er bloß so gute Freunde? Er verdiente sie nicht. „Bitte, Katsuya ... antworte.“ Der Blonde drehte sich zur Seite weg. Vielleicht war es besser so. Vielleicht sollte er sie verletzen, damit sie ihn allein ließen. Vielleicht war es besser, wenn er sie nie wieder sah. Er zog sie doch nur in den Dreck. Er war ein Abgrund, in den manche schon zu lange gestarrt hatten. Er war ein Monster. „Ich denke, er braucht mehr Zeit. Er macht die Dinge mit sich selbst aus.“ „Aber nur, wenn er glaubt, niemanden zu haben“ Ryous Stimme wurde lauter. „Katsuya, ich bin hier. Ich bin dein Freund. Ich mache mir Sorgen. Bitte, rede mit mir.“ Wenn es nur so einfach wäre ... wenn irgendetwas lösbar wäre, wenn man einfach nur darüber sprach. So gut waren Menschen nicht. Sie hatten Gefühle und die waren es, die sie leiteten. Da konnte man noch so viel nachdenken, seine Gefühle dachte man nicht weg. Die waren immer da. Und die waren verletzt, enttäuscht und völlig ausgebrannt. Er wollte einfach nur, dass alles zu Ende war. Diese Schmerzen, immer wieder aufs Neue gequält zu werden. Jeden Tag aufzuwachen in dem Wissen, dass es nur wieder weh tun würde. Jeden Tag in die Sonne zu sehen und nur das Brennen in den Augen, nicht die Wärme auf der Haut zu spüren. Jeden Tag dem gegenüber zu treten, der einen schuldig und schlecht fühlen ließ. Er konnte das nicht schultern. Nicht ertragen. So wie er selbst ein Abgrund war, so war das Leben mit Seto ein Abgrund. Man starrte hinein und er starrte schamlos zurück. Man versank in der Dunkelheit und den Fall hielt keiner auf. Er wusste nur nicht, ob er schon aufgeschlagen war oder ob es noch tiefer ging. Ach, was für eine metaphorischer Mist – er lag hier rum und versank in Selbstmitleid. Hatte er nichts Besseres zu tun? Seto hatte ihn verlassen. Punkt. Aus. Es gab kein Zurück. Warum ging das nicht in seinen verdammten Schädel? Warum rannte er einem Kerl hinterher, der ihm nur weh tat? Glaubte er ehrlich, er würde jemals Vergebung finden? Von ihm? Seto? Das Mann schnitt sich lieber regelmäßig die Wange auf statt auch nur daran zu denken. Ob er ihm wohl hatte vergeben wollen? Ob er einen Hauch von Vertrauen gefasst hatte? Natürlich war beides vergessen im Anblick seiner Narbe. Dafür hatte er sich die ja gegeben. Als Erinnerung nie wieder Nähe zuzulassen. Er hatte gewusst, dass er schwach werden würde. Dass er verzeihen wollen würde. Also hatte er vorgesorgt. Damit so etwas nie passiert. Wie hatte er auch nur für einen Moment glauben können, alles würde gut werden? So lange diese Narbe existierte, so lange würde Seto ihn verletzen, um ihn auf Abstand zu halten. Katsuya strich über die eigene Narbe an seiner Stirn. Und hatte er nicht gelernt, niemandem nachzurennen, der einen verletzte? „Danke, dass Sie mich angerufen haben.“ Er war da. Wirklich da. Katsuya hatte das Gespräch gehört, aber er hatte nicht gedacht, dass Seto wirklich kommen würde. Es wäre eher seine Art gewesen, nein zu sagen und ihn hier verrotten zu lassen. „Was ist mit Ihrer Wange passiert?“, fragte Isis erschrocken. „Ein Unfall beim Rasieren“, log Seto ohne jedes Stolpern. „Hm ... nun gut. Meine Intention war nicht unbedingt, Sie herzurufen. Irgendetwas ist geschehen und es hat mit Ihnen zu tun. Solange ich keine Erklärung habe, lasse ich Katsuya hier nicht fort“, deklarierte Isis. „Das hört sich fast so an, als würden sie vermuten, ich hätte ihm das angetan“ Setos Stimme war ruhiger, dunkler und leiser als zuvor. „Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll. Ich weiß nur, dass es ihm nicht gut geht. Ich bin besorgt“, besonders der letzte Satz klang so, als würde sie eher vollkommen von Setos Schuld ausgehen. In ihm schwang Bissigkeit und Aggression mit. Und theoretisch hatte sie damit nicht einmal Unrecht. Nur hatte Katsuya sich das selbst zu verschulden. „Katsuya?“ Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Rot. Ein Klirren. Seto war gegen den Glasschrank mit Medikamenten geknallt. Ein ähnlicher wie der, den Katsuya hier das letzte Mal zerstört hatte. Isis schrie auf und drückte sich an die Tür hinter sich. Der Blonde währenddessen fand sich auf seinen Füßen wieder, während er seine Hände zu Fäusten ballte. „Du fasst mich nicht an“, erklärte er vollkommen ruhig, als würde er beiläufig über das Wetter sprechen. Setos Lider verengten sich. Seine Lippen presste er zu einer Linie zusammen. Seine Augen bebten. Seine Finger knackten, als er sie zu seiner Handfläche zog. Sein Unterkiefer spannte an, ließ die Haut darüber zittern. Er sog langsam, aber hörbar die Luft ein. Der Brustkorb hob sich, der Rücken wurde durchgedrückt und er stieß sich von dem Schrank hinter sich ab. Sein Blick fixierte den Blonden, als er einen Schritt auf ihn zumachte. „Na los, komm her“ Katsuya hob die Unterarme und winkte ihn heran. „Schlag zu. Lös‘ die Probleme mit Gewalt. Es ist ein bewährtes Prinzip. Trink, schlag‘ mich und weil du es bist – fick‘ mich“ Er verbreiterte seinen Stand. „Ich bin ganz dein. Tu alles, was du in deiner Erziehung für richtig erachtest“ Das nächste Wort spie er dem Stehengebliebenen praktisch vor die Füße. „Vater.“ Seto atmete tief durch, löste die Fäuste und drückte irgendetwas Imaginäres Richtung Boden, bevor er sprach: „Okay ... dann auf deine Art. Ich schlage dich nicht und ich vergewaltige dich nicht. Ich bin nicht dein Vater. Ich bin scheiß wütend auf dich, aber ich kann mich beherrschen.“ „Ach wirklich?“ Katsuya lachte hohl. „Darf ich dir einen Schnaps anbieten? Das hilft dir sicherlich darüber hinweg.“ „Katsuya, auch betrunken bin ich kein Monster. Ich will dir nicht wehtun“ In Setos Stimme schwang Verärgerung mit. „Dafür brauchst du auch keinen Alkohol. Du schaffst es ohne gut genug. Aber mit schaffst du es glatt noch besser“ Er schnaubte. „Warum endet es jedes Mal, wenn ich denke, es könnte endlich gut werden, in einer noch größeren Katastrophe?“ „Wenn du zu deinem Vater zurück möchtest, dort ist die Tür“ Seto wies mit einer Hand darauf. „Es steht dir frei zu gehen.“ „Ich hasse dich“ Tränen quollen über. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich so schnell breche, aber bitte, du hast es geschafft. Du bist wirklich ein Meister darin, Leuten wehzutun“ Er trat mit zwei Schritten zu Seto, legte eine Hand auf dessen Wange, lehnte sich vor und setze einen Kuss auf dessen Lippen. „Leb wohl, Seto.“ Isis trat zur Seite, als er das Krankenzimmer verließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)